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Es lohnt sich, das Interview mit Eric Nussbaumer genau zu lesen. Er argumentiert weniger aus seiner persönlichen Sicht als vielmehr aus der Sicht der Studierenden, Forschenden und Arbeitnehmenden in der Schweiz, wenn er bedauert, dass sich die EU in gewissen Bereichen, die nicht direkt mit einem institutionellen Rahmenabkommen zusammenhängen, wenig flexibel zeigt. Aber seine Hauptkritik richtet sich nicht gegen die EU, sondern gegen den Bundesrat und die Bundesratsparteien. Da trifft er genau ins Schwarze.
Das schleichende Gift des Populismus lähmt die Schweiz.
Das Rahmenabkommen hätte den bilateralen Weg gesichert. Mit Börsenanerkennung, Strommarkt, Forschungszusammenarbeit, Medizinprodukten, Studentenaustausch.
Aber niemand wagt, es zu unterstützen. Jeder weiss:
Die SVP wartet nur darauf, ihre „Wir sind dagegen“- Maschine zu starten.
Und die macht ihren Wählern riesig Spass:
„Wir lassen uns nichts befehlen. Wir können das selber. Wir sind die einzig wahren Schweizer. Die Anderen sind schwach, falsch, unterwürfig und abhängig.“
Zukunft gestalten fällt weg. Stattdessen gibts Freiheitshelden-Cosplay.
... und stets begleitet von den immergleichen Webeagenturen, die mit dicken Zeigefingern, stieren Blicken und ganz grossen NEIN-Lettern Strassenränder, ganze Strassenzüge, Dorfstrassen, staatlich subventionierte Landwirtschaftsflächen, Busse, Bahnhöfe... zumüllen.
Freiheit, die ich meine?
Im heutigen "Tages Anzeiger" ist ein Interview mit BR Cassis zu lesen. Mich hat es fast "aus den Socken gehauen". Da stehen Sätze wie "Es ging erstens darum sich kennen zu lernen, zweitens um eine Vereinbarung zur zweiten Kohäsionsmilliarde und drittens um das Aufgleisen des politischen Dialogs" oder "Wir sind schon einen Schritt weiter, weil es einen beidseitigen Willen gibt, gemeinsame Wege zu finden, um Europ zu stärken" oder dann "Wir müssen zuerst eine gemeinsame Agenda definieren. Beide Seiten haben ihre Forderungen, es gibt eine Schnittmenge, und daraus entsteht eine Agenda".
Wüsste ich nicht, dass Cassis ein intelligenter Mensch ist - wie auch die überigen Bundesräte -, würde ich fragen "geht es noch dümmer"? Doch die Taktik ist klar: Zerreden, Hinausschieben, Zeit gewinnen, sich in den Niederungen unwichtiger Details verstricken. Das üble Spiel halt, das die Schweiz seit Jahrzehnten spielt. Doch die EU wird sich das nicht gefallen lassen. Es könnte, wie seinerzeit beim Bankgeheimnis, ein böses Erwachen geben.
In der aktuellen politischen Lage sind Cassis’ Aussagen stimmig und zeigen eine klare Haltung.
Stimmig schon, ich denke, gelogen ist es nicht. Nur saudumm geworden ist die Lage. Das muss allen klar werden. Wie bei einer Schach Partie kurz vor dem Matt
Es ist beschämend, dass ein Staat wie die Schweiz sich von einer populistischen Partei wie die SVP, am Nasenring durch Europa geführt wird.
Da sind wir leider nicht allein. RN, AfD, Fidesz, DV, VP machen es in ihren Staaten ähnlich und mit zeitweise erstaunlichem Erfolg, ich erinnere mich noch gut die FPÖ in Schüssels Regierung. Am Schlimmsten sind die Republikaner, die die USA aktuell demontieren, und wir Schweizer sind halt immer etwas retardiert (verspätet).
Feuchte Zündschnur. Oder, eher, Mutlosigkeit. Nass auch in den Textilien...
