Was für ein Käse!
Es gibt in diesem Lande grosse Vorbehalte gegen das Käsen in der eigenen Küche. Kein Sakrileg ist es zum Glück, wenn es um indischen Paneer geht. «Geschmacksache», Folge 25.
Von Michael Rüegg (Text) und Reinhard Hunger (Bild), 05.10.2021
Irgendwann gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts wagte man sich als ländlich-mittelständische Familie nach und nach in verschiedene exotische Restaurants, die sich langsam über der Landschaft verteilten. An chinesische und mexikanische Restaurants erinnere ich mich gut. Aber um indische machten wir einen Bogen. Der Grund: Meine Eltern hatten mal eine Gruppenreise nach Indien unternommen. Taj Mahal und so, einmal quer durch Rajasthan und etwas weiter.
Während dieser Reise waren sie ziemlich begeistert von der Küche. Allerdings blieben auch trotz getroffener Vorsichtsmassnahmen die obligaten Verdauungsbeschwerden nicht aus. Meine Mutter kriegte in den Jahren danach bereits Panik, wenn sie bloss irgendwo Currypulver roch.
Als junger Mensch, frisch in Zürich angekommen, hatte ich eine Freundin, Vero aus Österreich, deren Schwager ein indisches Restaurant in London betrieb. Und zwar nicht irgendeines, sondern ein besonders feines. Es lag an der King’s Road, einer teuren Einkaufsstrasse. Praktisch jeden Abend soll Brian Adams dort gesessen und gegessen haben. Ich ging dann mal vorbei, Brian Adams war allerdings nicht da. Doch, doch, versicherte mir Veros Schwager, der Musiker komme praktisch täglich, allerdings esse er sehr früh und gehe danach gleich wieder. Er selber fände das ja etwas seltsam: «I couldn’t eat this food every night», versicherte er mir.
Die natürliche Absenz des Fleisches
Wie Brian Adams habe auch ich unterdessen eine Schwäche für die indische Küche. Früh fiel mir auf, wie interessant die vegetarischen Gerichte sind. Dies mag damit zusammenhängen, dass ich Huhn hasse und in jüngeren Jahren kein grosser Fan von Lamm war. Aber die Linseneintöpfe, das Aloo Gobi (Blumenkohl mit Kartoffeln) und vor allem die Paneers taten es mir an.
Paneer ist ein Frischkäse, der meist in einer Sauce gekocht wird. Klassischerweise kennt man ihn in Grün mit Spinat und leicht rötlich mit einer Tomaten-Butter-Sauce. Letztere Variante gehört zu meinen liebsten Gerichten.
Früher bin ich durch die migrationsgeprägten Viertel Zürichs gestreift, auf der Suche nach fertigem Paneer. Einmal fand ich in Form von Glarner Frischziger etwas Vergleichbares an der Käsetheke. Aber so richtig glücklich machten mich die vorgefundenen Paneers nicht. Dazu muss man wissen, dass es sich eine waschechte Inderin nicht nehmen lässt, das Zeug selber herzustellen. Und diverse Websites versichern, dass dies keine Hexerei sei.
Doch Käse selber herstellen zu wollen, ist in der Schweiz ein Sakrileg.
Ich brauchte Jahre, um allen Mut zusammenzunehmen und im Supermarkt die Hand nach zwei Litern Milch auszustrecken, in der festen Absicht, den Inhalt zu trennen. Normalerweise fürchtet man sich ja vor Scheidungen bei der Milch. Doch in diesem Fall wird sie forciert, anders gelangt man nicht zum gewünschten Resultat.
Als ich die Herstellung des Paneers googelte, lud mich eine Anzeige dazu ein, Bäuerin zu werden. Das ist wieder typisch Landwirtschaftslobby, dachte ich: Man will ein einziges Mal ein bisschen Käse machen, und schon vereinnahmen die einen.
Nach sehr kurzer Überlegung entschied ich mich gegen die harte bäuerliche Arbeit – zugunsten einer gepflegten Maniküre.
