Wie sich Immo-Firmen in Zürich ausbreiten
Wohnungen sind Gold wert in der grössten Stadt der Schweiz. Darum kaufen Investoren immer mehr davon. Wo liegen sie? Und was tun die Eigentümerinnen damit? Unsere Recherche gibt erstmals Einblick in die intransparenten Besitzverhältnisse.
Von Christian Zeier (Text) und Florian Spring (Bilder), 17.05.2021
Ohne Frau Rossi sähe Zürich anders aus. Ende der 1980-Jahre erhielt sie vom Immobilienunternehmen Ledermann ein Kaufangebot für ihr Haus im Seefeld. Das heutige Trendquartier galt damals als leicht verrucht und eher günstig. Die Immobilienfirma jedoch hatte grosse Pläne: An der Ecke Seefeld-/Münchhaldenstrasse sollte eine ganze Häuserzeile abgerissen und mit einem Neubau ersetzt werden. Die Nachbarn von Marianna Rossi verkauften, sie lehnte ab.
Aus Ledermanns neu erstandenen Häusern mussten die Mieterinnen ausziehen, die Gebäude wurden abgerissen und mit dem neuen «Tor zum Seefeldquartier» ersetzt. Frau Rossi sanierte ihr Haus in Etappen, baute neue Küchen ein, neue Badezimmer, liess die Fassade streichen und ersetzte Dach und Fenster. Heute steht die Ecke im Seefeld symbolisch für den Wandel in der Stadt: rechts der Neubau in Rot, modern mit Flachdach und vielen Kanten – daneben der Altbau mit weisser Fassade, schrägen Dächern und einem runden Turm.
«Nicht nur äusserlich ist der Unterschied enorm», sagt Georges Nievergelt, der sich im Quartierverein Riesbach engagiert und vis-à-vis wohnt. Frau Rossis Gebäude sei belebt, voller Menschen, während rund um den Neubau, von einem Kinderhort im Erdgeschoss abgesehen, meist Totenstille herrsche. Einer der Gründe: Im Neubau, der seit 2019 der Versicherungsgesellschaft Swiss Life gehört, lassen sich möblierte Businessappartments mit 2,5-Zimmern für 4000 Franken pro Monat mieten.
Bei Marianna Rossi kosten auch 3-Zimmer-Wohnungen nicht mehr als 1500 Franken. «Vor 20 Jahren hiess es, das lohne sich nie, diese Häuser sanft zu sanieren», sagt George Nievergelt. «Dafür, dass Frau Rossi das Gegenteil bewiesen hat, gilt sie nicht wenigen im Quartier als Heldin.»
Wenn Wohnungen zum Finanzprodukt werden
Berlin, Amsterdam, London – überall haben Unternehmen viel Geld in den Wohnungsmarkt investiert. In Zürich gaben Grossinvestoren in den Jahren 2016 und 2017 mindestens eine Milliarde Franken aus, um Liegenschaften in Stadt und Umlandgemeinden zu kaufen. Dies geht aus Erhebungen der Analysefirma Real Capital Analytics hervor. Eine Milliarde: Das ist zehn Mal so viel Geld als ein Jahrzehnt zuvor.
Spätestens seit der Finanzkrise 2007 gelten Wohnimmobilien, besonders in den florierenden Grossstädten, als begehrte Anlageobjekte. Weil renditeträchtige Alternativen fehlen, die gleichzeitig sicher sind, fliesst immer mehr Geld in Immobilien. Ähnlich wie Aktien oder Fonds werden Wohnungen so zunehmend zum Finanzprodukt. Diese sogenannte Finanzialisierung des Immobilienmarktes findet auch in der Schweiz statt. Ganz besonders in Zürich.
Hier haben kommerzielle Wohnungsbesitzerinnen in den vergangenen Jahren stark zugelegt. 2006 lag ihr Anteil am gesamten Wohnungsbestand bei 22 Prozent. 2020 besassen Immobiliengesellschaften, Pensionskassen und Anlagestiftungen bereits 28 Prozent aller Wohnungen in der Stadt.
