Zusatzbööggen braucht das Land!
Wer ist der letzte Garant für Ordnung, Tradition und Klimavernunft? Eine Laudatio auf den Böögg.
Von der Republik-Jury, 11.04.2019
Sehr geehrter Preisträger
Sehr geehrte Verlegerinnen und Verleger
Sehr geehrte Damen und Herren
Es sind dramatische, verzweifelte, im wahrsten Sinn überhitzte Zeiten. Die Schweizer Sommer werden immer mediterraner, Glaziologen von der Universität Zürich publizieren apokalyptische Messungen zur Gletscherschmelze, die Jugend weiss nichts Besseres, als für den Planeten die Schule zu schwänzen, in den Schweizer Parlamenten kommt es zu erdrutschartigen Verschiebungen ins rot-grüne Lager. Und wo herrscht da noch Beständigkeit und Zukunftsgewissheit? Wer hält das Versprechen aufrecht, dass der Sommer weiterhin frostig und das Leben weiterhin geordnet bleibt? Es gibt in der Schweizer Öffentlichkeit eigentlich nur mehr zwei ernsthafte Kandidaten: den Köppel und den Böögg.
Roger Köppels Verdienste um die Leugnung der Erderwärmung können natürlich nicht hoch genug geschätzt werden. Das Geschwätz von der «Klima-Kolchose», das Twitter-Sperrfeuer, die NZZ-Interviews? Alles sehr beachtlich. Einzig mit der Gelassenheit hat er es nicht so. Immer in der Hitze des Gefechts! Immer mit der rhetorischen Anmutung eines selber überhitzten Dampfkochtopfs! Und wie, bitte schön, soll uns die Negierung der Klimaapokalypse Trost und Halt geben, wenn sie abgestritten wird, nur um Platz zu machen für die Europa-Islam-Migrations-Apokalypse?
Man möge es also nachsehen, wenn der Preis der Republik diesmal trotz allem nicht dem feurigen SVPler, sondern dem letzten wirklich coolen Erwärmungsleugner zugesprochen wird – umso mehr, als Köppel von der Jury ja schon grosszügig bedacht worden ist. Die Auszeichnung dieser Woche gebührt nur Ihnen, verehrter Böögg, Opfergabe des Frühlingsbeginns, Kernstück des lokalzürcherischen Folklorebestandes und ganz plötzlich unverhofftes, hochpolitisches Symbol eines verantwortungsvollen Konservatismus in Sachen Klimaprognose.
Da sind Sie am Montag einsam auf dem Scheiterhaufen gestanden, konnten nicht anders und haben mit Leib und Leben Zeugnis abgelegt für eine Grosswetterlage ohne Angst und Schrecken. 17 Minuten 44 Sekunden liessen Sie sich Zeit bis zur Vorhersage eines kalten, regennassen Sommers – ein Akt der Besinnung, ein Akt der Entschleunigung, ein Flammenopfer der Standhaftigkeit.
Sie mögen ein Knallkopf sein, und das im Wortsinn, aber ein Hitzkopf sind Sie nicht. Ihre Prognosen mögen beliebig sein, aber Sie haben auch nie die Komödie aufgeführt, Sie seien ernst zu nehmen. Sie mögen mit Ihrer alljährlichen Wiederkehr nur noch Langeweile verbreiten, die Innenstadt lahmlegen, die armen Pferde erschrecken, aber Sie besuchen keine Talkshows, schreiben keine Editorials und bemühen ausser dem Timing des einen grossen Bums auch keine Schwachsinnsdiskurse oder Scheinargumente. Alles in allem sind Sie unaufdringlich im Auftritt, ökonomisch im Mitteleinsatz, uneitel und traditionsbewusst: Was kann man mehr verlangen!
Oberflächliche Geister könnten glauben, Sie seien nichts als ein Pappkamerad, gestopft mit Holzwolle und ein paar Knallchargen. Aber nein, lieber Böögg, Sie sind der einzige Vertreter der Klimalüge mit Glaubwürdigkeit und Stil. Wie schon ausgeführt: Die Konkurrenz schläft nicht, aber nur Ihnen gebührt der Preis. Wir gratulieren!
Das ist umso beachtlicher, als Sie auf eine lange Karriere zurückblicken können. Seit Jahrhunderten sterben Sie den rituellen Flammentod, und ausgerechnet Sie lassen sich nicht beirren von der Erderwärmungshysterie. Vielleicht hat es ja damit zu tun, dass Sie im Zentrum von zwar sehr traditionsreichen, aber doch auch merkwürdigen Festlichkeiten stehen.
Schliesslich gilt das Sechseläuten als das grosse Zürcher Volksfest – und es ist wohl das einzige Volksfest der Welt, das unter Ausschluss des Volkes stattfindet. Die Patrizier der Stadt – oder jedenfalls das, was von ihnen übrig geblieben ist – organisieren ihren Umzug, ihre Reiter, ihre nächtelangen Gelage und Saubannerzüge. Und das vulgum pecus? Schaut zu. Bekommt mit etwas Glück ein Weggli zugeworfen. Isst, wenns hochkommt, auf der Strasse noch eine Bratwurst oder ein Raclette – und geht dann zeitig wieder nach Hause.
Etwas weniger zwinglianische Städte dagegen haben einen Karneval – dessen Sinn ja genau darin besteht, dass für ein paar durchzechte Nächte die Standesschranken aufgehoben werden, dass unten und oben sich verkehren, dass alle nur noch feiern. Ja, so liessen wir uns sagen: An anderen Orten dieser Welt dürfen an den richtig grossen Feten sogar Frauen teilnehmen!
Wie definierte doch der grosse Kulturtheoretiker Michail Bachtin den Karneval? Als Aufhebung des Unterschiedes zwischen «Teilnehmern und Zuschauern», als «Suspendierung aller hierarchischen Strukturen», als gesegneten Moment «des freien und intensiven Kontakts» zwischen allen Gliedern, Gruppen und Geschlechtern eines Volkes.
Nun, verehrter Böögg, Ihnen in der erhabenen Einsamkeit des Scheiterhaufens entlockt das natürlich nur ein abgeklärtes Lächeln. In Zürich herrscht eben Ordnung – und die wird am Sechseläuten nicht aufgehoben, sondern zelebriert. Wahrscheinlich geht es Ihnen ja genau wie uns: Alten betrunkenen Herrschaften in noch älteren Kostümen beim Paradieren zuzusehen, empfinden vermutlich auch Sie als eher mässig berauschend. Aber Sie folgen Ihrem Auftrag, Sie stehen zu Ihrer Pflicht: Anstatt sich in den Flammentod zu stürzen, der Sache möglichst schnell ein gnädiges Ende zu bereiten, bleiben Sie standhaft, zögern den Moment hinaus, versprechen den Menschen wider alle Vernunft und Wahrscheinlichkeit den Segen frostiger Nächte und traurig verregneter Sommer.
Das, lieber Böögg, ist die Führung, von der andere immer nur faseln. Wir brauchen keine exaltierten Dampfplauderer, wir brauchen lakonische Knallchargen. Wir brauchen keine alternativen Fakten, wir brauchen den alles klärenden Bums!
Wir verneigen uns, wir bekunden unseren Respekt. Zusatzbööggen braucht das Land – und alle Klimahysterie wäre besiegt!
Illustration: Doug Chayka