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„Musste Deine Dissertation denn unbedingt sein?“! Zitat meine Mutter zur Situation, dass mein Mann und ich beide eine Dissertation und zwei Kleinkinder auf die Reihe bekommen mussten, zum Zeitpunkt, als die Ehe nicht mehr zu retten war (6 Jahre danach). SEINE Diss wurde nie in Frage gestellt.
Oder auch „Du solltest etwas schönere Wäsche haben, Dein Mann hat ja nichts an Dir“. Oder „Dein Mann nimmt ja nicht zu, Du solltest wohl Besseres kochen“ - von der Schwiegermutter.
Die Übergriffe finden schon im intimsten Rahmen statt, und häufig von Frauen. Vermutlich pure Eifersucht.
Ich bin meinen Weg trotzdem gegangen, aber einfach war es nicht.
Dieser Republik-Artikel hat mir wiedermal bewusst gemacht, wofür wir gekämpft und gelitten haben - vielen Dank!!!
Ich musste grad lachen - das mit dem Essen, hat meine Grossmutter in den 50er Jahren bereits meiner Mutter vorgeworfen (mein Vater war lebenslang beneidenswert schlank): "Gib ihm das Fleisch, er ist ja sooo mager". Nachdem sie das mehrmals gefordert (und ihr Sohn das abgelehnt) hatte, war meine Mutter derart wütend, dass sie die Servierplatte auf den Plättliboden knallte. Die Scherben waren anscheinend derart beeindruckend, dass nie mehr über angeblich schlechte Ernährung des Sohnes geklagt wurde :-)
Ich erinnere mich noch an den ersten Besuch bei den Eltern meiner neuen Freundin (mit der ich demnächst 30 Jahre verheiratet bin). Die "Dame des Hauses" fragt ihre Tochter nach einem Blick auf mich "Hast Du ihm heute schon etwas gekocht?"
Wir haben uns beide ziemlich erstaunt angeschaut und nicht gewusst, wie wir darauf reagieren sollen. An eine Antwort von uns kann ich mich nicht mehr erinnern.
Ja, diese Angriffe kamen und kommen von Innen und von Frauen.
Dieser Bericht lässt mich erahnen, wie stark „misogyne Umstände“ mein und das Aufwachsen Vieler geprägt haben. Schon oft habe ich abgewogen, ob ich mich nun zu einem Thema äussern soll oder nicht. Das habe ich mir bisher immer ausschliesslich mit meiner Persönlichkeit erklärt - was nicht der ganzen Wahrheit entspricht.
Oder machten mit.
Ich habe mitgemacht.
Und trotzdem waren sie, vor allem Winiger und Brunner, für mich wie Eisbrecher: ich habe damals gestaunt, weil die beiden Frauen sich nicht den Konventionen unterordnen wollten. Wir junge Frauen haben das gespürt und in den heftigen öffentlichen Debatten hatten wir ein konkretes Rollenmodell, welches wir im Geheimen oder vielleicht auch offen verteidigen konnten. Für uns Teenager haben diese Frauen im Rückblick viel getan und wir waren uns immer bewusst, dass sie von den Medien “verheizt” wurden. Dennoch gab es sie, mit ihren Hochs und Tiefs, und sie haben uns gezeigt, dass frau es auch wider die Erwartungen handeln kann und für ihre (unbequeme) Meinung einstehen kann.
Ich erinnere mich noch, wie am Tag der Wahl von Ruth Dreyfuss eine Schulkollegin erklärte, diese Frau sei nicht wählbar, weil sie - das Argument der Mutter - Faltenröcke trage....
An diesem Tag wurde mir als bewusst, nach welchen Kriterien Frauen beurteilt werden (vielleicht, weil es sonst nichts zu bemängeln gibt)?