Danke, wenigstens etwas zum Lachen in diesem brechreizigen Thema
Jetzt soll man jedes Klagen beiseite stellen: Die Schweiz hat sich den Vergandlungsprtner EU so starr geschmiedet, wie er nun ist. Was sich die Schweiz mit Brüssel geleistet hat, ist schlicht skandalös und musste zwangsläufig zu einer harten Gegenreaktion führen. Dass dabei eine unerwartete Einigkeit der EU-Staaten zustande kam, müsste unser komplette diplomatische Desaster abschliessend illustrieren. Die Schweiz hat keine "Freunde" mehr, weil sie alle mit ihrem Anspruch, mehr fordern zu dürfen als zu geben, chronisch genervt hat.
Der Bundesrat hat aber nicht nur den Verhandlungspartner brüskiert, sondern auch im eigenen Land für Unruhe gesorgt: Er kann nicht davon ausgehen, dass die ganze Bevölkerung sein bäurisches Verhalten gutheisst. Die Rekationen von SP und "Aktion Libero+ sind das Resultat der innenpoltischen Provokationen einer Regierung, die eher den Kaninchenzüchterverein nach seiner Meinung befragt als sich um Realpolitik bemüht.
Uns bleibt nur noch "unconditional surrender". Die Bedingungen eines kommenden Vertragswerks dürften in Brüssel geschrieben und in Bern unterschrieben werden. Die Story mit dem Steuergeheimnis wiederholt sich in unheimlicher Ähnlichkeit.
Genau
In meinen Augen gibt es eine fatale Gemeinsamkeit im Umgang der Schweiz mit dem Europa-Dossier wie auch im Umgang mit Corona (zumindest seit der Ankündigung des zweiten Referendums). Wir üben uns in fortgeschrittener Realitätsverweigerung und dem Schönreden der Situation. Nur nützt das alles nichts, die Macht des Faktischen wird immer stärker bleiben. Was ebenfalls bei beiden Themen gilt: Die Kosten unseres Verhaltens werden laufend grösser, in gleichem Mass wie die realistischen Handlungsoptionen weniger werden.
Bezogen auf Europa wird es wohl leider so kommen, dass wir viel früher als uns lieb ist ernsthaft über einen EU Beitritt nachdenken müssen.
Leider? Endlich!
Ich bin mit Ihnen völlig einverstanden: Schönreden, abwarten, auszusitzen versuchen - das gilt leider vermutlich auch für unseren Umgang mit der Klimakatastrophe.
BR Cassis gehört ebenso zur SVP-Fraktion der FDP wie ihr neuer Präsident. Wenn wir die SVP-Mitglieder im Bundesrat und die SVP-nahen FDP-Mitglieder addieren (und die Finanz-Fraktion - vgl.u.), verstehen wir auf einmal, wie der extrem undemokratische Entscheid zum Abbruch der Verhandlungen zum Rahmenabkommen zustande kam.
Dann reist BR Cassis nach Europa und erklärt dort, dass man sich doch einmal kennenlernen sollte. Lustig. Europa aber hätte gerne gewusst, mit wem eigentlich es zehn Jahre lang zum Rahmenabkommen verhandelte, wenn der Bundesrat das Ergebnis ohne Rücksprache auf den Mist wirft. Folglich will Europa vor einer nächsten Runde die Pflöcke einschlagen. Ich verstehe nicht, wie man überrascht sein kann, dass Europa auch sonst nirgends mehr nachgeben will.
BR Cassis kommt zurück und erzählt komplett anderes. Das erinnert schon ein wenig an das lügende Fax-Gerät der SVP.
Weil in Europa unterdessen ein wesentlich besserer Anlegerschutz als in der Schweiz gilt, - woran die hiesige Finanz-Fraktion der FDP natürlich nicht interessiert ist - , spaltet sich auch diese von der FDP ab.
