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Ich bin ebenfalls fassungslos. Allerdings leider aus einem anderen Grund.

Eins vorweg: Ich bin sicherlich weit davon entfernt die Verbreitung von Anders Breiviks Gedankengut zu unterstützen. Es mag wissenschaftlich interessant sein, seine Ideologie zu studieren, aber dazu benötigt es nicht den Buchhandel.

Mich besorgt hier das Selbstverständnis der Republik, mit öffentlicher Diffamierung die Zensur selbst in die Hand nehmen zu wollen. Ja, unsere Behörden arbeiten langsam und bürokratisch. Ja, ich bin gerade daran gescheitert selbst einen Antrag zur Indizierung einzureichen (ein Statement für die fehlende Überprüfung habe ich angefragt).

Aber: wo kommen wir hin, wenn die staatlichen Institutionen umgangen werden, um den Verkauf von unliebsamen Schriften umgangen werden? Der Fall des Manifests von Anders Breivik ist sicherlich ein klares Systemversagen, welches aufgezeigt und repariert gilt. Was aber tun in weniger klaren Fällen, in denen es eine neutrale Stelle mit geschultem Personal zur ausgewogenen Differenzierung benötigt? Wie umgehen mit berechtigten Argumenten der Gegenseite? Wo bleibt der Rechtsweg?

Die in Ihrem Artikel geschilderte "spontane Selbstzenzur nach Presseanfrage" ist für mich Indiz für die Angst vor dem Shitstorm in der Branche. Dies gibt der Cancel-Culture eine Macht, die leider der gebotenen Nautralität, der Differenzierung, meinem Verständnis von Rechtsstaat nicht entspricht.

Indem Sie es dabei belassen das staatliche System zu kritisieren, anstatt es zu nutzen, um die berechtigte Kritik in ein Verfahren zur Indizierung einzubringen tragen Sie ein Stück weit dazu bei, das System zu sabotieren, dass unsere Meinungsfreiheit garantiert.

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Sehr geehrter Herr H., danke für Ihren Kommentar. Ich sehe das anders: Jede und jeder soll tun und lassen, was er will, solange er andere damit nicht in ihrer Freiheit einschränkt. Aber er oder sie soll sich dafür auch Fragen gefallen lassen. Etwa: Warum verkaufen Sie das Manifest eines rechtsterroristischen Massenmörders? Dann kann man dazu eine Haltung haben. Und ich kann dann dazu ebenfalls eine Haltung entwickeln. Ich sehe wirklich nicht, was das mit Zensur zu tun hat. Wir verbieten gar nichts. Wir wundern uns vielleicht, warum dieses Werk nicht auf einem Index steht. Aber Wundern ist ja auch nicht verboten. Und eigentlich ist es ja genau anders rum: Warum besteht man bei Ex Libris so auf dem Recht? Kann man nicht auch unabhängig eine Haltung haben. Mein Punkt: Meinungsbildung sollte auch im Kapitalismus möglich sein, und das geht am besten mit Transparenz. Beste Grüsse, DR

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Lieber Herr Ryser

Im Artikel schreiben Sie:

Das Geschäft mit Breiviks Manifest kann auf jeden Fall weitergehen, zumindest nach den Standards, die Ex Libris für sich reklamiert.

Was mich diesbezüglich sehr Wunder nähme: Gibt es unabhängige Ethik-Standards oder gar einen unabhängigen "Index" (der bspw. menschenverachtenden Content listet), welche Ex Libris (natürlich freiwillig) heranziehen könnte, um ihr Sortiment auszumisten?

Ich glaube, ich halte nicht allzu viel davon, wenn sich einfach jedes Unternehmen nach eigenem Gutdünken in Selbstzensur übt, ohne dass diese zumindest transparenten Kriterien folgen würde. Idealerweise sollte auch öffentlich Buch geführt werden über solche "Takedowns", analog dazu wie es Internetfirmen/-seiten machen via Lumen database (u.a. Google, Twitter, YouTube, Wikipedia, Counterfeit Technology, Medium, Stack Exchange, Vimeo und DuckDuckGo machen mit).