Ruth Dreifuss wurde Bundesrätin, weil die SPS damals von der Solidarität der Mitglieder überrollt wurde. Eigentlich war Aussenstehenden schon vor der Wahl klar, dass Christiane Brunner nicht gewählt würde - die Kampagne gegen sie war von bürgerlichen Parteien fleissig befeuert worden. Da wurde an ihrer Frisur und Kleidung herumgemäkelt - und natürlich an ihrem Gewerkschaftsengagement. Da man ja aber schlecht einer Sozialdemokratin vorwerfen konnte, dass sie sozialdemokratisch war, beschränkten sich die öffentlichen Anwürfe darauf, sie sähe aus wie eine "Serviertochter" (als ob das ehrenrührig wäre). Die SPS hatte damals tatsächlich im Vorfeld dieser Wahl keinen Plan B. Sie hatte vor der Wahl auch Matthey nicht klar gemacht, dass er die Wahl keinesfalls annehmen dürfe. Nach der gescheiterten ersten Runde - in der Matthey gewählt worden war und sich (auf Druck der Partei) Bedenkzeit ausbedungen hatte - wollte die Parteispitze ursprünglich Brunner noch einmal alleine - mit Aussicht auf Scheitern - in die zweite Runde schicken. Erst die Gewissheit, dass Mathhey nach der Bedenkzeit die Wahl annehmen würde, erzeugte Druck, denn das wäre für die Partei eine Katastrophe geworden. Das hatte ein wahrer Tsunami von über 3000 Fax-Mitteilungen, Briefen, Postkarten, Anrufen klar gemacht, der seit der ersten Wahlrunde über das Zentralsekretariat und SP-Mitglieder von Kantonsregierungen hereingebrochen war und mit dem die Parteispitze absolut nicht gerechnet hatte.
Die Wut der Parteibasis richtete sich gegen "das hirnrissige, lächerliche, bürgerliche Patriarchat" und gegen das "unsägliche Taktieren einer Partei und einer Mehrzahl (?) ihrer Exponenten (nur in männlicher Form". Viele drohten mit dem sofortigen Parteiaustritt, nähme Matthey die Wahl an. Sie wollten eine Bundesrätin und keinen Bundesrat. Sie hatten die Nichtwahl Liliane Uchtenhagens (1983), nicht vergessen. Erst zu diesem Zeitpunkt - drei Tage vor der zweiten Wahlrunde - kam die Parteispitze auf Ruth Dreifuss, die politisch die selben Überzeugungen hatte/hat wie Brunner, aber (den bürgerlichen Parteien) besser ins äusserliche Schema passte. Und nur mit dem äusserlichen Schema war am Ende Stimmung gemacht worden - weshalb dann die Wahl Dreifuss' nicht verweigert werden konnte. (Die Zitate stammen aus damaligen Faxen)
Ich bin ein Mann, Mitte 50, wähle und stimme schon immer links. Ich setze mich für Gerechtigkeit ein und unterstütze Frauenanliegen (z. Bsp. Frauenquoten in Verwaltungsräten, weil u.a. nicht nur unfähige Männer sich an diesem Honigtopf laben können sollen). - Und doch: in mir stosse ich bei aufmerksamster Betrachtung auf gut verborgene Elemente wie Sexismus, Kontrollmechanismen, Ideen von ‚der Mensch (Mann?) ist die Krone der Schöpfung‘, und und und…
„Damit soll nun Schluss sein!“ Dies mein hehrer Entschluss.
Und dann kommt dies auf mich zu: diese Einsicht ist unglaublich schwierig und schmerzvoll. Und besonders bewegt mich die Frage: „wie komme ich da raus?“
Seit einiger Zeit bin ich da dran und ich kann nur sagen, es ist ein unglaublich leidvoller Prozess, der mich tief in mein Innerstes führt zu Orten, wo ich realisiere, dafür bin ich nicht alleine verantwortlich, das wurde mir angetan. Aber: es ist nun mein Job, mich da rauszuquälen! -
Wo sind die Menschen, die dieses so wichtige Thema der Gleichberechtigung auch einmal von dieser Warte aus zu betrachten gewillt sind? Gibt es Männer, die diesen quälenden Weg der Selbsterkenntnis schon erfolgreich gegangen sind, welches sind ihre Worte in der Öffentlichkeit?
