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Es ist der Fluch der Präventionsmassnahmen, dass sie überzogen erscheinen, wenn sie erfolgreich waren. Falls es zu einer zweiten Pandemiewelle kommt, werden die gleichen Köpfe die Schuld wieder dem Bundesrat zuweisen, weil der ja die Verantwortung trägt. Es ist ein Trauerspiel.
Da bin ich ganz ihrer Meinung! Christian Drosten sagte in seinem Podcast: «There is no glory in prevention».
Oder vollständig:
[Es wird] Kreise geben, die sagen: Was wollt ihr eigentlich? Ihr habt uns jetzt so einen großen Wirtschaftsschaden gemacht, hier mit Schulschließungen und den ganzen Veranstaltungen, die abgesagt werden, und es ist nichts passiert. Also jetzt mal zurück ins Alltagsleben, und andere werden sagen: 'There is no glory in prevention.' Also, wer was verhindert hat, der kriegt dafür keinen Dank, denn es ist nicht zu sehen, WAS man verhindert hat.
In der Soziologie spricht man in diesem Zusammenhang von «selbstzerstörender Prophezeiung» (als Gegenstück zur bekannteren «selbsterfüllenden Prophezeiung»). Man könnte nun meinen, manche hätten Mühe den wesentlichen Unterschied zwischen Prognosen über physikalische und soziale Systeme zu sehen. Ist die eine Prognose je nach Versuchsausgang entweder wahr oder falsch, gibt es bei der anderen eine dritte Option, welche die Prognose in die Entscheidung miteinbezieht.
Sie sprechen mir aus dem Herzen!
Die Profilierer sind wieder unterwegs. Nur dass ihre Profilierung jetzt sehr viel aufs Spiel setzt.
Wie Christian Levrat im Interview sagte: „Ich werde die Namen jener nicht vergessen, wenn es im Herbst zu dramatischen Szenen kommt. („An wen denken Sie?“) An Thomas Aeschi von der SVP oder Petra Gössi von der FDP. An all jene, die einseitige Interessen vertreten und nicht das Wohl der Gesellschaft. An all jene, die nun politisches Kapital aus dieser Situation schlagen wollen.“
Danke!
Die Katastrophe ist in der Schweiz ausgeblieben und so viele regen sich jetzt auf. Ich fass es nicht. Ich bin wirtschaftlich auch zentral betroffen, aber das Fundament von allem ist die Gesundheit. Das sollte jetzt eigentlich klar geworden sein. Als Selbstständigerwerbende bin ich es gewohnt, permanent selber zu entscheiden und weiss, was es bedeutet, mit Ungewissheit konfrontiert zu sein. Ich finde, wir konnten uns bisher gut auf die Entscheidungsträger in dieser Krise verlassen und ich vertraue ihnen auch jetzt in bezug auf die schrittweise Öffnung. Dafür gäbe es ganz klar verschiedene Varianten. Damit die Öffnung beginnen kann, muss man sich aber entscheiden, eine Strategie festlegen und in Kauf nehmen, dass es andere Wege geben würde und dass nicht alles bis ins kleinste Detail vorausgedacht ist. Sich nicht zerfleischen, nicht sich selbst, nicht gegenseitig, sondern mit Vorsicht und Achtsamkeit vorwärtsgehen und handlungsfähig bleiben, das scheint mir, ein vernünftiger Weg zu sein.
Da unterschreibe ich jedes Wort. Der Lockdown ist schon schwer genug, ohne den Ärger, welchen Besserwisser und Ideologen auslösen.
Es ist noch nicht lange her, da haben SVP und FdP ihre durch keine Zahlenakrobatik zu rechtfertigende Mehrheit im Bundesrat verteidigt. Ich habe das (schon damals als reine Zwecklüge dienende) Geschwätz von Frau Gössi betreffend der von der Bevölkerung herbeigesehnten Stabilität im BR noch im Ohr. Und was sehen wir jetzt? Einen Bundesrat, der in erster Linie von der Solidität der SP zusammengehalten wird, währenddessen Exponenten von SVP und FdP - namentlich die Herren Maurer und Cassis - BR-Entscheide öffentlich desavouieren. Sieht so Stabilität aus? Gössi und Martullo-Blocher attackieren den BR schon gewohnheitsmässig. Welche Ausreden und Schuldzuweisungen haben sie in petto, falls eine zweite Welle ihren Druck auf raschere "Normalisierung" als strategischen Fehler entlarvt? Es ist höchste Zeit, dass das Parlament wieder tagt und das unerträgliche Doppelspiel der bürgerlichen Chaotentruppen - BR-Mehrheit UND billiger Populismus - ein Ende findet.
Tatsächlich stellen sich rund im COVID-19 sehr viele Fragen, die dringend beantwortet werden müssten. Der Fragekatalog von Herrn Binswanger ist deshalb korrekt. Super Artikel wie immer!
Die elektronische Überwachung mit Contact-Tracing, wie im Artikel propagiert, ist dann sinnvoll, wenn folgende Fragen beantwortet werden können: Es gibt Personen, welche das Virus transmittieren, ohne selber krank zu sein, da funktioniert die Contact-Tracing-App wohl eher nicht. Sind das 10%, 20%, 50%? Wie viele Personen, welche andere infizieren können, werden mit der Contact-Tracing-App entdeckt? Ist sie als Test abhängig von der Basis-Reproduktionszahl R0? Und falls ja, in welchem Umfang? Wieviel Prozent der Bevölkerung muss mitmachen? Wie viele Personen, die mitmachen, werden von der Contact-Tracing-App eine Mitteilung erhalten, dass sie sich in der Nähe einer infizierten Person aufhielten? Und wie viele von diesen Personen haben sich dann tatsächlich infiziert? Sind es 10%, 50%, 99%? Wie viele Personen bleiben in der Folge unnötigerweise zu Hause, sind unnötigerweise verängstigt oder lassen sich unnötigerweise einen Rachenabstrich zu 200 Franken machen? Was ist der Effekt der Contact-Tracing-App auf die Basis-Reproduktionszahl? Wie viele Personen werden vermutlich dank der Contact-Tracing-App überleben? Wie ist das Verhältnis zum Effekt auf die Covid-19-Sterberaten der bisher erwähnten Variablen? Ab welchem Effekt auf die Sterberaten ist die Bevölkerung bereit, persönliche Daten preiszugeben? Wie ist der Tradeoff zwischen Contact-Tracing-App-Testeffekten und Datenschutz?
Als Diskussionsgrundlage haben wir ein kurzes Paper verfasst (https://www.docfind.ch/VEMSEvaluati…ngApps.pdf) und stellen einen Rechner zur Verfügung, wo interessierte Personen Effekte einer Tracing-App selber anhand der Variierung des Inputs feststellen können (http://docfind.ch/COVIDAPPBayes.xlsx).
Zum Schluss noch unsere Meinung: die Trefferquote des Nachverfolgens von Kontakten infizierter Personen ist viel höher als mit einer APP, welche einen positiv prädiktiven Wert von rund 2% hat und damit sehr gering ist. Die Tracing-APP ist eine billige Variante des Nachverfolgens und unserer Meinung nach zu billig. Es gibt aktuell genug Personen, die den Kantonen helfen könnten, die Nachverfolgung von potentiell infizierten Personen zu verbessern und auf einen quantitativen Level zu bringen, von welchem in der Epidemiologie schon lange bekannt ist, dass er sehr effektiv ist (HIV Epidemie San Francisco z.B.). Die Tracing-APP ist ein experimentelles Tool. Ist jetzt Zeit für Experimente?
Daraus ergibt sich die wissenschaftliche Fragestellung für das Experiment Tracing-APP: Goldstandard ist die Nachverfolgung von Kontakten infizierter Personen gemäss den Angaben der infizierten Personen. Wie gut detektiert die Tracing-APP diese Personen?
Die in der Schweiz entwickelte App basiert auf einer genial einfachen Idee, die datenschutz-technisch absolut unbedenklich ist, da man den Quellcode öffentlich einsehen kann und keine personenbezogenen Daten ausgetauscht werden (siehe dazu die sehr guten Berichte in der Republik). Aber auch eine geniale Idee muss ihre Effektivität zuerst in der Realität beweisen. Und wann geht das besser, als in der Krise selber?
Das Nachverfolgen von Kontakten ist mit Sicherheit zur Zeit die effektivste Methode, nur ist sie leider limitiert in ihrer Anwendung, denn wenn zu viele Fälle auftreten, wird der Zeitaufwand zu gross und die Methode kann nicht mehr alle Fälle abdecken. Und somit wird sie unbrauchbar.
Und hier sollte dann die App einspringen, weil die eine unlimitierte Anzahl von Fällen dezentral tracken kann. Bei der App stellen sich dann aber all die sehr guten Fragen von Ihnen, die man nur durch den Einsatz wirklich klären kann. Darum sollte die App unbedingt in den Einsatz kommen, allerdings ganz klar auf freiwilliger Basis.
Man sollte nicht das Eine gegen das Andere ausspielen, sondern alle Massnahmen kombiniert zum Einsatz bringen, um die Krise zu meistern.
Wohltuend ruhig geschriebener Kommentar, der die Profilierungsneurotiker Äschi, Blocher, Martullo, alle SVP und Gössi, FDP in die Schranken weist. Wenn diese ÖffnungsideologInnen monieren, dass der Bundesrat und seine Beamtenschaft und wissenschaftlichen Beratergruppen keine Strategie hätten, dann ist es, wie Binswanger schreibt: Es scheint ihrem Intellekt zu viel zugemutet, die Strategie der kleinen, überschau- und überwachteren Schritte zu erkennen. Seien wir dankbar, dass nicht solche Kleingeister über die Gesundheit der in der Schweiz lebenden Bevölkerung und die sukzessiven Öffnungsschritte von Wirtschaft und Gesellschaft entscheiden können.
Herr Binswanger, ihr brillanter Artikel hoffentlich nicht nur in Gottes Ohr. Sie schreiben mir aus tiefstem Verstand, Vernu ft und Herzen und dass ist nicht pathetisch gemeint. Sie haben meiner Meinung nach alles wichtige erwähnt, kritisiert und hinterfragt in dieser geschärften und wie immer äusserst klugen und umsichtigen Betrachtungsweise. Danke!
Diesem Dank kann ich mich nur anschliessen.
Auch ich habe mich über die dümmlich-ignoranten Äusserungen der Frau Gössi geärgert. Bis dato war ich der Ansicht, dass für das Amt eines Parteipräsidenten/einer Parteipräsidentin ein gewisses Mass an intellektueller Redlichkeit eine unabdingbare Voraussetzung sei. Offenbar weit gefehlt. Sie ist einfach eine reine scheuklappen-bewehrte Wirtschaftsvertreterin und ihre Beteuerung, dass es auch ihr und der FDP zuallererst um das gesundheitliche Wohl gehe, nichts anderes als ein scheinheiliges Feigenblatt. Sie hat ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit und vor allem derjenigen ihrer Partei keinen Gefallen getan.
