Das Ende vom Anfang: Was bisher geschah im Klimalabor
Eine Zwischenbilanz nach der ersten Etappe – was wir erreicht haben, was wir von Ihnen gelernt haben, was wir als Nächstes vorhaben.
Von David Bauer, 02.03.2023
Anfang Januar ist das Klimalabor gestartet, als Ort für Austausch und Experimente. Unser Ziel: bis im Sommer herausfinden, wie Journalismus aussehen sollte, der Sie in der Klimakrise weiterbringt. In welcher Form und mit welchen Schwerpunkten soll die Republik die Klimakrise behandeln?
Wir wollen einen Journalismus, der mehr Menschen erreicht als bisher, der anregt, der – trotz allem – nach vorn blickt, verlässlich und nützlich.
Wir nähern uns dem Ziel in mehreren Etappen an und werden zunehmend konkreter. An dieser Stelle ziehen wir eine erste Zwischenbilanz zur Startetappe – um dann nach vorn zu blicken. Denn es geht gleich weiter.
Aber zuerst noch: ein Dankeschön an alle, die bereits jetzt schon in vielfältiger Weise am Klimalabor mitwirken. Und ein herzliches Willkommen an alle, die neu dazustossen.
Worum es in Etappe 1 ging
Die Startetappe des Klimalabors stand unter dem Motto «Lust auf Zukunft». Unser wichtigstes Ziel war es, viele Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund zusammenzubringen und von Ihnen zu hören, was Sie mit Blick auf die Klimakrise umtreibt. Gleichzeitig wollten wir Ihnen auch Anregungen für einen lösungsorientierten Blick auf die Krise und die Zukunft liefern.
🔮 Dazu gehört, dass wir uns eine Zukunft voller Möglichkeiten vorstellen, eine Zukunft, die wir mitgestalten können: durch eine virtuelle Zeitreise ins Jahr 2083, durch Denkanstösse wie jene von Rebecca Solnit oder Kim Stanley Robinson oder das Plädoyer von Daniel Graf: «Ja, Zukunftslust, verdammt!»
✨ Dazu gehört auch, dass wir bei allen düsteren Prognosen nicht jene Entwicklungen übersehen, die uns Hoffnung geben können: Christiana Figueres, die treibende Kraft hinter dem Pariser Klimaabkommen, hat uns mit Nachdruck daran erinnert. Die Geschichte, wie wir die Ozonschicht repariert haben, zeigt auf, dass entschlossenes globales Handeln durchaus möglich ist.
💬 Und dazu gehört natürlich, dass wir Ihnen die Gelegenheit bieten, sich persönlich auszutauschen und sich inspirieren zu lassen. Rund 200 Menschen sind unserer Einladung gefolgt und haben beim ersten Live-Anlass des Klimalabors für volles Haus im Kraftwerk in Zürich gesorgt.
Was wir mitnehmen
Wir sind begeistert und überwältigt ob dem grossen Interesse am Klimalabor: Mehr als 6000 Menschen machen schon mit, wir hatten mit der Hälfte gerechnet. Grosses Interesse bringt viele Erwartungen mit sich: Wir haben im Team in den vergangenen Wochen häufig darüber gesprochen, dass wir nun schnell konkreter werden müssen und keine falschen Erwartungen wecken dürfen. Auch von einigen von Ihnen haben wir gehört, dass es Ihnen noch zu schwammig ist. Diese Zwischenbilanz, die Sie gerade lesen, ist ein Versuch, mehr Klarheit zu schaffen. Und in Etappe 2 wird es tatsächlich einiges konkreter werden.
Unser lösungsorientierter Ansatz, der ins Zentrum stellt, dass wir handlungsfähig sind, scheint Ihnen zu gefallen. Gleichzeitig sehen wir, dass er bei vielen von Ihnen immer auch wieder ambivalente Gefühle auslöst – wie bei uns selbst übrigens auch. Es bleibt die grosse Herausforderung: Zuversichtlich – bisweilen sogar: lustvoll – in die Zukunft zu blicken und gleichzeitig nie den Ernst der Lage zu verkennen und klar zu benennen, was Realität ist.
[...] Der Begriff Zukunftslust gefällt mir ganz besonders. Die Zukunftslust habe ich verinnerlicht und versuche ich in Diskussionen ums Klima immer zu versprühen.
Ich wünsche mir von zeitgerecht engagiertem Journalismus, dass er Lösungen popularisiert.
Das Klimalabor kann nur Erfolg haben, wenn es nicht nur Menschen anspricht, die sich ohnehin schon täglich mit dem Klima befassen. Wir sind gestartet mit dem Vorsatz, ein diverses Klimalabor aufzubauen, in dem Menschen aus unterschiedlichen Lebenswelten zusammenfinden. Auch Ihnen ist das wichtig: «Gehen Sie raus in die Agglomeration!», «Wie erreichen Sie Menschen, die meistens nur ‹20 Minuten› lesen?». Wir sind auf gutem Weg: Menschen aus über 500 Gemeinden sind dabei, 41 Prozent Frauen und Nichtbinäre, 33 Prozent aus ländlichen Regionen, 38 Prozent unter 40 Jahre alt.