Während die Gesamtzahl der Wohnungen in Zürich um 25’000 stieg, legten allein die kommerziellen Wohnungsbesitzer um 20’000 Einheiten zu. Unter dem Strich geht also fast das gesamte Wohnungswachstum auf deren Konto.
Wo liegen diese Wohnungen? Wem gehören sie und was geschieht damit?
Zürich hat ein Transparenzproblem
Um diese Fragen zu beantworten, braucht es Geld, Zeit und nochmals Zeit. Denn die Stadt Zürich hinkt bei der Digitalisierung der Grundbücher hinterher. Wer wissen will, wem ein Gebäude gehört, muss eines der elf Stadtzürcher Grundbuchämter per Mail oder Telefon kontaktieren und darf dann nur eine limitierte Anzahl Anfragen stellen, die sich immer auf ein spezifisches Grundstück beziehen müssen. Manche dieser Auskünfte sind kostenpflichtig, personenbezogene Anfragen sind nicht möglich.
Das Rechercheteam «Reflekt», die Republik und das Magazin «Tsüri» haben diese Kleinarbeit an die Hand genommen und die Daten des grössten Wohnungsbesitzers von Zürich – der Swiss Life – bei den Ämtern erfragt. Zudem wurden zwei Dutzend der grössten Hausbesitzerinnen der Stadt gebeten, Auskunft über ihr Liegenschaftsportfolio zu geben. So entstand die bisher umfangreichste zu journalistischen Zwecken erstellte Adressdatenbank zum Immobilienbesitz in Zürich.
In Städten wie Basel, Bern oder Schaffhausen ist das Grundbuch digitalisiert. Anfragen können dort einfacher gestellt werden, was Lokalmedien wie «Bajour», der «Bund» und die «Schaffhauser AZ» genutzt haben, um den Immobilienmarkt transparenter zu machen. Im Kanton Zürich waren dagegen Anfang November 2020 erst etwas mehr als 40 Prozent aller Grundstücke digital erfasst.
Laut einer Erhebung des Zürcher Stadtmagazins «Tsüri» liegt der Kanton damit landesweit auf dem letzten Platz. Aus diesem Grund haben wir mit Fachpersonen gesprochen, Berichte gelesen und Anfragen ans Grundbuchamt gestellt. So ist die bislang umfassendste, wenn auch nicht abschliessende Datenbank der grössten Wohnungsbesitzer Zürichs und der Immobilien in ihren Portfolios entstanden.
Die Datenbank umfasst 26 Unternehmen. Sie besitzen Liegenschaften an über 1800 Adressen in der Stadt Zürich. Rund zwei Drittel der Gebäude werden für Wohnungen genutzt, rund ein Sechstel wird an Geschäfte vermietet. Bei einem weiteren Sechstel der Adressen ist der Verwendungszweck nicht bekannt.
Die meisten Unternehmen haben uns auf Anfrage Auskunft gegeben. Eine kleine Gruppe weigerte sich dagegen, Transparenz zu schaffen. Die Pensionskasse Profond, die Zürcher Kantonalbank, Coop sowie die Versicherungsgesellschaften Swiss Re und Bâloise gaben nicht einmal bekannt, wie viele Wohnungen sie aktuell besitzen. Sie könnten daher ebenfalls zu den grösseren Immobilienbesitzerinnen der Stadt gehören, sind in der Datenbank aber nicht enthalten.
Keine Detailauskünfte gab die grösste Immobilienbesitzerin der Stadt: Swiss Life. Ihre Liegenschaften haben wir in Handarbeit bei den Grundbuchämtern erfragt. Nach einem längeren Prozess, in dem das öffentliche Interesse an der Auskunft begründet werden musste, haben zehn der elf Grundbuchämter die Daten herausgegeben. Gegen den Entscheid des elften Grundbuchamts hat das Rechercheteam Beschwerde vor dem Bezirksgericht Zürich eingereicht.