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Ob Frau Gössi wirklich nur so tut, wie Binswanger vermutet dass, Zitat: "..als wäre ihr intellektuell nicht zugänglich, dass die Lockerungsmassnahmen sequenziert werden müssen.." , oder ihr die Unterschiede, nochmals Zitat:"...intellektuell nicht vermittelbar?.." sind, mag ich hier gar nicht beurteilen. Aber auf alle Fälle hat Frau Gössi den Beweis dafür erbracht, dass sich politische Scheuklappen eindeutig auf den Intellekt auswirken...
Es fehlt unserem Land leider zunehmend an politischem Personal mit einer gewissen staatsmännischen oder staatsfraulichen Grösse. Die Allermeisten sind einfach nur Ideologen.
Unserem Land fehlen keine "staatsfraulichen Grössen". Es fehlen Menschen in der Politik, welche unabhängig von Ideologien, Eigeninteressen und Parteizugehörigkeit dank ihrer Authentizität, ihrem Urteilsvermögen und ihren Visionen fähig sind, neue Wege aufzuzeigen, die Wurzeln der Probleme zu erkennen und kreative Lösungen vorzuschlagen.
Vielen Dank für diesen Text. Ich erlaube mir eine Frage. Und das scheint inzwischen schon fast verdächtig zu sein. Sehr schnell werden Fragende in die Ecke der Verschwörungstheoretiker oder der unverbesserlichen nicht wahrhaben wollenenden gestellt. Weshalb kommen soviele Infektiolog*innen zu Wort die vor einer zweiten Welle warnen, andere, ebeso rennomierte wie beispielsweise Prof. Dr. Pietro Vernazza Chefarzt der Klinik für Infektiologie/Spitalhygiene St.Gallen hingegen sind aus der Berichterstattung ziemlich verschwunden? Prof. Vernazza stellt in seinem Blog von dieser Woche die Frage: Sind wir tatsächlich im Blindflug?
Abseits der parteipolitschen Auseinandersetztungen gehören solche Stimmen auch wahrgenommen und diskutiert. Er verweist auf Forschungsergebnisse sowohl der ETH wie auch des Robert Koch Institutes, die aufzeigen, dass die Reproduktionsrate in der Schweiz wie in Deutschland schon vor dem Beschluss des Lockdowns am 13.3.20 auf praktisch eins fiel.
Vielen Dank für Ihre Frage, Herr Federer, die absolut berechtigt ist. Bei der Republik halten wir uns an eine einfache Regel, um die Kakophonie nicht zu befeuern: Auf Epidemiologen hören wir, wenn es um die Verbreitung des Virus geht, auf Virologinnen, wenn wir etwas über sein Verhalten im menschlichen Körper lernen wollen, auf Ärzte, wenn es um die Behandlung der Infektion geht. Nicht andersrum. Oder durcheinander. Herr Vernazza ist Arzt (Infektologe). Herzlicher Gruss aus der Redaktion.
Zu Ihrem Nachtrag: Die ETH-Studie wird verzerrt kolportiert, wie unsere Datenjournalistin Marie-José Kolly unlängst dargelegt hat.
Lieber Daniel Binswanger, die Personengruppe, für die der Lockdown der falsche Weg ist, vergrössert sich exponentiell. Es ist schwierig und mühsam, mit diesen Menschen ein gutes Gespräch zu führen. Ihre ausgezeichnete Kolumne wird mich ab heute unterstützen.
Ich werde sie teilen und verteilen. Herzlichen Dank!
PS Nur so eine Idee: Was halten Sie davon, wenn die Republik eine Kopie der Kolumne allen National- und Ständerät*innen vor der Sondersession zukommen lässt?
Jeden Wirrologen der Neuzeitlichen Schweiz ein Dokument unterschreiben lassen, dass er die Konsequenzen & Kosten seiner Exit Wünsche tragen bzw. finanzieren müsste.
Also jenen Schaden einer erwähnten zweiten Welle & Lockdown 2 mit tragen zu müssen.
Oder die gesamte laut nach sofort Exit schreiende Branche in die Verpflichtung nehmen, es dito mitzufinanzieren.
Wer will die/der Erste Schweizer*In oder Branche sein, seine Exit und Umsatz Forderungen auch im negativen in der Zukunft für die Eidgenossenschaft zu tragen?
Schöner Beitrag. Es wäre gut, wenn wir irgendwann auch eine vernunftsbasierte Klimapolitik hätten, da das Worst-Case-Szenario der Klimaerwärmung viel schlimmer ist. Davon sind wir leider sehr weit entfernt: https://nordborg.ch/2020/04/24/denken-ist-erlaubt/
Aus Hirn und Herz gesprochen! Danke, Herr Binswanger-einmal mehr!
Danke für diese ausgezeichnete Zusammenfassung elementarer Tatsachen und grundlegender Prinzipien im Zusammenhang mit der weiteren Strategie bezüglich Covid-19. Es kann nicht genug betont werden, dass wir über diese neue Krankheit und ihre Folgen wenig gesichertes Wissen, einige Vermutungen und viele Ungewissheiten haben. In diesem ungemütlichen Rahmen müssen Entscheidungen getroffen werden und wir alle müssen lernen, mit diesen vielen Ungewissheiten zu leben.
Diese ganzen Diskussionen sind so ermuedend und ueberfluessig. Schaut der Realitaet endlich ins Gesicht. Es gibt nur 3 Moeglichkeiten.
"Ende mit Schrecken". Wir setzen diesem irrationalen, hysterischen und paranoiden "Schwachsinn" ein Ende und lassen das Virus laufen. Resultat schnell hohe Herdenimmunitaet, hohe Resistenz im Falle einer 2. Welle. Statistisch, leichte Uebersterblichkeit aber mittel bis langfristig weniger tragisch, als die physischen, psychischen und wirtschaftlichen Kollateralschaeden, der momentanen Methode.
"Schrecken ohne (absehbares) Ende". Momentanen "Irrsinn" weiterzufuehren und definitiv, im Falle einer 2. Welle die volle Wucht von ihr absorbieren zu muessen. Zum Dank dafuer schraenken wir auch gleich noch auf unbestimmte Zeit unsere Lebensqualitaet massiv ein. Im Ernst???!!!??? Sind wir alle oder zumindest eine Mehrheit voellig am verbloeden???
Nicht realistisch. Denn fuehrt gleich zu Methode 2 zurueck. Auf einen Impfstoff warten oder fuer die religioesen, dafuer beten. Selbst wenn in den naechsten paar Wochen oder Monaten etwas auf den Markt kommt, sollte man sich den "Dreck" nicht spritzen lassen. Es wird naemlich ein schlecht getesteter und "Hals ueber Kopf" hergestellter Impfstoff sein.
Also Leute. Hoert zu spinnen auf. Stellt euch der Realitaet. Werdet wieder rational und fuehrt wieder ein normales Leben.
Lieber Herr R., bisher ist noch nicht einmal geklärt, ob ehemalige Covid-19-Infizierte langfristig immun sind. Ob sich Herdenimmunität in relevanten Ausmaß entwickeln wird und wenn ja in welchem Zeitrahmen, ist ungewiss. Herzlich, DB
Soviel zum Thema «Solidarität». Ihre Lösung eines «Endes mit Schrecken» läuft auf einen verordneten aber unkontrollierten globalen «Senizid» hinaus. Ein «Experiment», in dem Sie ca. 9% der Weltbevölkerung, also über 600 Mio. Menschen über 65 dem vollen Risiko aussetzen würden. Soviel auch zum Thema «Verantwortungslosigkeit».
Ihre «einfache Lösung» ist somit Ausdruck von «Ageism» und «Ableism» also der Diskriminierung von älteren und kranken Menschen. Denn würden Sie ebenfalls so argumentieren, wenn es hauptsächlich Menschen unter 15 (25% der Weltbevölkerung) oder auch Menschen zwischen 15 und 64? Etwa so wie die «Spanische Grippe» mit ihrer «W-förmigen Verteilung»? Wenn nicht, dann halten Sie die Menschen über 65 sowie die jüngeren Menschen mit Vorerkrankungen für verzichtbar und somit für überflüssig, deren Tod «auf natürliche Weise» wir als «Resultat akzeptieren» müssten.
Doch zu unserer sozio-kulturellen Evolution gehört nicht nur, dass wir nicht mehr in «dunklen Höhlen» wohnen, sondern auch, dass wir keine Menschen mehr (für ein «Experiment»!) opfern.
Eine Grosszahl der Politiker und Mediziner sind leider zu feige um Experimente und Risiken einzugehen. Experimente und Risiken einzugehen haben uns aber evolutionaer genau zu dem gemacht was wir heute als Weltgesellschaft sind.
Das erinnert an einen eugenischen Sozialdarwinismus à la «Was uns nicht umbringt, macht uns stark».
Was wird eigentlich gegen den Juventizid und Infantizid im Wege des Klimawandels getan? Diese Krise ist um ein Vielfaches bedrohlicher, nachhaltiger und tödlicher als Covid-19. Wie wir nicht erst seit Greta Thunberg wissen, ist die Bedrohung durch die Klimaerwärmung genauso unmittelbar: Der Zähler der Klimabombe ist zwar auf Jahrzehnte eingestellt, nur haben wir kaum noch Zeit, deren Scharfmachung zu verhindern. Ist die Klimabombe erst mal eingestellt, lässt sie sich nicht mehr entschärfen.
Schon spannend, dass die reichen Nationen alles für ihre Alten tun, aber gleichzeitig einfach zusehen, wie das Todesurteil über ihre Kinder und ihre Jugend gefällt wird.
Darin liegt der eigentliche Sozialdarwinismus, den Sie anprangern. Survival of the fittest heisst heute nämlich survival of the richest and most powerful. Kinder und Jugendliche haben – im Unterschied zu den Alten – weder Geld noch Macht. Irgendwie erinnert mich das Ganze an Ebenezer Scrooge aus Charles Dickens‘ Weihnachtsgeschichte.
Seien wir also ehrlich: Der wahre Grund für den Lockdown besteht einzig darin, dass Covid-19 den mächtigen, alten Geldsäcken an den Kragen geht. Der Rest ist nur Kommunikation der Legitimität.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich begrüsse den Lockdown auch. Aber nicht der Alten wegen, sondern weil er uns vor Augen führt, dass eine alternative Lebensweise, die Rückkehr von finanzwirtschaftsorientierten Bedürfnissen zu einer bedürfnisorientierten Wirtschaft möglich ist, und dass sich eine solche Lebensweise so verdammt viel besser anfühlt als die rastlose Hetzjagend am Limit, nur damit die Reichen noch reicher werden.
