Neutralität, Krieg und die Russland-Schweiz-Connection: Die Recherche. Dazu: Der Wochenkommentar, Nachrichten aus Kiew, eine neue Folge der Podcast-Serie und ein TV-Tipp
05.03.2022
Ladies and Gentlemen – and everyone beyond
Am 24. Februar marschierte die russische Armee in der Ukraine ein – und begann damit den grössten Landkrieg auf europäischem Boden seit Ende des Zweiten Weltkriegs.
Damit folgt eine Jahrhundertkrise nahtlos auf die letzte: Zwei Jahre zuvor, am 25. Februar 2020, registrierte die Schweiz ihren ersten Covid-Fall.
Damals wie heute war für uns klar: Die Republik muss reagieren – schnell, entschlossen und ohne lange über das Geschäft nachzudenken. Darum machen wir diesen Wochenend-Newsletter – das Filetstück des Magazins – bis auf weiteres frei und kostenlos abonnierbar für alle, die ihn möchten.
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Ausserdem hat die Bildredaktion in den letzten Tagen die Telefone heisslaufen lassen. Das Ergebnis: Mehrere Illustratorinnen in der Ukraine zeichnen ab sofort jede Woche ein Bild für diesen Newsletter. Den Anfang hat Anna Ivanenko gemacht. Mehr zu ihr lesen Sie weiter unten im Newsletter.
Damit zur Sache. Heute haben wir zur Ukraine:
Wie die Schweiz ihrem besten Ruf gerecht werden wollte, aber ihr schlechtestes Bild abgab. Am Montag vollzog die Eidgenossenschaft eine ziemlich spektakuläre Kehrtwende: Sie übernahm alle EU-Sanktionen gegen Russland. Noch vier Tage zuvor sah es danach aus, als würde die Schweiz die guten Geschäfte priorisieren – und gerade mal so viel tun, wie es unbedingt sein muss, um in Europa nicht völlig isoliert dazustehen. Unser Inlandteam hat recherchiert: Wie vernetzt ist die Schweizer Exportwirtschaft mit Russland? Wie viel russisches Geld liegt wirklich hier? Was heisst Neutralität heute? Und was hat das alles mit Triebwerken für russische Kampfjets zu tun?
Nachrichten aus Kiew. Lesha hat in Kiew eine Aufgabe gefunden, um den Kopf etwas freizubekommen. Geschlafen wird derzeit zu Hause – dort hat sich unser Fotograf mit seiner Frau Agata nach der «2-Wände-Regel» eingerichtet. Folge 3 der Fotokolumne «Leben in Trümmern», die erscheint, wann immer es geht.
«Am Putin-Wahn muss die Welt nicht zugrunde gehen. Eher schon am Schröder-Syndrom.» Daniel Binswanger stellt in seinem Wochenkommentar eine ausgesprochen unangenehme Frage: Kann man im Fall der Schweiz noch von Komplizenschaft mit Russland sprechen? Oder sind wir schlicht und einfach Mittäter? Denn Demokratien haben eigentlich eine Wertebasis, die man nicht mit Rohstoffhandel, Tiefsteuersätzen und Finanzdienstleistungen für Oligarchen verteidigt.
Dass Wolodimir Selenski mal einen Präsidenten spielte, bevor er Präsident der Ukraine wurde, ist ja mittlerweile weltweit bekannt. Pläne fürs Wochenende? Jetzt kann man sich die Serie «Diener des Volkes» auf Arte ansehen. Unsere Feuilleton-Redaktorin Theresa Hein hat sie sich angesehen und findet: Ihr Humor ist dort am stärksten, wo er gar nicht geplant war.
Diese Woche hatten wir ausserdem zum Ukraine-Krieg im Angebot:
Die Raketen und Panzer, mit denen Russland die Ukraine angreift, sind nicht vom Himmel gefallen: Der Westen hat die russische Aufrüstung über die letzten Jahrzehnte erst möglich gemacht – mit seinem massiven Konsum von russischem Öl und Gas und mit seiner Toleranz gegenüber russischen Drohgebärden. Garri Kasparow schreibt über die viel zu vielen Jahre, die man Wladimir Putin gewähren liess.
Mitten in Kiew und überall in der Ukraine versuchen Menschen, so gut es geht den Alltag zu überleben. Auch der Fotograf Lesha entschied sich, gemeinsam mit seiner Frau Agata zu bleiben – und berichtet darüber in seiner Fotokolumne für die Republik: vom Bleiben.
«Wir rechnen mit einem Einbruch der Wirtschaftsleistung von bis zu 20 Prozent»: Der Ökonom Janis Kluge, der die deutsche Regierung zum Ukraine-Krieg berät, spricht im Interview darüber, warum die westlichen Sanktionen Russland sehr hart treffen werden, warum Putin damit nicht gerechnet hat und wie sich die nächsten Wochen entwickeln könnten.
Der aktuell wohl beste Podcast zur Lage in der Ukraine, ein brillanter Überblick über die Geschichte des Landes und eine Antwort auf die Frage, ob der Westen tatsächlich seine Versprechen gegenüber Russland brach: eine sorgfältige Auswahl von Beiträgen aus vertrauenswürdigen Quellen, die jetzt etwas Klarheit schaffen.
Wenn einem der Krieg die Sprache verschlägt, kann Literatur helfen, das eigene Verstummen, die Fassungslosigkeit zu überwinden. Daniel Graf über zwei aktuelle literarische Veranstaltungen, die das deutlich zeigen – und an denen auch ukrainische Autorinnen hätten auftreten sollen.
Und zum Schluss:
Die Illustratorin dieses Newsletters heisst Anna Ivanenko. Sie lebt derzeit in einem Bunker in Kiew, wo sie das Leben mit dem Zeichenstift festhält. Zu dieser Illustration schreibt sie: «Es ist nun die fünfte Nacht in unserem neuen Zuhause. Wir schätzen uns glücklich, hier zu sein. Es ist warm hier, wir haben einen Platz zum Schlafen, Wasser, Essen, Toiletten und Licht. Dinge, die vielen Menschen derzeit fehlen. Es gibt Leute, die den Bunker zwischen zwei Sirenenalarmen verlassen, um in nahe gelegenen Häusern duschen zu gehen.»
So viel für heute. Bis nächsten Samstag.
Ihre Crew der Republik
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