Ich würde mir wünschen, dass so viel Platz wie möglich Kindern und jungen Menschen verschiedener (sozialer) Herkunft, sowie Aktivist*innen gegeben wird. Und Junge sind nun mal am längsten betroffen. [...]
Ich wünsche mir, dass sich die Republik Gedanken darüber macht, wie sie Menschen, die weniger ca. CH 6000.-/monatlich verdienen, und meistens nur 20-Minuten lesen, erreichen kann.
«Was tun?», haben wir dem Klimalabor als Leitfrage gegeben. Es ist auch für viele von Ihnen die entscheidende Frage – aus vielen Rückmeldungen paraphrasiert: Es ist klar, dass etwas geschehen muss. Aber was konkret kann ich dazu beitragen? Stellvertretend: der Wunsch nach einem «Klima-Legobaukasten». Etappe 2 wird sich dieser Frage ganz explizit widmen.
Ich wünsche mir eine Art Legobaukasten, eine Gebrauchsanweisung zu konkreten Projekten, die ich in meinem engsten Umfeld anstoßen könnte. [...] Ein Beispiel: Wie überzeuge ich unseren Vermieter, in der Tiefgarage die einzelnen Boxen mit Ladestationen aufzurüsten? Was muss er tun? Was kostet das? Wie finanziert er das? Was hat er davon?
Ich wünsche mir Artikel die zum Handeln nicht nur informieren sondern auch motivieren.
Gleichzeitig wünschen sich viele von Ihnen, dass wir – «endlich im grossen Stil» – den Blick auf das System richten. Wer hat die Macht, Veränderung zu bewirken? Wer stellt sich Veränderung entgegen? Welche Rolle spielt der Kapitalismus? Ihnen ist dies besonders wichtig als Gegengewicht zu Narrativen, die individuellen Verzicht ins Zentrum rücken.
Mir ist es wichtig, dass endlich im grossen Stil dargelegt wird, wer zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt noch etwas am Klimawandel ausrichten könnte, wer denn die Macht hätte die Katastrophe - sofern sie nicht schon eingetroffen ist - auszuhalten. [...]
Wie können wir endlich und wirklich diejenigen zur Verantwortung ziehen, die das Klima im grossen Stil schädigen, statt uns wegen individueller Klimasünden aufzuregen und gegenseitig zu kritisieren?
Was wir von Ihnen wieder und wieder gehört haben: Sie wünschen sich, dass wir komplexe Zusammenhänge anschaulich erklären. Oft auch mit dem Hinweis, dass Sie gern etwas haben, was Sie bestimmten Personen weiterleiten können. Tatsächlich glauben wir, dass Sie, die Sie im Klimalabor mitmachen, eine wichtige Vermittlerinnenrolle einnehmen können, indem Sie Menschen in Ihrem Umfeld erreichen und ihnen Denkanstösse liefern.
Ich vermisse eine übersichtliche Darstellung der Folgen des Klimawandels: Was passiert konkret bei 1.5, 2, 3, 4, ... Grad Erwärmung? Welche Inseln und Städte versinken im Ozean? Welche Gebiete werden unbewohnbar? Wo wird Landwirtschaft unmöglich? Wo wird noch Trinkwasser zugänglich sein? Wie häufig werden (z.B. hier in der Schweiz) extreme Hitzeereignisse und Überschwemmungen? Wie viele Menschen werden fliehen müssen? [...]
Sie wünschen sich eine ganzheitliche Betrachtung, die nicht ausschliesslich das Klima in den Blick nimmt. Sie nehmen es uns hoffentlich nicht übel, dass wir unser Projekt trotzdem nicht in «Klima,- Biodiversitäts- und Energielabor» umgetauft haben.
Das Klimalabor müsste eigentlich Klima,- Biodiversität- und Energielabor heissen. Denn diese Krisen hängen alle zusammen.
Wie stellt die Republik sicher, dass bei diesem Projekt diese Themen zusammen gedacht werden, ohne dass man einen neuen (sperrigen) Namen finden müsste?
Wir wussten, dass es ein Balanceakt wird: Wir wollen viele Gelegenheiten zur Mitwirkung bieten, aber immer nur dann, wenn Ihre Zeit dabei gut eingesetzt ist. Es ist für uns wichtig, verschiedene Formen auszutesten. Nicht alles hat gleich gut funktioniert – Ihre Rückmeldungen helfen uns, für die nächsten Experimente unsere Balance zu justieren. Für Sie gilt weiterhin: Sie bestimmen, wo und wie häufig Sie sich einbringen. Und auch wenn Sie nur interessiert beobachten möchten, ist das wertvoll fürs Klimalabor.