Lieber Herr Binswanger, sie bringen es wieder einmal mehr genau auf den Punkt. Im riesigen Informations-Dschungel, wo es jeder besser weiss und die Übersicht immer mehr schwindet, eine empfehlenswerte Darstellung der Fakten. Vielen Dank.
Wenn die Pandemie dann irgendwann mal vorbei ist, werde ich mir sehr genau überlegen, mit wem ich Geschäfte machen, wo ich einkaufen und wen ich wählen werde. Ich habe ein gutes Gedächtnis.
Vielen Dank für diese Worte! Sie entsprechen meiner Beobachtung und Haltung voll und ganz.
Das erste Mal bin ich mit einer Binswanger-Kolumne nicht einverstanden. Es ist einfach nicht alles logisch. Als Beispiel erwähne ich das geforderte Vorsichtsprinzip. Wenn man nicht weiss, ob eine Massnahme positiv oder negativ wirkt, sollte man sie nicht anwenden, oder sich mindestens ganz langsam herantasten. Wenn DB die Sorgen über die Auswirkungen einer obligatorischen App, die in der Republik an anderer Stelle diskutiert wurden, einfach unter den Tisch wischt, handelt er gegen das Vorsichtsprinzip.
In selber Weise gibt es Stimmen, nicht Wirrköpfe, welche den Erfolg des "Lockdowns" insgesamt relativieren, u.a. weil es offenbar die ersten Massnahmen waren, die stark wirkten (z.B. Verbot von Massenveranstaltungen, Empfehlungen zu Abstand und Hygiene) und weniger den folgenden "Lockdown". Dieser ist sicher gut gemeint, entspricht aber eben gerade nicht dem Vorsichtsprinzip, da die Nebenwirkungen, und zwar auch die gesundheitlichen, möglicherweise stärker sind als die beabsichtigten Effekte. Vorsicht hätte also darin bestanden, behutsamer vorzugehen. Immerhin handelte und handelt der Bundesrat diesbezüglich besser als die Regierungen vieler anderer Länder.
Viele Lobbyisten sprechen ganz unverfroren davon, dass sie "Druck machen" müssten. Wenn aber der Bundesrat die Einschränkungen wegen des Drucks lockern würde und nicht, weil sich die gesundheitliche Lage gebessert hat oder geeignete neue Schutzmittel zur Verfügung stehen, fallen wir in der Pandemiebekämpfung wieder zurück. Die Situation ist vergleichbar mit den Teilnehmern einer Bergtour, die auf den Leiter Druck ausüben, trotz Lawinengefahr einen Berghang zu passieren, weil sie ja schliesslich für die Bergtour bezahlt haben und nicht umkehren wollen.
Lieber Herr P., ich glaube, Sie sollten tief durchatmen und Ihre Fakten noch einmal recherchieren. Professor Vogt scheinen Sie zu vertrauen. Lesen Sie seinen Artikel noch einmal.
Mit herzlichen Grüssen, Daniel Binswanger
Ihrer Wortwahl entnehme ich, dass sie ein überzeugter Anhänger des extremen Liberalismus sind, der im Staat eine Inkarnation des Bösen sieht.
Es mag sein, dass die wirtschaftlichen Begriffe im Artikel zum Teil etwas salopp gewählt sind. Aber darum geht hier ja gar nicht. Es geht darum, dass wir so gut wie nichts wissen, auch nicht, ob der Lockdown an sich zur Verbesserung beigetragen hat oder nicht. Die Tatsache, dass unsere Spitäler nie an die Grenze ihrer Kapazitäten gestossen sind, kann man mit Fug und recht als Erfolg der bundesrätlichen Massnahmen anschauen. Ich weiss, dass Überkapazitäten für Betriebswirtschafter ein Graus sind, aber vielleicht orientieren wir uns etwas am echten Leben und nicht an Excel-Tabellen. Ein Mangel im echten Leben kann lebensbedrohlich sein, nicht bloss eine rot eingefärbte Zelle im Worksheet.
Die stark verzögerte Reaktion des Systems, wegen der langen Zeit die zwischen Ansteckung und Ausbruch der Krankheit, so wie der Tatsache, dass viele gar keine Symptome entwickeln, macht ein mehrwöchig, stufenweises Vorgehen zwingend notwendig, auch wenn die Reihenfolge willkürlich erscheint
Und alle die jetzt behaupten, dass ein Notstand per se gar nicht vorgelegen habe, sollten sich mal überlegen, ob ein derartiger Anstieg der Mortalität gegenüber dem langjährigen Mittel, nicht doch etwas besorgniserregender ist, als einbrechende Einnahmen der Modebranche. Schliesslich sind diese Menschen gestorben, auch wenn wir nicht exakt erklären können, warum und wieso, während die Boutique-Besitzer-Innen wohl nicht an Hunger sterben werden.
Zu ihrem letzten Satz kann ich nur sagen, wenn sie wirklich den Eindruck haben, dass die Republik auf dem gleichen Niveau Bericht-erstattet wie der Blick, dann sind sie hier wirklich fehl am Platz. Schliesslich gibt es neben diesem Artikel hier eine ganze Menge von fundierten Artikeln, welche genau die bundesrätliche Allmacht der Notverordnungen sehr kritisch hinterfragen. Vielleicht lesen sie diese erst mal, bevor sie hier so haltlose Pauschalverurteilungen äussern.
Dass es anders gegangen wäre, beweist aktuell eindrücklich Schweden.
Informieren Sie sich bitte erst mal über alle Fakten, bevor Sie solche pauschalisierenden Aussagen posten.
Apropos Schweden, warum erwähnen sie nicht auch Amerika oder England oder Brasilien. Die haben auch viel zu lange nichts gemacht und das Virus verniedlicht. Und hier gehen die Zahlen durch die Decke. Amerika wird morgen eine Million Infizierte haben. Auch die Zahlen von Schweden sehen leider nicht so gut aus wie sie behaupten, denn die Zahl der Neuinfizierten pro Tag steigt immer noch, also sind sie immer noch im exponentiellen Teil der Kurve. Selektive Statistik bringt uns leider nicht weiter.
Zum Abschluss noch eine kleine geschichtliche Erinnerung aus Wikipedia:
In den meisten Ländern trat die Spanische Grippe in zwei Wellen auf. Bei der ersten Ansteckungswelle von Mai bis August 1918 starben relativ wenige Menschen. Die zweite, die von September 1918 bis Mai 1919 dauerte und im November ihren Höhepunkt erreichte, forderte massiv mehr Todesopfer.
PS: Schauen sie sich doch die Dauer der Wellen etwas genauer an:
Welle - 4 Monate,
2.Welle - 9 Monate, ausgelöst durch zu frühes lockern der Massnahmen.
Wir haben genügend Material, auf das man sich abstützen kann. Man muss dieselben Fehler wirklich nicht jedes Mal wieder machen.
Lieber C. P. bzw. Marcel Pfister, erneut versuchen Sie mit einer Breitsalve aus schiefen Vergleichen, vorschnellen Verallgemeinerungen, verwirrenden Vermischungen von Fakten und Spekulationen und aus dem Kontext gerissenen oder quellenlosen Zitaten folgende Aussagen als Fakten zu etablieren:
COVID-19 ist nicht schlimmer als die saisonale Grippe.
Der Lockdown war unnötig.
Die Herdenimmunität wurde schon erreicht.
Die Schweden machen es vor.
Die Gefahr einer zweiten Welle ist inexistent.
Die Pandemie ist ein künstlicher erzeugter medialer Hype, eine Hysterie, welche die Regierung zur Machtkonzentration nutzen.
Als ihre Hauptquellen listeten Sie schon damals: Wodarg-Website, Weltwoche Daily, ein ktipp-Artikel, der Äpfel mit Birnen vergleicht und ein Blick-Interview mit einem Eishockeyspieler.
Über die meisten Punkte haben wir ja schon in der letzten Diskussion debattiert. Zuletzt wagten Sie sich dort auf das dünne Eis der Spekulationen, Fiktionen und Verschwörungstheorien.
Da sie selbst schreiben, dass Sie nicht jeder Quelle blind vertrauen, empfehle ihnen dringlichst eine Factchecking-Seite, wie etwa «Falschinformationen zur COVID-19-Pandemie». Gerade die Abschnitte:
«Verharmlosende Grippevergleiche»: Zu Wodarg et al.
«Angeblich unwirksame oder gefährliche Maßnahmen» zu Homburg, Wittkowski et al.
«Staatliche Falschangaben»: Zu China et al.
«Angebliche Ursachen und Zwecke»: Zu «Eliten der Neuen Weltordnung» et al.
Dort werden Sie auch auf die entsprechenden Quellen verwiesen.
Zu diesem Thread nur soviel.
Fehlende Quellen: Sie schrieben «vermutlich haben wir bereits 90% oder mehr erreicht». Wie kommen Sie auf diese Zahl? Könnten Sie dazu eine Quelle nachreichen?
Performativer Widerspruch: Sie können nicht anderen sagen «die kurzfristige Betrachtung der Anzahl Todesfälle nicht relevant» und selbst bei der Angabe der Todesfallzahlen von Schweden sich nur auf den Zeitraum vom 21.-25. April beschränken.
Cherrypicking: Erneut vergleichen Sie bei der Übersterblichkeit immer nur den Zeitraum bis Woche 14, also bis zum 5. April. 2020 mit harten Massnahmen und andere Jahre ohne oder nur weichen Massnahmen. Nur für die Schweiz. Sie verweisen ja selbst auf Euromomo, wo sich klar das Ausmass der Übersterblichkeit insgesamt und im Ländervergleich sehen lässt (vgl. auch New York Times). Sagen Sie den schwer betroffenen Ländern wie Italien, Spanien, Frankreich, Belgien, UK oder USA ebenfalls «Das ist nur wie eine saisonale Grippe», so wie Trump oder Bolsonaro? Oder dass sie halt ein schlechtes Gesundheitssystem haben?
Confirmation bias: Sie schrieben «jetzt findet Herr Drosten auf einmal doch auch, dass wohl viele schon immun sind» und verlinken einen Artikel. Doch lasen Sie ihn auch? Denn dort würden Sie lesen: «Gleichzeitig warnt er davor, voreilige Schlüsse zu ziehen. Man dürfe nun keinesfalls annehmen, dass ein Drittel der Bevölkerung immun sei.» Ihre (Über-)Interpretation ist somit verzerrend, wenn nicht verfälschend.
Noch zu Schweden: Nebst den ihnen schon zuvor gegebenen Quellen – auf die Sie interessanterweise nicht reagierten – noch folgende:
«Das Missverständnis vom schwedischen Sonderweg» (Spiegel, 26.04)
«Siebthöchste Sterberate weltweit: Zweifel an Schwedens Sonderweg wachsen» (Handelsblatt, 26.04.)
