Googles Geld und Teufels Küche
Welche Schweizer Verlage während der Pandemie von Google finanzielle Unterstützung erhalten haben. Warum diese Hilfe zwiespältig ist. Und wie sich die Medienbranche gegen die Übermacht der Tech-Konzerne zur Wehr setzen will.
Eine Recherche von Adrienne Fichter, 22.12.2021
Der Werbemarkt trocknet immer mehr aus, und mit dem Werbeumsatz bricht eine der wichtigsten Einnahmequellen der Schweizer Verlage weg. Es sind düstere Fakten für Medien, die im neuen Bericht «Intermediäre und Kommunikationsplattformen» des Bundesamts für Kommunikation präsentiert werden.
Laut dem Bericht sank der Werbeumsatz der Schweizer Verlage von 1,76 Milliarden Franken im Jahr 2007 auf gerade noch 432 Millionen Franken 2020 – ein Einbruch um 75 Prozent. 70 Prozent des gesamten Online-Werbekuchens fliessen in die USA ab, genauer: zu Facebook, Instagram und Google.
Das staatliche Medienförderungspaket wurde geschnürt, um diese Ausfälle zu kompensieren. Gleichzeitig nimmt der regulatorische Druck auf die Big-Tech-Konzerne, die von Medieninhalten profitieren, weiter zu.
Zwar ist Google für Schweizer Verlage zu einem mächtigen Feind geworden, den es zu zähmen gilt und den man zur Kasse bitten möchte. Doch auf der anderen Seite präsentierte sich der US-Konzern als grosszügiger Wohltäter und Mäzen in der Not, dessen unkomplizierte finanzielle Hilfe man gerne annimmt. In einer zweiteiligen Recherche beschreiben wir das delikate und ambivalente Verhältnis zwischen den Medienverlagen und dem Suchmaschinenkonzern.
Dabei fanden wir heraus:
Weltweit haben über 5600 Medientitel während der Pandemie 39 Millionen Dollar Direktzahlungen von Google erhalten. Gegenleistungen mussten sie dafür offiziell nicht erbringen. Die Google-Finanzierung läuft über das Programm «Journalism Emergency Relief Fund», wie Recherchen der Republik zeigen. Eine Mehrheit der Zahlungen ging an Medien-Start-ups und kleinere Lokalmedienverlage. Doch auch grössere Verlage machten sich den Corona-Hilfsfonds des Big-Tech-Konzerns zunutze und refinanzierten damit ihre kleinen Medientitel.
In der Schweiz haben 49 Medientitel bei Google um Unterstützung ersucht, 23 davon haben einen Zuschlag bekommen. Darunter viele Lokalmedien: «Tsüri», «Bote der Urschweiz», «La Gruyère» oder «Zentralplus». Insgesamt total 195’000 Dollar. Der Südostschweizer Verlag Somedia erhielt Unterstützung für insgesamt sieben Medientitel.
Die grossen Schweizer Medienverlage wie NZZ, Ringier, die TX Group und CH Media hingegen wollen nichts mehr von Googles Mäzenatentum wissen. Kaum einer der big four fragte seit 2019 offiziell für Förderung von Medieninnovationen an. Der Grund: Alle warten auf das Leistungsschutzrecht, eine Art Linksteuer für die Big-Tech-Plattformen.
Die Verlage und die Tech-Plattformen pflegen seit langem eine «Frenemy»-Beziehung, eine Wortschöpfung, die sich aus friend (Freund) und enemy (Feind) zusammensetzt. Diese Beziehung betrifft sowohl die Werbevermarktung wie auch den redaktionellen Bereich. Und sie ist kompliziert.
In diesem ersten Teil der Recherche rekonstruieren wir das Zusammenspiel von Medienhäusern und den Big-Tech-Giganten im Werbebereich. Genauer: wie die Medienbranche auf schwindende Werbeeinnahmen reagiert und wie sich Google während der Pandemie als Retter in der Not gerierte.
Dabei zeigt sich: Die grossen Schweizer Medienverlage haben genug von der «Anbiederung» des Big-Tech-Konzerns und streben mithilfe von Bundesrätin Karin Keller-Sutter eine verbindliche Regulierung an. Die Kleinen hingegen greifen in der Verzweiflung nach den Brosamen von Google und Co.
