«Die Einvernahme war für mich so schlimm wie die Vergewaltigung selbst»

Sie werden nicht ernst genommen, müssen ihre Unschuld beweisen, werden schlecht informiert: Viele Opfer von sexualisierter Gewalt erleben die Befragung durch die Polizei als traumatisierend. Die Geschichten von fünf Frauen.

Eine Recherche von Miriam Suter, Karin A. Wenger (Text) und Julia Spiers (Illustration), 18.06.2020

Triggerwarnung: Dieser Beitrag enthält explizite Schilderungen sexualisierter Gewalt.

Als Vanessa im Zelt aufwacht, hat sie Biss­spuren am Hals, Brand­blasen am Ober­schenkel und Schmerzen im Intim­bereich. Vier ausgelassene Tage hätten es werden sollen, ein Festival, tanzen unter freiem Himmel. Sie war mit einem Bekannten hingefahren, den sie schon lange nicht mehr gesehen hatte, am ersten Abend mixte er ihr einen Bacardi-Cola, danach Blackout.

Zwei Tage später vertraut sich Vanessa, die eigentlich anders heisst und Anfang zwanzig ist, ihrer Schwester an, die später angereist ist. Gemeinsam gehen sie in der Dunkel­heit zum Sanitäts­container auf dem Festival­gelände; sie wollen mögliche Spuren sichern. Um Mitter­nacht trifft die Polizei ein, und ein Beamter beginnt sie auszufragen.

«Er hat mich von Anfang an nicht ernst genommen», erzählt Vanessa. «Er deutete an, dass ich doch nur betrunken gewesen sei und es jetzt bereue, mit dem Bekannten geschlafen zu haben. Ich fühlte mich so unwohl, ich begann zu weinen und zu zittern. Er sagte, ich solle nicht so über­treiben. Ich wollte nicht mehr ins Spital, nicht mit auf den Polizeiposten.»

Was in dieser Nacht geschehen ist, fühlt sich für Vanessa auch heute, ein paar Jahre später, noch wie ein Albtraum an. Im ersten halben Jahr nach der Tat spricht sie mit ihrer Psycho­therapeutin vor allem über das Erlebnis mit dem Polizei­beamten. Erst danach kann sie anfangen, den Übergriff aufzuarbeiten.

Vanessa, Céline, Fiona, Natalie, Claire

Für diesen Beitrag haben wir in den letzten Monaten Frauen getroffen, die wie Vanessa sexuell missbraucht wurden. Frauen, die Befragungen durch die Polizei oder die Staats­anwaltschaft als traumatisierend erlebten. Wir redeten mit Angestellten von Opferhilfe­stellen und einem Psycho­therapeuten, der mit Personen arbeitet, die einen sexualisierten Übergriff erlebten.

Dabei erfuhren wir: Die Geschichten, über die wir hier berichten, sind keine Einzel­schicksale. Es gibt viele von ihnen.

Die Beraterinnen der Opferhilfe­stellen betonen aber auch: Es gibt viele Polizistinnen, Gerichts­mediziner, Staats­anwältinnen und Richter, die sensibel sind. Die ihr Möglichstes tun, wenn sie ein Opfer von sexualisierter Gewalt befragen, um eine vertrauens­volle Atmo­sphäre zu schaffen.

Das Problem: Es ist Zufall, wer am Tag X Dienst hat. Vielleicht ist es eine Person, die geschult ist und weiss, wie sich Traumata auswirken. Vielleicht auch nicht. Du hast letztlich einfach Glück oder Pech, wer dir auf dem Polizei­posten gegenübersitzt.

Vanessa, Céline, Fiona, Natalie und Claire hatten Pech.

Ihre Fälle sind unter­schiedlich. Doch es gibt Muster. Sie zeigen sich immer wieder, wenn man mit Opfern von sexualisierter Gewalt spricht. Die Frauen berichten davon, dass sie nicht ernst genommen und über ihre Rechte nicht ausreichend informiert wurden. Dass man ihnen zu verstehen gegeben habe, sie hätten sich nicht richtig verhalten. Oder dass ihnen gar unter­stellt worden sei, sie würden lügen oder sie seien selber schuld am Übergriff.

Die Geschichten der fünf Frauen, die Opfer sexualisierter Gewalt wurden, zeigen diese Probleme exemplarisch.

Zur Position der Polizei

Wir haben verschiedene Polizei-Organisationen um ein Interview zu den Vorwürfen gebeten. Es stellte sich niemand zur Verfügung. Aus schriftlichen Antworten auf unsere Fragen und einem Telefon­gespräch haben wir daher versucht, die Stellungnahme der Polizei so gut wie möglich darzustellen.

Problem 1: Unsensible Beamte, fehlende Sorgfalt

Vanessa will am Festival gar nicht direkt zur Polizei gehen. Sie ist angetrunken, über­müdet und hätte nur die Spuren sichern wollen, um sich dann in Ruhe zu über­legen, ob sie Anzeige erstatten wird. Aber die Sanitäter über­zeugen sie, dass es wichtig sei, möglichst schnell zu einer Rechts­medizinerin zu gehen und deshalb die Polizei zu rufen.