Offene Fragen bleiben. Unsere Adressen decken nur rund 30 Prozent aller Wohnungen ab, die sich im Besitz von institutionellen Investoren befinden. Wem also gehören die restlichen 70 Prozent? «Von den Behörden abgesehen, weiss niemand, wem wie viele Wohnungen gehören», sagt Donato Scognamiglio, Geschäftsführer des Immobilienberatungsunternehmens IAZI. Expertinnen gehen davon aus, dass es sich bei den Besitzern um weniger bekannte Immobiliengesellschaften handelt, die nicht börsenkotiert sind – kleinere Firmen oder Anlagestiftungen, über die Privatpersonen oder Vorsorgeeinrichtungen ihr Kapital investieren, sowie sogenannte Family-Offices, die das Kapital vermögender Familien verwalten.
Aus der Datenbank geht hervor, dass die Immobilien im Besitz der grossen Banken, Versicherungen, Pensionskassen und Immobiliengesellschaften über die ganze Stadt verstreut sind. Besonders in der Innenstadt, entlang der Bahnhofstrasse, ist ihr Anteil hoch. Im City-Quartier besitzt die Gruppe der 26 untersuchten Investoren über ein Fünftel der gesamten Gebäudefläche.
Auch in der Gegend um den Escher-Wyss-Platz in Zürich-West besitzen die Grossinvestoren viele Liegenschaften. Ähnlich wie in der City wird ein Teil davon an Firmen und Gewerbetreibende vermietet und ein weiterer Teil an Privatleute zum Wohnen. Viele solcher Wohnliegenschaften besitzen die untersuchten Investoren auch in Alt-Wiedikon im Südwesten der Stadt sowie in den nördlich gelegenen Quartieren Oerlikon, Affoltern und Hirzenbach.
Am rechten Zürichseeufer, im Seefeld, ist besonders die Swiss Life präsent. Das hängt damit zusammen, dass sie 2014 ein grosses Immobilienpaket von der eingangs bereits erwähnten Ledermann AG übernommen hat. Gemeinsam besitzen die beiden Firmen einen Grossteil der eingezeichneten Wohnungen im Quartier.
Wie dominant die Grossinvestoren an gewissen Stellen der Stadt sind, zeigen exemplarisch die Häuserblöcke nördlich der Sportanlage Sihlhölzi nahe des Bahnhofs Wiedikon, wo rund jede zweite Liegenschaft der Zürcher Kantonalbank, der Swiss Life oder der Credit Suisse gehört. Ganz ähnlich im Stadtteil Schwamendingen: Hier sind die UBS, die Allreal Holding, die Axa, die Zurich-Versicherung und die Swiss Life quasi Nachbarn – mit ganzen Siedlungen in unmittelbarer Nähe zueinander.
Ein Gigant unter den Immobilienbesitzern
Dass immer wieder dieselben Namen auftauchen, ist kein Zufall. Der Zürcher Wohnungsmarkt wird von einer Versicherung und zwei Banken dominiert: Die Swiss-Life-Gruppe besitzt laut eigenen Angaben rund 5000 Wohnungen in Zürich. Die UBS und die Credit Suisse kontrollieren über mehrere Fonds, Anlagestiftungen oder betriebsinterne Pensionskassen fast 3700 respektive 2400 Einheiten. Dahinter folgen Pensionskassen (Migros, Kanton Zürich), Anlagestiftungen, weitere Versicherungen sowie Immobiliengesellschaften.
Zusammengenommen gehören den 10 grössten von uns identifizierten Wohnungsbesitzerinnen etwa 9 Prozent aller Wohnungen in Zürich. Fast alle von ihnen haben ihren Bestand seit 2006 ausgebaut.
