Die Booster-Impfung kompakt erklärt

In immer mehr Ländern werden die Leute zum dritten Mal geimpft. Was spricht dafür, was dagegen – und was tut die Schweiz?

Von Haluka Maier-Borst (Text) und Leillo (Illustration), 04.10.2021

Die Schweiz hat eine der tiefsten Impf­quoten in Europa. Zwar ist diese – wahrscheinlich vor allem wegen der flächen­deckenden Einführung des Covid-Zertifikats – in den letzten Wochen gestiegen. Aber während das Land noch über «indirekten Impfzwang» und «egoistische Verweigerer» diskutiert, bahnt sich die nächste grosse Debatte an:

Braucht es eine dritte Impfung? Und wenn ja: Für wen?

Deutschland und Österreich haben bereits mit solchen «Auffrischungs­impfungen» begonnen, der Schwerpunkt liegt dabei auf Alters­heimen, in denen besonders viele Menschen mit hohem Risiko für schwere Verläufe wohnen. In den USA hat der Präsident vergangene Woche seinen Booster erhalten, nachdem die Medizinal­behörde FDA den Booster für bestimmte Gruppen offiziell zugelassen hat. In Israel will man nun auch Jüngeren eine dritte Impfung anbieten. Und Grossbritannien will mit der Booster-Impfung möglichst ohne neue Einschränkungen über den Winter kommen.

Andere Länder priorisieren erst mal das Impfen der Nichtgeimpften. Auch die Schweiz, zumindest offiziell. Der Bund will abwarten, bis die Swissmedic die Zulassungs­gesuche von Moderna und Pfizer geprüft hat.

Zum Update

Die Zulassungs­behörde Swissmedic gibt grünes Licht für Corona-Booster. Und ist damit vergleichs­weise spät dran. Wer sich jetzt zum dritten Mal impfen kann. Und wer dies unbedingt tun sollte.

Wer hat recht? Die Länder, die jetzt vorpreschen, oder jene, die abwarten? Professor Christian Drosten, ein ausgewiesener Experte für Corona­viren, den auch die Republik bereits interviewt hat, sagte vergangene Woche: «Eine Booster-Impfung ist einfach hervorragend. Die führt dazu, dass das Niveau von neutralisierenden Antikörpern beträchtlich steigt.»

Also alles glasklar?

Nein, denn Professor Drosten machte vor und nach dieser Aussage auch sehr deutlich, dass er da rein aus einer ganz bestimmten Perspektive sprach: einer immunologischen und bezogen auf ein Individuum. Denn wie Gespräche mit Vakzin­expertinnen, Immunologen, die Lektüre von Studien und der Blick auf das Thema aus der Frosch- und der Vogel­perspektive ergeben haben, fällt die Antwort auf den Sinn von Boostern derzeit unterschiedlich aus, je nachdem, was genau damit erreicht werden soll – und für wen.

Noch mal anders gefragt: In welchem Arm bringt eine Spritze derzeit am meisten, wenn die Pandemie so schnell wie möglich für alle vorbei sein soll?

Hier, was Sie zum dritten Piks wissen sollten.

Was genau ist ein Booster?

Das ist tatsächlich gar nicht so einfach zu sagen. Anfang des Jahres sprach man im Zusammen­hang mit den Zweit­impfungen davon, dass diese einen Booster darstellen würden. Demnach hätten also fast alle Geimpften schon einen Booster-Shot bekommen. Die einzige Ausnahme wären jene, die mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson geimpft wurden. Der braucht nach derzeitigem Stand nur eine einmalige Spritze (wobei eine zweite Spritze gemäss der Firma durchaus positiv wirken kann).

Eine andere Definition von Booster betrachtet dagegen jede zusätzliche Impfung, die über die ursprüngliche Zulassung und die zugrunde­liegenden Studien hinausgeht, als Booster-Impfung. Erst eine Dritt­impfung ist also demnach ein Booster, der zusätzlich etwas bewirken soll.

Expertinnen plädieren jedoch inzwischen für differenzierte Sicht­weisen. Die Medizinerin Deepali Kumar von der Universität Toronto gab zum Beispiel in einer Studie dritte Impf­dosen an Patienten, die eine Organ­transplantation hinter sich hatten und deren Immun­system dafür medikamentös supprimiert, also herunter­gefahren wurde. Kumar würde aber nicht davon sprechen, dass diese Menschen einen Moderna-Booster bekommen haben. «Diese Leute reagieren auf den Impfstoff schwächer. Um ungefähr auf dasselbe Level einer Immun­antwort wie bei Gesunden zu kommen, braucht es schlicht drei Dosen. Das ist für diese Menschen die richtige Menge.»

