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Wiederum ein wunderbarer Beitrag. Danke Frau V. Schon interessant, dass die meisten Leute Langeweile schlecht aushalten. Dabei ist es doch etwas Schönes, wenn einem die Zeit lange vorkommt, nicht immer klar. Lange bei etwas verweilen, Zeit haben "Längi Zyt ha". Ohne zu verharmlosen oder jemanden zu verunglimpfen, aber ich erinnere mich gerne an den Lockdown, als die Unterhaltungsmaschinerie mal stillgestanden hat, die Leute Ruhe und Zeit hatten. Schade bloss, dass danach viele glaubten, alles nachholen zu müssen, was sie angeblich "verpasst" hatten. Der Musiker Albin Brun hat ein wunderbares Stück mit dem Titel "Längi Zyt" geschrieben. Ich habe eine Aufnahme mit dem Tonhalleorchester gefunden. Noch besser gefällt es mir, wenn Albin es alleine auf dem Schwyzerörgeli spielt. https://www.youtube.com/watch?v=azUQUueutC8
Ihr Lockdown hat sich offenbar grundlegend von meinem Lockdown unterschieden: ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, dass die Unterhaltungsmaschinerie stillgestanden hat. Im Gegenteil, Streamingdienste und generell Unterhaltungselektronik waren dank grösstenteils digitalen Vertriebswegen im Aufwind. Und selbst als Freund analoger Unterhaltung konnte man sich problemlos per Onlineshopping mit Büchern oder was auch immer eindecken.
Wenn sie die Eventbranche meinen, dann stimme ich ihnen natürlich zu.
wunderbare beschreibung des wettrennens im hamsterrad.merci schon allein dafür - und auch für die skizzierung dessen, was es bräuchte
Guten Tag Frau V.,
ich beneide das atemberaubende Tempo und den überzeugenden Furor Ihres kulturkritischen Par-force-Ritts.
Erst als Sie sozusagen auf der Zielgeraden, Caspar D. Friedrich als künstlerischen Kronzeuge der Entschleunigung, Achtsamkeit und Innerlichkeit aufrufen, beginne ich misstrauisch zu werden.
Ich habe mir die Ausstellung in Winterthur
angeschaut und teile vollumfänglich Ihre Begeisterung für die malerische Kompetenz Friedrichs, wie er ehrfürchtiges Schweigen vor der Erhabenheit natürlicher Erscheinungen abzubilden vermag.
Allerdings ist diese Ergriffenheit bei Friedrich selten frei von konfessionellen Anspielungen, wie mich manche diskret oder auch prominent plazierte Wegkreuze annehmen liessen.
Und das lässt mich argwöhnen, ob
Caspar D. Friedrichs Bilder doch weniger kulturkritisch sondern eher religiös in seinem eigenen christlichen Sinn gemeint waren.
Lieber Herr S., ja, das ist bei CDF sehr protestantisch gemeint, er versteht seine Malerei als Gottesdienst, als Feier der Anschauung des Gottgeschaffenen, vom Gänseblümchen bis zum Felsbrocken. Diese Anschauung aber hat etwas Kontemplatives. Er inszeniert dafür auch Widerstände - Rückenfiguren, Berge, die im Weg stehen -; die Betrachtung ist in seiner Kunst nicht nur einfach, man muss sie sich durchaus erarbeiten; so scheint er auch den Protestantismus aufzufassen.
Spannend, dass Sie, Frau V., schreiben, Caspar David Friedrich fordere die Betrachter:innen seiner Werke, sich einzubringen in die Anschauung von dem, was ist. Das scheint mir wesentlich nicht nur für das Werk Friedrichs. Kunstschaffende wie er sind Fürsprecher:innen echter gelebter Kreativität. Diese entsteht nur aus direkter persönlicher Betroffenheit in Momenten der Ruhe und Betrachtung, die überraschend „einfahren“ und das Bewusstsein erweitern. Mich selber vergessen lassen und gleichzeitig die Erkenntnis aufblühen lassen: Das bin auch ich. Solche Erlebnisse werden aus der Wildnis berichtet in fast allen Kulturen, aber offenbar können sie auch vermittelt werden durch Kunstwerke, die uns fordern. Kreativität ist dann der Weg, dieser Betroffenheit persönlich gerecht zu werden, der sich nicht in Gebote und Verbote fassen lässt. Der Weg geht bis dahin, wo ich sehe, dass es gut ist.
Das wäre die Aufgabe aller Menschen. Besonders begabte offene Geister wie Caspar David Friedrich öffnen uns dafür die Tür.
Dieser Buchhinweis fehlt: alle jüngeren Publikationen von Hartmut Rosa: RESONANZ, Unverfügbarkeit, Beschleunigung und Entfremdung.
Wenn wir beim Fehlen sind: „Die Pflicht zur Faulheit“ von Reinhard Klopfleisch, 1991, ISBN 3-430-15487-1. „Von der Arbeit zur Faulheit - von der Faulheit zur Musse.“ Ein Spiegel der damaligen Gesellschaft; es hat sich nichts grundlegend geändert; wie es Frau V. beschreibt ist das Gegenteil der Fall.
Wir haben übrigens bei www.Wirtschaft-ist-Care.org die Forderung “Otium (= Muße) fürs Volk!”.
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