«Schwedens Regierung droht mit Schließung von Restaurants» (Spiegel, 24.04.)
«Schweden schließt erste Restaurants in Stockholm» (Tagesspiegel, 26.04.)
Und zur «zweiten Welle»:
Singapur: «Die gefährliche zweite Welle» (Bund, 6.4.)
Taiwan: «What we can learn from the “second wave” of coronavirus cases in Asia» (Vox, 17.4.)
Hongkong: «Neue Welle von Coronavirus-Infektionen in Hongkong und Singapur» (Standard, 6.4.)
China: «China's premier warns local officials not to 'cover up' new Covid-19 cases as Hubei reopens» (Guardian, 25.3.)
China: «Beijing city shuts down gyms again as fears rise over a second wave of coronavirus» (CNBC, 21.4.)
Ich staune immer noch, wie sich manche Menschen mit sachlich begründeter Kritik an der Exekutive, wie etwa beim «Watchblog», schwer tun. Ein fundamentales Kriterium der bundesrätlichen Notverordnungen im Notstand, basierend auf dem Notrecht – Begriffe, die in der Bundesverfassung so nicht vorkommen – ist die «Verhältnismässigkeit» (vgl. Art. 5.3, Art. 36.3, Art. 185.3).
Doch wer beobachtet und beurteilt sie? Das Bundesverfassungsgericht? Ach nein, das haben wir ja nicht. Das Parlament? Oh, das tagt gerade nicht. Na, dann haben wir doch immerhin die 4. Gewalt – oder nicht? Doch selbst diese steht unter Druck: durch die Regierungen oder durch die Menschen (vgl. hier, hier oder hier).
Es mag zwar psychologisch nachvollziehbar sein, dass in Zeiten grosser Ungewissheit eine grosse Sehnsucht nach Vertrauenswürdigkeit aufkommt, dergestalt, dass die Autorität mit absoluter Loyalität und Solidarität nach Innen gegen äussere wie innere «Feinde» verteidigt wird. Aber die Aufklärung mit ihrem «Sapere aude!» lehrte uns doch den Unterschied zwischen «Citoyens» und «Untertanen».
Denn was sich allenthalben zeigt, ist ein oft latent vorhandener «autoritärer Charakter», der es ganz gerne mal sähe, wenn jemand «mit starker Hand durchgreift»: «Seht doch mal wie gut es China funktioniert!». Aber was, wenn jemand an der Spitze ist, der «absolute Macht» beansprucht, aber «keine Verantwortung» übernimmt? Wir sollten also «autoritären Versuchungen» nicht allzu schnell nachgeben.
Es gibt sogar welche, die die Kritik kritisieren (mal an sich, mal inhaltlich, mal das Timing betreffend, mal stilistisch) und dabei sich ganz mutig gebend in einer Volte die Meinungsfreiheit in Anspruch nehmen (Wehe, man zensiert den eigenen Zensurversuch!). Ein intellektueller «Salto mortale» also – der jedoch ins Leere geht (vgl. Diskussion hier, hier oder hier).
Versteht mich nicht falsch. Prinzipiell und nicht zuletzt weil ich selbst zur Risikogruppe gehöre, stehe ich angesichts der Tatsachen, der Pandemie und Gesundheitskrise, hinter der Exekutive und ihrer «Suspension der Rechtsordnung». Aber weshalb sollte deswegen der selbst-denkende kritische Verstand suspendiert werden?
Also Notverordnungen: Ja. Aber auch skeptische Fragen: Sind sie verhältnismässig und zweckmässig?
Diesen Fragen müssen sich selbstredend auch alternative Vorschläge stellen. Erst recht unsachlich begründete Kritik.
Lieber Michel Rebosura, vielen Dank! Dieser Ihrer Forderung nach einer einer kritischen, öffentlichen Debatte über das Regierungshandeln - auch und ganz besonders in Zeiten des Notrechts - kann ich in jedem Aspekt nur zustimmen. Herzlich, DB
Noch etwas: Man kann meines Erachtens nicht hinter der Exekutive und den Notmassnahmen stehen – wie das auffälligerweise übrigens sehr viele Redaktoren der Republik tun –, gleichzeitig aber eine ellenlange Liste veröffentlichen, auf der die Einschränkungen durch die Massnahmen minutiös rapportiert und kritisiert werden. Das ist für mich scheinheilig und feige. Und man trägt damit – freiwillig oder unfreiwillig – zur Skandalisierung der Massnahmen bei. Der Skandal sind nicht die Massnahmen, der Skandal sind die vielen Toten durch das Coronavirus. Man sollte – gerade als Redaktion – auch einmal Farbe bekennen: Entweder man steht hinter der Exekutive und den Notverordnungen und nimmt – von mir aus zähneknirschend – die damit einhergehenden Einschränkungen in Kauf. Oder aber man stellt die Notverordnungen in Frage und reiht sich in die Gruppe der ach so «freiheitsliebenden» Schweizer und Marktradikalinskis ein, die gleich von Diktatur reden, wenn auch nur eine ihrer liebgewonnenen Freiheiten für eine absehbare Zeit mal eingeschränkt wird. Wobei sie in der Regel nicht mal die demokratischen Freiheiten meinen, sondern nur die Freiheiten des individuellen Konsums.
Der Widerspruch entsteht nur, weil Sie ein falsches Dilemma aufstellen, das wiederum auf einer Polarisierung beruht.
Polarisierung: Loyalisten vs. Radikale («‹freiheitsliebenden› Schweizer und Marktradikalinskis, die gleich von Diktatur reden»)
Falsches Dilemma: «Entweder man steht hinter der Exekutive und den Notverordnungen und nimmt – von mir aus zähneknirschend – die damit einhergehenden Einschränkungen in Kauf. Oder aber man stellt die Notverordnungen in Frage»
Widerspruch: «Man kann meines Erachtens nicht hinter der Exekutive und den Notmassnahmen stehen, gleichzeitig aber eine ellenlange Liste veröffentlichen, auf der die Einschränkungen durch die Massnahmen minutiös rapportiert und kritisiert werden.»
Nun verstehe ich auch ihr überzogenes Urteil. Denn es beruht auf einer verzerrten Schwarz-Weiss-Sicht. Wodurch alle, die die Exekutive und die Notmassnahmen egal auf welche Art kritisieren, pauschal und undifferenziert in eine extreme Ecke gestellt werden. Der Zweck oder die Folge ist, dass man sich vor dieser Schmuddelecke ekeln und scheuen soll – man will sich ja nicht beschmutzen oder in Sippenhaft geraten –, so dass man sich brav wieder einreiht und schweigt.
Sie verengen also das Overton-Fenster und setzen eine Schweigespirale in Gang. Entweder sind Sie sich dessen selbst nicht bewusst oder die Strategie ist mehr als fadenscheinig.
Doch so wie es verhältnis- und zweckmässige Massnahmen geben kann, kann es auch verhältnis- und zweckmässige Kritik geben. Und so kann es eben nicht verhältnis- und zweckmässige Massnahmen geben, wie auch nicht verhältnis- und zweckmässige Kritik. Kritik ist nicht gleich Kritik.
Es macht doch Sinn, sich nicht nur mit den positiven Eigenschaften und Konsequenzen einer Verordnung oder Massnahme auseinanderzusetzen, sondern auch mit den negativen. Und zwar so lange sie offen zu Tage liegen, um klar und distinkt die trade-offs, also die Opportunitätskosten, vor Augen zu führen. Um letztendlich nach der Krise Bilanz und die Akteure zur Verantwortung ziehen zu können.
Ist es nicht eher «scheinheilig», negative Folgen «zähneknirschend» hinzunehmen und die Faust im Sack zu machen, aber nach aussen hin die Massnahmen kopfnickend zu beklatschen? Ist es nicht eher «feige» – gerade als Advocatus diaboli! –, negative Folgen aus (falschem) Gehorsam zu verschweigen und jene, welche die Stimme erheben, zu denunzieren und zum Schweigen zu bringen?
Es ist doch wahrhaftiger und mutiger, wenn man die Massnahmen angesichts der Krise zwar akzeptiert, aber trotz Druck von aussen und oben auf die (potentielle Gefahr von) negativen Folgen in Form von sachlich begründeter, d. h. konstruktiver Kritik aufmerksam macht.
Sehr gute Zusammenfassung der derzeitigen Situation, ganz besonders mit Blick auf die profilierungssüchtigen Politiker. Bezgl. der Freiwilligkeit der Tracing-App habe ich jedoch eine etwas andere Meinung.
Ein „Muss“ wird scheitern, denn dann liegt das Smartphone eben zuhause oder ist ausgeschaltet.
Smartphone ist nur ein Sammelbegriff aber hat schon jemand spezifiziert, welche Hardwarevoraussetzungen überhaupt genau erfüllt werden müssen? Obwohl es sehr viele Menschen gibt, die immer das neueste Gadget haben müssen, trifft dies wohl nicht auf die Mehrheit zu.
Wenigstens scheint die Schweiz auf die „Datenschutz freundliche“ Version zu setzten. Wenn ich mir dagegen das „Herumgeeiere“ hier in Deutschland ansehe fällt mir nichts mehr ein 🙈🙊🙉
Ganz einverstanden. Vorsicht und weniger unreflektierte Selbstgerechtigkeit sind jetzt angebracht. Deshalb verstehe ich Binswangers unkritische Position zur Tracing-App nicht. Er verurteilt die verlangte Freiwilligkeit voreilig. Auch bei dieser Technik ist zu viel (v.a. betrieblich und zum Datenschutz) noch unklar. Im Gegensatz zu herkömmlichen Rückverfolgungsmethoden, die m. E. wieder schnell verstärkt werden könnten.
Das Corona-Virus mutiert relativ schnell, wie wir wissen. Die gute Nachricht: die Gefährlichkeit kann sich abschwächen. Die schlechte Nachricht: Herdenimmunität ade! https://www.srf.ch/news/schweiz/vie…lich-immun
Mit Betonung auf "Kann". Sowohl fuer Mutationen als auch Herdenimmunitaet und dafuer soll sich die Gesammtbevoelkerung auf unbeschraenkte Zeit, unnoetig einschraenken? Eher nicht, oder? Wir versuchen hier mit sehr schlechten Werkzeugen in der Natur etwas zu veraendern, dass die Natur nicht repariert haben will. Also, wird sie mit etwas "Anderem" (z.B Mutation) kommen, wenn wir es mit der Brechstange versuchen. Einfache Loesung: Virus laufen lassen. Alles andere ist langzeitlich verantwortungslos. Ob es uns nun past oder nicht.
Die Natur will gar nichts. Sie schafft Tatsachen, mit denen wir uns gut oder schlecht arrangieren können.
