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Diese Art von Beiträgen schätze ich in erster Linie an der "Republik": Ein Problem, über das wir Bürgerinnen und Bürger uns Gedanken machen müssen, weil wir eventuell darüber entscheiden werden, wird kompetent und facettenreich dargestellt, verschiedene Stimmen kommen dabei zu Wort. Brigitte Hürlimann hat einmal mehr demonstriert, was guten Journalismus ausmacht.
Einmal mehr hervorragende Arbeit der Republik! Ein wichtiges Thema aufgegriffen, sehr gut geschrieben und mit umfassenden sachlichen Informationen, welche eine eigene Meinungsbildung ermöglichen.
Schon vor längerer Zeit wurde übrigens als Lösungsansatz vorgeschlagen, eine gewisse Quote an Richterposten frei auszuschreiben und ohne Rücksicht auf allfällige parteipolitische Bindungen, also insbesondere auch an parteilose Kandidatinnen und Kandidaten zu vergeben (siehe H. Casanova, (Steuer-)Richterin oder Richter - ein Traumberuf?, in: Steuern und Recht - Steuerrecht, Liber amicorum für Martin Zweifel, Basel 2013, S. 314 ff., mit weiteren Hinweisen).
Aus eigener Erfahrung - und mithin natürlich subjektiv gefärbt - kann ich den Mechanismus auf Bundesebene bestätigen: Zweimal habe ich mich (als parteiloser langjähriger Verwaltung- bzw. Kantonsrichter und Titularprofessor der Universität Freiburg) auf spezifisch umschriebene Bundesrichterposten (einer davon in Teilzeit) in meinem Fachbereich beworben. Während mir das erste Mal meine Unterlagen postwendend kommentarlos zurückgesandt wurden, erhielt ich bei der zweiten Bewerbung immerhin einen Telefonanruf des zuständigen Präsidenten der Subkommission, Ständerat Luc Recordon. Dieser erklärte mir, ich habe zwar ein ausgezeichnetes Dossier eingereicht, doch wolle mich die Gerichtskommission nicht anhören, da man angesichts meiner Parteilosigkeit nicht wisse, wo ich stehe...
Sehr interessant, vielen Dank für Ihren Beitrag! So viel zum Thema, dass die fähigsten Juristinnen und Juristen auf die Richterbank gehören. Sollten.
Ach wissen Sie, geschätzte Frau Dr. Hürlimann, die Initiative und ihr Anliegen wären ja durchaus diskutabel, wenn da nicht die Person des Protagonisten A.G. wäre. Korrekterweise haben Sie ihn in einem Einschub kurz dargestellt. Gemeinhin gilt er als „Journalisten- und Gewerkschaftsschreck“. Allerdings. Den Jungen TA-Reporter Res Strehle - nachmals Chefredaktor des Blattes - soll er, als Strehle unangemeldet an einem „Antigewerkschaftsfest“ in Bürglen erschien, mit den Worten empfangen haben:“Raus mit Ihnen - ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen muss, wenn ich Sie sehe“. Wissen Sie, jemanden, der charakterlich so tickt, kann man nun wirklich nicht ernst nehmen, wenn er heute mit „Demokratie“, „Gewaltenteilung“ usw. salbadert. Es ist ja - ohne jahrelang Psychologie studiert zu haben - mit Händen zu greifen: Der Egoman ist verletzt, weil er die meisten seiner zahlreichen Prozesse verloren hat, insbesondere auch vor Bundesgericht, und meint nun, die Gerichte seien halt falsch - weil parteipolitisch - zusammengesetzt gewesen. Also investiert er „eine Million oder auch etwas mehr“, um dies zu ändern. Ich wiederhole mich: Die Initiative wird durch die Person A.G. stark entwertet.