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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· editiert

Das ist womöglich die eigentlich spannende Frage: In welchem Verhältnis stehen das Recht auf Freiheit und Moral – gerade auch bei Unternehmen?

Als erstes bekennt sich Daniel Ryser zum liberalen Rechtsverständnis. Er wolle nichts verbieten, sondern er frage ja nur:

  • Warum verkaufen Sie das Manifest eines rechtsterroristischen Massenmörders? Die Antwort: Es ist nicht auf dem Index des BPJM und nicht per Gericht verboten worden. Und «was nicht verboten ist, ist durch die Meinungsfreiheit geschützt» (siehe Stellungnahme des SBVV).

  • Warum steht dieses Werk nicht auf einem Index? Die Antwort: Offenbar handelt die BPJM erst auf äussren Anstoss hin – was bisher nicht geschah. Eine spannende Folgefrage wäre gewesen, warum hat es kein Gericht verboten? Denn die Frage ist, ob hier, sprich in der Schweiz, nicht die Rassismus-Strafnorm greifen würde.

  • Warum besteht man bei Ex Libris so auf dem Recht? Die Frage ist also, weshalb ein privates Unternehmen nicht zwischen legal und legitim unterscheidet, also zwischen rechtlicher Freiheit und moralischer Berechtigung bzw. «richtiger» Moral. Die Antwort: «Der Buchhandel ist keine Zensurinstanz für umstrittene Werke» (siehe Stellungnahme des SBVV)

Daraufhin sagt DR: «Ich sehe wirklich nicht, was das mit Zensur zu tun hat. Wir verbieten gar nichts». Denn es gehe ihm einzig um «Meinungsbildung». Diese «sollte auch im Kapitalismus möglich sein, und das geht am besten mit Transparenz».

Bezweckt sollte also nicht, dass das Buch auf den Index gelangt oder von Rechtes wegen verboten wird, sondern dass Unternehmen und ihre Kund*innen transparent eine Meinung bilden könnten.

Wobei man der Transparenz halber schon auch zugeben könnte, dass mit dem framing («Boykott» usw.) schon auch bezweckt wird, dass das Buch vom Handel genommen wird – sei es jetzt auf dem Index oder nicht. Und zwar aus einer rein moralischen «Haltung» heraus. Was in folgenden erst ironischen, dann ernsten und schliesslich wieder ironischen Passagen transparent wird:

Das ist eine wunderbar schweizerische Haltung: Wir überlassen den Entscheid den Deutschen, wir selbst bleiben mal lieber neutral. Auf die Frage, wie man den Verkauf gegenüber den Überlebenden und den Angehörigen der Opfer erkläre (…).

Deutschland hat gesprochen. Weiterverkaufen!

Einer Moral, die ich im Übrigen teile. Aber private Unternehmen, als (juristische) Personen betrachtet, können schon mal aus systemischen Gründen «psychopathisch» agieren, sprich sich nicht um Moral, Empathie und Menschlichkeit kümmern (sorry für die abermalige Pathologisierung ;-).

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Theologe
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Da weisen Sie auf einen wichtigen Punkt hin. Eigentlich wäre das Aufgabe der staatlichen Organe. Allerdings sehen wir bei vielen aktuell drängenden Themen von Artensterben über Digitalisierung bis Pandemie, wie begrenzt wirksam staatliche Eingriffe sind, wenn sie nicht von der Gesellschaft individuell und gemeinschaftlich getragen werden.
Wir leben in einem System, das zum Profit einzelner massenhaft Dinge, Substanzen, Ideen produziert, die die Zukunft unserer Lebensform massiv in Frage stellen.
Das ist doch krank. Ebenso, dass Produkte allein aus Angst vor Profiteinbussen aus dem Verkehr gezogen werden.

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Theologe
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Ich bin fassungslos. Bisher ging ich blauäugig davon aus, dass im Buchhandel gewisse ethische Standards gelten. Aber Geld machen ist soo wichtig. Und Rückgrat zeigen ist soo schwierig. Zum Kotzen!