Vielen Dank an Herrn Binswanger. Völlig unaufgeregt: ich bin tatsächlich der Meinung, dass im Angesicht dieser grossen Herausforderungen unterschiedliche Spielarten und Grade von Dummheit hervortreten können, die sich bis anhin mehr oder weniger gut versteckt hinter Grossmäuligkeit, geübtem Phrasendreschertum, politischer Wendigkeit oder gut geschminkter Banalität versteckt hielt. Ja - namentlich: Gössi erweist sich in peinlicher und erschreckender Weise talentiert, kein Fettnäpfchen auszulassen.
Habe ich aus dem K-Tipp kopiert:
Grippe: Das Bundesamt für Statistik weist für die letzten zehn Jahre nur wenige grippebedingte Todesfälle aus – zwischen 3 (im Jahr 2010) und 284 (im Jahr 2017). Die Zahlen sind selbstverständlich viel zu niedrig. Das wissen auch die Statistiker. Sie schrieben schon 2013: «Grippe betrifft häufig Menschen, die von anderen Grundkrankheiten geschwächt sind, und erscheint deshalb meist nicht selbst als Haupttodesursache.» Denn in der Todesursachenstatistik wird jeweils nur eine Diagnose aufgeführt. Nach den Regeln der Weltgesundheitsorganisation ist dies die Grundkrankheit und nicht die Krankheit, die zum Tod führte.
Corona: Ebenso wenig verlässlich ist die Zahl von bislang 1059 Covid-19-Toten (Stand 17. April). Denn das Bundesamt für Gesundheit «weist Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 aus, wenn für die verstorbene Person ein positiver Labortest vorliegt». Das heisst: In der Covid-19-Statistik zählt nicht die Grundkrankheit, sondern immer die Covid-19-Diagnose.
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Wenn schon die Herangehensweise bei der Zählung unerklärbar merkwürdig ist, wieso soll ich dann weiterhin glauben, dass das Virus so gefährlich ist, wie auch Herr Binswanger schreibt? Es gibt genügend Hinweise, dass das Virus kaum direkt tötet, sondern in Folge der Vorerkrankungen! Ich finde, Herr Binswanger, sie wiederholen hier nur die Mainstream-Meinungen ohne kritische Hinterfragung. Von der Republik, die ich erst vor wenigen Wochen abonniert habe, hätte ich mehr erwartet!
Wer die C19-Kriste einigermassen in den Griff bekommen hat, der hat - nebst vielen Tests- ein wirksames, manuelles Tracing aufgebaut. Wer das zu organisieren wusste (Taiwan, Hong Kong, Südkorea) brauchte nicht mal einen Lockdown.
Auch wenn manuelles Tracing nur teilweise funktionieren kann, liefert es - nebst dem Unterbrechen von Ansteckungsketten - doch wertvolle Information: wo und wie stecken sich die Leute am häufigsten an. Dies erlaubt viel gezieltere Massnahmen, insbesondere bei Rückschlägen wegen der Lockerung. Ohne Tracing wird die Lockerung zum Blindekuh-Spiel, wenn es zum Auflammen kommt.
Hier https://www.politico.com/news/2020/…pps-206302 eine Übersicht über die Echt-Welt-Probleme einer App-Tracing-Lösung. Die echte Welt zeigt regelmässig ein bemerkenswertes Beharrungsvermögen bei der Weigerung, sich an IT-Lösungen und -Modelle anzupassen.
Effekives Tracing (Testen, Tracen, Isolieren) ist offensichtlich ein Dreh- und Angelpunkt, um C-19 zu begegnen. New York z.B. will so schnell wie möglich eine "Armee" von 35'000 (!) Arbeitskräften dafür aufstellen: offenbar will man für das Tracing nicht einfach einer lediglich zukünftigen App-Lösung mit ungewisser Effektivität vertrauen.
Deshalb die drängende Frage: nach knapp 2 Monaten Massnahmen: wieviel Manpower ist in der Schweiz (oder in Europa) jetzt und heute für Tracing abgestellt?
In Deutschland will man angeblich 20'000 Leute dafür einstellen und schulen; ansonsten ist mir keine entschlossene Tracing-Initiative aus Europa bekannt.
Erstaunlich, gelinde gesagt, angesichts der irrwitzigen Schadenssummen und einem möglichen zweiten Lockdown. Und Arbeitskräfte werden z.Z. ja freigesetzt dass es nur so kracht.
NB: Nebst Medikamenten und Impfung wäre übrigens ein einfacher Heimtest (a la Speicheltest auf Lackmuspapier) auch das Ende der Ausbreitung: jeder könnte sich selber regelmässig testen und sofort in Quarantäne begeben. Dem Virus ginge die Nahrung aus. Man darf ja noch träumen.
Wenn die Republik sich ein bisschen von ihrer Fokussierung auf Prof. Salathé und 'seiner' App lösen könnte, wäre eine Recherche zu der Frage vielleicht noch ganz spannend, welche Massnahmen die Kantone vorsehen, um die bevorstehende Öffnung zu begleiten? Der Föderalismus ist durch das Notrecht ja nicht aufgehoben.
Edit: den Bericht aus Watson kannte ich nicht. Prima, danke fürs verlinken.
Aus watson.ch:
"Seit man Anfang März aufgehört hat, die einzelnen Fälle nachzuverfolgen, weil die Fallzahlen nicht mehr zu bewältigen waren, sind rund acht Wochen vergangen. In diesen acht Wochen hätten die Tracing-Teams und -strukturen auf- und, wo schon vorhanden, massiv ausgebaut werden, sowie der rasche Datenaustausch zwischen Bund und Kantonen sichergestellt werden müssen. Damit man dann vielleicht auch mal eine Übersicht hat, wo sich die Leute anstecken.
Basel-Stadt hat 3 Vollzeitstellen für Social Tracing geschaffen, Zug schickt 14 Leute von der Lungenliga los und der Riesenkanton Bern verlangt vom Bund ein «sofort einsetzbares und wirksames Tool» des Bundes. Und das, obwohl schon ab Montag die ersten Massnahme-Lockerungen zu greifen beginnen.
Dabei braucht man kein «Tool», sondern schlicht und einfach Menschen, die telefonieren. Ihr Chef Alain Berset rechnet der Öffentlichkeit vor, dass es pro Infiziertem rund 5 Vollzeitstellen braucht, um erfahrungsgemäss zwischen 50 und 100 Personen ausfindig zu machen und ihnen Isolation zu empfehlen. Das wären für 100 Fälle täglich also schweizweit rund 500 Tracer, die den ganzen Tag nichts anderes machen als telefonieren, telefonieren, telefonieren. "
500? Wir bräuchten möglicherweise 5000. Kostet halt 100 Mio pro Monat oder mehr. Das sind fast schon Peanuts, in der C19-Bewältigung. Allein für Schutzmaterial hat die CH gerade 2 Mia aufgeworfen. Also ran, meine Damen und Herren in der Verwaltung, mit Euren krisenfesten Einkommen: Ärmel hochkrempeln, organisieren, Überstunden machen. Andere haben es auch nicht lustig, z.B. im Gesundheitswesen. Das mit der App können wir sinnvollerweise zusätzlich machen, später.
Lieber Herr Steuble, vielen Dank, Sie sprechen einen wichtigen Punkt an. Die Verzögerung zwischen Ansteckung und Ausbruch der Krankheit macht ein Monitoring in der Tat zwar nicht unmöglich, aber schwieriger. Insbesondere droht die Gefahr, dass es gefährlich lange dauert, bis man merkt, dass ein Fehler gemacht wurde. Dennoch können wir zeitverzögerte Rückschlüsse ziehen. Etwas Besseres haben wir eben nicht.
Ihren Ausführungen zur zweiten Welle, kann ich mich nicht anschliessen. Sie haben zwar absolut recht, dass die zweite Welle erst seit kurzem ein Medienthema ist. Ich würde aber vermuten, dass das primär der Tatsache geschuldet ist, dass wir zunächst einfach zu sehr mit der ersten Welle beschäftigt waren. Die zweite Welle ist aber keine ad-hoc-Konstruktion sondern eine sehr reale Bedrohung, von der von Anfang an klar war, dass wir mit ihr umgehen müssen. Dass abschreckende Beispiel der spanischen Grippe wurde auch schon vor den Exit-Debatten immer mal wieder ins Feld geführt. Ich stimme Ihnen absolut zu, wenn Sie sagen, dass wir lernen müssen, mit dem Virus zu leben. Bis auf weiteres jedenfalls. Aber eine zweite Welle, das heisst eine neue exponentielle Ansteckungsrate, die in kurzer Zeit die Fallzahlen durch die Decke gehen liesse, muss trotzdem verhindert werden. Herzlich, DB
Vielen Dank für diesen Artikel, Herr Binswanger. Er beleuchtet die Situation übersichtlich aus der Vogelperspektive und zeigt, dass sequentielle Schritte Sinn machen, wenn die Unwissenheit weiterhin gross bleibt.
Bezüglich Corona-App möchte ich ein paar Fragezeichen anfügen. Grundsätzlich finde ich es für den Schutz der Privatsphäre positiv, dass die Schweiz mit DP3T einen dezentralen Ansatz verfolgt, im Gegensatz zum europäischen Projekt PEPP-PT, welches die Kontaktdaten zentral sammelt. Allerdings ist die technische Frage, wie genau mit Bluetooth die Distanz zwischen den Smartphones gemessen werden kann, nach wie vor ungelöst. Die Wirksamkeit der App hängt ferner ab von der Anzahl Menschen im Land, die Corona-positiv sind. Zuerst müssen wir die Verbreitung des Virus weiterhin mit anderen Massnahmen eindämmen, bis die App einen Nutzen bringen würde.
Ob diese App für obligatorisch erklärt werden soll, ist für mich eine ganz heikle Frage. Einerseits macht sie nur Sinn, wenn eine genügend grosse Anzahl Menschen sie nutzt. Aber soll man die Menschen zwingen, ein Produkt von Apple oder Google (Android, z.B. auf Samsung) zu kaufen?
Für mich ist die Corona-App nur ein Baustein im ganzen Massnahmen-Mosaik, neben Masken, Testen, Abstandhalten, Händewaschen und zuhause bleiben. Sie ist meiner Meinung nach kaum von so zentraler Bedeutung, dass man sie für obligatorisch erklären müsste.