Eigentlich wäre es möglich, eine ärztliche Beweis­sicherung durchzuführen, ohne dass die Polizei eingeschaltet wird. Schweizweit ein Vorzeige­beispiel dafür ist seit 1986 das sogenannte «Berner Modell»: Im Kanton Bern sichert geschultes Personal nach einem sexualisierten Über­griff Spuren im Spital und informiert die Opfer­hilfe, sofern die Betroffene das möchte. Sie kann sich danach in Ruhe über­legen, ob sie Anzeige erstatten möchte. Dies ist deshalb wichtig, weil Spuren besten­falls innert 72 Stunden nach der Tat gesichert werden sollten, aber das Opfer zu diesem Zeit­punkt oft noch zu traumatisiert ist, um sich für oder gegen eine Anzeige zu entscheiden. Auch bei der Staats­anwaltschaft und der Polizei werden Betroffene von spezialisierten und, wenn immer möglich, weiblichen Fach­personen betreut.

Wir haben für diese Recherche mit Polizeikorps Kontakt aufgenommen und herauszufinden versucht, in welchen Kantonen ähnliche Prozesse wie in Bern vorgesehen sind und speziell ausgebildete Beamtinnen zum Einsatz kommen. Das Ergebnis: Es gibt keine einheitliche Herangehens­weise, keinen anerkannten Standard – und keine Übersicht über die Praxis in den verschiedenen Kantonen.

Grund­lage des Berner Modells ist die enge Zusammen­arbeit der involvierten Institutionen, die sich in einem Gremium zusammen­geschlossen haben: Vertreten sind unter anderem das Frauen­spital, das Institut für Rechts­medizin, die Kantons­polizei, die Staats­anwaltschaft sowie Opferhilfe­stellen. Diese treffen sich rund viermal pro Jahr, um sich auszutauschen, und organisieren regelmässige gemeinsame Fortbildungs­tage.

Aber leider befindet sich Vanessa nicht im Kanton Bern.

Als die Beamten auf dem Festival­gelände eintreffen, schicken sie die Sanitäterin weg, obschon diese fordert, bleiben zu dürfen. Und obwohl auch Vanessa will, dass sie bleibt. Erfolglos. Dass sie als Opfer einer Sexual­straftat das Recht hätte, eine Vertrauens­person bei sich zu haben, weiss sie nicht. Sie hätte auch verlangen können, von einer Frau befragt zu werden.

Auf beide Punkte müsste Vanessa vor einer Befragung gemäss der Schweizerischen Strafprozessordnung hingewiesen werden.

Doch das geschieht nicht.

«Der Polizist war total unsensibel», sagt Vanessa. «Ich hatte das Gefühl, dass er mir nicht glaubte. Ich weinte, und er wieder­holte immer wieder, dass ich nicht so über­treiben soll. Ich war über­fordert und sagte, dass ich nicht mit ihm mitgehen möchte. Aber er sagte mehrmals, eine Vergewaltigung sei ein Offizial­delikt, ich hätte keine Wahl, ich müsse jetzt mitkommen. Ich fühlte mich ausgeliefert. Es ging niemand auf mich ein, ich zitterte und hyper­ventilierte.» Vanessa hat früher schon einmal ein Trauma erlebt und erkennt, dass sie zu dissoziieren beginnt. Eine Dissoziation bedeutet, dass sich das Bewusst­sein abspaltet als Reaktion auf ein sehr belastendes Erlebnis.

«Ich merkte plötzlich, wie mein Körper zu kribbeln begann und ich mich leicht fühle, als würde ich schweben», erinnert sich Vanessa. «Meine Atmung veränderte sich. Meine Gedanken drifteten weg, ich nahm kaum mehr wahr, was um mich herum passierte. Das Sprechen machte mir Mühe. Fast die ganze Nacht lang fühlte ich mich, als wäre alles nur ein Traum, als wäre ich nicht wirklich da.»

Die Polizei nimmt Vanessa und ihre Schwester mit ins Spital, wo sie warten müssen. Vanessa zittert weiter, ihr wird schlecht. Ihre Schwester bittet den Beamten erfolglos um ein Temesta. Vanessa kennt ihren Körper und weiss, dass sie sich mit dem Medikament schnell beruhigt hätte. Sie fragt auch nach einem Notfall­psychiater. Doch der Polizist habe ihr geantwortet, sie solle sich nicht so aufspielen und müsse nicht meinen, jetzt noch Anforderungen stellen zu können, erzählt sie.

Vanessas Schwester erinnert sich daran, dass die Ärzte und Polizisten länger im Gang diskutierten, während Vanessa dissoziierte. «Medikamente haben wir keine bekommen, obwohl ich den Polizisten mindestens zwei Mal darum gebeten hatte. Für mich war es schlimm, dass ich nichts tun konnte, was meiner Schwester geholfen hätte. Der Polizist nahm die Situation sichtlich nicht ernst und machte einige unangebrachte Kommentare.»