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Ich verstehe die Antwort auch nicht. Eine Sache ist es vielleicht, so etwas ausversehen in seinem Sortiment zu haben, eine andere, sich zu weigern das herauszunehmen, vor allem mit der genannten Begründung.
Immerhin hat Orell Füssli reagiert, aber warum nicht einfach zugeben, dass man es als Reaktion auf die Anfrage entfernt hat und sich vielleicht für den Hinweis bedanken?

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ExLibris hat mich Buchhandel nichts zu tun...

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Vielleicht wäre möchtegern-Amazon eine passende Bezeichnung?

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Warum wird er hier als Massenmörder und nicht als Terrorist bezeichnet? Weil er weisser Christ ist?

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Sehr geehrter M. G.hanem, wie meinen Sie das? Im Text wird Anders Breivik als Massenmörder und Rechtsterrorist bezeichnet. Beste Grüsse, DR

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Im Titel wird er als Massenmörder bezeichnet. Das ist ja leider usus dass man bei nicht-muslimischen Attentätern oft eine andere Wortwahl hat. Massenmörder ist natürlich seht schlimm, hat aber doch eine andere Konnotation als Terrorist

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Im Hinblick auf eine gewaltfreien Sprache finde ich die Bezeichnung Massenmörder besser, denn es bezeichnet die schreckliche Tat und nicht wie Terrorist eine wahrgenommene Geisteshaltung. Terrorist wird weltweit seit Jahrzehnten inflationär verwendet, auch um politische Gegner zu diffamieren.

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Ex Libris war als Verlag und mit Unterstützung des Migros-Kulturprozents bis in die 80er Jahre ein sicherer Wert für gute Bücher und seltene Tonaufnahmen Schweizer Musiker in Kleinauflagen. Dann starb mit dem Aufkommen des Neoliberalismus die Reihe "Musikszene Schweiz" und damit ein bewundernswerter Teil der Kulturförderung durch die Migros- Genossenschaft.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Der Fairness halber sollte man auch noch erwähnen, dass die geäusserte Haltung nicht nur jene von Exlibris oder Orell Füssli ist, sondern jene des Schweizer Buchhändler-
und Verleger-Verband
. So lautet die Stellungnahme des SBVV zum «Umgang mit umstrittenden und/oder verbotenen Büchern»:

Durch Gerichte verbotene Bücher und Medien sowie solche, die wegen rassistischer, menschenverachtender oder gewaltverherrlichender Inhalte auf dem Index der deutschen Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften geführt sind, bietet der Deutschschweizer Buchhandel nicht an.

Dass trotz interner Kontrollen in der gesamten Lieferkette solche Werke in den Katalogen auftauchen können, ist bei dem riesigen Angebot und den teilweise nicht eindeutigen Verzeichnissen nicht vollständig auszuschliessen. Werden die betroffenen Händler darauf aufmerksam gemacht, sind diese bereit, entsprechende Titel aus ihrem Sortiment zu entfernen.

Hingegen steht der Deutschschweizer Buchhandel aus Überzeugung zum Prinzip: Was nicht verboten ist, ist durch die Meinungsfreiheit geschützt.

Der Buchhandel ist keine Zensurinstanz für umstrittene Werke. Der Buchhandel steht für die Freiheit des Wortes, für die Meinungsvielfalt und die freie politische Debatte in einem demokratischen System. Mit seinem breiten Medienangebot leistet er einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Vielfalt und zum gesellschaftlichen Diskurs.

Ob und wie Buchhandlungen mit Titeln, die zwar nicht verboten sind, aber umstrittenes Gedankengut verbreiten, umgehen – ob sie aktiv angeboten oder bestellt werden –, ist dem einzelnen Unternehmen überlassen.

Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband SBVV, Frühling 2019

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Der Buchhandel ist das eine, aber wer verlegt solchen Schund?

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Auf ExLibris nicht mehr zu finden. Die scheinen entgegen der Aussage auch reagiert zu haben. Danke fürs Intervenieren.