Ergebnisse:
Nun marschieren zwei Fraktionen der FDP mit der SVP. So wird ein konstruktiver Dialog mit Europa immer mehr verunmöglicht.
Der Klimaschutz hat in der Schweiz eine schlechtere Zukunft.
Der Anlegerschutz bliebt schwach.
Die FDP wird immer weniger wählbar. Die Abwanderung der FDP-Wähler (zur GLP) verstärkt sich.
Weiterhin zwei Bundesräte für die FDP? Alles Gute noch.
Über das Verhalten von BR Cassis im Europadossier kann man diskutieren. Wie in diesem Bericht und den folgenden Kommentaren die direkte Demokratie der Schweiz mit Füssen getreten wird ist aber eine Schande. Typisch für all die EU-Turbos. Diese unqualifizierten Aussagen habe ich schon bei der EWR-Abstimmung miterlebt. Dass wir uns von einem Vertreter der EU, dessen Land erst 2004 Zur EU gestossen ist, auch noch vorschreiben lassen sollen wie Demokratie funktioniert, ist wohl das Letzte. Und wenn bei uns die EU-Turbos nicht endlich einsehen, dass eine Mehrheit der Bevölkerung keinen EU-Beitritt will, kommen wir auch nicht weiter. Die wichtigsten bilateralen Verträge werden auch ohne Abkommen weitergeführt. Die Untergangsszenarien, wie damals nach dem EWR-Nein, sind völlig absurd, und reine Propaganda für einen EU-Beitritt, welcher unseren Wohlstand, auch denjenigen der Befürworter, gefährdet.
Lieber Herr S. Wie im Artikel: viele konnten sich das Frauenstimmrecht nicht vorstellen - und das im Land, wo Wilhelm Tell zusammen mit Schellenursli die Demokratie erfand. Am Schluss musste sich das Bundesgericht ermannen und es dem Kanton, wo die Coronaverweigerer heute ihr Hochamt feiern, aufzwingen.
Wie im Artikel gehofft, wird es auch mit dem vernünftigen Umgang mit der EU so herauskommen. Glauben Sie im ernst, dass bei uns die Demokratie kaputt gegangen wäre, wenn wir im EWR wären?
Und haben Sie tatsächlich nicht mitbekommen, wie lange die Wirtschaft infolge des EWR-Entscheides in der Schweiz stillstand? Und was die Bilateralen für einen extremen Nutzen brachten? Vielleicht leben Sie von Subventionen, sicher aber nicht im Bereich der Medizinaltechnik.
Vergessen sie die Medizinaltechnik. Die Zertifiziervorschriften, resp -kosten sind nicht nur hier derart teuer, dass die relevanten Firmen schon vor dem Entscheid bei TueV Sued testen liessen. Fuer einen Bruchteil wie hier. Das ist in Sueddeutschland, und ist daher gleich EU konform.
Mir fehlt der missionarische Eifer, auf all ihre Positionen einzugehen. Aber dass Sie so optimistisch sind, zu glauben, die Schweiz müsse ihren Reichtum nicht einmal ein Bisschen mit Europa teilen, versetzt mich doch ins Staunen. Ich gehe davon aus, dass der Klimawandel unsere Erde so stark verändern wird, dass globale Ausgleichsdimensionen ins Spiel kommen müssen. Es sei denn, man setze darauf, in einer barbarischen Welt weiterhin auf der Seite der Keulenträger zu stehen...
Sie scheinen nicht zu bedenken, dass es Befürworter gibt, welche eingesehen haben, dass sich unser Konsum-Wohlstand auf ein gesünderes Mass senken soll und muss. Diese Menschen haben auch begriffen, dass Freiheit etwas anderes ist, als konsumieren und ausnützen oder Stammtisch-Reden halten. Und eben diese Menschen setzen sich ein, dass es den anderen Menschen und Familien auch gut gehen soll.