Lieber Herr Fehr, ich gehe auch davon aus, dass die Personalie Adrian Gasser zu reden geben und zu Unmut führen wird. Es wäre allerdings schade, die ganze Thematik auf ihn zu fokussieren. Das Richterwahlsystem ist zu wichtig, um es alleine auf Herrn Gasser zu beschränken. Ihn kann man mögen oder nicht. Es gibt für beides gute Gründe. Mit freundlichen Grüssen, Brigitte Hürlimann
Ich wurde soeben zu einem Fan der Justizinitiative. Sie wäre in allen Belangen die bessere Lösung als das heutige Klüngel-Filz-System.
Nach meiner Erfahrung ist es insbesondere den linken Parteien herzlich egal, wie ihre Richterkandidaten politisch denken, solange sie die Mandatssteuer abgeben. Die Parteizugehörigkeit der Richterinnen lässt überhaupt keinen Rückschluss auf ihre Urteilspraxis zu. Da lässt man tatsächlich besser das Los entscheiden.
Das in den Kommentaren dominante Parteienbashing erstaunt mich doch sehr: Wer organisiert eigentlich die Demokratie und bietet den Wählerinnen und Wählern Alternativen an, nota bene meistens in unbezahlter Freizeitarbeit? und wer bildet die potenziellen MandatsträgerInnen aus? Ohne funktionierendes Parteiensystem gibt es meines Erachtens keinen Pluralismus und keine Demokratie. Dass dafür auch etwas Geld z.B. für Wahlplakate nötig ist, scheinen viele zu vergessen, wenn sie vermuten, dass die Mandatsabgaben in den privaten Taschen der ParteipolitikerInnen landen. Die gängige Alternative zu den Parteien sind übrigens "Volksbewegungen", die im Hintergrund von interessierten MilliardärInnen finanziert werden ... Die erkennt man meist daran, dass sie die Classe politique attackieren und dringend die Steuern senken wollen. Ich bin aber einverstanden, dass das Richterwahlverfahren diskutiert und verbessert werden sollte.
Lieber Herr M., wichtige Gedanken, die Sie in diese Debatte tragen. Die Parteien übernehmen tatsächlich eine tragende Rolle im demokratischen Staat. Bei den Richterwahlen, wenn es um die dritte Staatsgewalt geht, sollte aber meiner Meinung nach die Parteifinanzierung nicht im Vordergrund stehen. Und es ist ein unglaublicher Verlust, dass so viele fähige, begabte Juristinnen und Juristen nicht Richterin oder Richter werden, weil sie keiner Partei angehören - oder der falschen Partei. Beste Grüsse, Brigitte Hürlimann
Als nach wie vor parteiloser Jurist stört mich das System auch schon lange. Es hat jedenfalls dazu beigetragen, dass ich mich gegen eine Justizkarriere entschieden habe. Die Behauptung der Parteien, der Parteienproporz gewährleiste eine Repräsentation der verschiedenen Weltanschauungen, ist absurd, zumal nur eine Minderheit der Bevölkerung sich einer politischen Partei überhaupt verbunden fühlt (geschweige denn: ihre Weltanschauung teilt). Und wenn man bedenkt, dass im Nachbarland Deutschland nur die besten Juristen Richter werden können, während hierzulande Qualität und Leistungsausweis keinerlei Rolle spielen - absurd. Aus dem Bekanntenkreis kann ich auch bestätigen, dass Kollegen mit Richterambitionen regelmässig opportunistisch in jene Partei eintreten, die gerade den nächsten Sitz zu verschachern hat.
Immerhin: Nach meiner Erfahrung urteilen Richter nach ihrem besten Verständnis von Recht und Gesetz - unabhängig von Parteizugehörigkeit.
Nur kurz zu Ihrer letzten Äusserung: Stimmt, in aller Regel ist das so. Doch die Richter geraten immer mehr unter Druck, wenn sie parteipolitisch unabhängig urteilen. Siehe den Bundesgerichtsentscheid in Sachen UBS-Kundendaten. Sofort drohten Nationalräte mit der Nichtwiederwahl unliebsamer Richter.