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Lieber Herr W., das ist nicht entgegen der Aussage: Die Ex-Libris-Sprecherin sagt im Text, man habe die Schrift „sicherheitshalber“ aus dem Sortiment genommen, werde sie aber wieder reinnehmen, falls sie nicht auf dem Index sei.

Freundliche Grüsse, Bettina Hamilton-Irvine

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Ups, da hab ich wohl zu rasch gelesen. Danke fürs Präzisieren. Zu hoffen ist dass sie hinter den Kulissen zur Einsicht kommen, dass sie auf solches Mist verzichten können...

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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· editiert

Die «Banalität des Bösen», die auf fehlender Urteilskraft beruht, materialisiert sich als Technik. Sprach man bei Hitlers «Mein Kampf» von «technischen Fehlern», heisst es nun bei Breiviks «2083»: «Wir können diese Bücher nicht alle selber bewerten».

Allein in der Schweiz erscheinen pro Jahr über 10'000 Bücher, in Deutschland über 70'000 und in den USA über 300'000 – und das sind nur die Neuerscheinungen und -editionen. On-Demand-Titel, Public-Domain-Werke, Self-Publishing und Mikro-Nischen-Publikationen sind da noch ausgenommen (in den USA käme man mit diesen auf über 3 Mio. Bücher pro Jahr!).

Wird im relativ kleinen (Independent-)Buchhandel noch jedes Buch inhaltlich betrachtet, beurteilt und ausgewählt, wird bei grossen Online-Buchhändlern einfach alles, das nicht extern ein red flag erhält, automatisch ohne jede semantische Inhaltsanalyse in den Katalog aufgenommen.

Nicht nur hier, ist das mit der Technik als Materialisierung der «Banalität des Bösen» gemeint.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Ahhh, die Segen des globalen und digitalen Just-in-time-Kapitalismus! Recherchiert man etwas weiter so findet man heraus, dass der Verlag Lightning Source Inc. heisst, «a printer and distributor of print-on-demand books» und eine business unit der Ingram Content Group, welche auch schon mit Barnes & Noble fusionieren wollte. Der Sitz in LaVergne, Tennessee, USA verspricht mit dem 1st Amendment ein maximal hohes Mass von Meinungsfreiheit. In den USA erscheinen über 300'000 Bücher pro Jahr – und das sind nur die Neuerscheinungen und -editionen, mit den On-Demand-Titel, Public-Domain-Werke, Self-Publishing und Mikro-Nischen-Publikationen sind es über 3 Mio. Bücher pro Jahr.

Im Standard (18.1.21) heisst es mit Bezug zum Fall Hugendubel:

«Der Buchhandel stößt bei dem Versuch, antisemitische oder rassistische Inhalte – zum Beispiel durch entsprechende Schlagworte – herauszufiltern, aktuell an Grenzen.»

Das liege einerseits an der «Findigkeit der Herausgeber», die Sperren verhindern würden, indem sie für den gleichen Titel eine neue ISBN-Nummer oder einen neuen Verlagsnamen vergeben. «Zum anderen gibt es international leider keine einheitliche und verfügbare Systematik beziehungsweise Organisation, die ähnlich wie die Bundeszentrale für jugendgefährdende Schriften, Bücher mit derartigem Inhalt auf den Index setzt», heißt es.

Daher seien gerade fremdsprachige Publikationen herausfordernd. Sämtliche von Kunden gemeldeten Inhalte, die das Breivik-Buch zeigen, seien entfernt worden. Seit kurzem arbeite das Unternehmen mit betroffenen externen Organisationen, um diskriminierende Inhalte zu identifizieren.

Hugendubel erklärt, dass in seiner Datenbank aus 10 Millionen Büchern automatisiert Kataloge von anderen Verzeichnissen und Händlern bezogen werden. Dabei habe man erst jetzt bemerkt, dass der Titel vorhanden war und diesen nun entfernt.