Gut betucht muss man sein
Es ist tatsächlich nicht schwer, Paneer herzustellen. Allerdings braucht man dazu ein Passiertuch, auch Mullwindel genannt. Man kann vermutlich eine herkömmliche Stoff-Babywindel nehmen, aber es würde sich in diesem Fall empfehlen, sie vorher gut zu waschen, denn Paneer soll ein sehr milder Käse sein. Mein Passiertuch habe ich in der Haushaltwarenabteilung eines grösseren Warenhauses erstanden.
Käse, egal in welcher Form, ist im Grunde nichts anderes als die Haltbarmachung von Milch. Ich habe übrigens in einem viel zu wenig beachteten Kurztext hier in der Republik vor längerer Zeit ein paar Zeilen über die Hintergründe des Aufstiegs der Schweiz zur Käsenation geschrieben. Hierzu sei an dieser Stelle bloss so viel gesagt: Am Gruyère klebt Blut.
Der Aufwand für den Paneer hält sich tatsächlich in Grenzen. Die Befriedigung, die einem die Käseherstellung in der eigenen Küche gibt, ist hingegen enorm. Pfeifen Sie dazu «Mir Senne heis luschtig» und träumen Sie vom Alpabzug, wahlweise mit etwas Bollywoodmusik im Hintergrund.
Das Rezept: Paneer Makhani
Für vier Personen als eines von zwei bis drei Gerichten. Oder für zwei Personen als Hauptgericht.
Zutaten für den Paneer: 2 Liter Vollmilch (pasteurisiert, nicht UHT), 1 Zitrone, 100 g Naturjoghurt, ein Passiertuch
Zutaten fürs Curry: 1 Zwiebel, 2 daumengrosse Stücke Ingwer, 2 Knoblauchzehen, 1 Handvoll Cashewkerne (so 15–20 Stück), Öl, reichlich Butter, 2 Kapseln Kardamom, 1 kleines Stück Zimt, 4 Tomaten, 1 Chilischote, 1 TL Garam Masala, ca. 1,5 dl Vollrahm, 2 TL Kasoori Methi (getrocknete Bockshornkleeblätter), evtl. frischer Koriander und Crème fraîche (zur Deko)
Den Paneer am besten am Vortag, mindestens aber einige Stunden zuvor zubereiten. Dazu in einem grossen Topf die Milch aufkochen. Bevor sie über die Ufer tritt, Hitze zurückstellen.
Die Zitrone auspressen und mit dem Joghurt vermischen. Diese Mischung nach und nach in die heisse Milch geben und mit einem Schwingbesen langsam rühren.
Mit der Zeit trennt sich der Käse von der Molke. Letztere hat eine seltsame gelbgrünliche Farbe. Erst bilden sich kleine Flocken. Weiter das Zitronensaft-Joghurt-Mischmasch dazugeben. Falls das Zeug nicht reicht, notfalls mit einem Schuss Essig nachhelfen.
In einem zweiten hohen Topf das Passiertuch adrett einlegen, damit eine schöne Mulde entsteht. Am besten mit Wäscheklammern an den Seiten befestigen.
Den noch heissen Inhalt des Topfs durchs Passiertuch in den anderen Topf giessen. Nun die Wäscheklammern lösen und den Käse so gut es geht ausdrücken. Ist etwas heiss, also Vorsicht! Lieber einen Lappen zur Hand nehmen.
Den gut ausgedrückten Frischkäse nun im Tuch in eine geeignete Form pressen. Idealerweise rechteckig, rund ist aber einfacher. Meinen habe ich in einen kleinen Suppenteller gepresst und den Granitmörser zum Beschweren draufgelegt.
Abkühlen lassen und danach den eingewickelten Paneer mit einem Gewicht beschwert für einige Stunden oder über Nacht in den Kühlschrank legen.
Nun wenden wir uns dem Curry zu. Mise en place: Die Zwiebel wird gehackt, das eine Stück Ingwer in Juliennes geschnitten, das andere zusammen mit dem Knoblauch im Mörser zur Paste gestampft. Die Cashewkerne in etwas warmem Wasser einweichen.