Schliesslich: Diese Auflistung kann nur einen Bruchteil von dem abbilden, was wir von Ihnen gehört haben. Wir sind derzeit noch daran, alle Anregungen zu bündeln (und weitere zu sammeln), um dann konkrete Ideen davon abzuleiten, wie ein künftiges Angebot der Republik zur Klimakrise aussehen sollte. Und damit sind wir auch direkt bei Etappe 2 …
Wie es weitergeht
In Etappe 2 von Anfang März bis Mitte April wird es deutlich konkreter. Wir wollen Ihre Bedürfnisse verstehen. Wie ist die Klimakrise in Ihrem Leben präsent? Wo und wie wünschen Sie sich mehr Orientierung oder Unterstützung? Was würde Ihnen helfen, besser mit der Klimakrise umzugehen?
Dazu haben wir wieder einiges geplant. Spruchreif ist dies:
Wir starten Etappe 2 mit einem Fragebogen, der nicht ganz so ernst ist wie das Thema, uns aber Aufschluss geben wird, wie Sie auf die Klimakrise blicken und wo wir ansetzen sollten.
Mitte März treffen wir uns mit einigen von Ihnen im kleinen Rahmen und sprechen darüber, was Ihnen konkret helfen würde im Umgang mit der Klimakrise. Die Gesprächsrunden sind bereits ausgebucht, wir werden aber natürlich danach berichten, was wir erfahren haben.
Und natürlich erwartet Sie wieder eine Reihe von Artikeln, weil wir ja nicht nur über guten Journalismus zur Klimakrise reden wollen, sondern ebensolchen auch liefern.
Damit legen wir den Boden für Etappe 3 ab Mitte April. Dann wird es darum gehen, wie wir als Republik künftig auf diese Bedürfnisse eingehen können, sprich: in welcher Form und mit welchem Fokus Klimajournalismus bei der Republik künftig daherkommen wird.
Hier eine Übersicht der wichtigsten Beiträge der ersten Etappe:
Für einen Journalismus, der in der Klimakrise einen Unterschied macht
Seit 50 Jahren berichten die Medien über die Klimakrise. Es ist höchste Zeit, dass der Journalismus zu vernünftigen Entscheiden ermächtigt.Von Elia Blülle, 10.01.2023
Wir haben kein Recht, vor der Klimakrise zu kapitulieren
Menschen, die gegen Flut und Feuer kämpfen, können es sich nicht leisten, die Hoffnung zu verlieren. Warum also sollten wir das tun?Von Rebecca Solnit (Text), Tobias Haberkorn (Übersetzung) und Greta Rybus (Bilder), 16.01.2023
Ja, Zukunftslust, verdammt!
Utopie oder Dystopie? Falsche Frage. Doch für einen Klimadiskurs berechtigter Hoffnung kommt es tatsächlich auf unsere Erzählungen an.Von Daniel Graf (Text) und María Jesús Contreras (Illustration), 14.02.2023
«Ich wollte schon immer erzählen, wie wir trotz Klimakrise eine bessere Welt erschaffen können»
Der Schriftsteller Kim Stanley Robinson ist ein Vorreiter der Klimafiktion. Er findet, dass die Klimaaktivistinnen lieber Reifen aufschlitzen sollten, als sich auf die Strasse zu kleben.Ein Interview von Elia Blülle, 10.02.2023
Klimafreundliche Grüsse aus der Zukunft
«Die Veränderungen zum Guten kamen zum Glück exponentiell», aber auch: «Sehenden Auges in den Abgrund: warum nur?» Wir haben unsere Leserinnen auf eine virtuelle Zeitreise ins Jahr 2083 geschickt.Von Hunderten Klimalabor-Zeitreisenden, 18.01.2023
«Ich freue mich auf die Zukunft, die wir gerade erschaffen»
Christiana Figueres war die treibende Kraft hinter dem letzten grossen klimapolitischen Durchbruch. Sieben Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen ist sie hoffnungsvoller denn je.Ein Interview von David Bauer, 10.01.2023
Wie wir die Ozonschicht repariert haben
Die grösste ökologische Erfolgsgeschichte der Menschheit wird leider viel zu selten erzählt. Was lernen wir daraus für die Klimakrise?Von Hannah Ritchie (Text), Andreas Bredenfeld (Übersetzung) und Qianhui Yu (Illustration), 23.01.2023
Wir freuen uns, wenn Sie uns auf unserer Expedition weiter begleiten. Wenn Sie mögen, laden Sie gern noch ein paar Freunde und Bekannte ein. Entweder über unser Einladungsformular oder indem Sie diesen Link mit ihnen teilen. Das Klimalabor steht allen offen, egal, ob mit oder ohne Republik-Abo.
Schliesslich die Erinnerung: Alles zum Klimalabor und wie Sie sich aktuell einbringen können, finden Sie auch jederzeit unter republik.ch/klimalabor.