Drei Firmen überragen das Feld
Wohnungen im Besitz der zehn grössten Investoren
* Die Zurich-Versicherung besass 2006 mehr Immobilien als heute. Bei den SBB und Agensa ist der Stand von 2006 nicht bekannt. Die SBB besitzt laut eigenen Angaben «rund 1000 Objekte, die derzeit in Betrieb sind oder innerhalb der nächsten sechs Monate in Betrieb genommen werden». Quelle: Angaben der Unternehmen
Stark ausgebaut haben auch zehn weitere Investoren, zu denen Zahlen vorliegen. Zum Beispiel die Anlagestiftung Assetimmo, die Gelder von Pensionskassen anlegt. Sie besass vor fünfzehn Jahren nur 7 Wohnungen. 2011 übernahm sie die Immobilien der Pensionskassen des Tamedia-Verlags und besitzt mittlerweile mehr als 140 Wohnungen. Auch einige Immobilienfirmen haben stark zugelegt: Swiss Finance & Property Group (+151 Wohnungen), Mobimo (+239) oder Fundamenta (+174) besassen 2006 jeweils noch gar keine oder sehr wenige Wohnungen.
Ausreisser sind die Pensionskasse des Bundes, Publica, die ihren Bestand kaum erweitert hat, und die Zurich-Versicherung – die einzige Firma, die einen Rückgang verzeichnet.
Mit Abstand die eindrücklichste Entwicklung hat aber die Swiss-Life-Gruppe hinter sich. Der Versicherungsriese hat sein Immobilienportfolio um 2700 Einheiten ausgebaut – und die UBS als grösste Wohnungsbesitzerin abgelöst. Der Konzern kontrolliert heute jede fünfzigste Wohnung der Stadt. Details dazu hält die Swiss Life jedoch geheim: Anders als UBS, CS oder Axa macht die Gruppe ihr Immobilienportfolio weder auf ihrer Webseite noch im Jahresbericht publik und beantwortet auch entsprechende Anfragen nicht.
Wie genau die Unternehmen ihre Portfolios vergrössert haben, lässt sich nur schwer erheben. Vereinfacht gesagt gibt es dafür drei Möglichkeiten: Neubau, Verdichtung oder Zukauf. Jede Firma fährt hier ihre eigene Strategie – mit unterschiedlichen Folgen fürs räumliche und soziale Gefüge der Stadt.
Neu bauen – oder sanieren?
«Neubauten werden ausschliesslich von institutionellen Investoren, Wohnbaugenossenschaften oder der Stadt Zürich erstellt», sagt Immobilienexperte Robert Weinert vom Beratungsunternehmen Wüest Partner. Tatsächlich spielen die grossen Unternehmen eine zentrale Rolle bei der Entwicklung der Stadt. Sie investieren viel Geld in grosse Überbauungen wie die Europaallee (beim Hauptbahnhof), die Vulcano Towers (in Zürich-Altstetten) oder das Freilager (in Albisrieden).
Dabei entstehen nicht selten halbe Quartiere aus dem Nichts – zum Beispiel am Fuss des Käferbergs, wo die UBS Pensionskasse die Überbauung Guggachpark hochgezogen hat. Auf dem ehemaligen Gelände einer Sportanlage steht nun eine Siedlung mit 252 Wohnungen und einem Kindergarten. Als «Glücksort für Familien mit Kindern, Best Agers und alle Junggebliebenen», wird der Neubau angepriesen. Die Wohnungen entsprächen mittlerem bis gehobenem Ausbaustandard. Die Mieten sind stattlich: rund 3300 Franken brutto für 3,5 Zimmer à 100 Quadratmeter.
Dass Zürich kein günstiges Pflaster ist, weiss jede, die hier eine Bleibe sucht. Wohnen wird immer teurer: Der von der Stadt erhobene Mietpreisindex ist seit 2005 um 14 Prozent angestiegen. Mitgezählt sind alle Wohnungstypen – die mit bisherigen und die mit neuen Mietern. Blickt man nur auf die Wohnungen, die zurzeit auf dem Markt sind, ist die Steigerung der Mieten doppelt so hoch: Gemäss Zahlen von Wüest Partner liegt sie bei 30 Prozent.