Und wo sind die Frauen und Männer, die sich für diese Sichtweise der schmerzvollen Männerbefreiung interessiert zeigen?
Ich bin zu 90% bei Ihnen. Aber die restlichen 10% hinterlassen ein Gefühl, Sie würden sich für diesen "übermännlichen" Weg ein bizli bemitleiden.
Lieber Herr Steinmann, diesen ‚Vorwurf‘ habe ich tatsächlich während meines Schreibens mitbedacht und wollte eben gerade nicht selbst-mitleidsvoll oder gar ‚wehleidig‘ daherkommen. Aber, meine Meinung, ohne Akzeptanz der eigenen ‚Schmerzen‘ scheint mir diese Selbstreflexions-Debatte eben weiterhin verkopft abzulaufen. Und dies verhindert den notwendigen Veränderungsprozess.
P. R., vielen Dank für Ihre persönlichen, offenen und suchenden Worte. ich wünsche Ihnen v.a. alles Gute auf Ihrem weiteren Weg (Vorsicht: Ironie-Klammer: und ich wünsche Ihnen weit und breit keine Frau, die allsogleich daherkommt, Ihre Sensibilität rühmt und Ihnen "partnerschaftlich helfen will"!;) - Das hatten wir nämlich so schon in den 80ern. Selber muss ich jetzt deshalb ein wenig lächeln.
Bin Babyboomerin; Bei den 68-ERN wollten wir Frauen erst sehr gerne mitmachen und es ist peinlich (werde innerlich tiefrot), wie wir uns da z.T. selber bei den Mannen angeschleimt haben. Dann: Offenbarung! Moment mal: wer kocht da Kaffee, wer räumt auf, wer geht mit wem in die Pfanne, wer schaut den Kindern. Moment mal: Frauen, wir müssen zuerst einmal selber für uns schauen! Eigene Gruppen gründen. Intensiv austauschen.
Kaum waren wir so weit, kamen einige der copains an und sagten: "bin daran, in mich zu gehen, dürfen wir da auch mitmachen. Zeigt uns wenigstens, wie wir eine Gruppe gründen, wo wir Männerbefreiung (er)leben". Einige von uns rutschten so wieder in die klassische Falle oder (schlimmer) gingen aktiv wieder da hinein und schauen heute (nicht nur froh und munter) zurück.
Was wir heute erleben: ein grosses Interesse bei der Enkel:innen-Generation: Frauen und Männer; Interesse, Fragen, Zuhören, Austauschen "das ist ja wie bei uns", dann aber erstaunliche Selbstorganisation, allenfalls in der Not Rückfragen bei uns Oldies. Mit der Generation dazwischen (also mit Ihnen;)) funktioniert das oft nicht.
Das ist jetzt alles unfertiges Laut-Denken. Ich danke Ihnen für die Anregung!
Ja, Frau M., da kann ich mich ja nur ganz herzlich bedanken für Ihren ebenfalls sehr persönlichen Beitrag und Ihren Ratschlag an mich.
Präzizisierend möchte ich ergänzen, dass ich das ‚Glück‘ geschenkt bekommen habe, in einer neuen Beziehung mit einer reifen Frau (sie lebt Selbstbestimmung), eben genau an meine Grenzen herangeführt zu werden. In ‚typisch männlicher‘ Art bin ich (und mache es leider immer wieder noch - dem Selbstbetrug lässt sich so leicht aufsitzen) recht unsensibel mit ihr umgegangen, sehe zuerst mich und meine Wunden und wünsche mir dabei doch endlich gesehen und geliebt zu werden. Dabei werde ich das doch. Aber bringen Sie dies mal einem im alten patriarchalischen Milieu aufgewachsenen, verunsicherten Menschen, der statt in die Finanz- oder Versicherungswelt in die Kunst gegangen ist, bei. Der Weg zur rücksichtslosen Selbsteinsicht ist ein sehr steiniger. Dies wissen die Frauen, die diesen Weg seit Jahrzehnten gehen sicher noch besser als ich.
