Bernie Sanders gewinnt US-Vorwahl, Globegarden wird kontrolliert – und wer beerbt nun Merkel?
Woche 07/2020 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.
Von Ronja Beck, Oliver Fuchs, Olivia Kühni und Jakob Kurmann, 14.02.2020
Eine CDU ohne AKK
Darum geht es: Die Vorsitzende der deutschen Christdemokraten (CDU) will doch nicht Kanzlerin werden: Annegret Kramp-Karrenbauer, verkürzt AKK genannt, hat an einer Pressekonferenz am Montag den Verzicht auf ihre Kandidatur verkündet. Weil für sie Kanzlerkandidatur und Parteivorsitz zusammengehörten, gibt sie damit auch ihr Amt als CDU-Chefin ab.
Warum das wichtig ist: Die Ankündigung von AKK folgt auf eines der grössten Beben, welche die CDU in jüngster Zeit erlebt hat. Bei der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen Anfang Februar war überraschend FDP-Mann Thomas Kemmerich gewählt worden. Möglich wurde dies nur, weil die FDP und die CDU gemeinsame Sache mit der rechtsnationalistischen AfD machten. Dabei hatte Kramp-Karrenbauers CDU eine Zusammenarbeit mit der AfD immer ausgeschlossen. Kritiker lasten den Schwenk nach rechts auch der Parteispitze an, der es misslang, die verschiedenen Kräfte in der Partei auf die Anti-AfD-Linie zu ziehen. Nach 14 turbulenten Monaten im Präsidium gibt AKK nun auf. «Die Entscheidung ist seit geraumer Zeit in mir gereift», sagte sie an der Pressekonferenz. Auf Wunsch der Kanzlerin bleibe sie jedoch Verteidigungsministerin. Nach AKKs Rücktritt als Parteichefin bringen sich nun wieder altbekannte Namen ins Spiel.
Was als Nächstes geschieht: Friedrich Merz und Jens Spahn gelten als wahrscheinliche Kandidaten für die Wahl zum Parteivorsitz. Die beiden Männer waren bereits 2018 zur Wahl angetreten. Als weiterer Favorit wird der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet gehandelt. Keiner der drei Männer hat bis jetzt offiziell sein Interesse angemeldet, laut Medienberichten soll Merz jedoch zur Kandidatur entschlossen sein. AKK will bereits kommende Woche mögliche Nachfolger treffen. Bis zum Sommer wolle sie den Prozess der Kanzlerkandidatur abgeschlossen haben und dann zurücktreten. Laut Informationen der «Zeit» soll für die Wahl zum Parteivorsitz ein Sonderparteitag im kommenden Mai oder Juni einberufen werden. Der reguläre Parteitag ist erst auf Dezember 2020 angesetzt.
Bernie Sanders rückt in die Favoritenrolle
Darum geht es: Senator Bernie Sanders hat die Vorwahlen der Demokratischen Partei im US-Bundesstaat New Hampshire gewonnen. Er sicherte sich 9 Delegierte, die bei der Democratic National Convention im Juli den US-Präsidentschaftskandidaten der Demokraten wählen. Knapp hinter Sanders landete Pete Buttigieg; der lange Zeit als Favorit gehandelte vormalige Vizepräsident Joe Biden musste mit bloss 9 Prozent Wähleranteil eine heftige Niederlage einstecken.
Warum das wichtig ist: Das Resultat hat die Parteielite der Demokraten aufgerüttelt. Viele bezweifeln, dass Sanders aufgrund seiner für die USA prononciert linken Positionen in der Lage wäre, Donald Trump zu schlagen. Doch die bisherigen Resultate geben seiner Kampagne Aufwind, die moderaten Kandidaten machen sich hingegen gegenseitig die Delegiertenstimmen streitig.
Was als Nächstes geschieht: In Nevada kämpfen die Kandidaten am 22. Februar um 33 weitere Delegiertenstimmen. Sanders hat in den neuesten Umfragen auch dort die Führung übernommen.
Anzahl diagnostizierter Coronafälle steigt sprunghaft an
Darum geht es: In der Nacht auf Donnerstag gab die Gesundheitsbehörde in der chinesischen Provinz Hubei 15’000 neue Krankheitsfälle und 242 neue Todesfälle in der Region bekannt. Das ist ein sprunghafter Anstieg auf fast 50’000 Menschen, die allein in Hubei mit dem Virus Covid-19 infiziert sind. Der chinesische Arzt Li Wenliang, der die Behörden bereits im Dezember vor dem Virus gewarnt hatte und ebenfalls daran erkrankte, ist vergangene Woche verstorben.