Eine kleine Einschränkung zu Ihrem Hinweis, Herr Humm, auf das System in Deutschland: Das, was Sie ausführen, gilt bis und mit zweite Instanz (in Deutschland also Oberlandesgerichte). Sobald es um den Bundesgerichtshof bzw. das Bundesverfassungsgericht geht, kommt die Politik ins Spiel: Ein Richter-Wahlausschuss, in dem auch die politischen Parteien vertreten sind, sichtet die KandidatInnen und holt auch eine Empfehlung des Richtergremiums ein. Dann wählt dieser Ausschuss die/den Richter und der Bundespräsident bestätigt die Wahl. Im Wahlausschuss spielt die politische bzw. Parteizugehörigkeit der zu Wählenden durchaus eine Rolle, was hin und wieder auch zu öffentlichen Diskussionen geführt hat. Allerdings kann man wohl davon ausgehen, dass die Nominierten fachlich der Sache gewachsen sind. Aber ganz entpolitisiert ist die Wahl nicht.
Mìr als unabhängiger Bürger dient der Artikel von Frau Hürlimann primär der Meinungsbildung. Unabhängig der Initiativperson erscheint mir die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Richterunabhängkeit jetzt an der Zeit zu sein. Das Handeln der SVP jüngst gegen ihren eigenen Bundesrichter, die jüngere Gschichte in Polen, Ungarn, USA, lassen grüssen.
Genau das war meine Absicht: Grundlageninformationen für die Diskussion zu liefern.
Und wie kriegt man einen Richter weg? Es gibt Richter, die lassen sich über die Jahre kompromittieren. Das ist daraus ersichtlich, dass immer derselbe Anwalt bei demselben Richter jeweils seinen Fall gewinnt. Resp ein ambitionierter Kläger dann mit diesem Anwalt vor genau diesem Richter seinen Prozess durchzieht.
Sie sprechen ein weiteres, ganz wichtiges Thema an. Die Fallzuteilung. Diese sollte nicht von Menschenhand geschehen, sondern via Maschine. Oder nach einem System. Damit eben nicht der Verdacht aufkommt, es würden gewisse Fälle zu gewissen Zwecken gewissen Richtern zugeschanzt. Hier geht es um die Zusammensetzung des Spruchkörpers.
Die Parteien haben ohne Zweifel ihre Berechtigung in vielerlei Hinsicht. Die Frage ist nur, ob überhaupt - und wenn ja - welche Rolle sie bei der Besetzung von Richterposten spielen sollen. Einigkeit herrscht dahingehend, dass an diesen zentralen und für den Rechtsstaat sehr wichtigen Positionen die qualifiziertesten Fachkräfte sitzen sollen, und dass das Argument der Parteienfinanzierung in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen darf (dieses Problem muss anderweitig gelöst werden, sofern es denn wirklich eines ist).
Auch ich habe mehrfach beobachtet, dass sich opportunistische Richterkandidaten ohne Rücksicht auf eigene Wertvorstellungen, Grundsatz- oder Prinzipientreue just der Partei anschliessen, bei der freie Richterstellen zu besetzen sind - bedauernswerterweise mit grossem Erfolg. Das Argument, dass durch die Parteien also sichergestellt würde, dass alle „Weltanschauungen“ angemessen vertreten sind, ist schon lange obsolet. Diese opportunistischen Richter prägen die Rechtsprechung, vor allem in Gemeinden und Kantonen, und dies leider mehrheitlich im negativen Sinn, denn Fachkompetenz und Integrität spielen hier keine Rolle. Gleichzeitig kenne ich gute Juristen, welche fachlich und persönlich hervorragend für das Amt als Richter/in geeignet wären, aber - mangels Bereichtschaft die eigene Seele an eine Partei zu verkaufen - auf ein Richteramt verzichten, wobei es sich nicht etwa um apolitische Persönlichkeiten handelt. Dadurch zeigen sie genau die Eigenschaft, welche wir uns für kompetente Richterinnen und Richter eigentlich wünschen sollten: Unabhängigkeit.