Neubauprojekte könnten den Druck auf die Mieten reduzieren. Doch sie hätten zuletzt an Bedeutung verloren, sagt Walter Angst vom Mieterverband Zürich. «Wir beobachten eine Verschiebung hin zu Ersatzneubauten.». Dabei würden immer jüngere Gebäude ersetzt, um mehr und meist teureren Wohnraum zu schaffen. «Wir sehen Bauten aus den 1980er- und 1990er-Jahren, die abgerissen werden», so Angst. «Das ist eine relativ neue Entwicklung.»
Tatsächlich ist Zürich weitgehend bebaut. Es fehlen freie Flächen oder grössere Areale, die umgenutzt werden könnten. Das beobachtet auch Robert Weinert von Wüest Partner. Nachdem es 20 Jahre immer nur aufwärts gegangen sei, befände sich der Zürcher Wohnungsmarkt nun in einer Phase der Reife. Trotzdem hätten viele Akteure nach wie vor das Bedürfnis, Objekte zu erwerben, um eine langfristige Rendite zu erwirtschaften. «Die Investoren stehen unter Renditedruck und wollen ihr Portfolio optimieren. Sie sanieren, bauen aus, erstellen Ersatzneubauten.»
Der Anlagedruck ist ein Problem. Er erhöht die Zahlungsbereitschaft der Investoren. Und wer teuer kauft, möchte auch teuer vermieten.
Investoren treiben die Gentrifizierung voran
Zu beobachten ist das im eingangs erwähnten Seefeldquartier. Dieses wurde über die vergangenen Jahre stark aufgewertet und gilt heute als Inbegriff der Gentrifizierung – also der Verdrängung von alteingesessenen Bewohnerinnen durch zahlungskräftige Zuzüger. Doch auch in anderen Stadtteilen greift die «Seefeldisierung» um sich: Vom Zentrum bis zum Stadtrand lassen sich zahlreiche Beispiele finden für Leersanierungen (also für Umbauten, bei denen allen Mietern einer Liegenschaft gekündigt wird) oder für Ersatzbauten zur mutmasslichen Renditeoptimierung der Investorinnen.
Der prominenteste Fall ist wohl die Wohnsiedlung Brunaupark nahe des Einkaufszentrums Sihlcity im Süden der Stadt. Die Pensionskasse der Credit Suisse wollte sie abreissen, um 239 relativ gut erhaltene Wohnungen mit 500 neuen zu ersetzen. Der Plan weckte Widerstand bei Bewohnerinnen und Politik; sogar die Uno-Sonderberichterstatterin für das Recht auf Wohnen kam zu Besuch. Gemeinsam erreichte man schliesslich eine aussergerichtliche Einigung: Die betroffenen Mieterinnen dürfen vorerst bis 2024 in ihren Wohnungen bleiben.
Neben den ganz Grossen sind auch kleinere Akteure im Geschäft der Aufwertung aktiv. Etwa die Fundamenta sowie mehrere ihr nahestehende Anlagegefässe haben in den vergangenen zehn Jahren zahlreiche Immobilien in Zürich gekauft, die später totalsaniert wurden. Ein Beispiel ist das rote Eckhaus am Bullingerplatz im Stadtteil Hard, das 2018 an die Fundamenta ging und im Mai 2021 neue Mieterinnen willkommen hiess. Eine totalsanierte 2,5-Zimmer-Wohnung mit 70 Quadratmetern kostet dort nun 2790 Franken brutto. Vorher waren es nach Angaben des Zürcher Mieterverbandes 1700 Franken netto.