Warum das wichtig ist: Die Behörden erklären den plötzlichen Anstieg der Fallzahlen mit veränderten Diagnosekriterien: Neu würden auch Fälle in die Statistik aufgenommen, die nur aufgrund von klinischen Symptomen diagnostiziert worden waren und nicht mit Labortests. In ganz China sollen inzwischen fast 60’000 Menschen erkrankt und über 1000 gestorben sein. Der Tod von Li Wenliang sorgte in der chinesischen Bevölkerung für grossen Unmut. Die steigenden Fallzahlen führten diese Woche zur Absage von verschiedenen internationalen Grossanlässen wie etwa der weltweit grössten Mobilfunkmesse in Barcelona.
Was als Nächstes geschieht: Wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach einer weiteren Sondersitzung am Mittwoch bekannt gab, gebe es zurzeit 4 Kandidaten für einen Impfstoff. In 3 bis 4 Monaten könnten erste Tests an Menschen beginnen. Es dürfte jedoch bis zu 18 Monate dauern, bis ein zertifizierter Impfstoff zur Verfügung stehe. Derweil steckt im Hafen von Yokohama in Japan noch immer ein Kreuzfahrtschiff fest: Auf der «Diamond Princess» sollen 174 Passagiere erkrankt sein. Alle 3600 Passagiere müssen vermutlich bis zum 19. Februar auf dem Schiff unter Quarantäne bleiben.
Abtretender CS-Chef präsentiert Rekordergebnis
Darum geht es: Der scheidende CEO der Credit Suisse, Tidjane Thiam, präsentierte am Donnerstag ein Rekordergebnis: einen Reingewinn von 3,4 Milliarden Franken, 69 Prozent mehr als vor einem Jahr. Trotzdem muss Thiam die Bank jetzt zum heutigen Freitag verlassen. Als Grund nannte der Verwaltungsrat unter Präsident Urs Rohner den öffentlichen Vertrauensverlust wegen der Beschattung von Managern. Im Dezember hatte er deswegen bereits eine fristlose Kündigung gegen den operativen Chef Pierre-Olivier Bouée ausgesprochen.
Warum das wichtig ist: Die Credit Suisse gehört mit einer Bilanzsumme von 770 Milliarden Franken zu den systemrelevanten Banken in der Schweiz – ihre Stabilität wirkt sich auf die gesamte Volkswirtschaft aus. Gleichzeitig gibt es seit Jahren Kritik an ihrer Unternehmenskultur: Sie hat durch Rechtsstreitigkeiten und im Investmentbanking viel Geld verloren; dazu sorgt sie immer wieder mit hohen Boni für Schlagzeilen. Der Abgang Thiams, dem laut Medienberichten ein Machtkampf mit VR-Präsident Urs Rohner vorangegangen sein soll, wirft erneut Fragen auf, wie es um die Führung der Bank bestellt ist.
Was als Nächstes geschieht: Vorerst nichts. Der bisherige Chef des Schweiz-Geschäfts, Thomas Gottstein, hat als CEO übernommen. Interessant wird die Generalversammlung vom 30. April im Zürcher Hallenstadion: Mehrere Aktionäre – damit die Eigentümer der Bank – haben angekündigt, VR-Präsident Urs Rohner ihre Unterstützung zu entziehen. Darunter sind etwa die Anlagestiftung Ethos oder der grösste Aktionär Harris Associates.
Zürich nimmt Kita-Kette Globegarden ins Visier
Darum geht es: Die grösste Kita-Kette der Schweiz täuscht die Behörden mit gefälschten Dokumenten. Dies äusserten fünf jetzige und ehemalige Kita-Leiterinnen gegenüber der Republik. Infolge des Beitrags hat die Stadt Zürich eine Schwerpunktprüfung aller Globegarden-Kitas auf Stadtgebiet angekündigt.
Warum das wichtig ist: Wie die Kita-Leiterinnen berichteten, hätten sie die Präsenzlisten fälschen müssen. Auf diesen Listen sind alle Betreuungspersonen und Kinder aufgeführt, die anwesend sind. Diese Listen fordert die Krippenaufsicht bei einer Kontrolle an, um damit zu überprüfen, ob die Kitas das vorgegebene Verhältnis von Betreuerinnen zu Kindern einhalten. Laut den Informantinnen würden diese Listen unrechtmässigerweise angepasst und die Behörden so an der Nase herumgeführt. Zudem sollen in einer Einrichtung in Zug Kinder während einer angekündigten Kontrolle im Keller versteckt worden sein. Die Geschäftsleitung von Globegarden weist die Vorwürfe vehement zurück.
Was als Nächstes geschieht: In den kommenden Monaten wollen die Zürcher Behörden die Globegarden-Einrichtungen auf Stadtgebiet verstärkt kontrollieren, angemeldet und unangemeldet. Der Fokus der Schwerpunktprüfung liege auf dem Betreuungsschlüssel und der Personalplanung. Auch die Geschäftsleiterinnen von Globegarden haben Schritte angekündigt: Es sei eine Anwaltskanzlei damit beauftragt worden, die internen Abläufe zu überprüfen.