Angesichts der Tatsache, dass die Schweizer Bevölkerung in ihrer Gesamtheit statistisch gesehen viel eher durch Parteilose als durch Parteizugehörige vertreten wäre, war das heutige System nie zeitgerecht. Es ist höchste Zeit, daran etwas zu ändern und die Grundlage dafür zu schaffen, dass sowohl Parteilose als auch Parteizugehörige sich einzig und allein durch ihre Fachkompetenz für diese Ämter qualifizieren, alles andere ist eines Rechtsstaates unwürdig.
Schliesse mich dem Kompliment an!
Parteipolitik ist ein alter, Zeit- und Energiefressender Hut.
Wir könnten aufhören damit und unsere Demokratie weiterentwickeln.
Gerade kürzlich wurde in Basel mit Stichentscheid des Präsidenten (CVP) ein Vorstoss versenkt, der die Transparenz der Parteienfinanzierung zum Thema hatte. Unser Aussenminister weibelt für einen Tabakkonzern und konterkariert damit die Präventionsbemühungen der WHO und notabene des eigenen Gesundheitsministers. Der gleiche Herr lässt Zahlungen eines russischen Oligarchen zu ,um die Schweizer Botschaft in Moskau einzuweihen . Da kommt diese Initiative genau richtig. Danke Euch für den guten Bericht und Recherche. Wie man sieht, es gibt noch einiges zu korrigieren.
Die Initiative tönt gut und will vermeintlich Probleme im heutigen System lösen, mit keinem Wort wird aber erwähnt, welche neue Probleme sie damit Schaft. Im heutigen System ist sicher gestellt, dass die Richterkandidaten sich unter normale Leute mischen müssen, in dem sie auch Parteiarbeit leisten. Wenn sie nur noch von Experten ausgewählt werden, dann besteht die Gefahr, dass die Nähe zur Bevölkerung verlohten geht. Abgehobene Richter werden abgehobene Urteile fällen. Den Richter haben einen grossen Spielraum bei ihren Urteilen.
Lieber Herr Noser, meine Erfahrung ist, dass sich die Richterinnen und Richter durchaus unters Volk mischen. Sie sind Vereinsmitglied, machen Sport, gehen ins Kino und Theater, engagieren sich ausserhalb der Justiz. Haben Sie andere Erfahrungen gemacht? Mit besten Grüssen, Brigitte Hürlimann
Wenn man zwischen dem neuen und dem heutigen System wählen müsste, würde wohl jeder einer unabhängigen Justiz Verpflichtete das neue wählen. V.a. gilt das, wenn er die uns antrainierte Abneigung gegen Losverfahren mittels Lektüre von Van Reybroucks Buch „Gegen Wahlen“ abgelegt hat. Lediglich mit dem Thema „Weltanschauung“ hadere ich ein wenig. Natürlich sind Richter nur dem Recht verpflichtet, aber die Praxis (u.a. Untersuchungen am Bundesverwaltungsgericht) zeigen, dass die Weltanschauung bei der Rechtsprechung eine Rolle spielen kann. Deshalb müsste dieser im bisherigen Wahlverfahren berücksichtigte Aspekt auch im neuen Verfahren berücksichtigt werden.
Stimmt alles, was Sie schreiben. Bloss: Die Sache mit der Weltanschauung klappt beim heutigen System nicht, da potenzielle Richterinnen und Richter jener Partei beitreten, die Richterposten zu vergeben haben. Oder sie wechseln die Partei flugs. Ich kenne ein Beispiel, da wechselte ein Richter von der SP zur SVP, der Karriere zuliebe.
Machen wir uns nichts vor, in der konservativen Schweiz hat eine solche Volksinitiative kaum Chancen auf Annahme. Ob es einen Gegenvorschlag geben wird, bezweifle ich (erstens weil sich das Parlament mit Gegenvorschlägen schwer tut und zweitens weil der Autor der Initiative aus verschiedenen Gründen (auch bei mir) nicht sehr beliebt ist, was aber für die inhaltliche Diskussion hier keine Rolle spielen soll).