Vanessa merkt, dass sie es psychisch nicht aushält, weiter zu warten.

Die Republik konnte die polizeiliche Akten­notiz einsehen, in welcher der Ablauf der Nacht grob beschrieben wird. Vanessa habe sich im Spital «unkooperativ» gezeigt und zu verstehen gegeben, dass sie das Vorgehen nicht aushalte, steht darin.

Die Polizisten fahren sie auf den Posten, um sie ausführlicher zu befragen. Vanessa kommuniziert klar, dass sie überfordert ist. Sie erklärt, dass sie immer noch dissoziiere und Gedächtnis­lücken habe. Diese Aussage steht auch so im Protokoll der Einvernahme, das die Republik einsehen konnte. Wobei das Wort «dissoziieren» falsch geschrieben ist («dislozieren»).

Die Beamten gehen laut Protokoll auf diese Aussage nicht ein. Das Gespräch wird nach 45 Minuten abgebrochen. Im Protokoll fehle viel vom Gespräch, sagt Vanessa. Das ist plausibel: Das Protokoll umfasst nur zwölf Fragen mit relativ kurzen Antworten.

Vanessa liest das Protokoll durch, bevor sie es unterzeichnet. Darin steht, dass sie bestätige, das «Merkblatt Opfer­hilfe» erhalten zu haben. «Was ist damit?», fragt sie. Darauf habe der Polizist geantwortet, sie solle ihm nicht sagen, wie er seinen Job zu machen habe, sagt sie. Nachdem er ihr das Dokument ausgedruckt hat, liest Vanessa, dass sie als Opfer das Recht gehabt hätte, von einer Frau befragt zu werden. Vanessa fügt im Protokoll die Anmerkung ein, dass sie das Merkblatt erst ganz am Schluss erhalten habe.

Die zweiseitigen Akten­notizen, die die polizeiliche Sicht auf die Nacht schildern, widersprechen in mehreren Punkten den Darstellungen von Vanessa: Sie habe eine Unter­suchung im Spital verweigert, steht dort, obschon man ihr angeboten habe, dort zu übernachten. Sie habe sich während der ganzen Nacht unkooperativ gezeigt.

Auf die Widersprüche angesprochen, sagt Vanessa, das sei alles anders gewesen. «Ich werde in den Unterlagen der Polizei völlig falsch dargestellt.» Die zuständige Beraterin der Opfer­hilfe sagt gegenüber der Republik, sie erachte Vanessas Geschichte als glaubwürdig.

Nach der Befragung auf dem Posten fahren Vanessa und ihre Schwester allein zurück ins Spital. «Als der Polizist nicht mehr dabei war, hat man mir im Spital ein Temesta gegeben und ein Taxi organisiert, mit dem wir in die psychiatrische Klinik gebracht wurden.» Dort spricht sie mit einem Psychiater, danach geht es ihr den Umständen entsprechend gut. Zu Hause hilft ihr eine von der Opfer­hilfe vermittelte Anwältin, eine Desinteresse-Erklärung einzureichen, in der festgehalten wird, dass Vanessa nicht will, dass der Übergriff straf­rechtlich weiter­verfolgt wird. Vanessa sagt, sie hätte weitere rechtliche Schritte psychisch nicht ausgehalten. Das Verfahren wird schliesslich eingestellt.

Vanessa träumt mehrere Monate lang regelmässig vom Polizisten, der sie befragt hatte. Die Erfahrung habe ihr Welt­bild erschüttert, sagt sie: «Ich hatte immer das Gefühl, ich lebe in der sicheren Schweiz, und wenn mir etwas passiert, dann habe ich das Gesetz auf meiner Seite.»

Dieses Gefühl habe sie seither nicht mehr.

Vanessas Erlebnis von jener Nacht ist laut der zuständigen Beraterin der Opferhilfe kein Einzel­fall. Solche schwer­wiegenden Fälle kämen ihrer Erfahrung nach zwar eher selten vor. Vieles von dem, was in Vanessas Fall falsch lief, kommt jedoch auch in den Geschichten anderer Frauen vor: Die verantwortlichen Polizisten verhielten sich dem Opfer gegen­über nicht sensibel. Sie reagierten skeptisch auf die Erzählungen. Ihnen fehlte Wissen über Traumata, die durch sexualisierte Über­griffe ausgelöst werden können – weshalb sie Vanessas Reaktion offen­sichtlich nicht einordnen konnten.

Traumatisierte Personen können an Einvernahmen ganz unter­schiedlich reagieren. Manche reden ohne Unterbruch, andere schweigen. Manche erzählen klar, andere haben Wissens­lücken. Manche weinen, andere lachen. Solche Reaktionen können seltsam wirken auf Menschen, die wenig über Traumata wissen.

