Die Schweiz und ihre Mietpreis-Hotspots
Wo die Mieten explodiert sind und sich vom Rest des Landes abgekoppelt haben, zeigt unsere interaktive Schweizerkarte.
Von Simon Schmid, 27.01.2020
Es ist rund zwanzig Jahre her, dass der Wohnungsmarkt das letzte Mal am Boden war. Leute auf Wohnungssuche hatten damals leichtes Spiel: Nach dem Bauboom der 1980er- und der Krise der 1990er-Jahre bestand fast landesweit ein Überangebot. Die Mietpreise hatten einen Tiefpunkt erreicht.
Wie stark sind die Mieten gestiegen?
Krasse Steigerungen, deutliche Senkungen – auf dem Schweizer Wohnungsmarkt ist beides zu sehen. Es kommt darauf an, was gemessen wird und wie man misst.
Eine 3-Zimmer-Wohnung von 90 Quadratmetern kostete damals etwa im Kanton Solothurn durchschnittlich 1022 Franken, was zu Preisen von 2019 etwa 1110 Franken entspricht. Im Kanton Zürich waren es inflationsbereinigt 1524 Franken. Das zeigt die Mietpreisstatistik fürs Jahr 2000.
In der Zwischenzeit hat sich einiges verändert.
Wer bereits eine Wohnung hat, bezahlt zwar nicht wahnsinnig viel mehr: 2017 lagen die Mieten von Wohnungen derselben Grösse im Kanton Solothurn (1224 Franken) und im Kanton Zürich (1683 Franken) inflationsbereinigt jeweils etwa 10 Prozent höher als 2000.
Wer jedoch eine Wohnung sucht, muss in der Regel tiefer in die Tasche greifen: Im Kanton Solothurn sind die Mieten ausgeschriebener Wohnungen inflationsbereinigt um 23 Prozent gestiegen, im Kanton Zürich um 37 Prozent, wie aus Zahlen des Immobilienbüros Wüest Partner hervorgeht, die für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt wurden.
Wer in der Stadt Zürich heute in eine 90-Quadratmeter-Wohnung einzieht, bezahlt in den meisten Fällen weit über 2000 Franken Miete. Ähnlich ist es am Industriestandort Baar und in der Jetset-Destination St. Moritz. Auch hier liegen die Mieten solcher Wohnungen im Schnitt über 2000 Franken.
Man kann die Veränderungen auf einen Nenner bringen: In einer Handvoll Hotspots sind die Mieten in den letzten zwanzig Jahren durch die Decke.
Die heissen Pflaster
Wo diese Hotspots liegen, das zeigt die folgende Karte. Sie ist in Abständen von 200 Franken eingefärbt: Tiefblau sind die Gemeinden mit Mietpreisen unter 1000 Franken; tiefrot sind jene mit Mieten über 2000 Franken. Klassifiziert ist jeweils die durchschnittliche Nettomiete (ohne Nebenkosten), die von Neubezügerinnen einer Wohnung pro Monat verlangt wird.
Die Abbildung verdeutlicht eindrücklich, wo in der Schweiz Land kostbar ist, die Zahlungsbereitschaft hoch und die Mieten entsprechend teuer:
in der Kernstadt Zürich sowie in den reichen Gemeinden am Zürichsee;
im Wirtschaftsraum rund um den Zugersee und Richtung Schwyz;
im gesamten Kanton Genf und entlang des Genfersees;
in der Kernstadt Bern;
in einigen Tourismuszentren wie St. Moritz, Gstaad oder Zermatt.
Die Diskrepanz zwischen diesen Hotspots und der restlichen Schweiz war jedoch nicht immer so ausgeprägt wie heute.
Wo die Mieten gestiegen sind
Das zeigt ein Vergleich über die letzten gut zwei Jahrzehnte. Dabei wird die Entwicklung der realen, also inflationsbereinigten Mieten nach ausgewählten Gemeindetypen gruppiert. Alle Gruppen starten 2000 beim Wert 100.
Man sieht, wie die Entwicklung in sehr unterschiedlichem Tempo verlief:
Am gemächlichsten ging es in der Agglomeration. Dort sind die Mieten von ausgeschriebenen Wohnungen heute knapp ein Viertel höher als im Jahr 2000 (+23 Prozent).
Moderat blieb der Mietpreisanstieg eine Weile lang auch in mittelgrossen Städten wie etwa Winterthur, St. Gallen oder Chur. Ab 2012 entkoppelte sich jedoch der Trend: Die Mieten wuchsen während etwa vier Jahren deutlich rascher als in der umliegenden Agglomeration. Inzwischen sind die Mieten dort merklich höher als 2000 (+30 Prozent).
Bereits früher setzte der Boom in den Tourismusgemeinden ein. Dazu zählen nicht nur die Luxusdestinationen wie St. Moritz, sondern auch zahlreiche andere Berggemeinden. Ab 2014 kam es jedoch zu einer Korrektur, die den Anstieg wieder ausglich (+21 Prozent).
Nach fast identischem Muster, wenn auch markanter, verlief die Entwicklung in den reichen Gemeinden, die etwa um den Zürichsee oder zwischen Lausanne und Genf zu finden sind. Auch hier stiegen die Mieten erst stark, um ab etwa 2015 wieder merklich zu sinken (+35 Prozent).
Den stärksten Mietpreisanstieg (+60 Prozent) verzeichnen die Grossstädte Zürich, Bern, Basel, Genf und Lausanne. Hier wuchsen die Mieten bis 2015 rapide und stabilisierten sich danach während etwa zweier Jahre. Erst seit 2017 entspannt sich die Lage in diesen Grosszentren wieder leicht.
Zwischen den Zentren sowie einzelnen reichen Gemeinden und dem Rest der Schweiz besteht mittlerweile eine eigentliche Zweiklassengesellschaft.
Eine eigene Liga
Das verdeutlicht die folgende Grafik. Auf ihr sind die Gemeindetypen nach demselben Farbschema wie auf der obigen Karte eingefärbt: Zwischen 1400 und 1600 Franken Miete ist es grau; darunter geht es ins Blaue, darüber ins Rote. Die Typisierung ist etwas feingliedriger: Anders als in der vorherigen Liniengrafik sind diesmal sämtliche zwölf Gemeindetypen aufgeführt.
Die Unterschiede stechen nun noch mehr ins Auge. Während die Mieten in den meisten Gemeinden mit Agglomerationscharakter oder auf dem Land mehr oder weniger dem Durchschnitt entsprechen (grau oder hellblau), schwingen die Grossstädte sowie die reichen Gemeinden (rot) obenaus.
Der Kontrast zwischen diesen Hotspots und der übrigen Schweiz ist heute grösser denn je. Dass er sich abschwächt, dafür gibt es keine Anzeichen: Während die Überschüsse in den meisten Gemeindetypen korrigiert wurden und sich die Situation stabilisiert hat, sind die Angebotsmieten in den Grossstädten im vierten Quartal 2019 bereits wieder gestiegen. Die Nachfrage nach urbanem Wohnraum bleibt auf absehbare Zeit gross.
Sie stammen vom Beratungsbüro Wüest Partner und wurden für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt. Basis der Auswertung ist eine Datenbank, die über 500’000 Immobilienangebote umfasst. Die Angaben beziehen sich auf den monatlichen Netto-Mietzins (ohne Heiz- und Nebenkosten).