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Nein, der Krieg hat die Ukraine nicht überfallen: Das hat Putin, das hat die russische Armee getan. In einem Artikel, in dem es um das Sprechen zum Krieg geht, muss so viel an Genauigkeit einfach sein.
Lieber Herr B., Ihr Anliegen nach sprachlicher Genauigkeit teile ich. Dazu gehört allerdings auch genaues Lesen, das Kontexte berücksichtigt. Dem Satz, auf den Sie zielen, gehen Sätze voraus, in dem dieser Krieg als Putins Krieg und als Aggressionskrieg bezeichnet wird. Wenn Sie den von Ihnen genannten Satz also in seinem Kontext lassen, statt ihn aus dem Zusammenhang zu reissen, werden Sie sehen, dass keinerlei semantische Differenz besteht zu dem, was Sie sagen.
In der email-Ankündigung des Artikels steht das ohne Kontext! Passiv ist das durchaus korrekt: Die Ukraine ist überfallen worden, vom wem, ist ja tatsächlich sattsam bekannt. Dreht man es aktiv, dann braucht das Wort "überfallen" einen wirklichen Akteur, und nicht eine Abstraktion wie Krieg.
Übrigens gibt es in ihrem Text ein weiteres Wort, über das ich gestolpert bin. Da wurde jemand "angefasst", im Sinn von erschüttert. Wenn die Absicht war, den Leser aufmerken zu lassen, dann war das durchaus erfolgreich. Ist es aber einfach passiert, dann ist es mein dringender Wunsch, dass die Konstruktion schnellstens wieder in der Versenkung verschwindet. Denn das hat Konnotationen, die nun wirklich nicht in diesen Kontext gehören.
Mit freundlichen Grüssen, U. B.
Wurden die beiden Veranstaltungen in Zürich und Berlin zum nachsehen, nachhören aufgezeichnet?
Liebe Frau Graf, die Veranstaltung im Gorki war meines Wissens nur im Livestream zu sehen. Das Programm zur Literatur des Kaukasus inklusive der Veranstaltung vom Sonntag kann man in der Mediathek des Literaturhauses Zürich nachschauen und -hören.
Lieber Herr Graf, danke sehr für Ihre wertvollen Hinweise. – Dass Wörter schmecken, riechen, dass der Krieg seine eigenen Wörter hervorbringt, dass er sehr viel mit Sprache zu tun hat, das Verbiegen der Worte, Lügen, skrupellose Entstellung von Begriffen –, das alles erinnert mich sehr an die Reiterarmee von Isaak Babel. Es ist äußerst wichtig dieses Buch nicht in einer verstümmelten Ausgabe zu lesen, denn das Buch wurde unter Stalin völlig entstellt und zensiert. Peter Urban hat dieses Buch, in einer textkritischen Ausgabe aus dem Russischen übersetzt, herausgegeben und kommentiert. Dieses Buch ist nicht nur inhaltlich, sondern auch in seiner eigenen Sprache und seinem Aufbau sehr zeitnah und aktuell. – Ralf Rothmann schreibt in seinem Buch »Hotel der Schlaflosen« in seiner gleichnamigen Erzählung über die Ermordung Babels. Auch dieses Buch empfehle ich in diesem Kontext sehr. Der Begriff Wasserglaslesung den Sie erwähnen, wird heute meiner Meinung nach völlig inflationär ins Spiel gebracht. Er stammt aus aus den 80ziger Jahren und ist schon ziemlich verstaubt.
Lieber Herr E., vielen herzlichen Dank für Ihren Kommentar und den Hinweis auf Isaak Babel und Peter Urbans Neuübersetzung. Noch zur «Wasserglaslesung»: Ich teil Ihre Beobachtung, dass der Begriff recht häufig geworden ist, und zwar in despektierlicher Bedeutung. Das mag im Einzelfall seine Berechtigung haben, wird als pauschale Kritik an einem Format der Sache aber nicht gerecht – wie gerade die aktuellen Veranstaltungen zeigen. Die Autor:innen, Vorlesende, ein aufmerksames Publikum und der Text: das kann ohne weitere Inszenierungen reichen, eine grosse Kraft zu entfalten. Und in manchen Kontexten wären zusätzliche Inszenierungen sogar beinahe geschmacklos.
Zu einer weiteren kurzen Notiz gegen die Sprachlosigkeit; auch gegen die Ohnmacht; vorhin in The Guardian gefunden:
Yuval Noah Harari:
Weshalb Putin den Krieg bereits verloren hat
(glaube, der Link funktioniert auch ohne Abo und App):
Why Vladimir Putin has already lost this war:
https://www.theguardian.com/comment…SApp_Other
Und nochwas, da viele Republikis Zürich basiert sind, es sehr kurzfristig angesetzt wurde, und noch diverse Plätze frei sind: Podiumsdiskussion morgen Mittwoch Abend, 2. März, Schiffbau Box:
Sonderpodium zur Ukraine:
https://www.schauspielhaus.ch/de/ka…er-schweiz
Harari geht es wie uns. Nur dass er glaubt Worte zu haben, und wie immer in die Zukunft blicken kann. Eigentlich müsste auch er seine Sprachlosigkeit eingestehen, aber wovon soll er dann leben...
Zu dieser Ihrer Stellungnahme fehlen mir nun die Worte, Frau Haudenschild.
Mir macht Harari Mut; ausserdem bin ich absolut einverstanden mit seinen Gedanken, während Ihr schliessender Nebensatz für mich grad nur brutal herzlos rüberkommt. Aber ja, sehen Sie das alles, wie Sie denn wollen.
Ich persönlich brauche grad Freundschaftlichkeit und Mut und Goodwill um
mich herum.
Alles Gefühle und „Dinge“, für die ich grad das grosse Glück habe nach sieben Jahren Kampf gegen fortgesetzte Nötigungen und Unrecht und Rechtsverweigerungen seit Ende Januar wieder offen zu sein. Nachdem ich mich endlich dagegen durchgesetzt hatte, notabene.
Was die Menschen in der Ukraine erleiden wegen einem Brutaloherrscher, der das längst schon bewiesen hat, macht mich elendiglich traurig und verdammt wütend zugleich. — Hararis Text tut mir einfach nur gut. Guten Abend noch.
Christof Weigel hat an anderem Ort meinen Link mit einem ersetzt bzw ergänzt, der offenbar tatsächlich unabhängig von Abo und App funktioniert; danke dafür! :
https://www.theguardian.com/comment…ia-ukraine
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