«Dies ist mein längster Beitrag, aus dem simplen Grund, dass ich mich hier und jetzt sicher fühle»
Die Republik-Community diskutiert, fragt, erzählt. Schon gelesen? Hier finden Sie eine Auswahl aktueller Dialogbeiträge.
Von Pascal Müller, 10.08.2022
«Nie allein» lautet der Titel eines Beitrages, den Olivia Kühni im Juni 2020 schrieb, ein Jahr nach dem Frauenstreik 2019. Ein Text darüber, wie Frauen kaum je Ruhe haben – Ruhe vor «hungrigen Blicken», «Händen, die an Hemdzipfeln zupfen», Ruhe vor den «Sorgen der anderen».
Denn «Frauen», schrieb die Republik-Autorin, «haben, traditionell, zur Verfügung zu stehen». Selten haben sie ein Zimmer nur für sich, ein Zimmer, dessen Tür sich schliessen lässt; sei es nur, um ungestört arbeiten zu können.
Olivia Kühni fand ihren Raum am 14. Juni 2019, dem Tag des Frauenstreiks, inmitten der Stadt Zürich, umgeben von Trillerpfeifen und Trommeln: «Das hier war mein Zimmer. Unser Zimmer. Die ganze Stadt war unser Zimmer. Und für einmal war die Tür einfach zu.»
Drei Jahre später liessen Voten aus der Community Erinnerungen an diesen Text wieder aufleben:
Das sind 2 von mittlerweile 420 Kommentaren, die in der Debatte «Warum beteiligen sich so wenige Frauen im Republik-Dialog?» abgegeben wurden. Die Diskussion darüber haben wir anlässlich des diesjährigen Frauenstreiks und parallel zur vierten Auswertung des Geschlechterverhältnisses bei der Republik lanciert.
420 Kommentare, die teilweise zwischen Stuhl und Bank entstanden, zwischen Job und Kind, in Zimmern mit offenen Türen. In ihrer Gesamtheit öffneten sie einen Raum, in dem Verlegerinnen den Mut fanden, sich im Dialog zu äussern. Manche zum ersten Mal.
Die Debatte hat den Finger direkt auf die Wunde gelegt und uns unmissverständlich gezeigt, dass wir etwas ändern müssen. Damit unser Dialog vielfältiger, diverser werden kann und sich alle sicher fühlen. Daran arbeiten wir.
Damit zu weiteren Stimmen aus dem Dialog:
Gegen Unrecht einstehen
In ihrem Essay «Die Internationale der Antifeministen» analysierte Leandra Bias, wie Wladimir Putin systematisch Frauen unterdrückt und gezielt Minderheiten wie die LGBTQIA+-Community diskriminiert. Für den russischen Machthaber erfüllt der Antifeminismus mehrere Funktionen: «Er dient als Rechtfertigung für eine autoritäre Politik nach innen, für Angriffskriege nach aussen – und er schafft gemeinsames Terrain mit rechten Bewegungen in verschiedenen Ländern», schreibt die Republik-Autorin.
In der Debatte dazu beschreibt eine Verlegerin, wie Menschen vorgehen, die nach uneingeschränkter Macht streben: Nicht nur hätten sie einen «untrüglichen Sinn» dafür, wen sie am ehesten unterwerfen können. Sie spürten auch intuitiv, wer ihnen dabei helfen werde:
(…) Es sind diejenigen, die sich unbewusst und aus Bequemlichkeit "vor den Karren spannen" lassen, indem sie sich "neutral" verhalten, schweigen und wegschauen. Und so lässt sich eine Mehrheit von der Minderheit regieren. Diese Dynamik ist mir immer wieder begegnet im Berufsleben, selbst in einer sozialen Institution. Die meisten Menschen sind zu bequem, um sich über ihre Nasenspitze hinaus zu engagieren und sich nicht bewusst, dass sie die nächsten Opfer sind, wenn sie sich nicht selber aktiv gegen Unrecht wehren. (…)
Das bekräftigte ein anderer Verleger:
Als Putin ansetzte, das russische Volk zu unterwerfen, griff er nicht alle auf einmal an. Er begann mit kleinen Minderheiten, diskredierte sie, und liess sie die ganze Macht seines Regimes spüren. Die Minderheit schrie auf, aber die Mehrheit, die ja nicht angegriffen wurde, sah das Problem nicht, und schritt nicht ein. Die Minderheit wurde unterworfen. Und Putin wandte sich der nächsten Minderheit zu. (…) Das Resultat ist eine zersplitterte Gesellschaft, die zu gemeinschaftlichem Handeln nicht länger fähig und der Autokratie wehrlos ausgeliefert ist.
