Volk und Politik, Verschwörungen, viel Gegenwind – und das Best-of
13.04.2019
Ladies and Gentlemen
Eine aufregende Woche liegt hinter uns.
SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher stellte ein juristisches Löschbegehren für unseren Faktencheck ihrer Rede («3 Seiten, 30 Lügen»). Vielleicht wird sie klagen. Wir halten dagegen: Systematische Unwahrheiten im politischen Diskurs sollen als Lügen bezeichnet werden dürfen.
Die ETH veröffentlicht vertrauliche Berichte, die das gravierende systemische Versagen in der Affäre Carollo bestätigen, spricht von «Transparenz» und «Fairness». Gleichzeitig startet sie PR-Gegenmassnahmen in anderen Medien und droht mit juristischen Schritten gegen unsere Recherchen. Wir halten an unseren Recherchen fest – und recherchieren weiter.
Ein Kommunikationsberater versucht, mit wirren Unterstellungen – nicht das erste Mal, übrigens – die Glaubwürdigkeit der Republik zu untergraben. Wir veröffentlichten unter seinem Traktat den E-Mail-Verkehr im Original, damit sich jeder und jede selber ein Bild machen kann.
Nun, wir nehmen all diesen Gegenwind als Kompliment. Denn er zeigt auch: Die Republik wirkt, sie ist unbequem und unabhängig.
Und es gibt auch Erfreuliches: Der European Newspaper Congress kürt die Republik zum «European Digital Publishing Start-up of the Year». Die Jury lobt das mutige Crowdfunding und «den Fokus auf journalistische Qualität». Ausserdem sind unsere Recherchen zum Bündner Baukartell für den Zürcher Journalistenpreis nominiert. Wir bedanken uns herzlich!
Und damit zum Angebot von heute:
Die Schweizer Gesellschaft ist eigentlich ganz erfolgreich im 21. Jahrhundert angekommen. Nur in der Politik weht regelmässig der Hauch der 1950er-Jahre. Über gleich zwei homophobe Vorlagen werden wir bald abstimmen müssen: das Referendum gegen die Ausweitung der Rassismusstrafnorm und die wiederauferstandene CVP-Initiative zur Heiratsstrafe. Letztere, schreibt Daniel Binswanger, hat wenigstens ein Gutes: Jetzt muss die CVP die Suppe auslöffeln, die sie sich ohne Not eingebrockt hat.
Wir befassen uns zudem in einem dreiteiligen Schwerpunkt mit Verschwörungstheorien. Wer verbreitet sie? Wie verbreiten sie sich? Und verfangen sie? Mark Eisenegger und Lisa Schwaiger von der Universität Zürich liefern Hintergründe zu Verschwörungstheorien in der Schweiz. Michael Butter hat sich mit den Argumenten, Strategien und dem Netzwerk des Schweizer Historikers Daniele Ganser befasst. Und Tomas Bächli analysiert anhand eines Youtube-Videos, wie Musik unsere Gefühle beeinflussen kann.
Dominic Nahr nimmt Sie in seiner Fotokolumne heute mit nach Obo, einem kleinen Dorf in der Zentralafrikanischen Republik.
Was wir diese Woche sonst noch im Angebot hatten – hier der Rückblick:
Die Rubrik «Auf lange Sicht» widmet sich der «schönsten Klimagrafik der Welt» – und zeigt anhand verschiedener Farbvisualisierungen, was die Wahrnehmung von Grafiken zur Klimaerwärmung absichtlich oder unabsichtlich beeinflusst.
Der Brexit ist und bleibt ein Schrecken ohne Ende, der Austritt Grossbritanniens aus der EU ist erneut verschoben worden. Die Briten können Europa, wenn sie wollen: Zu diesem Schluss kommt die Historikerin und Autorin Helene von Bismarck in ihrer Analyse gegen historische Stereotypen: «Das Klischee vom ewigen Störenfried».
Wie denken Menschen in England, Schottland und Irland über den Brexit? Die Videoserie «Tuvia bei den Briten» zeigt eine verstörende Mischung aus Leere, Stillstand und Perspektivlosigkeit – und sie polarisiert. Am Montag zeigen wir den sechsten und letzten Teil und laden zur Debatte ein mit Filmemacher Tuvia Tenenbom.
«Klar zu missbilligendes Geschäftsgebaren der Bank Sarasin»: klare Worte des Richters im Cum-Ex-Prozess am Zürcher Bezirksgericht – der in den Hauptpunkten mit Freisprüchen für jene endete, die den Milliardenbetrug an Europas Steuerzahlern aufdeckten. Unser Reporter Carlos Hanimann hat den Prozess für die Republik beobachtet: «Geheimnisverrat, aber keine Spionage».
In den acht Jahren als UBS-Chef verdiente Sergio Ermotti insgesamt 94 Millionen Franken – eine sagenhafte Summe. Dabei laufen die Geschäfte der UBS wenig berauschend. Lukas Hässig porträtiert den mächtigsten Banker der Schweiz, der internen Widerspruch aus dem Weg geräumt hat und sich mit Managern umgibt, die ihm nicht gefährlich werden können: Sergio Ermotti, der Pistolero der Finanzbranche.
Empfehlen können wir Ihnen auch das Schlendern durch das Republik-Feuilleton – diese Woche widmete sich Daniel Binswanger in einer Buchrezension der Frage: Wer rettet den Kapitalismus? Barbara Villiger Heilig besuchte in Venedig ein Theaterstück mit Wucht. Karin Cerny berichtet über weibliche Art brut – jene Kunstrichtung, die vor allem in psychiatrischen Kliniken entstanden ist. Und der «Preis der Republik» ging diese Woche an einen Knallkopf – nein, nicht Roger Köppel.
Wir wünschen Ihnen gute Lektüre und ein erholsames Wochenende.
Ihre Crew der Republik
Binswanger: Das Volk ist weiter als die Politik
Verschwörungstheorien: Sie fragen ja nur