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Sehr spannender Beitrag meiner Namensvetterin. Es sind Beiträge wie diese, die ich ungetrost ausdrucken kann und meinen Eltern zeigen kann. Meine Familie und ich verfügen über keine Doppelbürgerschaft, trotzdem bleibt ein Draht (wenn auch ein Draht in variabler Dicke in meinem Fall) zum Land unserer Verwandten bestehen.
Vor zwei Sommern besuchte ich zum ersten Mal ohne meine Eltern und zusammen mit "Schweizer" Freunden den Kosovo und erlebte ihn zum ersten Mal aus anderen Augen. Es schmerzte uns alle zu sehen, wie ein Land voller Potential und Versprechen seit nun mehr als einer ganzen Generation einfach feststeckt. Top-ausgebildete, junge, vielversprechende Menschen bleiben auf ihren Zertifikaten sitzen und arbeiten stattdessen zuhause auf dem Hof - wenn überhaupt. Die Mehrheit lernt English, Französisch, Deutsch in der Hoffnung im Ausland Geld machen zu können und so die Familie zu versorgen. Von aussen scheint es, als hätten sie ihre Zukunft in ihrem eigenen Land schon aufgegeben. Das war echt ernüchternd.
Umso mehr freut es mich, dass es diese Bemühungen gibt, Einfluss zu nehmen. Dabei stellt sich für mich gar nicht die Frage, ob es nun legitim sei, als Diaspora mitzusprechen, wenn man nicht mehr dort lebt und werkt. Die Diaspora ist so gross, genau weil es dort unten scheinbar unlösbare und unendlich schwelende Konflikte gibt. Es ist doch nur ein Zeichen der Verbundenheit und vielleicht sogar von Reue (?), dass man von dort weg musste, um ein Leben zu führen, dass man sich jetzt engagieren will, dass die Diaspora das Herkunftsland noch nicht aufgegeben hat. Eigentlich doch was Schönes.
Wie auch immer das nun enden wird, es wird wohl definitiv einer der vielen verspäteten und notwendigen Wake-Up-Calls, der den Kosovo in eine vielleicht vielversprechendere Zukunft rückt.
Interessanter Artikel, der allerdings viele Fragen aufwirft. Mich würde interessieren, wie viele aus dieser Diaspora Doppelbürger sind. Ist es richtig, dass Personen die seit Jahren oder gar Jahrzehnten nicht mehr im Land leben bzw. noch nie dort gelebt haben von aussen das Schicksal eines Landes (mit)bestimmen? Ist es gut für eine Demokratie, wenn einzelne Personen in mehreren Ländern stimm- und wahlberechtigt sind? Züchtet man mit den heute geltenden Regeln nicht den Nationalismus, den man z.B. in der EU zu überwinden sucht?
Meiner Meinung nach wären international gültige Vereinbarungen fällig. Als Doppelbürger ist es mir noch nie als legitim erschienen, an zwei Orten mitzubestimmen. Auch habe ich nicht in zwei Ländern Militärdienst geleistet. Im Falle Kosovos denkt man vielleicht, so wie es gerade läuft, stärke das die Demokratie. Aber wie war es damals, als die im Ausland lebenden Türken mithalfen einen Sultan am Bosporus zu inthronisieren?
Eine exzellente Frage, die sich noch erweitern lässt. Ist es richtig, dass Personen die seit Jahren oder gar Jahrzehnten in einem Land leben bzw. schon immer dort gelebt haben, kein demokratisches Mitbestimmungsrecht in diesem Land haben?
Können unsere bisherigen Konstrukte der Nationalstaatlichkeit und Bürgerschaft den vielschichtigen Identitäten und Zugehörigkeiten, die dies und jenseits der Grenzen existieren, überhaupt gerecht werden?
Wer gehört dazu, wer nicht?
Grosse Fragen, die uns auch unabhängig vom Wahlausgang in Kosovo noch beschäftigten sollten und werden.
Wie Sandra Röthlisberger weiter unten bereits erwähnt hat, hat sich unser Kolumnist Daniel Strassberg in seinem letzten Beitrag zu diesem Spannungsfeld Gedanken gemacht.
Meiner Meinung nach wären international gültige Vereinbarungen fällig.
Aber die gab und gibt es doch bereits – und zwar bilaterale. Ein guter Ausgangspunkt ist dieser Artikel und diese Studie im Auftrag des EKM.
Mich nähme noch wunder: Warum ist ihrer Meinung nach die Mitbestimmung als Doppelbürger*in illegitim? Machen Sie das nur an der Leistung des Wehrdienstes fest?