Wieder andere sehen sogar grundsätzlich eine Dritt­impfung gegen Covid-19 nicht als Booster-Shot an – selbst wenn sie an Gesunde gegeben wird. «Bei Hepatitis B etwa haben wir ein 2+1-Schema, sprich wir geben zwei Dosen in kurzem Abstand und eine weitere Dosis nach sechs Monaten und sehen diese drei Impfungen als eine Serie an», sagt Birgit Weinberger, Immunologin an der Universität Innsbruck. Dieses Vorgehen hat sich bei Hepatitis B bewährt, da es eben den Immun­schutz stärker und dauer­hafter macht. Ob das genauso bei Covid-19 der Fall sein könnte, lässt sich aktuell nicht sagen.

Denn bei diesen Studien hatte man nur gewartet, bis die Zahl der Infizierten ausreicht, um eine vorläufige Wirksamkeit des Impfstoffs gegen das Virus zu berechnen. Unter anderen Umständen, bei normalen Zulassungs­verfahren, die über Jahre gehen, hätte man dieses Wissen um einen abnehmenden Schutz automatisch erarbeitet.

Was erhofft man sich von Booster-Shots?

So unterschiedlich die Definitionen von Booster-Shots, so unterschiedlich sind die Ziele, die Expertinnen damit erreichen möchten, und so unterschiedlich ist auch die Beweis­lage dafür, wie sie wirken.

Ziemlich sicher ist, dass es die Zweit­impfung braucht, um Menschen grundsätzlich mit genügend Schutz gegen das Virus zu versorgen. Vor allem mit den ansteckenderen Varianten Alpha und Delta hat sich gezeigt, dass sowohl der Schutz gegen leichte Erkrankungen als auch gegen schwerere Verläufe deutlich besser ist nach zwei Impfungen.

Geht es aber um die Dritt­impfungen wird die Beweis­lage dünner. Für Transplantations­patienten konnte Kumar zumindest in ihrer klinischen Studie zeigen, dass ihr Schutz wohl nach einer dritten Impfung deutlich grösser ist. 60 anstatt 25 Prozent der Behandelten wiesen nach einer Dritt­impfung die Menge an neutralisierenden Antikörpern auf, um wohl einen 50-prozentigen Schutz vor Infektion zu gewährleisten. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch andere Studien mit Immunsupprimierten.

Bei Gesunden ist dagegen die Wirkung einer Dritt­impfung noch reichlich unklar. Wirklich grosse kontrollierte Untersuchungen zu Dritt­impfungen gibt es nämlich eigentlich nur eine: die «COV-Boost»-Studie aus Grossbritannien, bei der verschiedene Kombinationen von Impf­stoffen getestet werden. Das National Institute of Health Research (NIHR) schrieb dazu Mitte September wolkig, vorläufige Daten würden darauf hinweisen, dass die Dritt­impfungen «gut vertragen werden und einen substanziellen Zuwachs der Immun­antwort hervorrufen». Veröffentlicht wurden die Daten der Studie aber bis jetzt nicht. Entsprechend ist unklar, wie gross dieses Mehr an Immun­antwort ausfällt und ob es auch zu weniger Erkrankungen und vor allem weniger schweren Verläufen führt. Genau das ist aber das Hauptziel der Impfung.

Ferner schauen sowohl Forscherinnen als auch Journalisten immer wieder auf Israel, weil das Land früh geimpft hat. Hier zeigte sich, dass in der Gruppe der knapp 30’000 Dreifach­geimpften, die in den drei Wochen nach der Impfung getestet wurden, rund 1200 positive Fälle auftauchten. Bei den über 150’000 Tests unter Doppelt­geimpften fand man dagegen rund 8300 positive Fälle. Also ein Unterschied bei der Positiv­quote von 5,6 Prozent bei denen ohne Booster gegenüber 3,6 Prozent bei den Dreifachgeimpften.