Von Polizistinnen wird erwartet, sensibel auf die komplexen Verhaltens­weisen jedes Opfers zu reagieren. Das ist nicht einfach. «Bei sexualisierten Übergriffen sollten Beamte zum Einsatz kommen, die in diesem Bereich spezifisch geschult sind», sagt Corina Elmer, die Geschäfts­leiterin der Frauenberatung sexuelle Gewalt, einer Opferberatungsstelle in Zürich. Elmer erklärt, dass Beamte, die skeptisch reagierten, beim Opfer oft einen grossen Stress auslösten. «Opfer verlieren das Vertrauen, verschliessen sich, sind zusätzlich konfus. Das wirkt sich dann wiederum negativ darauf aus, wie die Polizei sie wahrnimmt», sagt sie.

Problem 2: Wollen Sie wirklich Anzeige erstatten?

Céline, Mitte zwanzig, hat einen Business­termin in einem Café, es geht um eine potenzielle Zusammen­arbeit. Er ist fünfzehn Jahre älter, etabliert in der Branche und fragt sie, ob sie noch in seine Wohnung mitkommen wolle. «Sei nicht so stier», denkt sich Céline, «geh einfach mit.» Unterwegs schreibt sie zwei Kolleginnen auf Whatsapp, sie habe ein komisches Gefühl.

In der Wohnung küsst der Mann sie, Céline macht mit. Irgendwann drückt er ihr auf dem Bett den Penis tief in den Rachen, hält sie fest. Céline würgt, weint, sagt laut und deutlich «Nein», versucht, ihn wegzustossen. Er drückt ihr sein Becken so stark gegen den Kopf, dass sie nicht mehr atmen kann. Dann verliert sie das Gefühl in ihrem Gesicht und in den Händen. Er wechselt kurz die Stellung. Sie sagt nochmals deutlich, dass sie das nicht möchte. Denkt sich, dass das der Moment wäre, um aufzuspringen. Doch sie fühlt sich körperlich zu schwach. Er dringt in sie ein. Sie lässt es über sich ergehen.

Der Mann bestätigt später Céline in einer Facebook-Nachricht, die der Republik vorliegt, dass er ihr Nein gehört hat.

Céline wird das auch der Polizei so schildern. Die entsprechenden Protokolle konnte die Republik einsehen.

Der Mann schreibt zum Nein weiter: «Das hört man oft, bevor es dann sehr genossen wird.» Für ihn war das alles «ein grosses Missverständnis».

Sexualisierte Übergriffe sind manchmal eindeutig. Oft sind sie es nicht. Sie geschehen in Beziehungen oder Freund­schaften. «Frauen finden sich oft in einem total wider­sprüchlichen Gefühls­chaos wieder», sagt Corina Elmer von der Opfer­beratungs­stelle Zürich. Die Ambivalenz sei hoch bei Sexual­delikten, was Aussen­stehende nur schwer nachvoll­ziehen könnten. Es heisst dann auch im eigenen Freundes­kreis: «Wieso bist du über­haupt mitgegangen?» Oder: «Warum hast du ihn nicht angezeigt?»

Célines Fall zeigt einen weiteren wichtigen Aspekt, über den viel Wissen fehlt: die Opfer­starre. Kann ein Mensch vor einer gefährlichen Situation nicht flüchten, zum Beispiel weil der Gegner stärker ist, stellt sich der Körper tot – eine Reaktion des vegetativen Nerven­systems. Das Opfer fühlt sich wie gelähmt, kann sich nicht mehr wehren, muss die Grausam­keit über sich ergehen lassen. Das kommt oft vor: 70 Prozent von knapp 300 vergewaltigten Frauen gaben in einer schwedischen Studie an, dass sie während des Über­griffs eine Bewegungs­losigkeit erlebt hatten.

Betroffene würden vom Umfeld oft gefragt, warum sie sich nicht gewehrt hätten – und fragten sich das auch selbst, sagt Jan Gysi. Er ist Facharzt für Psychiatrie und Psycho­therapie, arbeitet seit Jahren mit Opfern von sexualisierten Übergriffen und hat sich auf Trauma­therapie spezialisiert.

Obwohl Polizei und Justiz von der Schock­starre wüssten, werde diese bei der Einvernahme viel zu wenig berück­sichtigt, sagt er. Gysi sieht das Problem in den Aus- und Weiter­bildungen: «Viele Polizisten, Staats­anwälte und Richter sind engagiert und motiviert. Aber sie werden einseitig ausgebildet in der Aussage­psychologie, also im Entdecken von Lügen.»

Beispiels­weise deuteten Polizisten unchronologisches Erzählen als unglaubhaft. Dabei seien Traumatisierte oft bis mehrere Tage nach der Tat nicht imstande, stringent zu erzählen, sagt Gysi. «Im Bereich der Psycho­traumatologie fehlt bei der Straf­verfolgung viel Wissen. Es wäre sehr wichtig, dass diese Thematik in der Ausbildung stärker berück­sichtigt wird.»