In den Fängen von Big Tech
Das Medienförderungspaket, über das in der Schweiz am 13. Februar 2022 abgestimmt wird, und die mächtigen Silicon-Valley-Unternehmen: Auf den ersten Blick haben diese beiden Themen wenig miteinander zu tun.
Doch effektiv ist die Misere der Schweizer Medien zu einem grossen Teil den Big-Tech-Firmen zuzuschreiben. Seitdem Facebook und Google in den 2010er-Jahren ihr Werbeportfolio massiv ausgebaut haben, werben Firmen direkt auf den Plattformen. Die Folge: Der Werbekuchen für alle anderen schrumpft. Für Unternehmen ist die Platzierung ihrer Inserate neben Medienartikeln wenig attraktiv geworden. Auf den Plattformen erreichen sie ein Millionenpublikum, das sie zielgenau ansprechen können. Dank einem riesigen Datenschatz, angereichert durch Daten über das Surfverhalten der Konsumentinnen in den Netzwerken.
Die Medienverlage kommen dabei kaum mehr um die Big-Tech-Konzerne herum, weil in deren Werbenetzwerken bereits Tausende von Schweizer KMU angeschlossen sind. So fungierten die Medien jahrelang als Erfüllungsgehilfen der Plattformen und integrierten willfährig die Facebook-Pixel und Google-Tracker auf ihren Websites. Jeder Klick auf Tagesanzeiger.ch zahlt in das Google-Datenuniversum ein.
Anders, als es die Leitmaxime von Google («Don’t be evil», «Sei nicht böse») suggeriert, verhielt sich der Konzern in dieser Beziehung durchaus evil, wie die jüngste US-Anklageschrift zeigt. Seit 2008 hatten Verlage kaum mehr eine Chance, mit Konkurrenten von Google zusammenzuarbeiten. Google betrieb jahrelang «Insiderhandel» und missbrauchte seine erdrückende Monopolstellung bei der Abwicklung von Werbetransaktionen. Der Hauptvorwurf: Google zwang mit seinen Geschäftsbedingungen Verlage dazu, die Online-Werbebörse, den entsprechenden Server und die Anzeigeplattformen des Konzerns zu nutzen, und heimste dabei bei jedem Zahlungsschritt Provision ein. Der Konzern spannte dafür auch mit seinem grössten Konkurrenten Facebook zusammen und traf preisliche Absprachen. Die Medien wurden also über ein Jahrzehnt lang vom Monopolisten geschröpft, ohne es zu wissen.
In der Schweiz gibt es von der aufgebrachten Medienbranche drei Versuche einer Antwort auf die zunehmende Machtasymmetrie im Wettbewerb:
Protektionismus im Werbebereich aufbauen.
Direkte finanzielle Hilfe durch Google selber annehmen.
Regulierung forcieren (das Leistungsschutzrecht).
Erstens: Werbeprotektionismus
Zum einen versuchen die Verlage, den KMU eigene Vermarktungsplattformen anzubieten und nicht die ganze Handelskette den Big-Tech-Riesen zu überlassen. Zum anderen richten NZZ, Ringier, TX Group und CH Media im Verbund ein einheitliches Benutzerkonto für alle Nutzerinnen ihrer Medien ein: die Login-Allianz («OneLog»). Auch diese Initiative wird als protektionistische Alternative gegenüber der Big-Tech-Welt vermarktet. Der Datenkuchen der Benutzer soll ausschliesslich den Medienhäusern zur Verfügung stehen. Die Anti-Big-Tech-Rhetorik in Sachen Werbevermarktung wird auch auf EU-Ebene immer wieder ausgespielt. Springer-Chef Mathias Döpfner, der auch Präsident der deutschen Zeitungsverleger ist, fordert von Ursula von der Leyen, der Präsidentin der EU-Kommission, den Datenabfluss in die USA mit europäischen Regulierungsprojekten zu stoppen.