In einem mittleren Topf oder kleinem Bräter etwas Öl und einen Esslöffel Butter heiss werden lassen. Die beiden angedrückten Kardamom-Kapseln und das Stück der Zimtrinde hineingeben und kurz anbraten. Zwiebeln hinzugeben und bei mittlerer Hitze unter gelegentlichem Rühren schwitzen lassen. Hier bitte keine Eile, die Zwiebeln brauchen eine gute Viertelstunde, um ihr Aroma zu entwickeln.
Derweil die Tomaten waschen, grob schneiden und zusammen mit der entkernten Chilischote in eine Küchenmaschine geben. So lange laufen lassen, bis die Sache aussieht wie Gazpacho.
Nun die Cashewkerne im Mörser zu einem feinen Mus stampfen. Etwas Wasser dazugeben, damit eine Paste entsteht.
Wenn die Zwiebeln so weit zu sein scheinen, Ingwer und Knoblauch-Ingwer-Paste hinzugeben und kurz anbraten. Dann pürierte Tomaten dazugeben. Bei mittlerer bis hoher Hitze einkochen lassen.
Während es in der Pfanne blubbert, bei Gelegenheit die Cashewpaste hinzugeben. Immer mal wieder rühren, damit nichts anbrennt. Der Inhalt sollte ziemlich stark einkochen. Das wird eine Weile dauern.
Wenn die Konsistenz sich langsam von flüssig in dicklich verwandelt, einen Teelöffel Garam Masala hinzugeben und etwas salzen.
Mit der Zeit trennt sich die Tomatenflüssigkeit leicht vom Öl – das ist das Zeichen, dass wir uns dem Ziel nähern. Der Topfinhalt sollte ziemlich eingedickt sein. Nun noch einmal ein grosses Stück Butter hinzugeben. Dann den Rahm. Mit Salz abschmecken. Auch ein paar Prisen Zucker machen sich gut, eine ganz leichte Süsse bekommt dem Gericht. Falls es nach der Zugabe des Rahms noch zu dick ist, mit etwas Wasser nachhelfen. Sollte am Ende eine Sauce sein.
Nun den Paneer in ca. 2 Zentimeter dicke Würfel schneiden und in die Pfanne geben. Kasoori Methi drauf verteilen, Hitze runterschalten und den Käse warm werden lassen.
Vor dem Servieren alles vorsichtig vermischen. Wer mag, verziert mit etwas Crème fraîche oder Joghurt und gibt gehackten frischen Koriander obendrauf.
Dazu serviert man Reis oder Fladenbrot. Das einfachste Fladenbrot geht so: Ruchmehl in eine Schüssel. Wasser dazugeben und vermischen, bis ein Teig entsteht (einen Esslöffel Öl dazu, muss aber nicht sein). Den Teig eine Weile stehen lassen. Dann mit genügend Mehl dünne Fladen auswallen. Fladen in einer beschichteten Bratpfanne bei hoher Hitze ausbacken. Voilà.
Bier, bitte
In Indien werden ganz passable Biere getrunken. Es darf jedoch auch ein Gebräu aus hiesigen Gefilden sein. Wer beim Wein bleiben will: Gemeinhin werden zu indischen Gerichten Gewürztraminer eingeschenkt, manchmal auch Rieslinge. Wie so oft bei asiatischer Küche ist das Elsass eine gute Option. Ich würde mich aber durchaus auch dazu hinreissen lassen, hierzu einen weissen Châteauneuf-du-Pape oder einen Viognier aus dem Süden zu probieren. Wer’s gradlinig und knochentrocken mag: Generell sind Sauvignon Blancs recht tomatenfreundlich, es darf also meines Erachtens auch ein anständiger Pouilly-Fumé sein. Auch ein Chasselas aus der Westschweiz tut gute Dienste. Anhängerinnen von Nose-to-Tail und verwandten Schulen servieren dazu natürlich die bei der Käseherstellung gewonnene Molke, etwa mit Zitronensaft und etwas Zucker oder einer Mischung aus Sirup und Fruchtsaft aufgepimpt. Man kann sie auch pur trinken. Ich habe meine Molke einfach so getrunken und sie hat mich wie erwartet noch schöner gemacht.