Es fehlen aber die männlichen Vorbilder, die nicht nur in Selbstanklage zerfliessen, sondern mit ‚Helden-‚Mut voranschreiten.
Ja, ein Austausch unter jenen von uns Männern, die sich nicht mehr selber in die Tasche lügen wollen, wäre sicher ein Anfang. Wer macht mit?
Daran hat sich leider bis heute nicht veil geändert. Wenn du als Frau eine andere Meinung hast und sie dezidiert statt unterwürfig vertrittst, bist du allemal unten durch. Ich habe meine Freundinnen ab 50 dazu gedrängt, endlich den Mund aufzumachen, denn ab dem Alter haben wir als 'Girls' sowieso immer weniger zu melden. Überdies weiss man, auf wen man zählen kann, und die anderen sind einem so ziemlich schnuppe, frei nach dem Motto: Wer nicht für mich ist, den/die kann ich nicht brauchen. Also nichts wie los, Ladies!
Mann liest das und denkt sich: War ich auch mal so ein Ar***? Nächste Frage: Was, wenn ich's nichtmal gemerkt habe? Nächste Frage: Wie hätte ich reagiert, wenn ein Mensch, den ich durch eine dumme Bemerkung herabgesetzt, getroffen, beleidigt habe, mich darauf hingewiesen hätte? Trauen sich Menschen im allgemeinen und in meinem Umfeld im besonderen, mich darauf hinzuweisen? Trauen sie sich, ihre Gefühle zu zeigen und gestatten sie mir, mich zu entschuldigen und dazuzulernen?
Ich hoffe ja, aber sicher bin ich mir nicht.
Danke für diesen Bericht!
Christiane Brunner wurde nicht als Tüpfli bezeichnet,sondern als Tüpfi,was noch viel diffamierender ist.Aus dem Berndeutsch-Wörterbuch:
Tüpfi (n.)
Bedeutung: 1. dumme, einfältige Frau, deren Einbildung die Ausbildung stark überwiegt
2. gusseiserner Kochtopf für Braten und Eintopfgerichte
Ja,es tut richtig weh!!
Das tut beim Lesen richtig weh. Danke.
Die Mannesbilder, die mir als Kind in den 50ern und 60ern auf den Lebensweg mitgegeben wurden, sind mit männlicher Überheblichkeit - um nicht zu sagen Arroganz - gefüllt. Es war und ist mit Angst geprägt nicht zu genügen, man(n) wird dies fast nicht los. Ich war über 50 als ich das Geschenk erkannte, wie Frauen uns Männern in vielen Bereichen weit voraus sind und was ich alles von Frauen erkennen und erlernen kann, wenn ich denn zuhöre und schaue. Es ist ein (zu) langsamer Prozess der in mir passiert. Beim lesen des Artikels wurde mir bewusst, wie viele Männer - ich wohl auch- durch unsere Überheblichkeit und (Heute netten) Arroganz in unserer Entwicklung stecken bleiben.
Wort Frau Mann sind in diesen Hinsichten sehr behaftet. Wesen die sich gegenseitig viel zu geben haben, mit Respekt und Mitgefühl, mag ein Ansatz eines möglichen Schrittes sein. Männliche Arroganz kann aber, so denke ich, nicht mit Nettigkeit begegnet werden.
Ich finde diesen Beitrag gut und das Thema sehr wichtig. Ganz so schlimm habe ich die 90er jedoch nicht erlebt. Das könnte daran liegen, dass ich männlich bin, oder weil die Auswahl dieser drei Frauen nicht ganz repräsentativ ist. Frau Aegerter und Winiger haben sich schon bewusst gewisser Stereotypen bedient, um bekannt zu werden. Dadurch werden sexistische Sprüche zwar nicht akzeptabel, aber wenn man an einer Miss-Wahl teilnimmt, bedient man halt ein gewisses Publikum. Ich hab zwar nie einen Artikel zum Bachelor gelesen, könnte mir aber gut vorstellen, dass darin auch ein paar sexistische Sprüche vorkommen.