Doch es ist schwierig, sich gegen den Goliath aus den USA abzugrenzen. Denn für die Werbekunden – Unternehmen, die Online-Werbeinserate buchen – sind die zahlreichen Instrumente von Google schlichtweg attraktiver als die unpräziseren und weniger datenreichen Angebote der Werbeabteilungen von Schweizer Medienkonzernen.
Zweitens: Finanzielle Direkthilfe
Eine andere Antwort kam von der Big-Tech-Branche selbst: Der «Peiniger» lockt quasi «als Wiedergutmachung» für die schwindenden Werbeeinnahmen mit Entschädigungen für die gebeutelten Verlage. Seit Jahren stellt Google attraktive finanzielle Fördertöpfe bereit. Der erste nannte sich «Digital News Initiative» (DNI). Die Idee: Die Medienverlage reichen Projektideen ein, etwa für eine Petitionsplattform, eine intelligente Leserkommentar-Moderation, eine neue App oder gar eine neue Stelle in einem Innovationsteam. Und eine Jury – besetzt mit Medienkadern aus der Branche – entscheidet über die Vergabe. Eine Qualitätskontrolle über die eingereichten Innovationen nach erfolgter Zahlung fand nicht statt. Total wurden 3,3 Millionen Euro an die TX Group, NZZ, Ringier, CH Media und weitere Verlage von der DNI ausbezahlt, wie die Republik im Herbst 2018 herausgefunden hatte.
Damals stellten wir fest: «Es gibt keinen namhaften Schweizer Verlag mehr, der in den letzten drei Jahren nicht von Googles medialer Entwicklungshilfe profitierte.» Die Schweiz befand sich damals sogar in den Top 10 der geförderten Google-Nationen.
Heute ist das nicht mehr so. Ende 2019 wurde der DNI-Fonds geschlossen und in eine neue Initiative umgewandelt: «Google News Initiative». Damit waren ursprünglich weitere Innovationsprogramme geplant.
Doch dann kam die Pandemie.
Und die Medien hatten keine Ressourcen mehr für innovative Weiterentwicklungen, sie kämpften schlichtweg ums Überleben. Der Konsum sank während des ersten Lockdowns, Unternehmenskunden stoppten die Zahlungen für die Online-Werbeinserate und sämtliche laufenden Kampagnen. Der Werbemarkt stand still. Verlage entliessen Mitarbeitende, beantragten Kurzarbeit und Subventionen zur Überbrückung.
Und Google wandelte seine Initiative kurzerhand um – in eine Art Nothilfeprogramm. Ein Programm, über dessen Erfolg und Umsetzung erstaunlicherweise bis heute niemand berichtet hat.
Mit dem «Journalism Emergency Relief»-Fonds sollten lokale Medien-KMU gefördert werden. Diese bekamen direkte Unterstützungsbeiträge – ohne dafür irgendwelche Gegenleistungen erbringen zu müssen. Der Bewerbungszeitraum lag vom 15. bis zum 29. April 2020, also genau während der ersten Shutdown-Phase in der Pandemie.
Die Kriterien: Lokalredaktionen, die sich bewerben, müssen zwei bis maximal hundert Vollzeitangestellte beschäftigen. Ausserdem müssen sie einen digitalen Auftritt haben und seit mindestens 12 Monaten operativ tätig sein. Je nach Landesgegebenheiten konnten auch grössere Redaktionen unterstützt werden. Weitere Anforderungen werden nicht genannt.
Der Corona-Nothilfefonds war heiss begehrt: Es gab Einreichungen aus der ganzen Welt, von den Seychellen, aus Oman, aus Libyen und dem Südsudan. Neben Medien aus den USA, Europa und Asien haben auch lokale Verlage aus vielen afrikanischen Staaten Gesuche eingereicht.
Insgesamt wurden 39 Millionen US-Dollar an 5739 Verlage weltweit ausbezahlt, wie die Recherchen der Republik ergeben.
In der Schweiz haben 49 Medientitel für finanzielle Unterstützung über insgesamt 315’000 Franken angefragt, weniger als die Hälfte (23) haben eine Förderung erhalten. Google zahlte der Schweizer Medienbranche insgesamt 195’000 Dollar aus. Darunter vielen lokalen Medien mit teils harter Paywall: dem «Boten der Urschweiz» zum Beispiel. Oder der «Engadiner Post».