Dass sich Opfer von sexualisierter Gewalt gegen den Über­griff wehren und dies beweisen müssen, damit sie vor Gericht eine Chance haben, steht in der Schweiz im Gesetz: Gemäss Schweizer Straf­recht muss der Täter für den Tatbestand einer Vergewaltigung oder sexuellen Nötigung dem Opfer drohen, Gewalt anwenden, psychischen Druck ausüben oder das Opfer zum Wider­stand unfähig machen. Es reicht nicht, wenn Betroffene klar Nein sagen. Derzeit wird eine Reform des Sexualstrafrechts diskutiert. Eine der Forderungen lautet: Es soll ein Grund­tatbestand eingeführt werden, der sexuelle Handlungen ohne Einwilligung unter Strafe stellt. Nein soll Nein heissen. Bis Sommer 2020 soll ein überarbeiteter Gesetzes­text vorliegen.

Céline versucht nach der Tat normal weiterzuleben, will kein Opfer sein, verdrängt alles: «Ich dachte immer, ich wäre jemand, der danach direkt zur Polizei geht. Aber du machst es einfach nicht. Du willst es nur abwaschen.»

Erst nach Monaten vertraut sie sich Freundinnen an, geht später zur Opfer­hilfe. Ein halbes Jahr nach der Tat sitzt sie schliesslich auf dem Polizeiposten.

«Die Beamtin fragte mich direkt am Anfang: Wollen Sie wirklich Anzeige erstatten? Nur wenige Fälle kämen vor Gericht, die meisten hätten keine Chance. Ich dachte eigentlich, ich würde unterstützt. Es sollte doch bei einem solchen Thema Rücksicht genommen werden.»

Sexualdelikte werden in der Schweiz von allen Straf­taten am seltensten angezeigt. 2019 sind in der Kriminal­statistik 679 Vergewaltigungen vermerkt. Diese Zahl ist in den letzten Jahren leicht gestiegen, 2016 wurden 588 Vergewaltigungen angezeigt. Eine Studie des Instituts GFS Bern deutet darauf hin, dass das nur ein Bruchteil der tatsächlich verübten Taten ist: Darin gab jede achte Frau ab 16 Jahren in der Schweiz an, Geschlechts­verkehr gegen ihren Willen erlebt zu haben.

Das sind hochgerechnet 430’000 Frauen.

Die Hälfte der Frauen, die sexualisierte Gewalt erlebten, gaben an, mit niemandem über den Vorfall gesprochen zu haben. Bei den Gründen, wieso sie keinen Kontakt mit der Polizei aufgenommen hatten, gaben 58 Prozent der Frauen an: Angst, dass man mir nicht glaubt.

Nur 8 Prozent erstatteten Strafanzeige.

Céline will aussagen, sie will Gerechtig­keit. Fünf Stunden dauert die Befragung. Sie findet die Einvernahme sehr belastend: «Jedes Mal, wenn ich eine Frage nicht beantworten konnte, schaute die Polizistin mich abschätzig an und sagte, dass ich das doch wissen müsste. Ich hatte das Gefühl, dass sie mir nicht glaubte. Die Einvernahme war für mich so schlimm wie die Vergewaltigung selbst.»

Später muss auch der Beschuldigte bei der Polizei aussagen. Danach fangen die Bedrohungen an: Er schreibt ihr, er werde ihre Karriere und ihren Ruf in der Branche zerstören, wenn sie die Anzeige nicht zurückziehe. Einmal ruft er sie mitten in der Nacht an, sagt: «Ich komme jetzt zu dir nach Hause, ich mache dein Leben kaputt.» Céline ruft bei der Polizei an. Ein Beamter antwortet ihr, sie solle nochmals anrufen, wenn der Mann tatsächlich vor der Tür stehe. «Das hat mir fast noch mehr Angst gemacht. Ich habe mich nicht sicher gefühlt», sagt Céline.

Was sie nicht wusste: Der Beschuldigte hätte sie nicht kontaktieren dürfen während eines laufenden Verfahrens.

Der Mann droht ihr weiter. So lange, bis sie auf den Polizei­posten geht, um eine Desinteresse-Erklärung zu unterschreiben: «Ich wollte einfach nicht mehr mit dieser Angst leben», sagt sie heute. «Ich fürchtete mich, wenn ich rausging, dass er hinter einer Ecke steht.» Auf dem Posten kann sie noch seine Aussagen durchlesen. Er gab zu Protokoll, sie habe ein Oberteil mit einem sexy Ausschnitt getragen. Von ihrer Gegen­wehr habe er nichts gemerkt, ihr Nein als Ja gedeutet. Céline setzt ihre Unter­schrift unter die Desinteresse-Erklärung, die Unter­suchung wird gestoppt.

«Ich habe mich so machtlos gefühlt. Wenn einem so etwas angetan wird, sollte man sich doch wehren können. Aber das war einfach nicht möglich. Ich habe das Vertrauen in die Polizei verloren.»

