Briefing aus Bern

Verdorrte Viehweiden, AHV-Kuhhandel und eine wütende Gewerkschaft

Das Wichtigste in Kürze aus dem Bundeshaus (20).

Von Elia Blülle und Adelina Gashi, 16.08.2018

Liebe Leserinnen, liebe Leser

Das Bundeshaus-Briefing meldet sich zurück aus den Ferien. Was ist die letzten Wochen passiert?

Eindeutig: Es war heiss und trocken. Zu heiss und trocken. Vor allem die Bauern traf der Hitzesommer hart. Ernten blieben aus, Viehweiden vertrockneten. Vielen Landwirten ging das für den Winter gesparte Futter aus. Anfang August klopfte der Bauernverband beim Bundesrat an die Tür: Er solle die Landwirte entlasten und die Zölle auf Importheu und Futtermais aufheben. Bundesrat Johann Schneider-Ammann reagierte: Er senkte provisorisch die Zölle auf Heu und Silomais und erlaubte für die Hitzemonate höhere Direktzahlungen.

Noch nichts getan hat sich bei den in der Türkei festgehaltenen Schweizern: Seit teilweise mehreren Monaten hindert die Türkei acht Doppelbürger an der Heimreise. Zunächst war die Rede von sieben Menschen gewesen. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie der Gülen-Bewegung oder kurdischen Gruppierungen nahestehen. Auf die Intervention des Aussendepartements reagierte die Türkei bislang nicht. Der türkische Botschafter hat seine Aussage, die Festgehaltenen dürften bald ausreisen, revidiert. Die Schweizer stecken immer noch fest.

Wieder mal in den Schlagzeilen war die VBS-Fachstelle für biochemische Waffen, das Labor Spiez. Das Labor untersucht sowohl in der Skripal-Affäre als auch Giftgaseinsätze in Syrien. Ende Juli wurde bekannt, dass russische Hacker das Labor attackiert haben. Laut dem deutschen Nachrichtenmagazin «Spiegel» steht hinter der Cyberattacke die Hackergruppe «Sandworm». Diese wird dem russischen Militärgeheimdienst GRU zugeordnet. Über Schäden ist bislang allerdings nichts bekannt.

Und hier, wie gewohnt, das Briefing aus Bern mit den wichtigsten Neuigkeiten der vergangenen Tage.


Roter August im Kanton Aargau

Das müssen Sie wissen: Die Aargauer Ständerätin Pascale Bruderer tritt nicht mehr für die nächsten Wahlen an. Die Aargauer hatten die SP-Politikerin bei den letzten zwei Ständeratswahlen mit sehr guten Resultaten gewählt. Sie war weit über die eigene Partei hinaus eine geschätzte Politikerin. Wer soll sie nun ersetzen?

Das sind die Kandidaten bis jetzt: Letzte Woche hat Nationalrat Cédric Wermuth auf Facebook angekündigt, dass er Pascale Bruderer ersetzen möchte und für den Ständerat kandidieren will. Als Konkurrentin Wermuths gilt SP-Nationalrätin Yvonne Feri. Sie hat ebenfalls Interesse bekundet.

So geht es weiter: Die Aargauer SP nominiert eine Kandidatin oder einen Kandidaten für die Ständeratswahlen 2019. Mit Cédric Wermuth könnte es für die Partei schwierig werden, den Sitz im konservativen Kanton zu halten. Der ehemalige Juso-Präsident politisiert im Gegensatz zu Pascale Bruderer am linken Rand der Partei.


Leg dich nicht mit den Gewerkschaften an

Das müssen Sie wissen: Dank der flankierenden Massnahmen (FlaM) gelten für ausländische Arbeitskräfte in der Schweiz dieselben Lohn- und Arbeitsbedingungen wie für Schweizer Arbeitskräfte. Die EU nervt sich über diese Schutzmassnahmen. Sie hält sie für diskriminierend gegenüber EU-Firmen und EU-Arbeitern. Ein Rahmenabkommen soll die FlaM aufweichen. Bundesrat Ignazio Cassis zeigte sich verhandlungsbereit, Johann Schneider-Ammann forderte die Sozialpartner zu einem Gespräch auf.