Bei aller Sympathie verstehe ich Herrn Nussbaumers Inkonsequenz nicht. Er macht eine glasklare Analyse zum Versagen der drei "konstruktiven" Regierungsparteien FdP, Mitte und SP und hofft dann doch wieder, dass diese drei wieder "die Köpfe zusammen stecken". Was soll das bringen? Abgesehen davon, dass keine der drei Parteien eine klare proeuropäische Position hat: auch rein wählermässig repräsentieren diese drei kaum mehr die Hälfte der Bevölkerung. Jede hat auf ihre Weise mindestens 5% ihres Anteils an die SVP verloren. Trotzdem hat keine der drei Parteien klare Konsequenzen gezogen. Man hätte die sogenannte Zauberformel längst entsorgen und die SVP aus der Regierung werfen müssen. Aber Sie seit 30 Jahren versucht man lieber, die SVP durch Einbindung zu domestizieren - obwohl längst klar ist, dass das nicht klappt. Mittlerweile sind alle drei zu verschlissen und geschwächt, um in der Europapolitik noch glaubwürdig die Initiative zurück zu gewinnen. Ich begrüsse es deshalb sehr, das die Liberos und die Grünen vorwärts gehen. Endlich widersetzt sich jemand der gläsernen Decke, welche die SVP über die Schweiz gezogen hat. Auch wenn eine stärkere Integration in die EU - sei es durch eine Vollmitgliedschaft oder durch einen Beitritt zum EWR - aktuell unrealistisch scheint: mittelfristig ist das die einzig sinnvolle europapolitische Haltung. Die Bilateralen Verträge sind erledigt, eine Isolation kann sich die Schweiz auf lange Sicht nicht leisten: weder politisch, noch wirtschaftlich, noch kulturell.
Versagen, Sackgasse, Gewurstel... Immer noch laufen die Kommentare darauf hinaus, den Verhandlungsabbruch als politisches Missgeschick unfähiger PolitikerInnen darzustellen. Ist es denn so unwahrscheinlich, dass im Bundesrat, in vielen der Parteigremien, in den Finanz-und Wirtschaftskreisen mittlerweile eine Mehrheit auf
Desintegration setzt, dass also die als "ungeschickt" dargestellte EU-Strategie ein Plan ist, der den Ansichten und Absichten einflussreicher Kreise entspricht?
Wahrscheinlich übernimmt die Schweiz - gesteuert durch die von Ihnen genannten Kreise - eine Rolle bei den gezielten Bemühungen, die EU als starkes demokratisches Gebilde zu schwächen, damit diese Kreise und ihr Klientel ungehindert wirtschaften und Macht ausüben können. Oder weshalb werden plötzlich bisher unpolitische Vermögensverwalter in der EU Frage aktiv und werfen Millionen für Kampagnen auf?
Erich Nussbaum sagt: "Somit versteht die Öffentlichkeit nicht mehr, was der bilaterale Weg ist."
Weiter meint er, dass die Schweiz ein institutionelles Dach über den Verträgen mit der EU errichten soll. Da es für ein Volksabstimmung absturzgefährdet sei, soll man weitere Themen hinzufügen, damit es attraktiver wird. Wörtlich: "Man müsste also über eine Paketlösung nachdenken."
Was für ein Widerspruch! Der Öffentlichkeit, die den bilateralen Weg nicht mehr versteht, wird eine Volksabstimmung zugemutet, die an Komplexität die Mehrheit der Bevölkerung überfordern wird. Mit der Abstimmung zum CO₂-Gesetz haben wir erlebt, wie das Volk komplexe Vorlagen oder eben sogenannte Paketlösungen behandelt.
