Tödlicher Städtetrip
Ein Besucher aus den Niederlanden will das schwule Zürich erkunden – mit fatalen Folgen. Doch statt zu noch mehr Repression gegenüber Homosexuellen führt der sechste Zürcher Schwulenmord erstmals zu mehr Dialog. Eine Veränderung setzt ein. Podcast-Serie «Mord im Männermilieu», Folge 6.
Von Michael Rüegg, Alexander Wenger (Text und Audio) und Thomas Ott (Illustration), 02.04.2022
Der Holländer Jacobus de Mul (34) hat geerbt und sitzt im September 1969 im Zug nach Zürich. Er will eine fünfstellige Summe auf einem Bankkonto deponieren. Mit im Gepäck hat er einen Gay-Reiseführer. Abends in einer Bar lernt er Willi E. (17) und Didio S. (17) kennen. Doch statt sich mit de Mul zu vergnügen, erdrosseln die beiden den Touristen mit dem Kabel eines Rasierapparats und klauen ihm 400 Franken. Durch andere Barbesucher werden die Mörder identifiziert. Sie werden in Basel verhaftet, als sie dort laut «Tages-Anzeiger» «ein recht teures Mittagessen einnehmen».
Ende der 1960er-Jahre beginnt das Blatt sich zu wenden. Der gesellschaftliche Aufbruch erfasst auch die Schwulen und Lesben. Dem Mord an de Mul folgt nicht mehr das gleiche politisch-mediale Narrativ. Die Szene nimmt erstmals ihren Mut zusammen und geht in die Offensive. Das verbreitete gesellschaftliche Bild der Schwulen und Lesben als perverse Kranke erhält immer grössere Risse. Und doch sollte es noch zehn weitere Jahre dauern, bis die Polizei ihr fragwürdiges «Homosexuellenregister» auf Druck von der Strasse einstampft.
Podcast-Serie «Mord im Männermilieu»
In den 1950er- und 1960er-Jahren wurden in Zürich sechs Männer ermordet, die eines verband: Sie waren schwul. Dies musste damals im Verborgenen bleiben, in die Schlagzeilen kamen sie, als sie tot waren. Eine sechsteilige Podcast-Serie über staatliche Repression und heimliche Liebe. Zur Übersicht.