Lieber Herr M., vielen Dank für diese kritischen Überlegungen. Ich teile im Wesentlichen ihre Bedenken. Es gibt bei der App, soweit ich weiss, technische Schwierigkeiten der Implementierung und es gibt die weiterhin offene Frage ihrer Wirksamkeit. Ich sage nur: Falls man die Probleme lösen kann. falls sie sich bei hoher Abdekung als wirksam erweisen sollte, falls die dezentrale Architektur den Persönlichkeitsschutz hinreichend gewährleistet und falls die freiwillige Partizipation zu tief ist - eine ganze Reihe von Bedingungen-, sollte man sich die Option eines Obligatoriums offen halten. Ob wir aber in diese Situation kommen werden, wissen wir heute nicht. Herzlich, DB
Sehr geehrter Herr Binswanger: schauen Sie sich diesen Artikel an und dann sehen Sie, dass wir alle einen Krieg zu spät kommen: die Herdenimminität ist offensichtlich viel weiter fortgeschritten als wir uns das hätten vorstellen können. Wir können nun COVID vergessen, die Spitäler bauen bereits ihre Notfallbereitschaft ab, die 2. Welle gibt es nicht, gehört zur BAG -Panikmache und wir können alle wieder unsere Lieblingsthemen aufnehmen. COVID ist vorbei!
https://medium.com/@ali_razavian/co…bd4e84843b
Ich sehe das alles nicht so dramatisch. Das ganze Hickhack ist ganz einfach Ausdruck davon, dass wir es uns nach mehreren Wochen (völlig berechtigtem) Notrecht-Modus nun langsam wieder erlauben können, uns Richtung demokratische Normalität zu bewegen. Durch die (vorerst einmal) gelungenen Massnahmen des Bundesrats haben wir zum Glück wieder genügend Zeit für die üblichen politischen Debatten und eine normale parlamentarische Entscheidungsfindung gewonnen. Dass dabei auf allen Seiten wieder munter zugespitzt, ausgeblendet, verkürzt, polemisiert und sich selbst profiliert wird, mag man ärgerlich finden, ist aber weiss Gott nichts Neues, sondern gehört nun mal leider zu unserem normalen demokratischen Politbetrieb dazu. Die selbst auferlegte, eindrücklich demonstrierte Einigkeit aller Parteien und Politiker war in der ersten Notfall-Phase dieser Krise, in der rasch Entscheidungen gefällt und umgesetzt werden mussten, absolut hilfreich und richtig. Auf Dauer ist sowas aber eher ungesund und nicht sehr gut für unsere Demokratie, und sollte deshalb nicht länger aufrecht erhalten werden, als wirklich notwendig. Wozu haben wir denn verschiedene Parteien? Zum Glück haben wir jetzt wieder etwas Luft für kontroverse politische Debatten! Und das weitere Management dieser Krise, die leider noch sehr lange dauern könnte, ist nun mal (auch) eine politische Angelegenheit. Es müssen unterschiedliche, legitime Haltungen, Ziele und Interessen gegeneinander abgewogen bzw. ausgehandelt werden. Zum Beispiel gibt es bei der Frage nach der richtigen Abwägung zwischen dem Risiko von vielen weiteren Toten und dem Risiko einer dramatischen Zunahme von Armut und Elend wohl kein objektiv feststellbares Richtig oder Falsch. Auch wenn es unter Epidemiologen einen soliden Konsens hinsichtlich der Effektivität von Tracing-Apps gibt, können wir die Entscheidung über eine flächendeckende, allenfalls sogar obligatorische Einführung eines solchen Systems nicht einfach den Experten überlassen. Weil eine solche Entscheidung neben der epidemiologischen Dimension halt noch einige andere, ebenfalls sehr kritische Aspekte beinhaltet, und die Sache deshalb zu kompliziert ist, um mit "einfachem" Expertenwissen geklärt zu werden.
Fast einverstanden. Grundsätzlich ist es eher eine Führungsfrage. Da spielt die Intelligenz der SVP-Elite oder von Frau Gössi keine Rolle, und es muss auch nicht unbedingt einen allgemein akzeptierten Konsens geben, was in dieser Situation vernünftig ist. So funktioniert das nun mal in einer Demokratie, es steht allen frei, eine Meinung zu haben und diese kundzutun.
Was wir hingegen einfordern sollten, von allen politischen Akteuren mit Vorbildfunktion, ist dass sie die letztlich demokratisch legitimierten Massnahmen bzw. Lockerungsschritte mittragen - und dies auch so kommunizieren. Ob sie ihnen einleuchten oder nicht.
Wie beim Lockdown sind wir auch bei den Lockerungsmassnahmen darauf angewiesen, dass die Bevölkerung diese möglichst diszipliniert befolgt. Ansonsten laufen wir Gefahr, dass die Wirkung der einzelnen Lockerungsschritte nicht eruiert werden kann. Dabei helfen Einsicht und Glaubwürdigkeit. Vielleicht ist es deshalb gar nicht so falsch, wenn Einwände bezüglich der Lockerungsschritte diskutiert werden. Solange der Bundesrat plausible Antworten geben kann, erhöht das die Transparenz.
Man muss nicht unbedingt einverstanden sein, um die Massnahmen im Kollektiv mitzutragen. Es reicht die Einsicht, dass wir alle im selben Boot sitzen.
Danke Herr Binswanger. Sie bringen es auf den Punkt. Gute Argumente für anstehende Diskussionen. Finde Datenschutz wichtig. Wenn diese vieldiskutierte App aber die vielen Vorteile hat, die man ihr zuschreibt, dann sollten wir das in dieser aussergewöhnlichen Zeit nutzen und den Datenschutz etwas ausdehnen. Wenn ich so höre wer und wieviele Menschen auf den sogenannten Social Media aktiv sind, frage ich mich immer wieder, was soll die ganze Aufregung.
Während die einen streiten, krempeln die andern schon mal die Ärmel hoch: soweit ich weiss, bereiten sich (einzelne?) Kantone darauf vor, die schrittweise Öffnung mittels manuellem Tracing zu begleiten. Erhoben und nachverfolgt sollen nach einer bestätigten Infektion Kontakte werden, wo man den Sicherheitsabstand ohne Schutzmassnahmen länger als 15 Minuten nicht einhalten konnte. Sicherheitsabstand, Hygienemassnahmen und, wo angebracht und verfügbar, Masken, bleiben wohl die wichtigsten Massnahmen, das Virus einzudämmen.
Auch das mit der App hat etwas von einem Me-first-Ding. Weshalb nicht pragmatisch mit dem Spatz in der Hand anfangen, statt endlos über die Taube auf dem Dach zu debattieren? Wenn die App dann eingeführt ist, kann man jederzeit umstellen. Oder beide Systeme parallel führen. Einfach nicht tracen, weil die als smartest angepriesene Lösung noch nicht verfügbar ist, wäre verantwortungslos. (Ob sie das dann auch wirklich ist, ist vorderhand sowieso noch offen.)
Wenn das Versprechen, es werde mit der App bei einer freiwilligen Massnahme bleiben, redlich sein soll, finde ich es legitim, dafür eine gesetzliche Verankerung zu fordern. Ist von Anfang an klar, dass die App nur als Obligatorium Sinn macht, ist das auch so zu kommunizieren. Alles, was Vertrauen untergräbt, weil sich die Bevölkerung hintergegangen fühlen könnte, ist gerade in Zeiten hoher Verunsicherung unbedingt zu vermeiden.
Ist es nicht Quatsch, jetzt mitten in der Krise Gesetzt zu „fabrizieren“? Ich meine, dass wir das nur in der Rückschau auf die jetzige und in kluger Voraussicht auf kommende Situationen ähnlichen Ausmasses tun können. Gerade jetzt haben viele einen Tunnelblick und keine systemischer Sichtweise, also den Blick auf das Ganze!
Guter Artikel mit vielen Fragen. Ich hätte auch noch davon:
wie gross ist die Wahrscheinlichkeit einer zweiten Welle?
kann es eine dritte Welle geben?
kann das Virus mutieren?
wird es künftig weitere Viren geben? Können die zu einer Epidemie werden?
Wenn man sequenziell öffnet, muss man evtl. Szenarien haben, auch wieder (sequenziell?) zurückzufahren sprich zu schliessen... kann dies geplant werden?
Zu ihren 4 bzw. 5 Fragen, meine two cents:
Die Wahrscheinlichkeit ist abhängig von den Massnahmen. Lockerungen und Fahrlässigkeit erhöhen sie auf jeden Fall. Saisonalität vertagt allenfalls den Zeitpunkt (bei der «Spanischen Grippe» hiess sie «Herbstwelle»). Sie ist aber auch abhängig von ihrer 3. Frage, gerade was die Intensität anbelangt. Derzeit erlebt «Vorzeigeland» Singapur eine «zweite Welle». Siehe auch Biophysiker Richard Neher von der Uni Basel.
Ja, auch dieses Szenario besitzt eine gewisse Wahrscheinlichkeit. So war es – lokal – auch bei der «Spanischen Grippe».
Ja, sehr wahrscheinlich. Das liegt geradezu in ihrer Natur. Siehe früheren Post mit entsprechenden Quellen, die auf bereits stattgefundene Mutationen hinweisen.
Ja, dieses Risiko wird immer bestehen. Man könnte es allenfalls präventiv vermindern, indem wir u. a. die natürlichen Räume der Tiere schützen, keine Massentierhaltung mehr betreiben und weniger Fleisch essen (Stichwort «Zoonose»)
Ja, dies ist ganz sicher so geplant. Wenn gewisse thresholds überschritten werden (etwa die «effektive Reproduktionszahl»), folgen auf Lockerungen wieder Einschränkungen. Und zwar ein Schritt vor, ein Schritt zurück.
Hallo Herr Binswanger. Danke für Ihren Artikel. Ich habe eine Frage: scheinbar war der Reproduktionsfaktor schon vor dem Lockdown unter 1 - warum brauchte es dann den Lockdown?
Lieber Anonymous, das ist eine Falschbehauptung. Der Reproduktionsfaktor war schon vor dem Lockdown stark am sinken, aber er war deutlich über eins - und also zu hoch.
https://m.srf.ch/news/schweiz/aktue…n-wirklich
Herzlich, DB
Dem Text kann ich mich anschliessen, danke! Er wird aber von den Leuten, an die er sich wendet, leider erst verstanden werden, wenn sie entsprechende Gefahren selber erleben. Das ist ja der Grund, warum sie im Moment nicht "vernünftig" handeln können (wollen): Es gibt entweder zuwenig geistige Fähigkeiten, die Komplexität zu erahnen, oder die Fähigkeiten werden zuwenig aus direkter Bedrohung mit Druck aktiviert.
Sich selbst als schlauer als der Rest zu definieren, hilft bestimmt dabei, die besten Massnahmen zu erkennen. Vorbehalte gegen die Überwachung aller Bürger per Corona-App? Sind alle blöd, die dagegen Vorbehalte haben!
Vorbehalte haben ist sicher erlaubt und überhaupt nicht blöd.
Aber wenn man sich dann infomiert hat wäre es schon ganz schön blöd sie nicht einzusetzen.