Ich sehe die Katze, wie sie um den heissen Brei läuft. Wir Menschen hierzulande sollten lieber schneller als langsamer begreifen beginnen, dass wir je länger desto weniger ein "Sonderfall" sind und unser Verhalten, diese unsere Sturheit, je länger desto weniger Sympathien generiert, wie früher (anderswo schon geschrieben), unsere Einstellung zu Frauenbeteiligung, nachrichtenlosen Vermögen, Bankgehrimnis, Firmensteuern, u.a.m
Kleiner Besserwisserin Kommentar: Herr Nussbaumer meint wohl Horizon Europe, das neue EU Forschungsförderprogramm das von 2021 bis 2027 läuft. Das vorherige hiess Horizon 2020. Horizon 2022 gibt es hingegen nicht. Aber beim Kern hat er natürlich recht: dass wir davon ausgeschlossen sind ist verheerend. Es macht uns zu einer wissenschaftlich verkümmerten Kleininseln, weshalb ein möglichst schneller Beitritt dazu wichtig wäre.
Vergessen sie Horizon. Die Forschung arbeitet zusammen. Resultate werden publiziert und ausgetauscht. Man geht auch zur Gegenseite, um Messungen machen zu lassen. Es ging um die Finanzierung. Wir können keine EU Gelder mehr beantragen und keine EU Forschungsgruppen von hieraus leiten. Ja. Und ?
Dann gehen Schweizer Profi Forscher einfach an europäische Unis Projekte leiten und hier an unseren Unis und ETHs bleiben die Schweizer Assistenten. So einfach ist es. Industrien, die Projekte mitfinanzieren, schicken ihre Gelder wohin? Zu Profis oder zu Assistenten? Ja und? Dann gehn die Assistenten auch weg. Ja und?
Weshalb spricht eigentlich niemand davon, es noch einmal mit einem Beitritt zum EWR zu versuchen?
Weil dies ein "Murx" ist.
Der ganze grosse Knackpunkt, auf den bisher niemand die richtige Antwort gefunden hat, ist die Vereinbarkeit der dynamischen Rechtsübernahme mit der direkten Demokratie. Bisher unterliegt alles Recht, das in der Schweiz gilt, einem demokratischen Legitimationsprozess mit öffentlicher Vernehmlassung am Anfang und der Möglichkeit eines Referendums am Ende. Wenn wir uns verpflichten, EU-Recht dynamisch zu übernehmen, dann werden unsere direktdemokratischen Mitsprachemöglichkeiten ausgehöhlt. Man kann das natürlich abstreiten, aber das hilft uns nicht weiter. Was wir brauchen, sind konstruktive Lösungen.
Der radikalste Ansatz würde darin bestehen, darauf hinzuwirken, dass die EU selbst zusätzliche Mitbestimmungsmöglichkeiten einführt. Damit würden wir bei der EU offene Türen einrennen, wie eine von mir in Auftrag gegebene Umfrage des GFS erst gerade aufgezeigt hat. [1] Drei Viertel der Bürger:innen unsere Nachbarländer würden einen Ausbau der Mitbestimmungsmöglichkeiten in der EU befürworten. Leider vertritt die EU-Kommission in dieser Frage nicht die Interessen der eigenen Bevölkerung. Aber vielleicht gibt es Wege, dies zu ändern?
[1] https://www.gfsbern.ch/wp-content/uploads/2021/11/212039_demokratie-eu_schlussbericht_def-1.pdf
Das ist für mich schon immer der grösste Vorbehalt gegenüber einem EU-Beitritt, oder schon nur einem Rahmenabkommen mit automatischer Rechtsübernahme: Die EU hat gewaltige Demokratiedefizite. Klar, wenn man Mitglied ist, hat man gewisse Möglichkeiten, daran etwas zu ändern - aber das wird Jahrzehnte dauern. Und wir können schlecht von der EU verlangen, dass sie ihre Struktur unseren Bedürfnissen anpasst, noch bevor wir ihr beitreten...
Wir sind schon lange mitten in der EU. Sonderbarerweise hat's keiner richtig gemerkt. Man will es nicht wahrhaben. Wir verdrängen diese Tatsache derart heftig, dass wir uns jeder Mitsprachemöglichkeit berauben, um dann überall schimpfen zu können, und zu jammern. Wir sind mutlos und versuchen uns der Verantwortung zu entziehen. Trauriges Bild!