Wie reagierten die Gewerkschaften: Mit einem Boykott. Der Gewerkschaftsbund und Travaille Suisse nahmen nicht an den Gesprächen mit Bundesrat Schneider-Ammann teil, in denen er über einen EU-kompatiblen Lohnschutz sprechen wollte. Es gebe nichts zu diskutieren, teilten die Gewerkschaften mit.

Für uns ist klar: Wir werden jeden Abbau des Lohnschutzes mit allen geeigneten Mitteln bis hin zu einem Referendum bekämpfen. #FlaM t.co/AYqdSwURRI t.co/Ak2iQwVsZM

So geht es weiter: Das Rahmenabkommen droht – in der Endphase der Verhandlungen – zu scheitern. Laut der EU verletzen die flankierenden Massnahmen das Freizügigkeitsabkommen. Eines der wichtigsten europäischen Prinzipien. Wenn die Schweizer Politik nicht zu Konzessionen bereit ist, könnte die EU Sanktionen erwägen. Die Drohung, dass die EU die Zulassung der Schweizer Börse nicht erneuert, steht im Raum. Doch SP, SVP und FDP stellen sich hinter die Gewerkschaften.

Das war Ihnen zu kurz? Dann lesen Sie in der Republik nach: Carlos Hanimann und Daria Wild haben ein Erklärstück zu diesem Thema geschrieben, damit Sie den Durchblick nicht verlieren. Olivia Kühni schreibt in einem Kommentar darüber, warum es wichtig ist, die flankierenden Massnahmen zu verteidigen, und Daniel Binswanger widmete seine Kolumne vom Samstag diesem Thema. Eine etwas andere Sicht vertritt Thomas Cottier. Urs Bruderer hat ein Interview mit ihm geführt. Und hier können Sie heute zum Thema mitdiskutieren.


Der Kuhhandel: AHV und Steuerreform

Das müssen Sie wissen: Die vom Ständerat im Juni beschlossene Doppelreform zu den Unternehmenssteuern und der AHV nimmt Form an. Eine klare Mehrheit der Wirtschaftskommission des Nationalrats befürwortet den umstrittenen AHV-Steuerreform-Deal. Das wurde letzten Montag bekannt.

Was bisher geschah: Die AHV-Reform ist an der Urne gescheitert. Jetzt will man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Verknüpfung der «Steuervorlage 17» mit der AHV-Sanierung soll der Unternehmenssteuerreform Aufwind verleihen und der AHV eine Finanzspritze von 2,1 Milliarden Franken geben. Die Vorlage sieht unter anderem vor, dass die Steuerregimes für international tätige Unternehmen abgeschafft werden. Ausserdem sollen die AHV-Lohnbeiträge für Arbeitgeberinnen und Angestellte erhöht werden.

Was als Nächstes passiert: Die grossen Parteien stehen hinter dem Vorhaben, weshalb die Vorlage bereits in der kommenden Session im September vom Parlament wohl verabschiedet werden wird. Kommt es zu einem Referendum, wird die Bevölkerung im Frühling 2019 über den Steuerdeal abstimmen. Sie kann dabei nur über das Doppelpaket entscheiden.


Zahl der Woche: Abnahme von Asylgesuchen

In der Schweiz wurden im letzten Monat 1347 Asylgesuche eingereicht, wie die Asylstatistik vom Juli 2018 zeigt. Das sind 18,9 Prozent weniger Gesuche als noch vor einem Jahr. Für die meisten Migrantinnen, die nach Europa kommen, ist die Schweiz nicht das primäre Zielland. Die Internationale Organisation für Migration teilte diesen Juli mit, dass Spanien das neue Hauptziel für Asylsuchende sei.


PS: Apropos Ferien. Der «Washington Post»-Kolumnist John Kelly hat seine in Bern verbracht und dabei eine Möglichkeit gefunden, wie man die gespaltene US-Politik wieder näher zusammenbringen könnte.

Feel the Bern: In Switzerland’s capital, federal workers sunbathe next to each other at a large public pool complex. Would doing that in D.C. ease our political tensions? t.co/UEJlruDdXF

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