Das Beispiel Russland zeigt: Es reicht nicht, wenn jeder nur seine eigene Freiheit verteidigt, sondern wir müssen auch für die Freiheit der anderen einstehen (…).
Es sind dringliche Fragen, die sich in der Debatte herauskristallisierten: Wie bringt man die Botschaft, dass es nicht reicht, die eigene Freiheit zu verteidigen, unter die Leute? Wie begegnet man Unrecht?
(…) Wir brauchen Optimismus und Courage. Wir müssen den Status Quo nicht einfach hinnehmen, er kann sich verbessern, wenn wir solidarisch miteinander sind. Es sind nicht nur Gesetze, sondern vor allem auch die Gesellschaft, die Diskriminerung nicht zulässt. (…)
Eine andere Diskussion zum gleichen Beitrag begann mit einer Verlegerin, die fürchtete, Feminismus und LGBTQIA+-Aktivismus könnten sich konkurrenzieren. Mehrere Verleger widersprachen ihr entschieden.
Es entspann sich schliesslich eine angeregte Debatte unter zehn verschiedenen Personen. Darüber, was passiert, wenn gesellschaftliche Gruppen mehr Rechte einfordern. Und über den Furor, der typischerweise damit einhergeht. Trotz gegensätzlicher Haltungen blieb die Diskussion stets sachlich und respektvoll. Genau deshalb liest sie sich so schön.
Inspiration für Musikfans
Feuchtwarme Nächte in Plastikzelten, Musik, viel Bier – und ganz viele Männer. Zumindest auf der Bühne. Im Format «Auf lange Sicht» nahm Sharon Funke die Line-ups von Schweizer Musikfestivals unter die Lupe.
Sie untersuchte, ob ein Männerüberhang bei Schweizer Musikfestivals – am «Moon and Stars»-Festival in Locarno zum Beispiel sollten in diesem Jahr nur männliche Künstler auftreten – eher die Ausnahme ist oder doch die Regel (Spoiler: die Regel). Und ob früher alles besser war (Spoiler: nein).
Fragt man die Verantwortlichen nach den Gründen, warum sie nur wenige Frauen engagieren, so hört man, es gebe nach wie vor weniger Bands mit weiblicher Beteiligung, gerade im Rockbereich.
Ein Blick in die Debatte zum Beitrag «Hey Dude» zeichnet, nun ja, ein anderes Bild. Die Community schrieb dort, welche Frauen sie unbedingt live hören möchte. Es sind so einige.
(…) Pussy Riot; Bikini Kill; The Raincoats; Peaches; Sleater-Kinney; Chicks on Speed; The Linda Lindas;
Patti Smith; Kim Gordon; Laure Anderson; Anohni; Björk;
Amiina; Austra; Haiku Salut; M.I.A.; Grimes; FKA Twigs; Janelle Monae; Zola Jesus; Santigold; Charli XCX; Christine and the Queens; Princess Nokia; Yaeji; Jenny Hval; Rosalia; Flèche Love; Doja Cat; Kae Tempest (they/them); Arca; Peggy Gou; Park Hye Jin; WaqWaq Kingdom; Eartheater; Moor Mother;
Kate Bush; PJ Harvey; Cat Power; Feist; Agnes Obel; Angel Olsen; Anika; Anna Calvi; Bat For Lashes; Gemma Ray; Regina Spektor; Weyes Blood; Yeah Yeah Yeahs; Yasmine Hamdan;
Die Heiterkeit; Christiane Rösinger; Schnipo Schranke; Haiyti; KT Gorique
Schnipo Schranke haben sich leider aufgelöst.
Pretty Reckless; Burning witches; Ikan Hyu; Big zis; Lena stöhrfaktor; Velvet two stripes; Steff la cheffe (ok weiss nicht ob sie noch spielt);
Nur Frontfrau: Acid king; Distillers
Soap & Skin; My ugly Clementine; Joy Crookes; Haim; Middle Kids; Uche Yara; Sharon van Etten (…)
Diese zahlreichen Vorschläge inspirierten Musik-Aficionado und Republik-Supporter Souri Thalong, ein Plakat für ein imaginäres Festival unserer Träume zu designen.
Nicht alle der genannten Bands haben es ins Line-up unseres Festivals in Wunschhausen geschafft. Falls Sie auf der Suche sind nach guter Musik (oder falls Sie Festivalbookerin sind und Inspiration benötigen für die nächste Ausgabe): In der Debatte werden Sie fündig.
Danke für die kritische, fundierte und wache Diskussion!
Was sonst noch bei der Republik zu reden gibt, sehen Sie in der Übersicht auf unserer Dialogseite. Schalten Sie sich ein, lesen und diskutieren Sie mit.
Zur Debatte: Wie geht es Ihnen im Republik-Dialog?
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