Unsere direkte Demokratie nehmen wir gerne wahr z.B. bei der Parkraumbewirtschaftung in der Gemeinde Allschwil. Dass Demokratiedramen in Polen, Ungarn passieren, lässt uns Kopfschütteln, Gottseidank müssen wir uns dazu nicht äussern, und mit machen an deren Lösung brauchen wir auch nicht.
Wo genau ist das Problem mit der direkten Demokratie bei einer EU-Mitgliedschaft oder dem Rahmenabkommen? Es gibt keines! Dürfen in den Mitgliedsländern der EU die Parlamente keine Entscheidungen mehr treffen? Doch Sie dürfen, also kann doch das Schweizer Volk auch weiterhin Entscheidungen treffen. Und im Rahmenabkommen war das Thema auch geregelt. Dort, wo die Schweiz sich nicht an die Binnenmarktregeln hätte halten wollen, hätte sie dies finanziell kompensieren müssen, das wäre es dann aber auch gewesen. Also kein Problem mit der direkten Demokratie.
Warum nur erinnert mich das Ganze an das nicht enden wollende Gerangel um den Fluglärm in Zürich? Mir scheint, die Schweiz überschätzt öfters den Wert ihrer Spielkarten, neudeutsch Leverage. Zur panikartigen Aufgabe des "unverhandelbaren" Bankgeheimnisses für Ausländer herrscht betretenes Schweigen. Nachrichtenlose Vermögen waren auch ein Modellfall für diese egoistische Blüte des Exzeptionalismus.
Nun die EU. Dass die Finanzindustrie mit dem Flagschiff Partners Group neuerdings auf das Modell City of London setzt, ist nicht ganz überraschend und garantiert uneigennützig. Ich denke nur, dass die Basis der City und damit des UK noch viel mehr von der EU abhängt, als die Wirtschaft der Schweiz. Es wird auch überschätzt, wie lange man die Schweizer Bevölkerung als Geiseln für den Franken halten kann. (Wenn den Jüngeren klar wird, welche Pensionen für sie bleiben, werden sie merken, dass sie von den geerbten Immobilien nicht abbeissen können, selbst wenn der Preis ins Unendliche steigt, oder dass sie wegen Abnutzung und geringer Amortisation der Elterngeneration eigentlich Miete für ihr Eigentum zahlen. Das ist zwar ein anderes Thema, aber hier läuft man auch laut pfeifend durch den dunklen Wald.)
Wieviele Partien mit existenziellen Fragen möchte man denn noch eröffnen? Hat die Schweiz nicht schon genug Probleme, all ihre politischen Posten in Bund, Kantonen und Gemeinden mit adäquatem Personal zu besetzen? Muss auch noch der Letzte, der seinen Verstand noch nicht bei Banken und Versicherungen versilbert, bei nutzlosen Verhandlungen verheizt werden?
Die Aufgabe ist kompliziert. Folgende Mitspieler müssen am Ende zustimmen:
Bunderrat / Parlament
Volk (Abstimmung)
EU
In der Schweiz wird eine Einigung auf jeden Fall gegen die SVP erzielt werden müssen. Von den restlichen 70% muss eine grosse Mehrheit Ja zu einem Abkommen sagen. Innerhalb der konstruktiven Parteien muss deshalb ein breit abgestützter Konsens hergestellt werden, und es muss Einigkeit bei den wesentlichen Punkten bestehen. Bei den Nebenpunkten muss man halt auch einmal fünf gerade sein lassen. Es ist nicht mehr die Zeit, um ein Abkommen an Kleinigkeiten scheitern zu lassen.
Die aus Sicht der Schweiz wichtigen Punkte müssen vor den Verhandlungen mit der EU intern (also im Bundesrat und zwischen den konstruktiven Parteien) geklärt werden. Es kann beispielsweise nicht sein, dass man die Rolle des EU-Gerichtshofes in den Verhandlungen akzeptiert, aber nachher merkt, dass man es doch anders will. Kein Wunder, versteht die EU dann die Schweizer Position nicht.
