Der Komponist und der Ausreisser
1957 wird in Zürich der bekannte Komponist Robert Oboussier ermordet. Erst nach seinem Tod wird bekannt: Er war schwul und wurde umgebracht von einem Strichjungen. Die Öffentlichkeit ist entrüstet. Podcast-Serie «Mord im Männermilieu», Folge 1.
Von Michael Rüegg, Alexander Wenger (Text und Audio) und Thomas Ott (Illustration), 26.02.2022
Wenn zwei ungleiche Lebenswege sich kreuzen, kann das ein fatales Ende nehmen. Wie in dieser Geschichte: Auf der einen Seite steht der über die Landesgrenzen hinaus bekannte Komponist Robert Oboussier, der im Alter von 56 Jahren ums Leben kommt. Auf der anderen der 18-jährige Walter S.
Oboussier feiert Erfolge mit seinem musikalischen Werk, ist ein geachtetes Mitglied der Gesellschaft. Und er hütet ein Geheimnis: Er ist schwul und lässt sich immer wieder auf Strichjungen ein.
Walter S. ist zwar ein intelligenter und tüchtiger Bursche, beginnt aber als Teenager zu rebellieren. Über das vormundschaftsrechtliche Mittel der administrativen Versorgung gelangen Jugendliche, die gegen den Strom schwimmen, nicht selten in Erziehungsheime. So auch Walter S.: Er landet in «Besserungsanstalten» und kommt mit Strichjungen in Kontakt, haut ab und taucht unter. Wer abhaut, landet fast immer in der Illegalität – und dort, am gesellschaftlichen Rand, residiert auch die schwule Szene.
In Zürich prostituiert sich Walter, obwohl selber heterosexuell, bei Männern. Als der Komponist und der Strichjunge sich kennenlernen, endet diese Bekanntschaft blutig. Ein gefundenes Fressen für die Medien – und für eine Öffentlichkeit, die gerne mit dem Finger auf andere zeigt.
Podcast-Serie «Mord im Männermilieu»
In den 1950er- und 1960er-Jahren wurden in Zürich sechs Männer ermordet, die eines verband: Sie waren schwul. Dies musste damals im Verborgenen bleiben, in die Schlagzeilen kamen sie, als sie tot waren. Eine sechsteilige Podcast-Serie über staatliche Repression und heimliche Liebe. Zur Übersicht.