Die letzte Zigarette
Eine nächtliche Bekanntschaft auf der Strasse endet mit einer Leiche in einer Zürcher Wohnung. Der Mörder, ein italienischer Gastarbeiter, erhält öffentlichen Zuspruch. Und aus dem Opfer wird vor Gericht ein Täter. Podcast-Serie «Mord im Männermilieu», Folge 2.
Von Michael Rüegg, Alexander Wenger (Text und Audio) und Thomas Ott (Illustration), 05.03.2022
Dezember 1957: Mitten in der Nacht bietet Ernst Rusterholz (46) auf der Strasse Lodovico R. (24) eine Zigarette an und lädt ihn auf einen Drink bei sich zu Hause ein. Der italienische Metallschleifer geht mit, später wird er der Polizei erzählen, er sei weder schwul, noch habe er gewusst, was ihn erwarte. Es kommt zu einigen Intimitäten, die in Gewalt umschlagen: R. würgt seinen Gastgeber zu Tode. Die Polizei beginnt umgehend mit der Fahndung nach dem Täter. Ein Mitglied der Schwulenvereinigung «Der Kreis» kann den Tatverdächtigen beschreiben. Bei einer Passantenkontrolle nimmt die Polizei Lodovico R. fest.
Es ist bereits der zweite Mord an einem Schwulen in Zürich innert kurzer Zeit. Die Medien schlachten das aus, die öffentliche Sympathie liegt eher beim Täter als beim «perversen» Opfer. Lodovico R. wird später nach der Gerichtsverhandlung fast schon zum Helden stilisiert. Aufgeschreckt durch die gesellschaftliche Diskussion über das «Homosexuellen-Problem», zieht die Zürcher Polizei die Schrauben an und füllt ihr «Homosexuellen-Register» mit Personendaten. Eine Hetzjagd beginnt.
Podcast-Serie «Mord im Männermilieu»
In den 1950er- und 1960er-Jahren wurden in Zürich sechs Männer ermordet, die eines verband: Sie waren schwul. Dies musste damals im Verborgenen bleiben, in die Schlagzeilen kamen sie, als sie tot waren. Eine sechsteilige Podcast-Serie über staatliche Repression und heimliche Liebe. Zur Übersicht.