Ich hoffe, der Bundesrat weiss nach jahrelangen Verhandlungen auch, was der EU wichtig ist und wo Gestaltungsspielraum besteht. Entsprechend könnte relativ rasch eine Schweizer Verhandlungsposition geschaffen werden, die intern breit abgestützt und gegenüber der EU realistisch ist.
Erst kommen die Dinge bloss ins Rutschen. Und dann donnert plötzlich eine Lawine ins Tal. Man könnte glauben, die Schweiz sei über Nacht in ein neues Zeitalter eingetreten – ein neues Zeitalter des Umgangs mit der umstrittenen Bührle-Sammlung, der erinnerungspolitischen Verantwortung.
Daniel Binswangers Einleitung seines Updates zum Skandal um die Sammlung Bührle, einer durch und durch europäischen Geschichte, könnten wir demnächst auch für die schweizerische Europapolitik verwenden. Davon bin ich überzeugt.
Es ist gelinde gesagt erstaunlich, dass im ganzen Interview das Schlüsselwort "Lohnschutz" nicht vorkommt. Hier haben Cassis und sein Verhandlungsführer doch versagt und deshalb musste die Linke das miserable Verhandlungsergebnis so klar ablehnen. Jeder Neuanfang muss diese Hürde nehmen. Auch im Interesse der EU und ihrer Arbeitnehmenden.
Wir alle haben versagt. Den schwarzen Peter weiterreichen heisst weiter versagen. Leider ist der Schweizer Lohnschutz (flankierende Massnahmen in den bilateralen Verträgen vor vielen Jahren vereinbart) schlechter, als der aktuelle im EU Recht. Leider weiss das fast niemand. Leider streiten wir lieber, als sachlich und faktenbasiert miteinander zu reden und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.
Uraltes Sprichwort: Wenn zwei sich streiten (Paul Rechsteiner, BR Schneider Ammann) lacht der Dritte (EU). Wir haben die Konsequenzen, weil wir den Streit befeuert haben, anstatt den Beteiligten Einhalt zu gebieten.
Schönes Wochenende
Was wäre eigentlich der Vorteil einer Binnenmarktassozierung mit dynamischer Rechtsübernahme (ohne Stimmrecht) gegenüber einer EU Mitgliedschaft (dynamische Rechtsübernahme mit Stimmrecht)? Der Kern der Frage ist vermutlich welcher Teil des EU Rechtes empfindet der Europäische Gerichtshof als Binnenmarkt-relevant - jetzt und in Zukunft?
Die bisherigen Kommentare zu diesem Interview erstaunen mich. Es ist doch sonnenklar, dass die Schweiz auf lange Sicht nicht bloss mit sektoriellen Abkommen leben kann, die im Verlauf der Zeit immer weniger wert sind, weil sie nicht weiterentwickelt werden. Das war dem Bundesrat bewusst und daher hat er zu Verhandeln begonnen, denn er wollte eine langfristig tragfähige Lösung. Jeder, der schon Vergleiche geschlossen hat, weiss, dass die gegensätzlichen Interessen der Verhandlungspartner im Vergleich nie vollständig erfüllt werden. Das ist geradezu das Wesen des Vergleichs als eines Ausgleichs von Interessen.
Wir wissen seit Jahren, dass die EU die flankierenden Massnahmen, 8-Tage Regel und Kautionen, beanstandet. Das Rahmenabkommen brachte hier einen Kompromiss und Kompromisse gehören nun mal zum Vergleich. Daran gibt es überhaupt nichts auszusetzen, im Gegenteil.