Was Frau Brunner betrifft, respektiere ich extrem, was sie für schweizerische Politikerinnen erreicht hat. Aber auch Sie ist nicht ganz repräsentativ, weil CH-Politik meistens dem Zeitgeist hinterherhinkt, weil sie so konservativ ist. Ich mag mich gut erinnern, wie schockiert ich über den Ablauf der Bundesratswahl war und ich war nicht der einzige. Ich denke dass viele schockiert waren, weil ein Paradigmenwechsel in den 90er schon lange überfällig war.
Oh, darf ich noch ein paar Zückerli zu der damaligen Reaktion diverser Presserzeugnisse auf die Kandidatur Brunner anfügen? Die "Weltwoche" - damals noch ohne Roger Köppel - schrieb tatsächlich am 21. Januar 93 (biite anschnallen): "Ihr Händchen, wenn man sie begrüsst, ist schmal wie das eines Kindes...[sie] antwortet gescheit und rührend ungeschliffen. ...Was bloss in dieses Land gefahren ist: Eine Gewerkschafterin mit schmaler Kinderhand und grossen Augen in den Bundesrat?" (Wären grosse Pranken und kleine Augen eine Qualifikation gewesen? man weiss es nicht) Da war Brunner längst Chefin des Metall- und Uhrenarbeiterverbandes (SMUV) und ausserdem Juristin. Der "Blick" hatte schon am 15. Januar erst gefragt "Haben Sie keine Angst vor einer Schlammschlacht?" bevor er dann treuherzig zusammenfasste: "Und nach all diesen Jahren eine glückliche Frau. Karriere im Turbo. Harmonie perfekt. Doch Bern tuschelt weiter." Um dann zu enden mit "Bitte fair bleiben" Warum fällt einem dazu auch heute noch vor allem ein Zitat von Max Liebermann ein?
Was der Geschichte rund um Frau Brunner voranging, war die Geschichte mit der ersten Bundesrätin, Elisabeth Kopp, Juristin, hochprofessionell, selbständig, selber denkend, gut an/in der BR-Arbeit und dann dummerweise auch noch Ehefrau, verheiratet mit einem Partner, der nicht nur Repräsentatives leistete, wie eine echte BR-Gattin. Die Art und Weise, wie Sie rausgemobbt, ja sich so zum Rücktritt gezwungen sah... - wäre einem Mann nicht so schnell passiert. Dass Ruth Dreyfuss dann ledig war, ist mMn nicht unbedingt Zufall.
Als Vorstandsmitglied einer Partei habe ich seit den 90er Jahren zusammen mit meinen Kolleg:innen immer wieder Menschen gesucht, die für ein politisches Amt kandidieren. Mir fällt bis heute auf, dass Frauen deutlich zurückhaltender sind mit Zusagen als Männer. Wir hätten die Listen immer mit mehr Männern als Frauen füllen können. Auch das Nachrücken auf einen Parlamentssitz fällt Männern viel leichter als Frauen. Ich habe das bis jetzt so gedeutet, dass Frauen sich selber kritischer gegenüberstehen als Männer. Beim Lesen dieses Artikels habe ich die Erkenntnis gewonnen, dass wohl auch das - bewusste oder unbewusste - Wissen darüber, wie Frauen in der Öffentlichkeit wahrgenommen und beurteilt werden, auch ein wesentlicher Grund ist. Ich glaube, ich kann diese Zurückhaltung jetzt besser verstehen. Und ich finde das sehr traurig.
Eine interessante Variante der Misogynie können wir beim Abstimmungskampf um die Pflegeinitiative beobachten. Im Nein-Lager finden sich offenbar viele Menschen, die nicht akzeptieren können, dass ein überwiegend von Frauen ausgeübter Beruf neben all den anderen Herausforderungen auch intellektuell höchst anspruchsvoll ist. Die Gegner der Pflegeinitiative haben oftmals ein Problem damit (wenn man die Kommentare auf Facebook als Beispiel nimmt) wenn Pflegende (80% Frauenanteil) Arbeitsbedingungen und Bezahlung fordern, die auch ihrer Ausbildung entsprechen - Tertiärstufe, mindestens höhere Fachschule oder sogar Bachelor. Es wird Frauen auch bei dieser Gelegenheit wieder die Fähigkeit abgesprochen komplexe Berufe auszuüben und einen angemessenen Lohn damit zu verdienen.