Nun möchte man schon wissen, wer die «betroffenen externen Organisationen» sind und weshalb es in einer Welt, die doch schon seit einer Weile globalisiert und digitalisiert ist, es «international leider keine einheitliche und verfügbare Systematik beziehungsweise Organisation» gibt, «die ähnlich wie die Bundeszentrale für jugendgefährdende Schriften, Bücher mit derartigem Inhalt auf den Index setzt».

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Im Stil des Index librorum prohibitorum, den die katholische Kirche bis in die Sechziger herausgab? Ich weiss nicht so recht.... Stellt sich umgehend die Frage: wer definiert, was nicht nur jugend- sondern grundsätzlich gefährdend ist bei Millionen von Büchern? Ob das wirklich ein hilfreiches Instrument sein könnte? Einfacher wahrscheinlich, die Buchhändler*innen und Verlage des Vertrauens zu unterstützen, die diese Selektion noch ernst nehmen, wie es Daniel Ryser vorschlägt. Und die anderen möglichst links liegen zu lassen. Oder eben rechts.
Danke für die Recherche.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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· editiert

Grundsätzlich ganz ihrer Meinung. Indizierung finde ich auch problematisch. Ein politisches Problem zu individualisieren mag zwar einfacher erscheinen, da in unserer liberalen und individualistischen Gesellschaft naheliegender. Doch um wirksam zu sein, bedarf es einer kritischen Masse. Beim Journalisten Daniel Ryser vordergründig durch Transparenz, Meinungsbildung und Haltung zeigen und fordern. Am Ende geht es jedoch schnell um Public Shaming, Empörungsspirale, Boykottierung oder Deplatforming. Als Resultat erhält man zwar keinen staatlichen Index, sondern einen privatwirtschaftlichen auf Druck der kritischen Masse. Nicht nur nicht einfacher, sondern – wegen derselben Willkürgefahr – auch nicht unproblematisch.

Ihre Frage «Wer definiert die Kriterien?» ist wichtig, sowie auch «Welche Kriterien sollen gelten?»

Breiviks «2083» als Exempel ist nun das eine (Hitlers «Mein Kampf» oder Kaczynskis «Unabomber Manifesto» sind ebenfalls noch erhältlich), aber wie ist es etwa mit dem ganzen Bücherschrank und Blätterwald vom rechten Rand? Also etwa Jochen Kopps Kopp-Verlag oder Jürgen Elsässers Compact-Magazin? Und was ist mit jenem vom linken Rand (man erinnere sich an Indymedia)?

Welche Kriterien bedürfte es?

  • BPJM-Index? Welche Kriterien für «jugendgefährdend» nutzen diese?

  • Verdachtsfall, Beobachtung oder Urteil durch den Verfassungsschutz?

  • Rechts-Urteil wegen Volksverhetzung bzw. Rassismus-Strafnorm?

  • Moralisches Urteil durch eine kritische Masse oder meinungsbildende Medien?

Elsässers Compact-Magazin bspw. ist beim Verfassungsschutz ein Verdachtsfall, ist aber noch in manchen Kiosken erhältlich. Zum Kopp-Verlag wiederum heisst es:

Durch eine Kleine Anfrage der SPD-Landtagsabgeordneten Rita Haller-Haid im Landtag von Baden-Württemberg wurde im Dezember 2015 bekannt, dass das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg den Verlag in regelmäßigen Abständen anhand öffentlich zugänglicher Veröffentlichungen prüft. Hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen des Verlags gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung lagen laut der Antwort des Innenministeriums Baden-Württemberg jedoch nicht vor. Eine systematische und nachrichtendienstliche Beobachtung des Verlags sei deshalb nicht gerechtfertigt. Insgesamt zeige sich, dass das aktuelle Verlagsangebot nur wenige Bücher umfasse, die von rechtsextremistischen Verlagen herausgegeben werden oder von rechtsextremistischen Autoren stammen. Diese Schriften bedienten sich «naturgemäß rechtsextremistischer und antisemitischer Argumentationsmuster». Die Bücher, die in der öffentlichen Diskussion als Beleg für eine rechtsextremistische Ausrichtung des Verlags herangezogen würden, seien «in der Regel im Buchhandel frei erhältlich und können auch über eine Vielzahl von anderen Anbietern im Internet bezogen werden.»