Dass Täter die Kleidung des Opfers als aufreizend beschreiben, ist kein Zufall. Beim sogenannten Victim Blaming wird die Schuld beim Opfer gesucht: Die Frau habe den Über­griff provoziert, weil sie ein aufreizendes Kleid getragen oder mit dem Mann geflirtet habe. Oder sie sei selber schuld, weil sie betrunken gewesen sei.

Die Bilder des trieb­gesteuerten Mannes und des mit Sünde behafteten Frauen­körpers seien immer noch verbreitet, sagt Corina Elmer von der Opferberatungs­stelle.

Problem 3: Mein Sexleben geht euch nichts an

Fiona erlebte vor Gericht, wie demütigend es sich anfühlen kann, wenn die Rollen des Täters und des Opfers vertauscht werden. Sie hatte eine orale sexuelle Nötigung erlebt und sich für eine Anzeige entschieden. Der Beschuldigte: ein Bekannter, mit dem Fiona ab und an flirtete, auch digital. Der Chat­verlauf wurde Bestand­teil des Prozesses. Der Staats­anwalt gab Fiona das Gefühl, eine Verführerin zu sein.

«Ich habe dem Bekannten geschrieben, dass ich halt nicht auf Weicheier stehe», erzählt sie. «Das war aber mehrere Wochen vor dem Über­griff und im Kontext einer lockeren Unter­haltung. Damals wollte ich einfach lustig sein. Der Staats­anwalt sagte bei der Einvernahme zu mir, dass mir der Beschuldigte dann wohl habe zeigen müssen, dass er kein Weichei ist.»

Der Staatsanwalt habe Fiona explizit über ihre persönlichen sexuellen Vorlieben ausgefragt. Ob sie es im Bett auch mal härter möge. Warum sie keinen Analsex mit dem Beschuldigten gewollt habe.

«Ich sass vor dem Staats­anwalt als Opfer und musste mich plötzlich dafür rechtfertigen, warum ich nicht in den Arsch genommen werden will – er hat das selbst so vulgär formuliert. Ich fühlte mich extrem erniedrigt. Am Schluss habe ich mich tatsächlich gefragt, ob ich schuld daran bin, dass mir das Ganze passiert ist.»

Die Vertreterin der Opfer­hilfe, die Fiona zur Einvernahme begleitete, bestätigt gegen­über der Republik die Fragen des Staats­anwalts. Gemäss Strafprozess­ordnung müssen sowohl die Polizei als auch die Staats­anwaltschaft bei der ersten Einvernahme das Opfer umfassend über seine Rechte und Pflichten informieren. Grund­sätzlich haben Opfer das Recht auf Wahrung ihrer Intim­sphäre. Fragen, die den ganz persönlichen, intimen Bereich betreffen, müssen sie nicht beantworten. «Aufgrund der Strafprozess­ordnung ist der Staats­anwalt oder die Staats­anwältin leider oftmals gezwungen, unangenehme Fragen zu stellen», sagt Angela Weirich, Erste Staats­anwältin des Kantons Baselland und Vorstands­mitglied der Schweizerischen Staatsanwälte-Konferenz. Dass dies für das Opfer schwierig ist, ist offen­sichtlich. Zu Fionas konkretem Fall kann Weirich keine Stellung beziehen, ohne die Einzel­heiten zu kennen. Sie sagt aber, die Staats­anwaltschaft sei in der Vorunter­suchung gehalten, eine neutrale Sicht­weise einzunehmen: «Sie versucht, die sogenannte materielle Wahr­heit zu erforschen, und schlägt sich nicht auf die Seite der einen oder der anderen Partei.»

Problem 4: Jeder Kanton geht anders vor

Einvernahmen sind für Opfer meistens sehr belastend, egal wie sensibel die befragende Person ist. Von Betroffenen werde erwartet, ruhig und doch emotional und vor allem stringent erzählen zu können, sagt Corina Elmer von der Opfer­beratungs­stelle. Deshalb sei es sehr wichtig, dass sie vor einer Befragung sorgfältig darauf vorbereitet würden, was sie erwartet.

Das zeigt auch die Geschichte von Natalie. Dreieinhalb Jahre lang wird sie von ihrem Vermieter immer wieder vergewaltigt, in ihrer eigenen Küche. Damals ist Natalie Anfang zwanzig, arbeitet im Sex­gewerbe und lebt mit ihrer kleinen Tochter zusammen. Die Abhängigkeit vom Vermieter und die Angst, die Wohnung zu verlieren, bestimmen damals ihr Leben. Davon ist ihr heute überhaupt nichts mehr anzumerken, im Gegen­teil: Natalie, Mitte dreissig, strotzt vor Selbst­bewusstsein. Letztes Jahr hat sie Anzeige gegen den Vermieter eingereicht. Die erste Einvernahme dauerte fünf Stunden.