Ich will es genauer wissen: Die Fundamenta
Die Fundamenta zeigt exemplarisch, wie schwer durchschaubar der Zürcher Wohnungsmarkt ist: Die Fundamenta Real Estate AG teilt sowohl ihren Namen als auch ihre Adresse in Zug mit der Fundamenta Anlagestiftung, der Fundamenta Group AG sowie mehreren Anlagevehikeln, die unter der Bezeichnung FG Promotion 1 bis 10 auftreten. Die beiden erstgenannten Firmen besitzen insgesamt 174 Wohneinheiten in der Stadt, die von der Fundamenta Group verwaltet werden. Die Promotionen entwickeln dagegen Liegenschaften und verkaufen diese laut der Fundamenta Group noch während des Prozesses.
Daniel Kuster, der CEO der Fundamenta Group, sagt, dass die Fundamenta Real Estate AG nicht auf das Luxussegment abziele: «Unser Ziel ist es, marktfähigen und qualitativ hochstehenden Lebensraum anzubieten.» Fast 90 Prozent aller Wohnungen würden einen Nettomietzins von unter 2000 Franken aufweisen. Für eine kürzlich getätigte Neuerwerbung dürfte das jedoch nicht gelten: An der Weststrasse 145 in Wiedikon gewann die Fundamenta Anlagestiftung letztes Jahr das Bieterverfahren einer Erbengemeinschaft und stach dabei auch die von der Stadt gegründete Stiftung PWG aus. Diese soll Liegenschaften kaufen und günstig vermieten. An der Weststrasse war das nicht möglich, weil die Gebote so hoch lagen, dass sie unweigerlich hohe Mieten nach sich gezogen hätten.
«Es stellt sich schon die Frage, unter welchen Bedingungen wir als Stadt überhaupt noch Bauland oder Liegenschaften kaufen können», sagt André Odermatt, Vorsteher des Zürcher Hochbaudepartements. Das viele Geld im Markt mache es jedenfalls schwieriger. Die Kaufpreise seien stark gestiegen, was wiederum eine Erhöhung der Mietpreise und bei den gewinnorientierten Bauträgern oft auch forcierten Neubau mit Leerkündigungen zur Folge habe.
Da Mieten in der Schweiz unter normalen Bedingungen nicht ohne Weiteres erhöht werden können, bieten sich Leersanierungen und Ersatzneubauten an, um den Bewohnerinnen zu kündigen und nach abgeschlossenem Bauprojekt neue Mieter zu erhöhten Preisen einzuquartieren. Bei älteren Gebäuden erhöhen sich die Mieten dabei nicht selten um den Faktor zwei bis drei.
Mieter rauswerfen? Es ginge auch anders
Nicht alle institutionellen Wohnungsbesitzer gehen nach diesem Muster vor. Die Managementgesellschaft Pensimo, die in mehreren Anlagestiftungen Pensionskassenvermögen verwaltet, baut meist in Etappen oder saniert in bewohntem Zustand. «Umbauen ist zwar dreckig, macht Lärm und bringt viele Unwägbarkeiten mit sich», sagt ihr Firmenchef Jörg Koch. «Aber die Menschen können bleiben, und der Mietzinsaufschlag nach der Sanierung ist moderat und durch das Mietrecht limitiert.» Eines der vier Anlagegefässe von Pensimo ist auf preisgünstiges Wohnen ausgerichtet. Das habe nicht nur altruistische Gründe, sagt Koch, denn die Nachfrage nach günstigen, qualitativ hochwertigen Wohnungen nehme zu.
Auch Wohnbaugenossenschaften agieren sanfter: Sie bauen und sanieren sozialverträglich – denn wo die Mieterinnen mitreden können, braucht es bei Erneuerungsprozessen ihre Zustimmung. Damit alle bleiben können, müssen also Renovationen und Ersatzneubauprojekte gut durchdacht sein. Wo möglich, wird in bewohntem Zustand saniert – wo nicht, geschieht dies in Etappen, damit die Bewohner später zurückkehren können.