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Ich verstehe nicht ganz wie das funktioniert- prüft der Buchhandel selber, gibt es in der CH keine behördliche Stelle wie in D? Warum ist das erst jetzt ein Thema? Breiviks Schrift ist ja sicher nicht das erste "Werk" dieser Art.
Kann man "mein Kampf" noch kaufen? Oder ist das in D, in der CH verboten?

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"mein Kamp" ist wohl das Gründungswerk dieser Prüfstelle. Das Problem ist unsere föderale Struktur. Die Bundesprüfstelle prüft nur auf Antrag. Einen Antrag stellen kann eine Landeseinrichtung oder die Polizei / Zoll. Die Landeinrichtungen haben sich zusammengeschlossen und keine Informationen dazu auf der Webseite. Daher habe ich die Pressestelle um weitere Informationen gebeten.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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· editiert

2015 wurde dies ja erneut diskutiert, als nämlich die Urheberrechte für Hitlers Hetzschrift «Mein Kampf» ausliefen.

Von einem grundsätzlichen Verbot kann nicht die Rede sein, allein die Publikation von "Mein Kampf" war bislang illegal: Der Freistaat Bayern war bislang Inhaber der urheberrechtlichen Verwertungsrechte und verhinderte so den Nachdruck des Buches. Zu diesem Zweck recherchierten Beamte des Bundeslandes weltweit nach Nachdrucken. Der bloße Besitz von "Mein Kampf" war bisher nicht verboten. So kursieren nach wie vor Originalausgaben von "Mein Kampf", etwa in Antiquariaten. Sie dürfen dort verkauft und gekauft werden. Auch der Verleih in Bibliotheken ist legal.

In den USA - dort hat Amazon seinen Hauptgeschäftssitz - greift das Urheberrecht des Freistaats ebenso wenig wie etwa in Großbritannien. Grund: Der nationalsozialistische Eher-Verlag hatte die Urheberrechte bereits in den Dreißigerjahren an dortige Verlage verkauft. Sie haben mit den Lizenzrechten viel Geld verdient. Vor rund zwei Jahren stand "Mein Kampf" vorübergehend auf der Liste der E-Book-Bestseller bei Amazon.com - an Kunden in Deutschland wird es aber nicht geliefert.

Trotzdem ist es auch in Deutschland relativ leicht, sich das Buch zu beschaffen, dafür sorgt allein der graue Markt. Zuletzt war es sogar über die Seite buchhandel.de, die offizielle Vertriebsplattform des deutschen Buchhandels, zu beziehen. Dort wurde Hitlers Machwerk aus der sogenannten Reihe "Classics To Go" für 1,07 Euro als E-Book angeboten - sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch. Das Angebot wurde inzwischen gelöscht. Es habe sich um einen technischen Fehler gehandelt, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Man habe bei den E-Books auch Titel ausländischer Anbieter im Sortiment, die in ihrem Ursprungsland frei verkäuflich sind. Unkommentierte Neudrucke von "Mein Kampf" habe man nicht verkaufen wollen - die entsprechenden E-Books habe man manuell aus dem Angebot entfernen müssen, weil es dafür kein automatisches technisches Verfahren gebe.

Auch hier wirkt der «technische Fehler» wie eine faule Ausrede. Aber ich denke, dass tatsächlich die Millionen Publikationen nur noch automatisch aufgenommen werden, d. h. sie werden schlicht nicht mehr sorgfältig nach Inhalt betrachtet und ausgewählt (ein Filter mit, sagen wir, Index-Schlagworten würde zwar, wenn auch nicht hinreichend, helfen, find ich).