«Es darf nicht sein, dass man so tough sein muss wie ich, damit man eine solche Befragung durchsteht», sagt sie heute. «Ich wurde Gott sei Dank sehr gut gebrieft durch die Opfer­hilfe, dafür bin ich wahn­sinnig dankbar. Hätte ich vorher nicht gewusst, was alles auf mich zukommen kann, hätte ich mich nicht so gut geschlagen.»

Natalies Einvernahme fand im Kanton Bern statt. Ihre Geschichte zeigt, wie wichtig das «Berner Modell» ist und wie gut es in der Praxis funktioniert.

Wir wollen wissen, wie die Lage in den anderen Kantonen ist: Wo gibt es bei der Polizei speziell ausgebildetes Personal für die Befragung von Opfern sexualisierter Gewalt? Gibt es noch andere Kantone, die ähnlich gut vernetzt und organisiert sind wie Bern?

Wir fragen beim Schweizerischen Polizei-Institut nach und werden an die Konferenz der Kantonalen Polizei­kommandanten verwiesen, kurz KKPKS. Ihre Antwort: «Die einzelnen Korps bieten Weiter­bildungen an, über die die KKPKS allerdings keinen Über­blick hat. Sie hat auch keine Auflistung der angewandten Modelle in den Kantonen.»

Der Präsident der KKPKS, Stefan Blättler, verlangt am Telefon detaillierte Angaben zu den einzelnen Fällen in dieser Geschichte. Diese können wir ihm jedoch aufgrund des Persönlichkeits­schutzes der Frauen nicht geben. Ohne zu wissen, in welchen Kantonen sich die Vorfälle zugetragen haben, ist Blättler nicht bereit, unsere Fragen zu beantworten. Er sagt: «Solange Sie diese Fälle nicht belegen können, bestreite ich, dass es in den einzelnen Kantonen solche Miss­achtungen gibt.»

Zusätzlich fragen wir die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizei­direktorinnen und -direktoren (KKJPD) an. Der General­sekretär antwortet: «Ich empfehle Ihnen, sich mit Ihren Frauen an die Konferenz der Kantonalen Polizei­kommandanten oder an das Schweizerische Polizei-Institut in Neuenburg zu wenden.» Womit wir wieder am Anfang stehen.

Auch das Eidgenössische Büro für Gleich­stellung von Mann und Frau verweist uns an das Polizei-Institut. Zusätzlich schlägt es vor, dass wir bei der Schweizerischen Konferenz gegen Häusliche Gewalt nachfragen. Aber auch diese verfügt über keine Über­sicht. Sie teilt uns jedoch mit, dass «die meisten Kantone speziell geschulte Beamtinnen haben für die Befragung bei Sexual­delikten gegenüber Frauen».

Simone Eggler von Terre des Femmes Schweiz bringt das Problem auf den Punkt: «Es gibt keine staatlichen Strukturen zu sexualisierter Gewalt in der Schweiz.» Viel besser organisiert ist man in einem anderen Bereich: der häuslichen Gewalt. Dieses Thema hat seit den 1970er-Jahren dank feministischen Bewegungen vermehrt öffentliche Aufmerksam­keit erlangt. Das hat dazu geführt, dass der Staat Strukturen schuf. Heute gibt es in jedem Kanton eine Interventions- oder Koordinations­stelle für häusliche Gewalt.

«Sexualisierte Gewalt war bisher schlicht kein primäres Thema», sagt Eggler. «Aber die Istanbul-Konvention verändert gerade sehr viel.» Diese Konvention ist ein Überein­kommen des Europa­rats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Die Schweiz hat die Konvention ratifiziert und sich somit unter anderem verpflichtet, Mass­nahmen gegen sexualisierte Gewalt umzusetzen. Zurzeit führen die Kantone eine Bestandes­aufnahme für den Bund durch.

Bis Februar 2021 muss die Schweiz einen staatlichen Bericht an das Kontroll­organ des Europa­rats abgeben.

Laut Eggler bewirkt die Istanbul-Konvention in der Schweiz viel Positives. Zum Beispiel wurden eine inter­departementale Arbeits­gruppe auf Bundes­ebene sowie ein gemeinsamer Ausschuss von Bund und Kantonen geschaffen, um sich bezüglich der Umsetzung der Istanbul-Konvention abzusprechen. Aber der Weg sei noch weit, sagt Eggler: «Es muss noch viel passieren. Im Moment ist es willkürlich, jeder Kanton ist anders. Dabei sollten Opfer in der ganzen Schweiz die gleichen Angebote haben.»

Natalie also hatte Glück, dass sie im Kanton Bern wohnt. Durch den Beistand der Opfer­hilfe konnte sie sich auch auf konkrete mögliche Fragen einstellen. Solche, die aufgrund des geltenden Sexual­strafrechts gestellt werden müssen – Fragen an die Frau, die beweisen muss, dass der Über­griff passiert ist. Und dass sie sich ausreichend gewehrt hat.