Dass Richter durch ein Fachgremium und nicht durch das Volk, das Parlament oder die Regierung gewählt werden sollten, denke ich auch. Man müsste aber auch das Konzept in den romanischen Ländern, einen obersten Richterrat, in welchem Richter aus verschiedenen Instanzen vertreten sind, diskutieren. Ob der Richterrat durch die Regierung oder das Parlament gewählt würde, müsste man ebenfalls diskutieren. Die Wahl durch das Parlament wäre wohl ein guter Kompromiss.
Die Unkündbarkeit ist für die obersten Richter richtig, wenn (wie in den USA) sicher gestellt wird, dass nur Personen, die sich bewährt haben, als Kandidaten in Frage kommen, wenn es also eine Fachkommission oder einen Richterrat gibt, der sie auswählt. Für die erst- und zweitinstanzlichen Richter (die, jedenfalls soweit die kantonale Gerichtsbarkeit betroffen ist, nicht Gegenstand der Initiative sind) ist sie problematisch. Es geht ja nicht nur um "gute" Juristen, wie die Diskussion oft verkürzt geführt wird. Es geht mindestens so sehr um "fleissige" Richter. Faul sein ist ausser in Extremfällen kaum je eine schwere Amtspflichtverletzung und kann deshalb kaum je Grund für eine Absetzung sein.Wenn man 35-jährige Personen auf Lebzeiten wählt, wird man das jetzt schon akute Problem der faulen Richter verschärfen. Und damit man mich richtig versteht, mit "faul" fälle ich kein moralisches Urteil. Unter diesen Begriff fallen auch die Richter, die jeden Tag von 8 - 18 Uhr im Gericht sitzen und in ihre Akten starren, aber nichts gebacken kriegen, weil sie an jedem Entwurf ihrer Gerichtsschreiber unendlich lange herumdoktern. Eines der grossen Probleme dieses Landes ist die Langsamkeit der Behörden. So wird man wohl junge Richter zuerst für eine kürzere Amtszeit wählen und ihnen irgendeinmal tenure geben (ob das dann eine sehr lange Amtszeit ist oder lebenslänglich) wäre zu diskutieren.
Auch wenn die Initiative sich nur auf die Bundesgerichte bezieht: Die Parteibindung der RichterInnen ist - meiner Meinung nach - vor allem dort ein Problem, wo die politische Landschaft mehr oder weniger eine "Monokultur" ist - also in Kantonen/Bezirken, wo eine Partei ein sehr grosses Übergewicht gegenüber allen anderen hat. Dort ergibt sich fast automatisch eben kein weltanschaulich ausgewogen besetztes Gericht mehr. Allerdings wäre diesem Tatbestand auch nicht durch ein Losverfahren beizukommen. Denn in solchen Verhältnissen müssen die Kandidierenden ja zuvor ein Auswahlverfahren durch eine Kommission überstehen, die auch nicht "ausgewogen" bzw. "neutral" besetzt wäre.
Das scheint mir dann auch auf Bundesebene das Problem des vorgeschlagenen Verfahrens zu sein: Müssten alle Mitglieder einer Auswahlkommission parteilos sein, schlösse man qualifizierte Personen alleine auf Grund einer Parteizugehörigkeit aus. Man würde also das heutige Verfahren quasi umdrehen: Heute keine Richterstelle ohne Parteizugehörigkeit, dannzumal keine Kommissions-Mitgliedschaft mit Parteizugehörigkeit. In beiden Fällen kann/könnte es passieren, dass die fachliche Qualifikation hintansteht.