Vielen Dank, Adelina G., für diesen Artikel, der mich auch über die andere, doch ähnlich gelagerte Situation der Philippinen nachdenken liess. Die Remittances betrugen dort 2010 US$21.3 billion oder 8.9% des GDP.
Erstaunt bin ich etwas über die Diskussion hier, die sich – wie an der WM 2018 (apropos Meritokratie) – allein um die Legitimität der Doppelbürger*innenschaft dreht. Als würden alle Doppelbürger*innen pauschal der Illoyalität oder des Verrats verdächtigt. Wen wundert es angesichts dieser von Rechtsnationalisten popularisierten Einstellung, dass Ignazio Cassis 2017 bei seiner Wahl zum Bundesrat seinen italienischen Pass «freiwillig» abgegeben hat.
Doch wie der Artikel «Doppelte Staatsbürgerschaft: Von der Ausnahme zunehmend zur Norm» zeigt, sind Einfachbürger*innen vielleicht bald in der Minderheit:
Heute verfügen bereits jede vierte Schweizerin und jeder vierte Schweizer im In- und Ausland über mindestens eine weitere Staatsbürgerschaft – also 25 Prozent.
Von den 775'000 Schweizerinnen und Schweizern, die 2016 im Ausland lebten und bei den Schweizer Vertretungen registriert waren, hatten mittlerweile 570'000, also 75 Prozent, mindestens eine weitere Staatsangehörigkeit.
Obwohl die öffentliche politische Debatte in der Regel über Immigranten geführt wird, sind es doch die Emigrantinnen und Emigranten, das heisst diejenigen, die aus der Schweiz auswanderten und dabei ihr Schweizer Bürgerrecht behielten, die für die Entwicklung der Doppelbürgerschaft eine primäre Bedeutung besitzen.
Es herrscht hier also eine Asymmetrie und eine verzerrte Wahrnehmung der «Doppelbürger*innen», die sich auch in der anderen Asymmetrie – die Anja Conzett unten anspricht – spiegelt:
Während Auslandschweizer als Schweizer im Ausland leicht eine zweite Doppelbürgerschaft annehmen, diese per Geburt erwerben oder sich einbürgern lassen, ist dieses Phänomen bei Ausländern in der Schweiz nicht so stark ausgeprägt. Der Anteil der Ausländerinnen und Ausländer ist in den letzten Jahren wesentlich stärker gestiegen als die Zahl der Einbürgerungen. Dies erklärt auch den sehr hohen Ausländeranteil von 25 Prozent in der Schweiz. Und dies hat Folgen: Denn die nicht eingebürgerten Ausländer in der Schweiz haben keine Bürgerrechte – können also nicht abstimmen oder wählen, ausgerechnet in einem Land, das für seine direkte Demokratie und die Mitbestimmung des Volkes so bekannt ist.
Menschen sind keine immobile «autochthone» Weinreben, die in ihrem angestammten Boden stecken bleiben, sondern mobile, multidimensionale und plurale Identitäten in einer multipolaren Welt.
In vielen Ländern ist die doppelte Staatsbürgerschaft nicht möglich. In Deutschland beispielsweise erst seit 2008 (wenn der zweite Pass freiwillig erlangt wird in einem Land des Europarates - durch Geburt sowieso kein Problem). Das ist der Grund, warum es so viele türkische Staatsbürger in Deutschland gibt, die sich nicht einbürgern lassen: Sie würden ihren türkischen Pass verlieren. Anders herum gibt es Länder, die eine Rückgabe des Passes nicht zulassen, was beispielsweise die Einbürgerung von Peruanern oder Iranern in Deutschland erschwert, weil Peru oder Iran nicht zum Europarat gehören und somit bei Bürgern von dort keine Doppelstaatsbürgerschaft genehmigt wird. Ich habe solche Fälle in meinem Bekanntenkreis...
Strassbergs letzte Kolumne befasst sich mit dem Verhältnis von Raum und Demokratie. „Eine Nation ist die Bevölkerung eines begrenzten Gebietes, die sich irgendwie organisieren muss. Obschon nicht jeder Nationalstaat demokratisch ist, eignet er sich wegen des gemeinsamen Raumes für die Demokratie besser als alle anderen gesellschaftlichen Organisationsformen.“ Seine These, wonach sich der physische Raum zunehmend auflöst, ist auch bezüglich dieser (nicht genannten) Thematik der wahlberechtigten Diaspora interessant.