Welche Verlage keine Mittel erhielten? Darüber schweigt sich Google aus.
Unter den Bevorteilten befinden sich auch «Tsüri», «Bajour» und «Zentralplus», also leserfinanzierte Lokalmedien-Start-ups, die zum Teil ohne Werbung auskommen. Die meisten pflegen ein ambivalentes Verhältnis zu den Big-Tech-Plattformen. Zum einen schätzt man die Plattformen als Treiber für Klickzahlen, zum anderen werden Abhängigkeiten und die sinkenden Werbefranken als problematisch wahrgenommen.
Ich will es genauer wissen: Schweizer Medien, die Google-Gelder erhielten
– «Arcinfo» (ESH Editions Suisses Holding SA)
– «Bajour»
– «Bote der Urschweiz»
– «Bremgarter Bezirks-Anzeiger»
– «Bündner Tagblatt» (Somedia AG)
– «Davoser Zeitung» (Somedia AG)
– «D’Region Emmental»
– «Engadiner Post»/«Posta Ladina»
– «Feuilles d’avis de la Vallée de Joux»
– «Journal de Morges»
– «La Côte» (ESH Editions Suisses Holding SA)
– «La Gruyère» (Groupe St-Paul)
– «La Quotidiana» (Somedia AG)
– «Le Courrier Lavaux-Oron»
– «Le Nouvelliste» (ESH Editions Suisses Holding SA)
– «Neue Fricktaler Zeitung»
– «Pöschtli» (Somedia AG)
– «Radio Südostschweiz» (Somedia AG)
– «Südostschweiz – Bündner Zeitung» (Somedia AG)
– «Glarner Nachrichten» (Somedia AG)
– «Tsüri»
– TV Südostschweiz (Somedia AG)
– «Zentralplus»
«In der ersten Corona-Welle hatten wir mit massiven Einnahmeeinbussen zu kämpfen und fürchteten um unser Fortbestehen. Als dann Google einen Topf für lokale Medien öffnete, die etwas für den gesellschaftlichen Zusammenhalt tun, haben wir uns beworben», sagt Simon Jacoby, Herausgeber von «Tsüri». Christian Hug, CEO von «Zentralplus», sieht das ähnlich: «Wenn Plattformen wie Google den Schweizer Medien relevante Werbeerträge abspenstig machen und unsere Inhalte verwerten, ist es nicht mehr als richtig, wenn zumindest eine geringe Unterstützungsleistung geleistet wird.»
Dass jeweils nur die Hälfte der beantragten Summe ausbezahlt wurde, wirkt auf den ersten Blick wie eine strenge Prüfung vonseiten des Suchmaschinenkonzerns. Ein Team von Google-Mitarbeitenden mit Erfahrung in Journalismus und Publizistik wertete die Projekte aus. Und legte die Höhe fest. «Die Antragsteller werden dann per E-Mail kontaktiert und aufgefordert, einen Vertrag mit Google zu unterzeichnen, um die Mittel zu erhalten», steht auf der Website des «Journalism Emergency Relief Fund».
Doch wie genau und nach welchen Qualitätskriterien geprüft wird, bleibt intransparent. Es gibt ausserdem einige Ungereimtheiten.
Zum Beispiel fällt auf, dass die Bedingung des Zeitraums grosszügig ausgelegt wird. «Bajour» etwa war zum Zeitpunkt der Bewerbungsmöglichkeit noch keine 12 Monate online.
Auch auffällig: Der Corona-Nothilfefonds sollte KMU zugutekommen, doch auf der Liste sind auch Auszahlungen an Grossverlage wie die Haaretz-Gruppe oder die Rheinische Post Mediengruppe aufgeführt, die damit ihre kleineren Titel refinanzierten. In der Schweiz hat ebenfalls ein grösserer Verlag zugegriffen: Somedia, ein Monopolverlag in der Südostschweiz mit 650 Mitarbeitenden.