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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· editiert

In der Schweiz gibt es, soweit ich weiss, kein Pendant zur «Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien» (BPJM). 2009 reichte Walter Donzé von der EVP die Interpellation zur «Schaffung einer Bundesstelle für Jugendschutz» ein – und zwar aufgrund des Rammstein-Albums «Die Liebe ist für alle da». Man muss also auch aufpassen, was man sich wünscht. Die Erfüllung zeitigt womöglich unangenehme Nebenfolgen.

Die Interpellation wurde i. Ü. ablehnend «erledigt» und zwar mit folgender Begründung:

Gegenüber der Schaffung einer Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien ist aus verschiedenen Gründen Skepsis angezeigt.

Erstens werden die potenziell zu prüfenden Inhalte von Musiktiteln, Computerspielen, Filmen und anderen Medieninhalten in grossen Massen hergestellt und sind via Internet weltweit verfügbar, was einen nicht zu bewältigenden Prüfaufwand bedeuten würde.

Zweitens kann die Veröffentlichung von Listen mit indizierten Medien den unerwünschten Effekt haben, dass die Popularität solcher Medien sprunghaft ansteigt.

Drittens besteht die Herausforderung, für die Einstufung eines Mediums als jugendgefährdend eindeutige Beurteilungskriterien zu beschreiben und die praktische Umsetzung, Überwachung und Einhaltung eines entsprechenden Beschlusses zu gewährleisten.

Aus diesen Gründen setzt der Bundesrat zunächst auf die Zusammenarbeit mit den Branchenverbänden, welche teilweise europaweite Systeme kennen, sowie auf die Stärkung der Medienkompetenz sowohl der Jugendlichen selbst wie auch ihrer Eltern. Sollte dieser Weg nicht zum gewünschten Erfolg führen, sind weitere Massnahmen zu prüfen.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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· editiert

Wie in der Schweiz gilt überall: «Geld stinkt nicht». Was verkauft werden darf, wird auch verkauft. Breiviks Manifest wurde nicht nur hier oder in Deutschland, sondern sogar in Norwegen selbst verkauft. «Eine Hassschrift im Sortiment?» Natürlich! Auch Hitlers «Mein Kampf» wird frei feil geboten. Und zwar nicht nur die wissenschaftlich einordnende kritische Fassung.

Und drei dicke Bände? Das lädt man besser doch gleich gratis über die nächstbeste Plattform runter. Was schon bei Hitlers und nun auch bei Breiviks Hassschrift global gemacht wird (wie schon Breivik sich im Internet radikalisierte). So nahm sich der Massenmörder Tarrant, der 50 Muslime in Christchurch ermordete, Breivik und sein Manifest zum Vorbild und verfasste ein eigenes: «The Great Replacement».

Zynischer Realismus beiseite: Wenn sich die Verbreitung so oder so nicht verhindern lässt – Was tun?

Die Journalistin und Autorin von «Einer von uns. Die Geschichte eines Massenmörders», Asne Seierstad, schrieb zu beiden:

After my book about Mr. Breivik was published, I was often asked: Why do you publish his words and methods? I believed he was more dangerous as a symbol and less of an inspiration when seen with all his human failings.

Dies umfasst auch die Beschreibung der psychologischen Seite:

Mr. Breivik was diagnosed with a narcissistic personality disorder by court psychiatrists; Mr. Tarrant displays similar traits. He wrote in his manifesto that he not only expects to be released but hopes to be awarded the Nobel Peace Prize. He should be free after 27 years, he wrote, like Nelson Mandela, after serving «for the same crime».

Dabei ist die Beleuchtung der psychologischen Seite nicht automatisch eine haltlose Pathologisierung. Und sie ist auch nicht gleich eine bequeme Verharmlosung, sondern im Gegenteil erhöht das Bild noch die Gefährlichkeit. Aber sie bedeutet auch keine Stigmatisierung anderer, da noch viele Voraussetzungen hinzu kommen müssten, wie etwa die Radikalisierung und/oder Organisierung in gewaltbereiten Kreisen.

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fotografie, texte, webpub&lektorin
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Nun, darf ich nachfragen: Haben Sie die Anregung/den Antrag denn nun gestellt? Falls nicht, wie geht sowas vor sich? Danke.

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