Danke, dass Sie diesen Bezug herstellen, Frau Röthlisberger. Ein ausgezeichneter Denkanstoss!
Sehr interessanter Artikel, der für mich jedoch auch Fragen aufwirft, denen im Text leider zuwenig nachgegangen wird: Wer soll in einer Demokratie mitbestimmen?
Ist es wirklich die Diaspora, die vielleicht sogar im Ausland geboren wurde und dann nicht oder nur sehr wenig von den Gesetzen, Policies und Zuständen im Land tangiert wird?
Oder ist es eben gerade deswegen die Diaspora, weil diese gerne zurückkehren möchten und objektiver wählen können, da sie nicht dem jetztigen undemokratischen Machtgefälle und dem Klientilismus unterliegen?
Frau Adelina G. schreibt von 800’000 kosovarische Bürgerinnen im Ausland.
Heute lese ich in der NZZ (12.Februar) von 400‘000 bis 600‘000 kosovarische Bürgerinnen die im Ausland leben, ein Unterschied von bis zu 50%.
Ist das der übliche Spielraum, der noch als Faktenbasiert gilt, oder ist das ein Beispiel von Alternativ Fakten?
Sehr geehrter M. V. B. - besten Dank für Ihre Nachfrage. Ich weiss nun nicht, auf welche Quellen sich die NZZ bezieht, wir haben uns auf die Angaben der Kosovo Agency of Statistics verlassen. Sie wird in der im Artikel verlinkten Quelle folgendermassen zitiert: «According to the Kosovo Agency of Statistics, around 800,000 Kosovo citizens live outside the country and their interest in voting in their homeland’s elections has risen over the years.» Mit den besten Grüssen
Ein gleichermassen anregender und besorgniserregender Beitrag - danke. Anregend die Überlegung, wie es für mich wohl wäre, wenn die Auslandschweizer*innen hierzulande zum prägend unberechenbaren Elektorat würden und besorgniserregend die grosse Unübersichtlichkeit und Undurchsichtigkeit der politischen Situation im Kosovo.
Hätte ich die Möglichkeit ausserhalb irgendeiner Grenzen etwas mitzubestimmen, was mir persönlich wichtig ist oder am Herzen liegt, dann würde ich es auch tun. Es stellt sich für mich persönlich die Frage, ob die Entscheidung dann legitim ist, wenn sie nicht auf einem gemeinsamen Diskurs basiert, der sich auch daran misst, ob man von dieser im täglichen Leben betroffen wird oder nicht.
Militaerdienst geleistet zu haben ist kein Kriterium. Ist es auch hier nicht. Offensichtlich leisten die Externen einen signifikanten Teil am Staatshaushalt. Zumindest an den Devisen. Und ermoeglichen es den lokalen Leuten eine ballenberg-artige Show zu sein.
Als Doppelbürger habe ich für mich immer die folgende Regel verfolgt: ich partizipiere ausschliesslich dort wo ich meinen mittelfristigen Lebensmittelpunkt habe. Der ist momentan in der Schweiz. Mein Wahlrecht in Österreich nehme ich deshalb bewusst nicht wahr. Auch habe ich nicht an den Gemeindewahlen in Schweden teilgenommen (welche EU Bürgerinnen offen steht), als ich für eine kurze Dauer dort lebte.
Mein Prinzip ist die Überzeugung, dass möglichst die Betroffenen mitbestimmen sollten. Und genau hier beginnt die Komplexität im Falle Kosovos: Möglicherweise gibt es viele der kosvovarischen Diaspora die mehr oder weniger betroffen sind, z.B. da sie vielleicht gerne im Kosovo leben würden, aber nur unter anderen Umständen. Umstände die sie legitimerweise durch demokratische Partizipation versuchen zu erreichen.
Wieso Menschen, die (eine unbestimmt lange Zeit) im Ausland leben, weiterhin wählen dürfen, ist mir ein Rätsel. Genauso wie bei Auslandsschweizern.
Dann müssten aber auf jeden Fall alle, die eine gewisse Zeit hier leben, wählen und abstimmen dürfen. Wären Sie dafür?
Ich sehe das ähnlich. Obwohl es für mich auch einen wichtigen Grund gibt für die Partizipation von Auslandschweizerinnen: Jeder Mensch sollte demokratisch partizipieren dürfen. Als Nicht-Doppelbürger im Ausland käme man aber in die Situation, dass man nirgends Einfluss nehmen darf, was sicher nicht gut ist für die betroffene Person aber auch nicht für die Gesellschaft.
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