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Die Credit Suisse und ihr last man standing

Seit Jahren erschüttern Skandale die Schweizer Grossbank. Nur einer bewegt sich nicht vom Fleck: VR-Präsident Urs Rohner.

Von Olivia Kühni, 10.02.2020

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Letzte Woche gab die Credit Suisse den Rücktritt ihres CEO Tidjane Thiam auf Mitte Februar bekannt. Der Verwaltungsrat will den Ruf der Bank retten und das öffentliche Vertrauen in die CS wieder­herstellen. Im September war bekannt geworden, dass ein zur UBS abgewanderter Topmanager überwacht worden war; im Dezember wurde ein zweiter Fall öffentlich.

Ein Unternehmen, das seine Manager bespitzeln muss, hat offensichtlich ein Problem mit seiner Unternehmens­kultur. Die Sache ist nur: Das hat die Credit Suisse schon sehr viel länger. Und während Thiam geht, so wie Ex-CEO Brady Dougan vor ihm, bleibt einer auffällig hocken: Urs Rohner, seit elf Jahren im CS-Verwaltungsrat, seit neun Jahren als Präsident.

In diesen Jahren schoss die Credit Suisse einen Bock nach dem andern.

  • Bussen über Bussen. In den vergangenen zehn Jahren hat die Credit Suisse Bussen von insgesamt rund 8,5 Milliarden Franken bezahlt, wie die «Finanz und Wirtschaft» aufgerechnet hat. Darunter wiegen besonders schwer: 2,5 Milliarden Dollar wegen des Subprime-Hypotheken­geschäfts (2017) und 2,8 Milliarden Dollar wegen Beihilfe zu Steuer­delikten in den USA (2014). Die ständigen Bussen seien «der grösste Wertvernichter» in seiner Bank, sagte CEO Thiam vergangenen Sommer. Verwaltungsrats­präsident Rohner betrifft das gleich doppelt. Erstens, weil er als Präsident die letzte Verantwortung für das trägt, was im Unternehmen geschieht. Zweitens, weil er bis zu seinem Übertritt in den Verwaltungsrat 2009 oberster Jurist der Bank war (Group General Counsel) – also zuständig dafür, dass die CS rechtmässig handelt. Er habe eine «weisse Weste», sagte Rohner dazu nach der Einigung mit den USA.

  • Ständige Kapitalnot. Zu dem ständigen Bussen­abfluss kam jahrelang ein Problem mit den Kapital­reserven. Bereits ein Jahr nach Rohners Macht­übernahme mahnte die Schweizerische National­bank (SNB) 2012, die Credit Suisse habe ein viel zu tiefes Eigen­kapital; sie empfehle dringend, es «deutlich auszubauen» – nicht nur aus Gründen der Stabilität der Schweizer Volkswirtschaft. Sondern auch, weil dies die Wettbewerbs­fähigkeit im Kerngeschäft der Vermögens­verwaltung steigere. Sowohl Rohner als auch der damalige CEO Dougan stellten sich stur. Erst über einen Monat später kündigten sie an, 15,3 Milliarden Franken neues Kapital aufzunehmen. 2013 folgte eine Idee, aus der nie etwas wurde: Die CS lagert das Schweiz-Geschäft in eine eigene Gesellschaft aus, die später an die Börse gebracht werden soll – der Plan scheiterte. Inzwischen hat sich die Kapital­situation «leicht verbessert», wie die SNB in ihrem letzten Stabilitätsbericht schreibt.

  • Falsche Strategie. Während andere Grossbanken, auch die Nachbarin UBS, ihr Investment­banking in den Jahren nach der Finanz­krise reduzierten, setzte der damalige CS-CEO Dougan weiter darauf. Und erhielt von Rohner öffentlich Rücken­deckung: «Ich halte nichts von der Idee, aus der CS eine übergrosse Schweizer Privat­bank zu machen, die rein auf Vermögens­verwaltung fokussiert ist», sagte er in einem Interview. Erst Thiam machte die Kehrtwende und setzte wieder stärker auf Vermögens­verwaltung. Das passt: Er hatte vor seinem Antritt bei der CS eine Versicherung geführt, keine Investmentbank.

  • Millionenboni. In demselben Gespräch sagte Rohner ausserdem, «die hohen Personal­kosten» seien ein Thema und «Exzesse wie in der Zeit vor 2008» gehörten der Vergangenheit an. Trotzdem sorgen die Gehälter der CS-Manager bis heute für Schlag­zeilen. Am drastischsten 2010, als Dougan einen Bonus von 71 Millionen Franken kassierte. Doch auch in den jüngsten Jahren flossen stolze Boni in die Chefetage – letztes Jahr 64 Millionen Franken für alle Geschäfts­leitungs­mitglieder zusammen. Das sorgt für heftige Kritik. Prominent etwa von der Anlage­stiftung Ethos: Sie empfiehlt regelmässig, den Vergütungs­bericht an der General­versammlung abzulehnen. Ethos kritisiert dabei nicht nur die Höhe der Boni, sondern auch ihre drastisch ungleiche Verteilung: «Die 1000 bestbezahlten Personen teilen sich fast 30 Prozent des jährlichen Bonus­pools, während sie nur 2,4 Prozent der Mitarbeitenden ausmachen.»

All diesen Stürmen trotzte Urs Rohner. Auch dieses Mal war es Thiam, nicht Rohner, der gehen musste. Obwohl der CEO «einen heraus­ragenden Job» gemacht habe, wie neben vielen der Anlagechef des grössten CS-Aktionärs Harris Associates in einem Interview betonte: die Kapital­basis stabilisiert, die Vermögens­verwaltung aus- und das Investment­banking abgebaut, die Schwankungen gestoppt. Trotzdem ist er jetzt weg.

Rohner bestritt nach dem Entscheid öffentlich, dass es einen Machtkampf gegeben habe, wie verschiedene Medien seit Monaten schrieben. Und Vizepräsident Severin Schwan darf in der Medien­mitteilung zum Abgang noch betonen: «Urs Rohner hat den Verwaltungsrat während dieser turbulenten Zeit in anerkennens­werter Weise geführt.»

Die Investoren waren weniger begeistert: Der Aktienkurs stürzte nach der Meldung erst mal ab. Mehrere bestehende Aktionäre haben angekündigt, Rohner bei der nächsten Generalversammlung am 30. April nicht mehr wiederzuwählen. Er hat allerdings vor, auszuharren – sein Einsatz läuft normalerweise nächstes Jahr wegen der üblichen Amtszeit­beschränkung von zwölf Jahren sowieso ab.

Mal schauen.

In einer früheren Version schrieben wir, dass die CS 15,3 Millionen neues Kapital aufnahm – es waren 15,3 Milliarden. Wir entschuldigen uns für den Fehler.