Unterstützung erhielt Somedia für das «Bündner Tagblatt», die «Davoser Zeitung», für «La Quotidiana», «Pöschtli», Radio Südostschweiz, TV Südostschweiz und die Bündner und Glarner Ausgaben der Tageszeitung «Südostschweiz». Über die Höhe der Google-Zahlungen schweigt sich Silvio Lebrument, Geschäftsführer Medien, auf Anfrage aus.
Ausserdem ist das Westschweizer Portal «Le Courrier Lavaux-Oron» unter den Zahlungsempfängern aufgeführt. Doch der Verlag erhielt nach eigenen Angaben nie eine Antwort von Google auf die Bewerbung und auch keine Überweisung. Ein Versäumnis von Google: Weil die Verantwortlichen von «Le Courrier» nie benachrichtigt wurden, ging die Zahlung vergessen.
Allgemein sind die Beiträge eher mickrig: Fast alle Begünstigten, die auf die Anfrage der Republik antworteten, haben laut eigener Auskunft maximal 7000 Dollar erhalten. Es gab jedoch eine Ausnahme: die drei Titel des welschen Verlags ESH Média «Arcinfo», «La Côte» und «Le Nouvelliste» erhielten einen Zuschuss von je 15’000 Dollar, wie Verleger Jacques Matthey auf Anfrage erklärt.
Weshalb diese Ungleichbehandlung? Die Angaben zur Redaktionsgrösse seien massgebend gewesen, erklärt Google-Sprecher Samuel Leiser.
Einige Verlage finanzierten mit dem Batzen digitale Weiterbildung der Redaktorinnen, andere entwickelten Online-Tools. Das «Journal de Morges» etwa baute nach eigenen Angaben mit den erhaltenen 5000 Dollar eine Plattform für die Gemeindewahlen und liess sich vom Google-Geld auch «ein grosses Apéro/Abendessen für alle Mitarbeitenden» sponsern.
Das Google-Sponsoring ist beliebt: Die meisten angefragten Medienverlage würden wieder um Geld vom Tech-Riesen nachsuchen.
Der Grund dafür liegt im einfachen unbürokratischen Bewerbungsprozess. Der Antrag sei gemäss den meisten Medienschaffenden in einer Stunde ausgefüllt. Und das Geld wird rund einen Monat später überwiesen.
Google spricht gerne und oft über sein Medienengagement. Sprecher Samuel Leiser sagt: «Google Schweiz fördert seit Jahren den Journalismus in der Schweiz und arbeitet in zahlreichen Projekten hinsichtlich Innovation, Vermarktung, Technologie, Nachwuchs und Standortförderung eng mit Schweizer Verlagen zusammen.» Der sonst eher verschlossene Konzern antwortet ausführlich auf die Fragen der Republik und weist auf Vorzeigeprojekte hin: Der NZZ-Verlag habe mit der von Google gesponserten App «NZZ Companion» 20 Prozent mehr Abonnenten generiert. Der Google-Beitrag für dieses Projekt: 670’000 Euro.
Etwas anders tönt das bei der NZZ selbst: Zwar habe die NZZ-App mit der Integration der von Google geförderten Technologie für die Personalisierung von Inhalten die Zahl der Abonnemente um 20 Prozent steigern können, sagt Sprecherin Karin Heim. «Welchen genauen Anteil die Personalisierungsfunktion daran hatte, lässt sich im Nachhinein nicht mehr differenzieren.»
Der Fall ist klar: Die Google-Fördertöpfe dienen als Mittel zum Zweck, um aufgebrachte Medienverlage weltweit milde zu stimmen und die politisch debattierte Regulierung zu verhindern. Doch offenbar haben zumindest in der Schweiz die grossen Medienverlage die Strategie durchschaut. Seit der letzten Republik-Recherche zum Thema von Oktober 2018 haben NZZ, TX Group, CH Media und Ringier kaum mehr Gelder beantragt beim Big-Tech-Riesen.
Die Zurückhaltung scheint teils von ganz oben zu kommen: Ein Insider berichtet, wie Ringier-CEO Marc Walder noch 2018 ganz begeistert war über das Google-Sponsoring des Projekts «Zombie» der Tageszeitung «Le Temps» (damals noch im Besitz von Ringier). Dabei handelt es sich um einen Bot (also ein automatisiertes Programm), welcher die besten Artikel von «Le Temps» eruiert und auch den Zeitpunkt, zu dem sie publiziert werden sollen.