Für Natalie ist klar: Dieses System krankt. «Die Polizistinnen, die mich befragt haben, waren zwar nett und einfühlsam. Wegen ihnen habe ich mich nicht unwohl gefühlt, aber ich habe ihnen dennoch gesagt, wie unter­irdisch ich diese Fragen finde. Sie haben mich zum Beispiel gefragt, wie der Penis des Beschuldigten geschmeckt habe. Wie tief er in mich eingedrungen sei. Wie sich das angefühlt habe. Und woran er hätte merken sollen, dass ich das nicht wolle. Ich weiss, dass die Polizistinnen diese Fragen stellen müssen, aber es kann doch nicht sein, dass ein Opfer solche Details wieder und wieder erzählen muss. Natürlich haben deshalb viele Frauen das Gefühl, man glaube ihnen nicht.»

Problem 5: Wenn sich das Opfer nicht verhält, wie man es erwartet

Als im Internet ein Sexvideo von Claire, Anfang zwanzig, und ihrem Ex-Freund auftaucht, erkennt sie sich zuerst gar nicht. Sie weiss nichts von einem Video, glaubt erst, die Frau sei jemand anderes. Doch als sie im Video ihr Bauch­nabel­piercing sieht, fühlt sie sich wie gelähmt.

Claire musste ihren Ex – damals war er noch ihr Freund – vor einigen Jahren schon einmal anzeigen. Er verübte einen Über­griff auf sie und wurde wegen eines Sexual­delikts verurteilt. Damals machte sie gute Erfahrungen auf dem Polizei­posten. Es wurde direkt eine Beamtin gerufen, die sie in einem separaten Raum befragte. «Die Polizistin war wirklich verständnis­voll», sagt sie. «Ich habe mich sehr wohl gefühlt.»

Damals hatte Claire Glück. Im Fall mit dem Sexvideo hatte sie Pech. Als sie auf dem nächsten Polizei­posten ankam, befragte ein Beamter sie direkt am Schalter im Empfangs­bereich. Neben ihr gingen Leute rein und raus.

«Als ich dorthin ging, fühlte ich mich stark. Ich lasse mir so etwas nicht gefallen. Doch dann sagte mir der Polizist gerade zu Beginn, dass eine Anzeige nichts bringe. Er fragte mich, wie ich sicher sein könne, dass der Mann im Video mein Ex-Freund sei. Das hat mich verletzt, ich weiss ja, mit wem ich geschlafen habe. Er gab mir das Gefühl, dass ich selber schuld sei, dass das Video existiere. Er sagte mehr­mals, dass er nichts tun könne bei inter­nationalen Websites. Erst als ich zu weinen begann und erzählte, dass mein Ex schon früher einmal verurteilt worden sei, nahm er mich etwas ernster. Ich verstehe das nicht, auf dem anderen Posten lief es so gut.»

Wie verhält sich ein Opfer? Viele Menschen haben eine konkrete Vorstellung davon. Sie gehen zum Beispiel davon aus, dass ein Opfer weinen sollte. Auch bei der Befragung durch die Polizei oder am Gericht spielt das mit. Agota Lavoyer, stellvertretende Leiterin von Lantana, der Fachstelle Opfer­hilfe bei sexueller Gewalt in Bern, war einmal bei einer Einvernahme dabei, wo der Staats­anwalt die Glaub­würdigkeit des Opfers infrage stellte, weil die Frau emotionslos von der Tat erzählte. «Es braucht noch viel mehr Weiter­bildungen in diesem Bereich», sagt Lavoyer.

Claire entsprach nicht dem Bild des stereo­typen Opfers. Der Beamte reichte ihr an der Empfangs­theke schliesslich Stift und Papier und wies sie an, ihre Aussage selber aufzuschreiben. Als sie aus dem Polizei­posten ging, war sie wütend und enttäuscht. Claire kontaktierte den Betreiber der Website schliesslich selber, und wenige Stunden später war das Video gelöscht. Nach einigen Wochen teilte ihr die Polizei mit, eine Anzeige gegen den Ex-Freund aufzunehmen. Das Verfahren läuft zurzeit. «Das Erlebte bei der Polizei ist immer das Erste, was ich erzähle, wenn ich über das Ganze rede. Es ist im Nachhinein fast schlimmer», sagt sie.

Ein Gefühl, das alle Frauen aus dieser Geschichte teilen.

Die Protagonistinnen dieser Geschichte heissen in Wirklichkeit anders. Weitere Details können geändert worden sein, um die Identitäten der Frauen zu schützen.

Zu Hilfsangeboten

Die Fachpersonen der Opferhilfe Schweiz beraten Betroffene von sexualisierter Gewalt kostenlos und vertraulich – auch dann, wenn noch keine Anzeige gemacht worden ist. Die Adressen zu den kantonalen Beratungsstellen finden sich unter opferhilfe-schweiz.ch. Die Dargebotene Hand ist unter der Telefon­nummer 143 rund um die Uhr für Menschen da, die ein unter­stützendes Gespräch wünschen. Die Anrufe bleiben anonym.