Allerdings wurde diese Studie nicht mit einer Kontroll­gruppe gemacht, also dass ein Teil der Teilnehmerinnen ein Placebo bekam und die anderen nicht. Und man schaute bei dieser Untersuchung mit drei Wochen auch nur auf einen extrem kurzen Zeitraum nach der Impfung. Vor allem aber ermöglicht diese Analyse keine robuste Aussage darüber, ob die Dritt­impfung nötig ist, um schwere Erkrankungen zu verhindern. Denn man hat lediglich den Infektions­status getestet und die Zahl der schweren Fälle ist für diese Aussage wohl in beiden Gruppen schlicht zu klein.

Wie steht es um Nebenwirkungen von Booster-Shots?

Auch hier gibt es nur sporadische Daten aus den ersten Studien und das Wissen aus Studien zu anderen Impfungen. Wie genau man diese einzelnen Hinweise insgesamt bewerten soll, darüber scheiden sich die Geister. So würde der Immunologe Guzmán nicht dazu raten, immer wieder durch neue Impfungen das Antikörper­level hochzupushen. Es bestünden durchaus noch ungeklärte Fragen dazu, wie sich dieses Vorgehen auf Dauer auswirke.

Denn aus Israel gebe es eben nur vorläufige Daten, die keine Probleme in den wenigen Wochen kurz nach der Dritt­impfung andeuten würden. Daten für längere Zeiträume fehlen. Weinberger dagegen verweist auf die Antikörper­reaktion nach der Masern-Impfserie: «Da sind hohe Antikörper­mengen über Jahre dauerhaft im Blut und das macht überhaupt keine Probleme.»

Immer wieder wird bei den Impfungen über die Menge an Antikörpern diskutiert, die Geimpfte danach im Blut haben. Aber bedeuten denn mehr Antikörper auch mehr Schutz?

Nein. Zurzeit fusst die Begründung für Dritt­impfungen vor allem auf der Beobachtung, dass die Zahl der Antikörper mit der Zeit abnimmt und es erste Hinweise gibt, dass vor allem ältere Menschen mit einer länger zurück­liegenden Impfung häufiger an Covid-19 erkranken.

Das ist aber noch lange kein Grund zur Panik, sondern etwas Normales und Erwartbares, sagt Carlos Guzmán, Leiter der Abteilung Vakzinologie und angewandte Mikro­biologie am Helmholtz-Zentrum für Infektions­forschung (HZI) im deutschen Braunschweig. «Es wäre ja Wahnsinn, wenn unser Immun­system ständig massen­weise Anti­körper gegen alle Infektionen produzieren würde, die ihm je begegnet sind», sagt er.

Dass die Menge der Antikörper über die Zeit abnimmt, ist also natürlich. Guzmán weist zudem darauf hin, dass im Moment nicht mit letzter Gewissheit klar ist, welches Level an Anti­körpern es bei Menschen braucht, um welche Art von Schutz zu gewährleisten. Und selbst wenn tatsächlich das Immun­system zu wenig Antikörper produzieren sollte, hat der Körper nach einer Impfung oder einer durchgemachten Erkrankung immer noch andere Abwehrmechanismen.

Ich will es genauer wissen: Wie funktioniert die Immunabwehr?

Vorweg: Was hier folgt, sind nur die aller­gröbsten Grundzüge. Denn, wie der US-Wissenschafts­journalist Ed Yong schrieb: «Immunologie ist, wo die Intuition hingeht, um zu sterben.»

Die weissen Blut­körperchen sind zwar schnell, aber sie sind Generalisten: Egal, was die Infektion hervor­gerufen hat, sie bekämpfen es. Wenn das nicht reicht, holen sie Verstärkung bei den Spezialisten, den sogenannten T-Zellen, die speziell auf verschiedene Erreger zugeschnitten sind.

Ist erst einmal die richtige T-Zelle gefunden und aktiviert, so vermehrt sie sich, ihre Klone gehen auf virus­befallene Zellen los und zerstören sie.

Zusätzlich aktivieren sie sogenannte B-Zellen, die Antikörper produzieren. (Diese gehen nicht in den Zellen, sondern ausserhalb davon auf das Virus los.)

Das Gute an den T-Zellen: Sie werden sich künftig an diesen spezifischen Erreger erinnern. Kommt der Körper erneut mit Sars-CoV-2 in Kontakt, werden sie schneller reagieren. Sie werden ihn nicht vor einer Ansteckung schützen – ihre Aufgabe ist ja, virus­befallene Zellen zu zerstören –, aber sie könnten dafür sorgen, dass die Infektion schneller erkannt und bekämpft wird und so milder verläuft.