Es ist ebenfalls sonnenklar, dass die EU und ihre Gerichte das ureigene Recht der EU selbst auslegen wollen und daher der EU-Gerichtshof in diesen Fragen das letzte Wort hat. Das machen wir in der Schweiz genau gleich: Die reformierte Landeskirche im Kanton Zürich hat ihr eigenes Recht Recht und daher auch ihre eigenen Rechtsmittelinstanzen. Wenn jedoch kirchliche Instanzen kantonales Recht anwenden, geht das nicht zu ihren eigenen Rechtsmittelinstanzen, sonden zum kantonalen Verwaltungsgericht, denn der Kanton will sicherstellen, dass sein Recht von seinen Rechtsmittelinstanzen beurteilt wird. Auch in diesem Punkt ist das Rahemabkommen überhaupt nicht zu beanstanden, sondern eine sachgerechte Lösung.
Es ist sehr schade, wenn nicht sogar ein Unglück, dass dieses gute Abkommen, das viele Probleme gelöst hätte, versenkt worden ist, ohne dass auch nur in Ansätzen eine Alternative sichtbar wäre. Der Schweiz muss klar sein, dass sie sich nun bemühren muss und nicht die EU, die mit sehr viel Geduld sehr lange verhandelt hat.
Das Interview und die Sichtweise von Eric Nussbaumer sind das Spiegelbild der Schweizer Politik: Zick-Zack Kurs, Schuldzuweisungen und fehlende gerade Linie. Dazu eine mutlose Executive, die sich der Verantwortung entzieht und diese an das «Volch» delegiert und wie das Kaninchen auf die Schlange starrt und wartet, auf das was da kommen wird. Schlussendlich ein Aussenminister, der nach dem wichtigsten Besuch seit Abbruch der Verhandlungen die Ergebnisse konträr zu seinem Gesprächspartner kommuniziert. Ich denke, die EU hat ein Recht auf «erwachsene» Verhandlungspartner. Bis dies intern geklärt ist, sollten wir gar nicht weiter verhandeln, denn in der augenblicklichen Situation sind sie zum Scheitern verurteilt. Wir haben jedoch ein Zeitproblem: Die bilateralen Verträge werden immer unwirksamer, wir kommen immer mehr in die Defensive und die polarisierenden, emotionalen Aspekte werden stärker. Laut Harvard Prinzipien sind jedoch internationale Verhandlungen nur erfolgreich, wenn die Sache von Emotionen getrennt betrachtet und verhandelt wird. Schweizer wachet auf ….
Die EU hat den Eindruck, der Schweiz wäre zuviel zugestanden worden und zuwenig verlangt. Sie will diese Rosinenpickerei rückgängig machen und macht uns Vorschläge, die im Saldo Verschlechterungen sind. Da ist es logisch, dass wir sagen, wir haben zurzeit keinen Verhandlungsbedarf, wir fahren mit dem vorhandenen Vertragswerk besser. Und es müsste auch kein zerschlagenes Geschirr geben, wenn die bundesrätliche Verhandlungsdelegation am Anfang der Verhandlungen ein wenig Füdle gehabt hätte und das damals vertreten hätte - gegenüber der EU und gegenüber dem Volk. Doris Leuthard hat damals, wie immer, den Weg des geringsten Widerstandes gewählt.
Die SP ist irgendwie in derselben Lage wie die EU. Sie hat schon zuviel geopfert: Mit der Personenfreizügigkeit hat sie ihre (eigentlich) wichtigsten Stakeholders dem eisigen Wind des Freihandels ausgesetzt, währenddem die Wirtschaft bei vielen Marktsegmenten, insbesondere im Dienstleistungssektor, auch in der Landwirtschaft, fast à la carte Marktschutz erhalten konnte. Die SP hat das teuer bezahlt, die Parteibasis der Arbeiterschaft ist geschlossen abmarschiert.
Deshalb ist mir schleierhaft, weshalb man von der SP und die SP-Exponenten von sich selber verlangen, in einem liberalen Projekt die Speerspitze zu übernehmen. Das kommt einer Aufforderung zum Selbstmord gleich. Liberalismus ist nicht die DNA der SP, da kommt mir eine andere Partei in den Sinn.
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