Die Verletzungen irgendeiner Privatsphäre scheinen mir doch irgendwo im philosophischen Raum angesiedelt zu sein nachdem die Appdaten weder mit der Person gematcht werden können noch den Standort zu irgendeinem Zeitpunkt kennen.
Ganz Ihrer Meinung, Herr H., mein einziger Punkt: Zwingende Vorschriften provozieren wie Verbote auch Widerstand. Lenkungsmassnahmen sind immer der smartere Weg. Warum denn nicht einfach die Personen ins Geschäft oder Restaurant lassen, welche die App vorweisen können? Das könnte auch die SBB zur Bedingung machen...
Was Sie in Ihrem Artikel zum Ausdruck bringen, Herr Binswanger, macht für mich Sinn. Ihr Plädoyer an die Kritiker in Ehren, aber es ist halt teil unserer Kultur der freien Meinungsäusserung dass das eben auch getan wird.
Zum Thema Tracing App: da muss ich eigentlich nur staunen. Der Grossteil der Bevölkerung tummelt sich in den sehr offenen social media Platforms wie Facebook, Instagram, Googlemaps etc und viele schreien jetzt "Datenschutz" bei dieser App, die es uns als Teil mehrerer Massnahmen ermöglicht schneller aus dem Lockdown rauszukommen. In Oesterreich ist passiert was wir in der Schweiz vermeiden sollten. Dank einer vermasselten Kommunikation über ihre App wird diese heute von nur wenigen Leuten genutzt. Es bräuchte eine Nutzung von ca. 60% der Bevölkerung, damit sie etwas bringt.
Bisher haben mich die Kommunikationsversuche unserer IT Spezialisten zu dieser App nicht sonderlich überzeugt. Ich gehe mal davon aus, dass auch bei uns die Skeptiker überwiegen werden und diese App von der Mehrheit verworfen wird - leider.
Nur weil der Grossteil der Bevölkerung Facebook, Instagram, Googlemaps benutzt, möchte ich noch lange keine unsichere Corona-App laden müssen. Ich verwende die erwähnten Dienste nicht. Nicht mal Google als Suchmaschine. Alle jammern wegen der Werbung, ich bekomme praktisch keine zu Gesicht. Die Gleichgültigkeit der Masse kann kein Argument sein, mir eine App schmackhaft zu machen.
Es gibt immer noch Personen, die die Gefährlichkeit der COVID-19 Pandemie unterschätzen oder gar negieren. Die Übersterblichkeit lässt sich aber nicht wegdiskutieren.
https://www.spiegel.de/wissenschaft…e05763ca24
Siehe auch dieses europäische Projekt: https://euromomo.eu/
COVID-19 befällt nicht nur die Lungen, sondern auch die Blutgefässe, führt zu Thrombosen mit Folge von verstopften Gefässen in Lunge, Niere, Herz, Hirn. Die Leute sterben WEGEN Corona-Virus (Herzinfarkt, Hirnschlag, Lungenembolie, periphere Embolien mit Notfall-Amputationen).
Herzlichen Dank für Ihren Beitrag! Man wünscht sich diese Einsicht auch einigen Ihrer RedaktionskollegInnen, die es diese Woche als eine ihrer dringlichsten Aufgaben angesehen haben, einen Watchblog mit einer Liste aller eingeschränkten Rechte einzurichten, der diese Diskussion natürlich ebenfalls anheizt (man schaue sich nur mal die Debatte dazu an). Ich möchte die gute Absicht dahinter ja gar nicht in Abrede stellen, aber für mich ist das etwa dasselbe, wie wenn man bei Feuerverbot im Wald und in Waldesnähe – wie zurzeit im Kanton Zürich – eine Liste veröffentlichen würde, in der man beklagt, was nun alles im Wald nicht mehr erlaubt ist: brennender Joint wegwerfen, Würste braten, mit Brennglas spielen, Schweissgerät benutzen, Frauenfürze abbrennen usw. usf.
Ich sehe das ähnlich wie Sie. Man macht jetzt schon ein Tamtam um Rechte, die temporär ausgesetzt sind, aber wahrscheinlich wieder zurück kommen werden. Sonst müssen halt die bequemen Schweizer mal auf die Strasse.
Andererseits nehmen es die meisten ohne Murren hin, dass wir vom Arzt ein Rezept brauchen, um im Internet rezeptfreie Medikamente bestellen zu können. Egal ob zu Corona-Zeiten oder eben nicht. Zudem haben wir selbst innerhalb der Verfassung viele Paragraphen die nicht eingehalten werden oder sich widersprechen. Das ist scheinbar alles ok.
Von der Republik habe ich übrigens nicht erwartet, dass sie bald nur noch eine Coronazeitung ist. Die gibt es doch schon in Österreich....
Kurzer Faktencheck. Woche 17/2020. In der Republik erschienene Beiträge: 21. Davon zu Corona oder Bezug zu Corona: 9. Woche 16/2020. In der Republik erschienene Beiträge: 21. Davon zu Corona oder mit Bezug zu Corona: 9. Woche 15/2020. In der Republik erschienene Beiträge: 21. Davon zu Corona oder Bezug zu Corona: 5.
Über die letzten sieben Wochen war das Verhältnis in etwa 40% Virus/60% Nicht-Virus. Ohne dramatische Veränderung der Lage sollte sich das in der laufenden, leider mutmasslich sehr lange dauernden Phase der Pandemie etwa bei 30/70 einpendeln.
Herr Binswanger mahnt am Ende des Beitrages,
Wir müssen einen klugen Umgang damit finden, dass wir viele Antworten noch nicht kennen, und um jeden Preis verhindern, dass Profilneurotiker, Ideologen und selbst ernannte Experten die Leerstellen unseres Wissens besetzen.
lässt aber weiter oben Sätze raus wie:
Heute wissen wir es nicht, aber wir könnten bereits in kurzer Zeit vor der Alternative stehen, entweder die Tracing-App für obligatorisch zu erklären oder schon bald wieder Schulen und Geschäfte zu schliessen.
Da misst wohl jemand mit zweierlei Ellen... 😏
Können Sie das begründen? Herzlich, DB
Können Sie das begründen?
Verzeihen Sie mir die späte Antwort. Sicher kann ich das begründen:
Der oben zitierte Satz zur möglichen Entscheidung zwischen Tracing-Zwang und Schulschliessung ist m. E. schlicht Unsinn und ein Paradebeispiel für die von ihnen angeprangerte Besetzung der "Leerstellen unseres Wissens" mit haltlosem Blabla.
Denn
Wie kommen Sie überhaupt darauf, dass ein Trade-off bestünde zwischen Schulbetrieb und digitaler Bewegungsverfolgung? Das Beispiel scheint mir an den Haaren herbei gezogen. Eine aktuelle Metastudie in Lancet Child & Adolescent Health stellt zumindest ein grosses Fragezeichen, ob Schulschliessungen überhaupt einen signifikanten Beitrag zur Eindämmung der Pandemie leisten. Die Wirksamkeit des digitalen Bevölkerungs-Tracing via Smartphone-App steht ohnehin noch in den Sternen.
Technisch gesehen spricht kaum etwas für die Notwendigkeit eines eidgenössischen Contact-Tracing-App-Zwangs. Die relevanten technischen Leitplanken setzen ohnehin die Betriebssystemhersteller Google und Apple über die Spezifikation einer entsprechenden Bluetooth-Tracing-Schnittstelle. Über diese wird ein Contact-Tracing auch ohne separate Installation einer (Schweizer) Contact-Tracing-App möglich. Löblich aus Sicht des Schutzes der Privatsphäre: Die Schnittstelle wird scheinbar nur ein dezentrales Tracing ermöglichen wie es auch das DP-3T-Projekt spezifiziert. Dennoch dürften Adtech-Firmen versuchen, die neue Schnittstelle mit einem Kundentracking via Bluetooth-Beacon zu verbinden – mit der Folge, dass bspw. Supermarktketten plötzlich wüssten, welche ihrer KundInnen COVID-19-positiv sind und deren komplettes Bewegungsprofil der vergangenen 14 Tage erfuhren.
Ein staatlicher App-Zwang an und für sich wäre ein grundrechtliches Desaster. Sind dafür erst einmal die Rechtsgrundlagen geschaffen, wäre es bloss der logische nächste Schritt, darin auch Staatstrojaner-Funktionalitäten zu verbauen. Die Anwendung staatlicher Malware wurde ja u. a. bereits mit der letzen NDG-Revision legalisiert – bei der praktischen Umsetzung bestehen aber relativ hohe Hürden, weil Smartphone-Hersteller und Entwickler populärer Apps wie Whatsapp die für die Installation eines solchen Trojaners notwendigen Sicherheitslücken immer mal wieder schliessen. Eine staatlich verordnete App wäre wohl der feuchte Traum jeder Strafverfolgungsbehörde bzw. jedes Geheimdienstes, da hiermit der mühsame Infektionsweg via auf dem Schwarzmarkt eingekaufter Schadsoftware entfiele.
Weiter halte ich es generell für äusserst bedenklich, dass der Staat seinen BürgerInnen vorschreibt, welche Software sie zu benutzen haben. Ohne strikte Offenlegung des entsprechendes Quellcodes, reproduzierbaren Builds und einer demokratischen Aushandlung der genauen Funktionalitäten dieses Codes, wäre dies m. E. schlicht grundrechtswidrig. Nichts davon sprechen Sie in Ihrer Kolumne an.
Auch Ihren Folgesatz
Dass der notrechtliche Lockdown legitim, ein sinnvoll geregeltes, obligatorisches Tracing aber absolut unzulässig sein soll, ist völlig irrational.
halte ich für unterirdisch. Seit wann ist die Verteidigung unserer Grundrechte (in diesem Falle die freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie das Prinzip der hierzulande leider nicht explizit in der Verfassung verankerten informationellen Selbstbestimmung) "völlig irrational"? Insb. für JournalistInnen der Republik?
Irgend etwas fordern oder auch ablehnen ist einfach wenn mann die Konsequenzen nicht tragen muss und vor allem wenn man für die Folgen keine Verantwortung übernehmen muss, will oder kann. Frage: wer übernimmt denn überhaupt Verantwortung? BR? Parlament? Parteien? Kantone? Parteichefs, -chefinnen? Und wie sieht diese Verantwortung genau aus? Oder gut schweizerische, wer bezahlt einen allfälligen Schaden? Think about that!