Das Gute an den B-Zellen: Im besten Fall erkennen sie das Virus ebenfalls künftig wieder und legen direkt mit der Produktion von Antikörpern los.

Das Zusammen­spiel der verschiedenen Abwehr­mechanismen erklärt womöglich auch aktuelle Daten zum Impfstoff von Biontech und Pfizer. Hier deutet sich nämlich an, dass nach sechs Monaten mit zwei Impfungen zwar der Schutz vor generellen Ansteckungen abnimmt – der Schutz gegen schwere Verläufe aber nach wie vor bestehen bleibt.

Sprich: Geimpfte könnten wohl leicht erkranken und das Virus weiter­geben (weil die Antikörper abnehmen), dramatische Fälle sollten bei ihnen aber die absolute Seltenheit bleiben (weil die anderen Abwehr­mechanismen langfristig bestehen).

Für wen machen Booster-Shots also Sinn?

Für Immun­supprimierte, deren Reaktion auf die ersten beiden Impfungen schwach ausfiel, sind die Dritt­impfungen definitiv zu empfehlen. Darauf deuten die Studie von Deepali Kumar sowie andere Arbeiten hin. Gleichwohl macht es aber wenig Sinn, noch weiter zu impfen, wenn auch die dritte Impfung keine Reaktion auslöst. Dann muss man schlicht die Strategie wechseln, sei es ein anderer Impfstoff oder der Versuch, die Krankheit über andere Massnahmen fernzuhalten.

Die Medizinerin Kumar und die Immunologin Weinberger sehen noch einen weiteren Anwendungs­bereich für die Dritt­impfung. Dort, wo besonders vulnerable Menschen und einfache Übertragungs­wege zusammen­kommen. Etwa in Pflege­heimen, wo sich Senioren schnell durch Pflege­personal, Besuch und untereinander anstecken können. Hier ist die Notwendigkeit für Booster wohl gegeben.

Darüber hinaus wird es aber anhand der vorhandenen Daten schon deutlich schwieriger, einen klaren Nutzen zu erkennen. Salopp ausgedrückt: Nützen Booster-Impfungen aus individual­medizinischer Sicht nicht, so schaden sie sicher auch nicht. Aus epidemiologischer Sicht könnten sie helfen, Übertragungen zumindest für einige Monate zu reduzieren.

Aus der Vogel­perspektive auf die ganze globale Pandemie fällt das Urteil über den Sinn und Unsinn von Boostern wohl am deutlichsten aus:

Warum sind Booster-Shots in die Kritik geraten?

So unterschiedlich die Meinungen der Experten zur Definition und zum Ziel von Booster-Shots sind, so einig sind sie sich in einer Sache: Für viele sind sie aktuell nicht zwingend nötig. Zumindest so lange nicht, wie ein grosser Teil der Welt noch gar keine Chance hatte, überhaupt geimpft zu werden.

«Selbst wenn eine 2+1-Strategie ideal ist, muss man dagegen abwägen, dass in Afrika, Südostasien und Latein­amerika die meisten nicht einmal zwei Impfungen bekommen haben», sagt Weinberger. Und ihre Kollegin Kumar ergänzt: «Zurzeit ist der wirkliche Nutzen von Dritt­impfungen nur für Transplatations­patienten einiger­massen sicher zu erkennen. Den Kreis der Menschen, für die wir eine Dritt­impfung empfehlen, darüber hinaus deutlich auszuweiten, das finde ich schwierig.» Sowohl Kumar als auch Weinberger sehen aber bei besonders alten Menschen, die beispiels­weise in Pflege­heimen wohnen und sich daher schnell anstecken können, die Notwendigkeit für Booster durchaus gegeben.

Besonders drastisch hat das ethische Dilemma der Dritt­impfungen der WHO-Direktor für Notfälle, Mike Ryan, zusammen­gefasst: Auffrischungs­impfungen aktuell zu verteilen, das sei in etwa so, als würde man zusätzlich Rettungs­westen an Menschen geben, die bereits eine haben, während andere Menschen ganz ohne Rettungs­weste im Wasser ertrinken.

Doch nicht nur aus ethischen Gründen macht es Sinn auf grosse Booster-Kampagnen in der Ersten Welt zu verzichten und stattdessen mehr vulnerable Menschen in anderen Ländern zu impfen. Immunologe Guzmán erklärt: «Diese Menschen können ungeimpft als Brutstätte für Varianten dienen, die leichter übertragbar sind, schwerere Krankheits­formen verursachen oder den Impfschutz aushebeln. Und diese Varianten können sich dann weltweit ausbreiten und wie ein Bumerang zu uns zurückkommen.»