Wir sind einen weiten Weg gekommen und haben immer noch einen weiten Weg vor uns. Aber wenigstens sind wir unterwegs, Schritt für Schritt.
Bin ja schon froh, wenn es keinen weiteren backlash gibt. Wenn ich mir allerdings so manche der aufstrebenden jungen smarten z.B. Nationalräte anschaue, bin ich mir nicht so sicher, wie es denn ganz praktisch weitergeht; und ob die jungen Frauen (18-30ca) überhaupt eine reelle Chance haben. Denn eines muss ich bei allem Elend in der Rückschau sagen: wir wussten, um was wir kämpften, Schritt für Schritt. Jetzt droht manches so ins Niemandsland abzugleiten (ist meine Meinung!)
Als ich noch klein war machten mein Vater (und manchmal auch mein Bruder und ich) uns über den "Hausdrachen" lustig, wenn Mutter wütend war. Wir hatten zwar insgesamt eine sehr liebevolle Beziehung, aber rückblickend werden mir einige haarsträubende Muster in unserer damaligen Familie bewusst.
Auch heute noch höre ich bei gewissen Kollegen Sätze wie "muss zuerst die Regierung fragen".
...darum ist es wichtig, darauf immer wieder hinzuweisen. Die eigene Einstellung dazu zu hinterfragen. Auch Männer werden bis heute von diesem Thema nicht ausgeschlossen. Es stört mich, dass diesbezüglich Frauen als alleinige "Opfer" dargestellt werden. Wir sind es nämlich nicht, wenn wir uns dagegen wehren.
Sexismus wird immer wieder vorkommen. Und der ist nicht an das Geschlecht gebunden.
Im Uebrigen kommen Eltern nicht darum herum, ihre Kinder damit zu konfrontieren. Hoeren Sie genau hin, was Kinder und Jugendliche einander an den Kopf werfen.
A. S.
der Grund dafür ist, dass das ganze System patriarchal ist, nicht nur einzelne Menschen. Wie Patrick R. schreibt, ist der Prozess des Erkennens - Verstehens - Veränderns ein umso schwierigerer, wenn er nicht nur gegen die eigenen tiefen Muster ankämpfen muss, das aber in einem System tun muss, welches ihn in keiner Hinsicht dabei unterstützt. Wir alle sind in diesem System 'gefangen', wachsen darin auf und lernen dieselben frauenverachtenden Dinge. Die einen etwas mehr, die anderen etwas weniger.
Immer mehr Männer bekennen sich zu patriarchalem Denken und Verhalten Frauen gegenüber und finden es nicht mehr gut. Und die andere Hälfte der Menschheit? Wie zeigt sich bei Frauen die Prägung durch eine seit langer Zeit patriarchale Denkweise? Sind sie solidarisch untereinander? Unterstützen sie die, die ausbricht, aufsteigt, Erfolg hat, sich äussert in der Oeffentlichkeit? Männer haben die Macht in der Wirtschaftswelt, in den Medien, als Meinungsmacher. Und das Verhalten der Frauen? Hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, in der patriarchalen Welt einen annehmbaren Platz zu finden und dem Wunsch, Lebensziele, Lebensweise selber bestimmen zu können hacken Frauen nur allzuoft auf den Frauen herum, die eigene Wege zu gehen versuchen. Die Lösung vom patriarchalen Denken scheint mir auch für die Mehrheit der Frauen kein einfacher Prozess zu sein. Es wäre schon viel gewonnen, wenn im realen Alltag Frauen es unterlassen würden als Handlangerinnen der Männergesellschaft dafür zu sorgen, dass keine ausschert oder sich über die Gruppe erhebt.
Für mich war es ein Schockmoment, zu erkennen, dass ich als Einzelperson zwar emanzipiert bin, gleichzeitig jedoch als Teil der patriarchalen Gesellschaft so stark patriachalisch geprägt bin, dass auch ich mich regelmässig neu durch kritische Selbstbefragung "befreien" muss.
