Reddit ist ein… «Meme-Forum»? Das ist in etwa so verkürzt, wie wenn man sagen würde, RSS ist ein «Fake-News-Verbreiter» (bei beiden war Aaron Swartz massgeblich beteiligt). Und wenn schon von einem «Flashmob von Klein­investoren» die Rede ist, dann müsste man denn schon auch von einem «Heuschreckenschwarm von Hedgefonds» sprechen (aber die erfüllen ja «eine wichtige Funktion an der Börse»!).

(Wie würde man entsprechend die High-Frequency-Trader nennen, die mehrere Male für Flash Crashs verantwortlich waren?)

Immerhin seid ihr nicht gänzlich in den «Boomer-Sprech» gefallen wie der Tagi: Dort spricht man von «Internetmob» vs. «Profianleger» und von einer «Horde von Zockern» [sic!].

– Ich schalt mal mein Modem aus ;-)

Wichtig erscheint mir noch, dass amerikanische Tradingplattformen (etwa Robinhood, Interactive Brokers) auf Druck der Investmentbanken für die beschriebenen Aktien den Handel gestoppt haben, um die Verluste der Investmentbanken zu minimieren. Das ist ein sehr krasser Eingriff in den freien Markt und es bleibt zu hoffen, dass dies Konsequenzen nach sich ziehen wird. Die Investmentbanken spekulieren wohl darauf, dass allfällige Konsequenzen monetär tiefer ausfallen werden als die allfälligen Verluste.

Schlagt den Embolo:
Herzlichen Dank für den Hinweis, dass es in den Medien viel zu viele gibt und zwar praktisch ausschliesslich Männer aus dem letzten Jahrhundert, die vergassen abzutreten und uns nun an allen Ecken ihre Welt erklären.

Also leihen sie tonnenweise Aktien und verkaufen sie zum aktuellen Preis. [d] Verfällt der Preis, kauft der Leerkäufer vorher verkaufte Aktien günstiger wieder und geben sie zurück. [g]

Alle haben über die GameStop-Rebellen gelesen. Alle wissen was passiert ist. Und so teilen sich die Meinungen in Befürworter und Gegner, und beide Seiten wissen genau, dass die anderen 50% keine Ahnung haben. Ideales Spielfeld für PR-Leute.

Wer sich trotzdem mit dem Stoff beschäftigt, erfährt:
-- dass die meisten einfach nachbeten, GameStop schramme an der Pleite herum;
-- dass GameStop ein internationales Detailhandels-Unternehmen mit 5'500 Mitarbeitern ist und bis 2019 Dividenden bezahlte;
-- dass GameStop wie auch hierzulande die Detailhändler, Restaurants und Fluggesellschaften etc.etc. unter Corona grosse Umsatzeinbussen erleiden und Verluste schreiben;
-- dass die lieben Leerverkäufer, welche ja angeblich nur überhitzte Börsenkurse verhindern, sich in Tat und Wahrheit damit eine goldene Nase verdienen wollten, dass sie die unter Corona leidenden Unternehmen massiv unter Druck setzen und manchmal in den Ruin drängen;
-- dass die lieben, angeblich der Börsengesundheit verpflichteten Leerverkäufer im Falle GameStop mehr als 120% aller Aktien leer verkauften, was illegal ist, weil nackte Leerverkäufe nach der letzten Finanzkrise verboten wurden;
-- dass sich für einmal die Anleger nicht, wie sonst üblich, von den PR-Kampagnen und fallenden Kursen in die Flucht schlagen liessen, sondern die Sache durchschauten und Aktien und Optionen kauften;
-- dass sie so ein Zündhölzchen an den Scheiterhaufen hielten, weil die Leerverkäufer bei steigenden Kursen Positionen glattstellen und dazu immer mehr Aktien kaufen mussten, was man short squeeze nennt;
-- dass die Leerverkäufer mit ihren grossen Käufen (und nicht die Kleinen Rebellen) ein Kursfeuerwerk verursachten und gerade deshalb immer noch mehr kaufen mussten usw.;
-- dass die Anleger so zum Schaden der Leerverkäufer grosse Gewinne machten;
-- dass es nicht sein darf, dass die falschen gewinnen, und deshalb Facebook die Verbindung kappte und der Gratisbroker praktisch keine Kauforders mehr ausführte.

Und wer immer noch meint, das sei ein Geschichtlein zu einem seltsamen Computerspiel-Detailhändler weit weit weg, der führe sich den nachfolgenden Artikel zu Gemüte. Die Leerverkäufer hatten es auch mit American Airlines versucht und sich eine blutige Nase geholt: https://www.thestreet.com/investing…-feel-heat

Wie umfangreich diese Leerverkäufe sind, zeigt die folgende Internet-Seite, welche Gesellschaften und die entsprechenden Zahlen nennt, bei denen die Spekulanten mindestens 20% der Aktien (!) leer verkauft haben. (Wenn 20% der Aktien leer verkauft sind, so müssen innert Frist 20% der Aktien gekauft werden - und das ohne eine Kursrallye auszulösen.) Wenn es mir als Aktionär gelingt, mit Call Optionen und Aktienkäufen, den Kursverfall zu stopen, so müssen die Leerverkäufer 20% der Aktien der Gesellschaften zu für sie ungünstig hohen und steigenden Kursen kaufen. Das ist ein wirksames Gegengewicht und deshalb sind in den USA und Europa Leerpositionen meldepflichtig. (In der Schweiz nicht. Da liest man nur manchmal etwas in der Finanz und Wirtschaft.)

Das alles gesagt ist zu ergänzen, dass es noch etwas komplizierter ist: Wenn die Gesellschaft wirklich Dreck am Stecken hat, dann ist es sinnvoll und auch ehrenwert, das zu melden und das Wissen mit Leerverkäufen zu versilbern. Der Fall Wirecard ist ein Paradebeispiel dafür, dass Leerverkäufe eben nicht immer schlecht sind. Und er ist ein Paradebeispiel dafür, dass korrupte und unfähige Revisionsstellen, Börsen- und Finanzaufsichten ebenso grossen Schaden anrichten können.

Nur wenn man lernt, ist man nicht länger Opfer.