Aus der Arena

Ex Libris will Manifest des Massenmörders Anders Breivik weiterhin verkaufen

Eine Hassschrift im Sortiment? Kein Problem für die Gross­buchhandlung: Was nicht auf dem Index ist, wird verkauft. Auf persönliche Präferenzen könne man keine Rücksicht nehmen.

Von Raimond Lüppken und Daniel Ryser, 26.01.2021

Kürzlich kam es in den sozialen Netzwerken zu einem Boykottaufruf gegen das Münchner Buchhandels­unternehmen Hugendubel, nachdem bekannt geworden war, dass im Hugendubel-Onlineshop das Manifest des Massen­mörders Anders Breivik verkauft wird.

Die eineinhalb­tausend­seitige Hassschrift diente dem norwegischen Rechts­terroristen als Grundlage für seine Anschläge am 22. Juli 2011 in Oslo und auf der Insel Utøya, bei denen 77 Menschen ums Leben kamen. Kurz vor den Taten verschickte er die Schrift an 1003 Mail-Empfänger.

Hugendubel verlangte für Band 3 des Werks 49,49 Euro.

Hugendubel besitzt 49 Prozent von Orell Füssli. Und tatsächlich: Auch bei Orell Füssli ist das Manifest im Sortiment. Zumindest war es das, bis die Republik beim Unter­nehmen nachfragte. Ein paar Stunden später war es plötzlich verschwunden. Offenbar kam es an dem Tag, an dem die Republik nachfragte, zu einem erstaunlichen Zufall: Nachdem das Werk über längere Zeit von Orell Füssli verkauft worden war, sei es just in den fünf Stunden zwischen der Republik-Anfrage und der Antwort der Presse­stelle im Rahmen einer «sorgfältigen und regelmässigen stichwort­artigen manuellen Prüfung (…) entdeckt und umgehend aus unserem Online-Shop entfernt worden». Das Buchsortiment umfasse immerhin elf Millionen Titel, schreibt Orell Füssli: «Wir können diese Bücher nicht alle selber bewerten.»

Ex Libris reagierte auf die Anfrage der Republik genau gleich – obwohl die beiden Unter­nehmen nichts miteinander zu tun haben: Das Sortiment umfasse Millionen von Artikeln, man leiste einen Beitrag an die kulturelle Vielfalt des Landes. Selbst­verständlich halte man sich dabei an das Gesetz. Ausgenommen seien deshalb durch Gerichte verbotene Bücher und Medien, «die wegen rassistischer, menschen­verachtender oder gewalt­verherrlichender Inhalte auf dem Index der deutschen Bundes­prüfstelle für jugend­gefährdende Schriften geführt sind».

Wir wollen Sie, liebe Leserschaft, nicht mit dem Manifest des Massen­mörders Breivik langweilen, drum anders gesagt: Es ist ziemlich schwierig, auf den 1500 Seiten seines Manifests nichts Rassistisches, Menschen­verachtendes oder Gewalt­verherrlichendes zu finden.

Weiter schreibt die Sprecherin von Ex Libris in ihrer Antwort im Hinblick auf den Index der Bundes­prüfstelle: «Genau zu diesem Index laufen unsere Abklärungen noch. Wir haben das Buch sicherheits­halber aus dem Sorti­ment genommen, behalten uns aber vor, dieses wieder ins Sortiment aufzu­nehmen, wenn sich heraus­stellt, dass es nicht im Index verzeichnet ist.»

Das ist eine wunderbar schweizerische Haltung: Wir überlassen den Entscheid den Deutschen, wir selbst bleiben mal lieber neutral. Auf die Frage, wie man den Verkauf gegenüber den Überlebenden und den Angehörigen der Opfer erkläre, antwortet das Unter­nehmen: Man behalte sich bei Ex Libris vor, das Buch wieder zu verkaufen. Man biete schliesslich ein sogenanntes «Voll-Sortiment» an, und dabei gebe es immer wieder Werke, die auf Kritik stossen würden. «Persönliche oder von Dritten besonders akzentuiert vertretene Meinungen und Präferenzen können nicht die Grund­lage für die Aufnahme oder den Ausschluss von Büchern sein», schreibt die Sprecherin.

Und weiter: «Wir muten uns nicht zu, als Zensur­stelle zu erscheinen, würden allerdings auch bei den Büchern eine umfassendere Gesetz­gebung begrüssen.» Dann, an uns Journalisten gerichtet: «Wir möchten hier auch klar darauf aufmerksam machen, dass, wenn die rechtsextreme Literatur in den Medien thematisiert wird, vor allem bei Titel­nennungen, dies zu einer von uns nicht gewünschten erhöhten Nachfrage führt. Hohe Medien­präsenz ist für diese Bücher und deren herausgebende Verlage die beste Werbung. Wollen Sie/wir das?»

Nun, «wir» wollen es nicht zwingend. Aber wir haben uns ja im Gegensatz zu Ex Libris auch nicht dafür entschieden, das Buch zu verkaufen und damit Geld zu verdienen. Was zur nächsten Frage führt: Wohin das Geld aus dem Verkauf des Massen­mörder-Manifests fliesse?

Für diese Frage, so die Sprecherin, würden wir uns bitte direkt an den Verlag wenden. Quasi: Was Ex Libris damit verdient, ist nicht der Rede wert.

Das Geschäft mit Breiviks Manifest kann auf jeden Fall weitergehen, zumindest nach den Standards, die Ex Libris für sich reklamiert: Wir haben diese «Abklärungen» bei der deutschen Bundesprüfstelle für jugend­gefährdende Medien, die laut Sprecherin am Laufen seien, für Ex Libris übernommen. Es war keine grosse Sache: Eine Mail an die Bundes­prüfstelle, ein paar Stunden später die Antwort: «Zu dem von Ihnen genannten Buch hat mangels Antrages/Anregung bisher kein Indizierungs­verfahren bei der Bundes­prüfstelle stattgefunden.»

Deutschland hat gesprochen. Weiterverkaufen!

Zu den Autoren

Raimond Lüppken ist freier Journalist, Fotograf und Rechts­extremismus­experte. Daniel Ryser ist Reporter der Republik.