„wir haben noch viel Arbeit zu leisten“, lesen wir hier.
Und, als wäre das nicht klar genug, drüben bei der NZZ:
https://www.nzz.ch/international/mi…ld.1653374
Sehr geehrte Frau Beck,
ganz herzlichen Dank für Ihren sehr wertvollen, auch spannend geschriebenen Artikel. (Ich schreibe das nicht, weil Sie ein Frau sind, sondern weil sie ein Mensch sind, der wirklich Deutsch schreiben kann - ich möchte nicht das schreckliche Wort die Sprache "beherrscht" verwenden. Ich möchte aber am Schluss noch eine kritische, in meinen Augen aber sehr wichtige Anmerkung anbringen bezüglich Hillary Clinton.
Ich wohne seit längerem in der welschen Schweiz, in der Nähe von Yverdon. Und in dieser Stadt wurde vor einem Jahren die Leiterin eines Zentrums von High-Tech-Firmen - Y-Parc genannt -brutal zusammengeschlagen und bewusstlos liegen gelassen. Ich nahm dann, als ich von diesem Überfall in "La Région", unserer Lokalzeitung, las, sofort schriftlichen Kontakt mit ihr auf, aber sie war nicht imstande, selber zu antworten und liess durch eine Freundin ausrichten, sie nehme keine Stellung, was ich nach einigem Nachdenken dann auch voll begreifen konnte.
Vor zwei Tagen ist nun in "La Région" ein Bericht von dieser Frau erschienen. Der Titel ihres Textes lautet: "Si j'étais un homme, je serais toujours à la tête d'Y-Parc." Es ist klar, was geschehen ist: Ihr wurde gekündigt; sie konnte zwar ganz klar beweisen, dass dieser Y-Parc nach 10-jähriger Stagnation unter ihrer Leitung einen gewaltigen Aufschwung erlebt hatte, aber eben das passte offensichtlich einigen tonangebenden Herren gar nicht ins Konzept, dass eine Frau... Und sie schreibt weiter in ihrem Text, dass während ihrer lange nötigen Genesungszeit ausser dem Präsidenten kein Mensch sich je erkundigt habe, wie es ihr gehe. Und als sie sich dann um die Wiederaufnahme der Arbeit bemühte, wurde sie in einem Artikel im "Blick" - Sensationspresse - aufs Heftigste beschimpft und angegriffen. Und der neue, offensichtlich negativ eingestellte Verwaltungsrat hat ihr umgehend gekündigt!
Ich möchte noch zwei nicht nur mich traurig stimmende Sätze aus ihrem Bericht zitieren: "Le plus difficile a été les insinuations (Andeutungen) de certaines personnes qui suggéraient (unterstellten) que mon agression était fictive (erdichtet, eingebildet) ou pire (noch schlimmer), que je méritais mon sort (dass ich mein Unglück verdient hätte). Comment est-ce possible qu'en 2021 (Ueberfall: März 21) les femmes puissent encore passer de victimes à accusées (selber für das Unglück verantwortlich gemacht werden) ou se faire blâmer (anpöbeln lassen müssen) dans de telles histoires? Je croyais que le temps où les femmes étaient responsables de leur agression si elles portaient une mini-jupe était révolu (endgültig vorbei).
Zum Schluss noch meinen Hinweis zu Hillary Clinton: Für mich gehört dieses (pardon) "Kriegsweib" nicht in diese Gruppe achtenswürdiger Frauen, denn sie hatte immer begeistert den durch Lügen "begründeten" Angriffen von GWBush auf unschuldige Länder zugestimmt.
Ein bisschen stinkt mir das als Mann schon. Natürlich bin ich auch Teil des Problems, Trotz meiner Anstrengungen, kein A... zu sein. Soviel haben mir starke Frauen als jugendlicher mitgegeben. Gereicht hat es nicht. Also: Sorgen wir dafür, dass es unsere Kinder und Enkel besser machen können.
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