Mir scheint die Besetzung der Stellen nach Parteienproporz nicht nur negativ. Sie hat den Vorteil, dass die weltanschauliche "Richtung" der Gewählten einigermassen transparent ist (ganz wird sie es nie sein, schliesslich haben auch Parteien unterschiedliche "Flügel"). Negativ ist, dass Parteilose praktisch keine Chance haben - auch wenn sie sehr qualifiziert wären. Man könnte sich aber überlegen, ob nicht eine bestimmte Anzahl Richterstellen für Parteilose zu reservieren wären. Dann würde z.B. 3/4 oder 2/3 der Stellen nach Parteien-Proporz vergeben, der Rest müsste mit Parteilosen besetzt werden. (Ich habe allerdings Bedenken, dass das nur zu "verdeckter" politischer Auswahl führte)
Dringender als die Frage parteilos oder nicht, finde ich es, die ständige Wiederwahl abzuschaffen. Einmal gewählt - Amtszeit bis zum Eintritt des AHV-Alters, maximal zwei Jahre darüber hinaus. Das entzöge die RichterInnen parteipolitischen Abwahldrohungen. Allerdings müsste die Möglichkeit der Amtsenthebung einführen (wie in der Initiative auch vorgesehen).
Die Initiative selbst hat den Verdienst, dass sie eine Diskussion in Gang setzt. Der Initiant dahinter sorgte allerdings bei mir dafür, dass ich mir das Anliegen sehr genau angeschaut habe (womit ja etwas Positives erreicht wurde). Immerhin lehne ich sie jetzt nicht nur wegen des Initianten ab :-)
Als ich mit dem "Rechtsstaat" noch nichts zu tun hatte, sagte ich in Diskussionen jeweils inbrünstig, dass es "unseren Rechtsstaat" zu verteidigen gelte gegen diejenigen, die einen parteiischen, oder käuflichen "Unrechtsstaat" daraus machen wollen.
Nun HABE ich aber seit bald sechs Jahren mit diesem "Rechtsstaat" zu tun!
Das heisst, ich bekam (ungewollt, notgedrungenermassen) die Gelegenheit, diesen und seine Funktionsweise näher kennen zu lernen.
Erste Erkenntnis: Es gibt ekelhafte Kontrahenten, die sich aber sehr gut auskennen im "Paragraphen-Dschungel", da sie anscheinend Jus im Haupt-, oder Nebenfach studiert haben. Ich nenne solche Zeitgenossen und Mitbürger "Legale Terroristen".
Zweite Erkenntnis: AnwältInnen sind manchmal mit Prostituierten zu vergleichen. Für viel Geld machen die fast alles... Und um den Gegner des ekelhaften Kontrahenten, der sich ja dann auch eineN teureN AnwältIn leisten muss, fertig zu machen, ist ihnen keine Strategie zu fies und zu hinterhältig.
Dritte Erkenntnis: Die Richter...
Nun, auf das Urteil eines solchen Richters warte ich noch. Es wird Anfangs Oktober erfolgen. Ich finde, er hat die Klage meines ekelhaften Kontrahenten an der ersten Gerichtsverhandlung ganz in meinem Sinne als offensichtlich konstruiert dargestellt, ist dann aber in einen "Schlichtungsmodus" gekippt, so dass bei mir ein etwas mulmiges Gefühl aufkam, da ich in Erfahrung brachte, dass sich der Richter und der ekelhafte Anwalt meines ekelhaften Kontrahenten gut kennen, so dass ein "Päckli" zwischen den beiden zumindest denkbar wäre.
Idealerweise sollte ein Richter "über der Sache" stehen, überhaupt nicht parteiisch sein und ganz der Gerechtigkeit verpflichtet sein.
Dieser "Ideal-Richter" müsste aber Gott persönlich sein!
Realistischerweise sorgt ein Richter dafür, dass gemäss den Gesetzes-Paragraphen entschieden wird, unter Mitberücksichtigung der Gründe, welche zu bestimmten Verhaltensweisen führten, so dass auch die Verhältnismässigkeit gewahrt werden kann.
Rechts-Paragraphen des Gesetzes wiederum sind Resultate politischer Machtkämpfe, idealerweise wiederum unter demokratischen und rechtsstaatlichen Bedingungen.
Wie ideal funktioniert diese Demokratie? Mit dieser Frage öffnen wir eine weitere "Büchse der Pandora"...
Die Politik legt also bereits mit den gesetzlichen Grundlagen fest, in welchem Rahmen sich die Justiz und damit auch die RichterInnen zu bewegen haben.