Banken, Versicherungen und profitorientierte Immobiliengesellschaften stellen sich oft auf den Standpunkt, dass dies teuer sei – und rechtfertigen Leerkündigungen mit den tieferen Kosten. Das sei nicht zwingend, sagt Andreas Wirz, Architekt und Vorstandsmitglied im Zürcher Regionalverband der Wohnbaugenossenschaften. Aktuell begleitet er mit seiner Firma die Baugenossenschaft Wiedikon bei einem grossen Erneuerungsvorhaben: Zwei von drei Siedlungen werden saniert, wobei eine aufgestockt und eine neu gebaut wird. Die Erneuerung geschieht in Etappen, keine Bewohnerin wird rausgeworfen. Am Ende werden die neuen Genossenschaftswohnungen nur rund 20 bis 30 Prozent teurer. Konkret: Eine zentrale 3-Zimmer-Wohnung dürfte künftig etwa 1100 Franken monatlich kosten.
Vor zehn Jahren verankerten Zürichs Stimmbürger in der Gemeindeordnung, dass mehr Wohnraum dem Renditedruck entzogen werden soll. Bis 2050 ist ein Drittel gemeinnütziger Wohnungen anvisiert – aktuell beträgt ihr Anteil an den Mietwohnungen je nach Zählweise zwischen 26 Prozent und 29 Prozent. «Unser Ziel haben wir noch längst nicht erreicht», sagt Stadtrat Odermatt. Obwohl die absolute Zahl gemeinnütziger Wohnungen gestiegen sei, habe man aufgrund der hohen Bautätigkeit den Anteil nicht erhöhen können. Um die Mietpreissteigerungen zu dämpfen, versuche die Stadt, Liegenschaften mit einer aktiven Wohnpolitik dauerhaft dem Markt zu entziehen. Bei privaten Bauvorhaben könne sie zudem im Rahmen von sogenannten Mehrausnutzungen auch bezahlbaren Wohnraum einfordern.
Mehr Genossenschaftswohnungen und sozialverträglichere Um- oder Neubauten – könnte das reichen, um die steigenden Preise zu dämpfen?
Verschiedene Faktoren treiben die Preise hoch
Die Meinungen gehen auseinander. Manche sehen die Hauptursache für den Preisanstieg im vielen Geld, das in den Immobilienmarkt fliesst.
«Zürich ist ein extremer Markt», sagt etwa Michael Trübestein, Professor an der Hochschule Luzern. Hier treffe eine hohe Investitionssicherheit und eine gute Lage auf positive Zuwanderung, sehr knappe Landreserven und viel verfügbares Kapital. Das habe mit dazu geführt, dass sich die Preise für den Kauf von Wohnimmobilien allein zwischen 2008 und 2018 verdoppelt haben.
«Die Unternehmen sind professioneller unterwegs als früher», sagt auch Donato Scognamiglio, Professor für Immobilienwirtschaft an der Uni Bern und Geschäftsführer eines Beratungsunternehmens. Sie könnten Mietanpassungen grossflächiger vornehmen und hätten mehr Mittel, um grössere Objekte zu kaufen oder Totalsanierungen zu realisieren.
Zu den Grossinvestoren kommen Privatpersonen und Familien, die Immobilien in der Stadt besitzen. Auch sie treiben laut Fachpersonen die Preisspirale an: Genau wie die institutionellen Eigentümerinnen sind auch sie an steigenden Mieteinnahmen interessiert. Und sie können günstig Kredite aufnehmen, um Liegenschaften zu sanieren und aufzuwerten.
Dass sich Immobilieninvestitionen lohnen, ist jedoch kein Naturgesetz. In Zürich ist es dem Umstand geschuldet, dass ein enormes Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage nach Wohnraum besteht.
Seit zwanzig Jahren liegt der Wohnungsleerstand in Zürich stets nahe null. Das heisst: Seit langem möchten eigentlich mehr Menschen in Zürich wohnen als möglich ist. «Diese Tatsache treibt die Preise in die Höhe», sagt Sibylle Wälty, Raumwissenschaftlerin an der ETH. Die grossen Investoren seien höchstens ein Teil der Aufwertungsspirale, aber nicht die eigentliche Ursache.