2014 starben an HIV-Infektionen weltweit 1.2 Millionen Menschen. Über 2 Millionen wurden neu infiziert. 2015 erkrankten 10.4 Millionen Menschen an Tuberkulose, 1.8 Millionen starben daran (WHO/Wikipedia). COV-2 Infizierte sind es bis heute weltweit ca. 3 Millionen, 200000 Menschen, meist alte mit Vorerkrankungen, haben dabei Lebensjahre verloren, sind also zu früh gestorben. Nichts gegen die hierzulande im März ergriffenen Notmassnahmen, die waren gut und nötig. Aber ich denke, wir sind nun nahe daran zu überbeissen. Ich finde es richtig und gut, wenn sich Exponenten der Wirtschaft, von der wir nun alle mal leben, auch wenn es nicht allen passt, zu den Lockerungsmassnahmen äussern. Sie deswegen beinahe in eine "fahrlässige-Tötungs"-Ecke zu stellen, ist ungerecht. Dass es uns nicht so kümmert, dass bisher an ganz "normalen" Infektionen, die es auch bei uns gibt, Millionen jährlich sterben, weil sie keine Hilfe bekommen, mag hingehen. Aber die Panik, die sich bei uns breitmacht und die dazu führt, dass sich angesehene Journalisten ins Lager der Überwachungsstaats-Gläubigen bewegen, macht mir Angst. Vorsichtsmassnahmen ok. Aber eine App, die unsere Bewegungen und sozialen Kontakte aufzeichnet, mit Folgen, die nicht mehr beherrschbar sein werden: NEIN, NIEMALS! Wie. kann. man. nur. Ja, ja, 1983, beim Auftreten der HIV-Pandemie, waren es zuerst ja nur die sexuellen Minderheiten und die Drogenabhängigen, doch bald auch die Frauen, bei COV-2 sind heute alle dran. Man begann damals zu testen, vorsichtig zu sein (es dauerte fast 20 Jahre bis zur effektiven Therapie). Heute machen wir zu Recht dasselbe. Passen wir aber auf, dass wir auf dem Teppich bleiben, den politischen Gegner nicht in unanständiger Art attackieren und nun bei den Lockerungen die demokratische Auseinandersetzung nicht verweigern. Es gibt eine Zeit nach COV-2. Verbauen wir sie uns nicht!
Sie scheinen mir ein ganz typischer Adressat dieses Artikels zu sein.
Leider auch gleich die Bestätigung, dass es so gut wie unmöglich ist jemanden mit Worten in diesem Corona Thema von einer auf die andere Seite zu ziehen.
Dazu muss es wohl zuerst noch deutlich schlimmer werden. Praktisch jeder mindestens einen Intensivpatienten aus dem nächsten Umfeld kennen.
Die ganze Unsicherheit lassen Sie in der Argumentation einfach weg. Alles scheint klar. Viele gesicherte Erkenntnisse der letzten Monate gleich auch noch - stören nur den Argumentationsfluss.
Dafür kommen Zahlen, die gar nichts mit Corona zu tun haben, ins Spiel. Was hat HIV und Tuberkulose hier zu suchen? Das sind völlig andere Krankheiten mit anderer Übertragung. Die Massnahmen im März werden zwar als richtig gelobt - im nächsten Halbsatz wollen Sie aber genau in den Zustand vor den Massnahmen zurück.
Was hat sich denn geändert seit März? Dass wir alle genug haben von diesen Massnahmen? Dass viele wirtschaftlich darunter leiden, einige sogar sehr? Das wird den Virus nicht interessieren, da sind wir uns sicher einig.
Wir müssen uns schon selbst ändern, dass etwas anders läuft als Ende Februar. Warum die Wirtschaft schnellstmöglich in den Zustand zurück will, der vor zwei Monaten nicht funktioniert hat, ist wirklich erklärungsbedürftig.
Herr H.: 3 Punkte:
Wo lesen Sie, dass ich den Zustand der Wirtschaft von vor 3 Monaten zurück will? Das habe ich nicht gemeint und nicht geschrieben. Ein Umdenken wäre auch in meinen Augen dringend nötig. Aber nicht mit Staatsgewalt! Hierzu haben wir das Parlament und das Volk. (Wenn übrigens die "Jungen", die sich auch hier über uns "Alte" beklagen, mehr demokratischen Einsatz zeigen würden, sähe vieles besser aus in unserem Land!)
HIV war die letzte grosse Pandemie, die uns wirklich betraf, und die heute offenbar nicht mehr interessiert. Ich war damals Leiter eines Labors, das ab 1985 den HIV1-Test durchführen durfte und/oder musste. Wir mussten ohne Vorbereitung das Arbeiten mit Handschuhen und Mundschutz lernen. Wir wussten nicht, welche Proben - ausser den klar definierten - positiv waren. Das war beängstigend, beeindruckend, das prägt für's Leben. Eine HIV-Infektion war ein Todesurteil. Und heute? Heute denkt doch niemand mehr gross an HIV. Darum erwähne ich auch die Zahlen. HIV ist nicht vorbei! Ich kenne die Praxis. Sie vermutlich auch, das will ich nicht bestreiten.
Tuberkulose hat sehr ähnliche Übertragungswege wie COV-2. Darum auch hier die aktuellen Zahlen. Die Gefahr einer Pandemie ist übrigens nicht gebannt. Sie wissen sicher auch, dass es bereits breitbandantibiotikaresistente Mycobakterien gibt. Was machen wir dann?
Und zu guter Letzt: Ich plädiere für die offene Diskussion. Dass man hier damit oft gleich in die rechte Ecke gestellt wird, ist doch eigenartig! Ich habe ja nichts und niemanden verteidigt, ausser der demokratischen Auseinandersetzung! Woher diese Reflexe? Und wieso darf ich mich nicht gegen die Gefahr eines Überwachungsstaates äussern?
Die Verhältnismässigkeit von Massnahmen nur gegen „me-first Attitüden“ einzelner Schweizer Politiker abzuwägen, scheint mir etwas kurz gegriffen.
„Durch oder mit Corona“ sind in den letzten Monaten unheilige Allianzen und neue Ökosysteme entstanden. Da gibt es erstaunliche Überlappungen von Voten. So warnt die UNO vor Hungersnöten, Kranken und Toten biblischen Ausmasses, verursacht durch Lockdown-Kollateralschäden {1} {2}: Einerseits ist der Warenaustausch mit Drittweltländern erlahmt, die Industrieländer verwenden die bisherigen Hilfsgelder im eigenen Land. SARS-CoV-2 hat in den meisten Drittweltländern temperaturbedingt und aufgrund des tieferen Durchschnittsalters nur geringe Bedeutung. Die hohe Präsenz von Chinesen in Afrika müsste so zuallererst dort zu einer eklatanten Katastrophe geführt haben. Trotzdem verordnen die Industrienationen den Drittweltländern einen Corona-Lockdown. Wie Christian Lengeler - Epidemiologe Schweizerisches Tropeninstitut - alarmiert, blockiert der Lockdown die Medikamenten-Lieferkette für HIV-, Malaria- und weitere Tropenkrankheiten mit fatalen Folgen {Tagesschau, 27.4. 03:20}. Die Hochstilisierung von Corona zur ultimativen Gefahr führt in den Drittweltländern zu Ausgrenzung und Hetzjagd auf SARS-CoV-2 Infizierte und sozialer Unruhe.
Weiter behindert die Streichung von geplanten Umweltinvestitionen eine nachhaltige Eindämmung von Viren-Epdemien {3}
{1} NZZ, 22. April 2020 „Nach der Corona-Seuche droht eine Hunger-Pandemie“
{2} Guardian, Apr 15, 2020 “Coronavirus pandemic 'will cause famine of biblical proportions'”
{3} Tagesanzeiger, 3. April 2020 "Wie Umweltzerstörung neue Epidemien begünstigt"
Lieber Herr Oettli, danke für diesen kritischen Beitrag. Was in den NZZ und dem Guardia-Artikel steht, ist jedoch etwas anderes. nä.lich dass die Pandemie eine Hungersnot nach sich ziehen dürfte, nicht die Lockdown-Massnahmen. Natürlich hat das eine sehr viel mit dem anderen zu tun - und es ist richtig, dass sie auf diesen absolut entscheidenden Aspekt hinweisen. Aber die Risiken einer Hungersnot auf die Soll-Seite von Quarantäne-Massnahmen zu verbuchen, ist nicht richtig. Herzlich, DB
Eine gute, bedachte Zusammenstellung und Auflistung der verschiedenen vermaledeiten Unwägbarkeiten. Die sequenzielle Rückführung und ständige Kontrolle der Auswirkungen hat nur einen verd... Haken: Die aktuelle Veränderung der Fallzahlen beruht auf Gründen, die 10 bis 14 Tage zurück liegen. Wie will man da verlässlich sagen können, diese oder jene Lockerung habe etwas ganz bestimmt verursacht?
Auffallend auch, und mich persönlich sehr störend: Die zweite Welle war zwar immer ein Thema, aber erst seit wir Lockerungen diskutieren, scheint sie mit Sicherheit bedrohliche Auswirkungen zu haben: Die unsicheren Erkenntnisse werden auf allen Seiten zur Stimmungsmache eingesetzt.
Und:
Der Bundesrat hat lange sehr souverän agiert, nach meinem Empfinden. Seitdem er Lockerungen moderieren muss / darf, wirkt er unsicher und zögerlich. Das ist fatal, mag es auch im Grunde "ehrlich" sein, weil wir wirklich viel nicht wissen.
Wir MÜSSEN mit dem Virus leben lernen - und das bei laufender Wirtschaft. Ein Zurück in einen zweiten Lockdown ist tatsächlich keine Option. Aber dazu gehört auch ein anderer Umgang mit der Bedrohung.
Die 14 Tage lang "Lockerungsschritte" sind genau deswegen da weil die Wirkung erst ca. 14 Tage nach deren Einführung sichtbar wird -eben die 14 Tage "Verzögerung".
Es muss klar sein dass : a) wir haben keinen Impfstoff und auch nicht während den nächsten Monaten. b) Die "Durchseuchungsgrad" bzw. im besten Fall die "Immunität-grad bei weitem nicht ausreicht um alleine eine Ausbreitung des Virus einzudämmen (geschätzt 1% im Kanton ZH und etwas mehr im Kanton Genf, nötig ca. 80%). c) Was zwischen der Schweiz und einer zweiter Welle steht sind allein die Schutzmassnahmen des Bundes die jetzt gelockert werden sollten. Jetzt geht es darum schrittweise ein "Courant ABnormal" zu finden der sowohl das Virus eindämmt und auch die Wirtschaft wieder beleben lässt.
Es geht um Solidarität in vielem, was diesen LockDown betrifft. Auch bei schrittweiser Öffnung. Ob eine Tracking-App wirklich hilfreich ist bei dieser Öffnung des LockDown ist fraglich. Wenn sie ausschliesslich über Bloototh-Verbindungen mit Android und IPhone-Geräten erfolgt, gehört das zum Thema "permanent record". Anstelle verschlüsselter Daten die wieder gelöscht werden, pushen wir "Amzon & Co." und lassen den bereits gebeutelten Quartierladen noch mehr im Regen stehen.
Republik AG
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