Sollen politische Parteien auch noch die Richter (nach Parteizugehörigkeit) bestimmen?
Solche Richter wären dann aber offensichtlich parteiisch, ähnlich wie die (zum Teil) käuflichen Anwälte!
Aus Gründen der Professionalität geht so etwas eigentlich GAR NICHT!
Auch JournalistInnen und ZeitungsmacherInnen sollten aus professionellen Gründen heraus auch keine Parteimitglieder sein! (Abschreckendes Negativ-Beispiel: Roger Köppel und seine "Weltwoche")
Dennoch wird jedeR RichterIn eine persönliche Meinung, ein persönliches Weltbild und persönliche Vorlieben haben, also Identität, Persönlichkeit und Charakter!
So wie Du und ich. Merke: Auch Richter (und Journalisten) sind Menschen!
Aber in ein (zu enges) Parteiprogramm hinein passen sollten alle diese Dinge nicht.
Na gut, das CVP-Parteiprogramm ist dermassen Wischiwaschi und "sowohl, als auch", dass eine CVP-Mitgliedschaft noch drinliegen könnte. Für die SP gilt das wohl auch noch, da die SP sich noch im weiten Feld der "Gemässigten Mitte" bewegt.
SVP? Nein Danke! Zu eng, zu extremistisch, zu wenig "integriert"! Bitte draussen bleiben! Zutritt zum Richteramt strengstens verboten für Hassprediger und Rassisten!
Sie sollten darüber hinaus gehen, im Sinne von "Menschlichkeit".
Ja, ein Richter sollte Menschen mögen!
(Auch die ekelhaften Schurken ein ganz klein wenig...)
Vielen Dank für den informativen Bericht! Von der Initiative hatte ich vorher noch nie gehört... Mich würde allerdings interessieren, ob es ausser den betroffenen Parteien noch andere ernstzunehmende Kräfte gibt, die die Initiative ablehnen? Umgekehrt gefragt, gibt es ausserhalb der Parteien sachliche Argumente für das gegenwärtige System?
Tja... die Initiative tönt gut, auch wenn ich persönlich ein bisschen skeptisch bezüglich der lebenslangen Amtsdauer bin. Wenn die Amtsdauer befristet ist wird zumindest in regelmässigen Abständen ein neuer Blickwinkel eingeführt. Ausserdem wird das Gremium ein wenig verjüngt und Korruption erschwert, weil man immer wieder eine neue person unter die eigene Kontrolle bringen muss.
Ausserdem ist da halt immer noch der etwas schale Nachgeschmack: Was hat Herr Gasser davon? Es fällt mir schwer zu glauben, dass dies tatsächlich rein altruistische Motive zum Hintergrund hat. Sein Name ist auf jeden Fall ein Argument gegen die Initiative für mich.
Diese Initiative ist überfällig. Daran ändert der Verfasser gar nichts. Und Herr Gasser wird wohl kaum noch etwas davon haben. Er ist heute 76 Jahre alt und sollte die Initiative angenommen werden, wohl schon weit über 80 bis sie in Kraft tritt.
Nun, wie gesagt, grösstenteils ok... Das Argument "er ist ja so alt" zieht aber nun so gar nicht, im Gegenteil: Die meisten so richtig miesen ideen kommen von reichen, weissen, alten Männern. Die scheint es dabei auch wirklich nie zu interessieren, dass sie doch eigentlich bald den Löffel abgeben.
Aber eben, mal schauen was am Ende rauskommt. Zumindest da gehe ich nämlich einig mit Ihnen: das derzeitige System ist Müll.
Wenn Juristen die Parteien von ganz links nach ganz rechts wechseln, um Richter zu werden, zeigt das, dass auch in diesem Punkt das heutige System ungenügend ist. Ich bin für die Neuerung. Mir scheint es einfach so zu sein, dass die Grundwerte einer Person - auch wenn sie juristisch noch so qualifiziert ist - bei der Besetzung von Richterstellen nicht einfach vernachlässigt werden darf -trotz fehlender Verfassungsgerichtsbarkeit.