Laut Wälty trägt die Stadt selbst einen grossen Teil der Verantwortung für die hohen Mietpreise. Denn in den letzten Jahrzehnten entstanden massiv mehr Arbeitsplätze als Wohnplätze – was Zürich zwar Wirtschaftswachstum beschert, es aber auch mit einem Dilemma konfrontiert habe: Wo sollen all die Menschen unterkommen, die diese Arbeitsplätze füllen?
«Eine nachhaltige Siedlungsentwicklung ist nur möglich, wenn Politik und Raumplanung die stadtökonomischen Zusammenhänge miteinbeziehen», sagt Wälty. Verglichen mit 1960 habe Zürich heute aber rund 20’000 Einwohnerinnen weniger und 160’000 Vollzeitbeschäftigte mehr. So habe sich die Stadt vom damaligen 1:2-Verhältnis hin zu einem 1:1-Verhältnis zwischen Arbeits- und Wohnplätzen entwickelt. Damit die Mietpreise sinken, müsste es nach ihrer Ansicht wieder in die umgekehrte Richtung gehen. Nicht das Bauen sei also das Problem, sondern das Nicht-Bauen. «Als Mieter müsste man daran interessiert sein, dass deutlich mehr Wohnraum zugelassen wird», sagt sie.
Hochbauvorsteher André Odermatt betont hingegen, dass die Wohnnutzung in Zürich nicht von den Arbeitsplätzen verdrängt werde. «Wir haben keine City-Bildung wie in London», sagt er: «Bei uns wird in der Innenstadt noch gewohnt.» Dass die Nachfrage durch forcierten Wohnungsbau kleiner würde, sei nicht zwingend. Und: «Die Attraktivität der Stadt zu mindern, nur damit weniger Jobs oder Menschen angezogen werden, ist für uns keine Option.»
Investieren, verdichten, aufwerten – oder die Stadt so lassen, wie sie ist?
Im Kleinen zeigt sich dieses Dilemma auch im Seefeld. Das Haus von Frau Rossi wurde sanft saniert, die Mietpreise stiegen moderat, und das Quartier profitiert von den lebhaften Bewohnerinnen – aber zusätzlicher Wohnraum ist nicht entstanden. Anders im Neubau vis-à-vis: Dort sind die Preise deutlich höher als früher, Einwohner wurden verdrängt. Doch es wurden zusätzliche Wohnungen geschaffen.
Wie der optimale Kompromiss aussieht, bleibt offen. Klar ist: Steigen die Bodenpreise weiter stark an, verteuert sich auch der Wohnraum weiter.
In einer früheren Version haben wir ein Bild fälschlicherweise mit «Guggachpark» bezeichnet, darauf war aber eine andere, benachbarte Wohnsiedlung zu sehen. Wir haben dieses Bild entfernt und entschuldigen uns für den Fehler.
Christian Zeier ist Journalist. Florian Spring ist Fotograf. Beide leben in Bern und arbeiten für das Rechercheteam «Reflekt». Für die Republik haben sie bereits über das Schicksal von Asylbewerbern berichtet, welche die Schweiz nach Eritrea abgeschoben hat. Ihre Recherche über die Immobilienbesitzerinnen in Zürich, an der auch die Journalistin Esther Banz und das Magazin «Tsüri» beteiligt waren, ist Teil eines Projekts, das sich über 16 Länder Europas erstreckt. «Reflekt» hat eine durchsuchbare Karte mit den Adressen der kommerziellen Wohnungsbesitzer aufgeschaltet, nimmt weiter Hinweise über Wohneigentümerinnen entgegen und erklärt Interessierten, wie sie eine Anfrage an eines der Grundbuchämter in Zürich starten können.