Zum Schluss: And the Oscar goes … not to Hollywood!
Bestes Drehbuch, bester fremdsprachiger Film, beste Regie und bester Film – «Parasite» vom südkoreanischen Regisseur Bong Joon-ho war der grosse Abräumer an der 92. Oscarverleihung Sonntagnacht. Es war eine historische Nacht: Niemals zuvor hatte ein nicht englischsprachiger Film in der Königskategorie «Bester Film» gewonnen. Und die Academy hat ihre grosse Abbitte geleistet: Fünf Jahre nachdem sie durch den Hashtag #OscarsSoWhite in eine längst überfällige Sinnkrise gestürzt wurde, weil die Oscars halt echt immer sehr weiss waren – fünf Jahre später also steht da ziemlich unerwartet eine Gruppe Südkoreanerinnen auf der Bühne und stammelt gebrochenes Englisch ins Mikro. Gut für sie, noch besser für Hollywood: Das Filmgeschäft wurde geehrt und die Diversität gleich mit dazu. Dumm nur, dass die amerikanischen Nominierten halt eben immer noch sehr weiss und männlich waren. Und die diesjährigen Oscars im Vergleich mit früheren Verleihungen sogar erschreckend undivers waren.
Was sonst noch wichtig war
#Cryptoleaks und Bundesbern: Der Skandal um die Crypto AG in Zug – was wussten der Schweizer Geheimdienst, die Verwaltung und der Bundesrat? Die «Rundschau»-Sondersendung.
#Cryptoleaks international: Die «Washington Post» zur Rolle der CIA.
#Cryptoleaks 2015: «Die Nachrichtendienste der USA und von Deutschland haben mithilfe der Zuger Firma Crypto AG jahrelang andere Länder ausspioniert.» So berichtete das unabhängige Magazin «Rote Anneliese» – vor fünf Jahren.
Italien: Der Senat in Rom hat am Mittwoch die Immunität des ehemaligen Innenministers Matteo Salvini aufgehoben. Damit droht Salvini ein Prozess wegen seiner Antiflüchtlingspolitik.
Türkei: Der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel ist wegen Terrorvorwürfen angeklagt. Die Staatsanwaltschaft forderte nun im laufenden Prozess eine Haftstrafe von bis zu 16 Jahren.
Vatikan: Papst Franziskus will das Zölibat in der katholischen Kirche beibehalten. Die Öffnung des Priesteramtes war in den vergangenen Monaten heiss diskutiert worden.
Thailand: Ein Attentäter erschoss in einem Einkaufscenter in der Stadt Korat mindestens 29 Menschen. Nach dem 18 Stunden andauernden Attentat wurde er durch die Polizei getötet.
USA: Nach dem Urteil gegen Donald Trumps Ex-Berater Roger Stone forderte das Justizministerium eine mildere Strafe. Die Demokraten werfen Justizminister William Barr nun Machtmissbrauch vor. Barr wird am 31. März im Repräsentantenhaus aussagen.
Top-Storys
Die Top-Storys diese Woche sind etwas anders – denn sie sind von Ihnen kuratiert, liebe Verlegerinnen und Verleger! Es freut uns sehr, dass unser neues Top-Story-Gefäss bei Ihnen bis jetzt so viel Anklang findet. Bitte weiter so! Denn ohne Sie wären wir wohl kaum auf die folgenden Perlen gestossen:
Kochen mit Corona Ein leidenschaftlicher Hobbykoch lebt in China, als das Coronavirus ausbricht. Was ihn die Quarantäne übers Kochen lehrte, hat er auf Reddit festgehalten. Verleger R. F. schreibt: «Etwas vom Besten, was ich in letzter Zeit gelesen habe. Mäandernd, aber so voll von Einsichten; Reportage, Geschichte, Philosophie in einem. Genial, absolut genial.»
Viva Las Vegas! Es gibt viele verrückte Geschichten über die Stadt der rollenden Würfel und dicken Schädel: Las Vegas. Doch könnte es sein, dass dieser Mythos eben doch nur ein Mythos ist? Verleger L. F. teilt mit uns das Porträt «einer Stadt wie jeder anderen», wie er schreibt.
Die Frau hinter den Oscars Sie stand mit den Machern von «Parasite» auf der Oscar-Bühne: Miky Lee ist der grösste Filmmogul Südkoreas. Hollywood, you better prepare. Marco Di Nardo, Verleger und Multimedia-Produzent bei der Republik, teilt mit uns die Geschichte «der mächtigen Frau hinter der blühenden Unterhaltungsindustrie Südkoreas». Zu lesen im «Hollywood Reporter».
Illustration: Till Lauer