Zwei Presserats-Rügen, ein Reporterpreis, die Gewinnschwelle und Sommarugas Drohung
Reaktionen auf die Republik.
06.07.2020
Wann immer Sie mit einem Beitrag der Republik unzufrieden sind, können Sie uns direkt kritisieren – dafür unter anderem ist unser Dialogforum da. Falls Sie der Ansicht sind, dass wir sogar gegen journalistische Standards oder gegen Gebote der Medienethik verstossen haben, können Sie sich aber auch an den Schweizer Presserat wenden. Die Organisation mit Sitz in Bern wacht über die Einhaltung des sogenannten Journalistenkodex, der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten».
Darin heisst es beispielsweise:
«Sie [die Journalistinnen] halten sich an die Wahrheit ohne Rücksicht auf die sich daraus für sie ergebenden Folgen und lassen sich vom Recht der Öffentlichkeit leiten, die Wahrheit zu erfahren.» (Ziffer 1)
«Sie veröffentlichen nur Informationen, Dokumente, Bilder und Töne, deren Quellen ihnen bekannt sind.» (Ziffer 3)
«Sie respektieren die Privatsphäre der einzelnen Personen, sofern das öffentliche Interesse nicht das Gegenteil verlangt.» (Ziffer 7)
Der Presserat nimmt auf Beschwerde hin oder von sich aus Stellung zur journalistischen Berufsethik. Alle Medienkonsumenten können an ihn gelangen, für Privatpersonen sind Beschwerden kostenlos. In seinen Entscheiden beurteilt und begründet der Presserat, ob und warum ein journalistischer Bericht in Presse, Radio, Fernsehen oder im Internet den Kodex verletzt. So garantiert das vom Staat unabhängige Gremium die freiwillige Selbstregulierung der Medienbranche.
Erstmals einen Artikel der Republik begutachtet hat der Presserat im Herbst 2018. Er erachtete damals eine Beschwerde gegen unsere Recherche über den Zuger Regierungsrat Beat Villiger als offensichtlich unbegründet und trat deshalb noch nicht einmal auf sie ein.
Ein weiteres Mal beschäftigte sich der Presserat im Januar 2020 mit der Republik, nachdem sich unsere Autorin Anja Conzett mit einer Beschwerde gegen den infamen Vorwurf wehrte, sie habe 2018 in der fünfteiligen USA-Reportage Passagen «erfunden und manipuliert». Der Presserat gab Conzett recht und beanstandete, der freie Mitarbeiter des Branchenblatts «Schweizer Journalist» habe mit seinen Behauptungen «gegen die Ziffern 1 (Wahrheit), 3 (Entstellen von Tatsachen, Anhören bei schweren Vorwürfen) und 7 (ungerechtfertigte Anschuldigungen)» des journalistischen Kodex verstossen.
Keine Redaktion, kein Journalist möchte eine Rüge des Presserats einfangen (schon gar nicht für den Verstoss gegen die grundlegende Ziffer 1). Das macht den Presserat so wichtig: Er ist eine Instanz. Und keine Redaktion, keine Journalistin, die sich professionellen Standards verpflichtet, möchte ihn missen. Er schützt die Berufsethik und kontrolliert das Handwerk.
Letzte Woche hat der Presserat nun zweimal gegen die Republik entschieden:
Im Mai 2019 publizierten wir den Schriftwechsel mit dem Mitarbeiter des Branchenblatts «Schweizer Journalist», um unsere Autorin Anja Conzett gegen die überzogenen Vorwürfe zu schützen. Der Journalist legte gegen diese Veröffentlichung Beschwerde ein und beanstandete zudem, der Mailverkehr sei abgeändert worden. Aus «Wir bedauern die Unschärfen und Fehler» (Original) sei zum Beispiel «Wir bedauern die festgestellten Unschärfen» (publizierte Version) geworden. Der Presserat hiess diese Beschwerde gut: Die Änderung sei dazu geeignet, den Eindruck der Leserschaft zu beeinflussen. Die Republik habe damit die Ziffer 3 (Quellenbearbeitung) und Ziffer 5 (Berichtigung) der «Erklärung» verletzt. Die Veröffentlichung des Schriftverkehrs dagegen beurteilte der Presserat angesichts der «massiven Vorwürfe» als «legitim».
Im zweiten Fall legte ein «Weltwoche»-Journalist gegen den Republik-Beitrag «Welcome to Switzerland, Mr Soros!» vom 5. November 2018 Beschwerde ein. Der Journalist machte geltend, ein Zitat von ihm sei aus dem Kontext gerissen worden. Der Presserat diskutierte die beanstandete Zitierung kontrovers – und hiess die Beschwerde gut: Autor Christof Moser habe gegen Ziffer 3 (Unterschlagen von wichtigen Informationselementen) verstossen, indem er ein Zitat in einen anderen als den ursprünglichen Zusammenhang stellte, ohne die Auslassung für Leser deutlich zu machen.
Ob wir mit allen Erwägungen einverstanden sind oder nicht, spielt keine Rolle: Der Presserat hat immer recht. Wir bedanken uns für seine Arbeit.