Eine Qualitaetskontrolle waere auch noch gut, resp zwingend. Im Nachhinein werden hin und wieder Urteile bewertet, und als mangelhaft/verbesserungswuerdig befunden. Da muesste im Wiederholungsfall eine Nachschulung stattfinden, und falls das nicht funktioniert, ersetzen des Richters. Allenfalls Schadensersatzpflicht. Dann gibt es die Faelle, wo nicht vernuenftig schnell gearbeitet wird. Im Wiederholungsfall sollte allenfalls eine Rueckstufung angedacht werden. Von internationalen Faellen auf des Nachbarn Hund..
Das verstehe ich jetzt nicht - fast jedes Urteil kann an eine obere Instanz weitergezogen werden. Das ist doch Qualitätskontrolle - oder? Und: wer sagt, was "vernünftig schnell" ist?
Nein, denn Weiterziehen ist mit enormen Kosten verbunden, die der Klagende erst mal vorzuschiessen hat. Viele koennen sich ein Weiterziehen nicht leisten, oder haben die Kraft nicht mehr.
Nein, Qualitätskontrolle wäre, wenn der Richter, der Mist gebaut hat Konsequenzen hätte. zB , einen Schulungskurs, bis Rauswurf im Wiederholungsfall.
Die einfachste und grosszügigste Definition von "schnell genug" sind die Verjährungsfristen. Das wäre doch schon mal ein Anfang. Sie arbeiten nicht in der Wirtschaft ? Die erste Frage ist jeweils : weshalb nicht bis Morgen/naechsten Montag/naechsten Monat.
Guten Tag Frau Hürlimann, ich habe eine Verständnisfrage. Ich habe gemeint, dass die vier BundesrichterInnen, die per Ende Jahr zurücktreten, Mitglieder der Grünen bzw. der SP sind (je zwei). Sie schreiben, dass voraussichtlich drei dieser Sitze an die SVP und ein Sitz an die SP gehen würden. Wie passt das zusammen?
Liebe Verlegerin, die Parteien dürfen nicht die Jobs der zurücktretenden Richterinnen und Richter "erben". Bei jeder Neuwahl wird der Parteiproporz angeschaut. Wer hat gemäss der jetzt gerade geltenden Wahlstärke "Anspruch" auf wie viele Richtersitze? Darum ist es auch interessant, dass die vier frei werdenden Sitze am Bundesgericht so kurz vor den eidgenössischen Wahlen besetzt werden sollen. Nach den Wahlen könnte die Wahlstärke ja allenfalls anders aussehen. Beste Grüsse, Brigitte Hürlimann
Vielen Dank für die prompte Antwort, Frau Hürlimann. Ich dachte mir schon, dass die Parteien die Sitze am Bundesgericht nicht einfach "erben" können. Ich habe mir lediglich folgendes überlegt: wenn von 38 BundesrichterInnen 4 Linke zurücktreten und diese Sitze zu 75% an die SVP gehen würden, würde das bedeuten, dass per heute das politische Sprektum der Bundesrichterschaft sich eindeutig links von der politischen Realität bzw. der geltenden Parteiproporz befindet. Falls meine Interpretation richtig ist: wie ist das überhaupt zustande gekommen?
Der Herr Kollege Humm lobt hier das Richterwahlverfahren in D in den höchsten Tönen („... dass im Nachbarland Deutschland nur die besten Juristen Richter werden können“). Hm. In D werden die Richterinnen/Richter nicht durch das Volk oder ein Parlament gewählt, sondern auf allen Ebenen in einem komplizierten Verfahren durch Richterwahlausschüsse „berufen“. Allerdings: Diesem Verfahren schlägt herbe Kritik entgegen: Es sei intransparent, und es spiele - neben der fachlichen Qualifikation - auch die parteipolitische Ausrichtung der Kandidierenden eine Rolle (Quelle: WIKIPEDIA, in der Regel zuverlässig). So so. Scheint also auch nicht das Gelbe vom Ei zu sein.
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