Könnten neue Impfstoffe die Lage entspannen?

Ja. Zum einen würden mehr zugelassene Impfstoffe die aktuelle Knappheit verringern und sind womöglich auch besser auf die neuen Varianten angepasst. Entsprechend schauen zum Beispiel Expertinnen auf die Entwicklungen bei Unternehmen wie Curevac und Sanofi, deren erste Corona-Impfstoffe nicht so gut wirkten wie erhofft.

Zum anderen könnten unterschiedliche Impfstoffe unterschiedliche Teile des Immun­systems anregen. So zeigten einige Studien zum Beispiel, dass bei Menschen, die erst mit AstraZeneca und dann mit Pfizer/Biontech geimpft wurden, eine breiter gefächerte, stärkere Immun­antwort ausgelöst wird. Vor diesem Hintergrund könnten zum Beispiel auch Impfstoffe wie jener der amerikanischen Firma Novavax, der wieder etwas anders funktioniert als die bisherigen Impfstoffe, ein Segen sein.

Ich will es genauer wissen: Der Impfstoff von Novavax

Die Schweiz hat vom Impfstoff der Firma Novavax 6 Millionen Dosen bestellt. Aktuell ist er in der Schweiz noch nicht zugelassen. Im Juni 2021 hatte Novavax eine Studie zur hohen Wirksamkeit des Impfstoffs NVX-CoV2373 vorgestellt. Auch er zielt, wie alle bisher zugelassenen Impfstoffe auf das sogenannte Spike-Protein, mit dem das Sars-CoV-Virus in die Zellen eindringt.

Anders als die mRNA-Impf­stoffe (Pfizer und Moderna) oder die Impf­stoffe mit einem Vektor­virus (AstraZeneca und Johnson & Jonson) bringt er den Körper aber nicht dazu, das Spike nachzubauen, dieses kommt stattdessen fixfertig aus der Nadel. Das hat den Vorteil, dass ein Schritt bis zur Immunisierung wegfällt: die Kaperung von Körper­zellen, die dann das Spike-Protein bilden. Ausserdem ist der Impf­stoff weniger empfindlich, er muss weder speziell gekühlt noch sehr vorsichtig transportiert werden.

Und auch mit der Art der Impfung wird experimentiert. Es gibt erste Studien zu Impf­stoffen, die als nasales oder orales Spray verabreicht werden und die eine Aufnahme des Virus über die Atemwege verhindern sollen. Dieser Ansatz könnte ein Durchbruch sein, um die Infektion und die Übertragung dauerhaft zu verringern. So haben präklinische und klinische Studien mit solchen Impf­stoffen laut Guzmán hervorragende Reaktionen erzielt.

Was ausserdem für diese Art von Impfstoffen sprechen würde, wäre, dass sie wohl viel einfacher zu verabreichen wären als die bisherigen gespritzten Impfstoffe.

Inzwischen wird sogar an Impfstoffen geforscht, die nicht nur gegen das aktuelle Corona­virus und seine Varianten wirken sollen, sondern auch gegen noch nicht aufgetauchte Formen. Solch einen universellen Impfstoff herzustellen, ist aber nicht trivial. Denn wie rüstet man sich für einen Feind, den man noch gar nicht kennt? Entsprechend vielseitig und höchst unterschiedlich sind die Ansätze und reichen von Impfstoffen, die für Dutzende von Andock­stellen an verschiedensten Viren ausgelegt sind, bis hin zu Impfstoffen, die vor allem auf die Gemeinsamkeiten aller Corona­viren zielen. Und wie erfolg­reich sie sein werden, ist schwer abzuschätzen.

Alles in allem lässt sich jedoch sagen, dass eine zusätzliche Impfung gegen Corona für jeden von uns in der Zukunft Sinn machen könnte.

Aber für die allermeisten noch nicht jetzt.

Zum Autor

Haluka Maier-Borst ist Wissenschafts- und Daten­journalist. Er arbeitet für den RBB und schreibt frei für «Die Zeit», die Republik und andere deutsch­sprachige Medien. In der Pandemie durfte er gleich mehrere erste Male erleben. Als erster Quarantäne­fall in seinem Freundes­kreis, als Impfstoff­proband und als Test­feierer, als die Berliner Clubs wieder aufgemacht haben.