Der Presserat kommt zum Schluss, dass wir in einem Fall die Ziffer 3 (Quellenbearbeitung) verletzt haben. "Wir" heisst hier konkret: ich. Merci für die Aufarbeitung, lieber Presserat - gut dass ihr auch uns kritisch auf die Finger schaut. 🙏 twitter.com/PresseratCH/status/1278336163846160388
Gleich zwei Republik-Journalistinnen engagieren sich übrigens für den Presserat. Gerichtsreporterin Brigitte Hürlimann ist Stiftungsrätin. Und Politikreporter Dennis Bühler ist Mitglied der deutsch-italienischsprachigen 1. Kammer. Bei Beschwerden gegen die Republik tritt er in den Ausstand.
Zum weiteren Echo auf die Republik:
«Die gefährlichste Frau der Schweiz?» von November 2019
«Der Schweizer Reporterpreis 2020 geht an Carlos Hanimann für die fünfteilige Reportage ‹Die gefährlichste Frau der Schweiz?›, erschienen in der ‹Republik›. (…) Die Jury schreibt, die Serie besteche durch den sprachlich uneitlen, aber recherchetechnisch aufwendigen Blick in die Mühlen der Schweizer Justiz. ‹Die Jury möchte ausdrücklich die Ausdauer, die Hartnäckigkeit und den Mut der journalistischen Arbeit honorieren, die sich in Hanimanns Text widerspiegeln›.» (Persönlich.com vom 11.06.2020)
«Wer managt in Bern die Corona-Krise?» vom 15.05.2020
«Ausgerechnet im Corona-Krisenstab des Bundesrats, dort, wo die wichtigen Diskussionen geführt und die Grundlagen für die Entscheidungen des Bundesrats ausgearbeitet werden, sind die Stimmen der Frauen kaum vertreten. Das zeigt eine Recherche des Onlinemagazins ‹Republik›: Der Krisenstab ist aus verschiedenen Departementsmitgliedern, Mitgliedern der Bundeskanzlei und einem Vertreter der Kantone zusammengesetzt. Zwölf von ihnen sind männlich. Und nur zwei weiblich.» («Blick» vom 06.06.2020)
«Tödlicher Zufall» vom 28.05.2020
«Das Online-Magazin ‹Republik› warf die Frage auf, ob die vielen Ansteckungen im Zürcher Pflegezentrum Gehrenholz hätten verhindert werden können, wenn dort nicht eine Isolationsstation für externe Erkrankte eingerichtet worden wäre. Gabriela Bieri, die Chefärztin des Geriatrischen Dienstes der Stadt Zürich, verneint dies klar und betont: ‹Wir würden das nächste Mal wieder eine solche Station einrichten.›» (SRF Regionaljournal vom 29.05.2020)
«Das Online-Magazin ‹Republik› wirft Ihnen und Gesundheitsvorsteher Andreas Hauri Fahrlässigkeit am Höhepunkt der Corona-Pandemie vor. (...) Wie halten Sie das aus?» – Stadtärztin Gabriela Bieri: «Ich bin der Meinung, dass wir alles richtig gemacht haben – unter Berücksichtigung des damaligen Kenntnisstandes. Das hilft.» (NZZ vom 01.06.2020)
«Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga bezeichnet versteckte Werbung als ein gravierendes Problem. In einem Interview mit der Republik sagt sie, dass sie die Trennung zwischen Werbung und journalistischen Inhalten durchsetzen will. (...) Man müsse darauf pochen, dass Medien diese einhalten. Und falls nicht? ‹Dann müssen wir Verstösse eben sanktionieren›, sagt Sommaruga der Republik.» (Persönlich.com vom 29.05.2020)
«Der Nahrungsmittelkonzern Nestlé habe einen neuen Gegenvorschlag für die Konzernverantwortungsinitiative angestrebt, den er am Mittwoch quasi in letzter Minute ins Spiel gebracht hatte, wie das Magazin ‹Republik› berichtete. Nestlé wollte sich auf Anfrage nicht zum Bericht der ‹Republik› äussern. Ein Insider bestätigte jedoch, dass der Vorschlag lanciert worden sei.» («Watson» vom 04.06.2020)
«In letzter Minute ist ein neuer Vorschlag aufgetaucht, er stammt von Nestlé, wie die ‹Republik› später enthüllen wird, und er wäre immer noch so gut, dass die Initianten dafür aufgeben würden.» («Tages-Anzeiger» vom 04.06.2020)
Letzter Covid-19-Uhr-Newsletter, 19.06.2020
«Wir haben für den Newsletter keine extra Ressourcen, sondern machen ihn zusätzlich zum Magazin. Langsam sind wir ein bisschen ausgepowert – und möchten lieber mit einem kleinen Knall aufhören als mit einem Winseln. Das heisst, der Newsletter soll bis zuletzt den Sound behalten, für den er geschätzt wird. Es wäre schade, wenn er sich beim Lesen anfängt, nach Routine und Füllmaterial anzufühlen. Und da der Bundesrat jetzt die ‹aussergewöhnliche Lage› aufhebt, passt es gerade ganz gut.» (Persönlich.com, 19.06.2020, Interview mit stv. Chefredaktor Oliver Fuchs)
«Wir sind stolz – auf Sie!» – Project-R-Newsletter vom 19.06.2020
‹«Hurra, 25’000!›, heisst es im aktuellen Newsletter. Die ‹Republik› erreiche gemäss dem Finanzierungsplan von 2017 und dem aktuellen Ausgabenbudget erstmals die Schwelle zu einem selbsttragenden Unternehmen.» (Persönlich.com vom 22.06.2020)