Walders Enthusiasmus sei von Ralph Büchi gebremst worden, damals Ringier-COO und CEO Ringier Axel Springer Schweiz. Denn Walders Begeisterung für das private Medienengagement von Google schadete dem Anliegen von Springer, dem grössten Verlag in Deutschland: der Forderung nach einer Einführung eines Leistungsschutzrechts. Kein Wunder: Mathias Döpfner, Chef von Springer, ist quasi geistiger Urheber der Linksteuer, die in die neueste EU-Urheberrichtlinie integriert worden ist.
Drittens: Das Leistungsschutzrecht
Auch für das neueste Projekt aus Googles Medienküche sind die Schweizer Verlage dem Vernehmen nach nicht zu begeistern: Google Showcase.
Worum geht es dabei? In der Google-News-Sparte sollen Medienverlage exklusive Hintergrundstücke veröffentlichen, die in einem speziellen Design angezeigt werden. Im Gegenzug erhalten sie vom Konzern direkte Vergütungen. Showcase ist ein weiterer Versuch von Google, direkt mit den Medienverlagen zu verhandeln, um staatlichen Forderungen zu entgehen.
In Deutschland sind namhafte Verlage wie Spiegel, Zeit und FAZ bereits an Bord. Niemand redet öffentlich über die Höhe der Google-Entschädigungen, Schätzungen zufolge würde der Tech-Konzern – je nach Zahl der bei Showcase publizierten Artikel – rund 1000 Euro pro Tag an die Verlage bezahlen. Dies geht aus einer kommunikationswissenschaftlichen Studie der angehenden Journalistin Alina Schreiber hervor.
Eine Taktik des Konzerns ist es, mit jedem Medienhaus eine individuelle Lösung zu finden. Die Verträge werden geheim gehalten. Genau dies möchte der Schweizer Verlegerverband vermeiden. Geschäftsführer Stefan Wabel sagt dazu: «Wir müssen jetzt geeint auftreten und einen gesetzlichen Rahmen ansteuern.»
Offiziell hat also niemand Interesse am Programm Showcase. Fast wie abgesprochen betonen alle Verlage die Notwendigkeit von staatlichen Massnahmen. So sagt TX-Group-Sprecherin Ursula Nötzli: «Vielmehr hat für uns die Einführung eines Leistungsschutzrechts hohe Priorität. Wir sind der Ansicht, dass die journalistische Leistung anerkannt werden muss.»
Unverblümtere Worte findet Peter Wälty, Digitalchef der «Weltwoche» und ehemaliger Geschäftsführer Digital der Blick-Gruppe: «Von der ‹Digital News Initiative› redet seit Jahren keiner mehr, und Showcase wurde von allen, die einigermassen alle Tassen im Schrank haben, längst als Einlullungsgeschenk entlarvt.»
Die Stimmung der mächtigsten Schweizer Medienmanager gegenüber Google ist also eher frostig. Doch der Konzern mit Sitz in Kalifornien gibt sich zweckoptimistisch. Erste Gespräche hätten stattgefunden, sagt Sprecher Samuel Leiser. Die Zusammenarbeit mit Schweizer Verlagen sei konstruktiv und partnerschaftlich: «Deshalb haben wir Anfang Juli im direkten Austausch mit Verlagen Gespräche über unser neues globales Lizenzprogramm für Nachrichteninhalte ‹Google News Showcase› angeboten.»
Fazit: Entweder erzählen die Verlage nicht die ganze Wahrheit. Oder Google antwortet aus politisch-strategischen Gründen euphemistisch.
Unabhängig davon, was nun stimmt, wird nun in Bundesbern hinter den Kulissen die dritte Antwort der Medienbranche auf die erdrückende Marktmacht von Google vorbereitet: das Leistungsschutzrecht. Damit hoffen die Verleger auf eine alternative Geldquelle, sollte das Medienförderungsgesetz in der Abstimmung kommenden Februar bachab geschickt werden.
Mehr dazu folgt in Teil II dieser Recherche.