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Beiträge zu «Widerruf!»



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Danke für dieses kleine Stück Allgemeinbildung. Genau das brauche ich als Stimmbürger und auch als Leser/Hörer anderer Medien: Kurze und verständliche Erklärungen von Begriffen, die oft verwendet und selten erläutert werden, veranschaulicht an einem Beispiel.
(Das gilt nebenbei auch für einige Stücke aus der Serie "Auf lange Sicht".)

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Leiten wir gerne den Autorinnen und Autoren weiter!

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Vielen Dank an Frau Kunz für das gelungene Auseinanderflechten der verschiedenen Rechtsbegriffe. Solches liest man sehr selten, zumal die Republik kaum Gerichtsberichte von ausserhalb des Strafrechts bringt.

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Tolle Verknüpfung von Rechtsbegriffen und Sachverhalten des Falls. Sehr aufschlussreich. Danke

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Ein Feedback, das aufmuntert und motiviert. Und einfach Freude macht.

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"Widerruf!" Danke für den sehr differenzierten und damit interessanten Artikel zum "administrativen Landesverweis".

Weil ich es unlogisch finde, von jemandem, der seine ganze Sozialisierung in der Schweiz erfahren hat, zu sagen, dass er nicht integriert sei – genauer: dass er sich schon als Kleinkind in der Spielgruppe zu wenig integriert habe –, habe ich Mühe mit dem administrativen Landesverweis.

In solchen zumindest diskutablen Fällen ist es Sache der Gerichte, dafür zu sorgen, dass auch die vierte oder eigentlich erste Voraussetzung der Rechtsstaatlichkeit, die Logik, gewahrt bleibt. Es ist an den Gerichten, Widersprüche nicht im Sinne der politischen Mehrheit zuzudecken, sondern davon unabhängig mit Logik und Augenmass aufzulösen. Damit zeigt es sich, wie wichtig es ist, dass Unparteiische entscheiden, eben Richter.

Indessen, jedoch, ABER: bei uns werden die Bezirksrichter zwar vom Stimmvolk gewählt, aber kommen nur auf die Liste, wenn die IPK, die Interparteiliche Konferenz, sie akzeptiert hat. Ein SP-Mitglied und guter Jurist, das alle Voraussetzungen erfüllt, muss also auch für die SVP akzeptabel sein. Natürlich müssen die Richterkandidaten auch auf der Linie ihrer Partei liegen. Ein Kollege mit Ferienhaus in der Toskana und Toyota beklagte sich einmal bitterlich, dass er vor Jahren extra in die SP eingetreten sei, um Bezirksrichter zu werden, und die Partei ausgerechnet jetzt, da Wahlen anständen und Plätze F. seien, Frauen besonders fördern wolle und er nicht Bezirksrichter werden könne. (Bei der nächsten Wahl schaffte er es dann und wurde nach ein paar Runden Oberrichter, immer noch mit Ferienhaus in der Toskana, nun aber mit Mercedes.)

Die oberen Richter werden nach analoger Auslese vom Kantonsrat gewählt, einer politischen Kammer, in welcher besonders die geführte Partei SVP fast immer und in Ausländerfragen strikt der Parteilinie folgt. Kommt hinzu, dass die Richter ihren Parteien erheblichen Summen dafür zahlen müssen, dass sie ihr Amt ausüben dürfen. (Bei den Römern konnte man die Steuereintreibung für ein Gebiet pachten – vgl. in verrem.)

Das kann man kritisieren oder bagatellisieren. Weil sowieso kein System perfekt ist, und wir in der Schweiz immer noch viele andere Checks and Balances haben, ist es vielleicht gar nicht so schlimm.

Problematischer ist, dass es nicht nur um die Wahl geht, sondern um Karrieren inklusive Abwahl. Wenn also ein Richter einer Partei nicht mehr passt, kann sie es, allein oder im Rahmen von Kompensationsgeschäften zusammen mit anderen Parteien, durchsetzen, dass der Richter abgewählt wird. Zu extrem ist diese Behauptung nicht, denn die geführte Partei SVP hat genau das den Bundesrichtern – nicht nur ihren - mehrfach angedroht. Im Jahr 1990 brachten sie es fertig, dass SP-Bundesrichter Schubarth abgewählt und erst Wochen später nach öffentlichen Protesten im zweiten Wahlgang doch noch gewählt wurde. Später wurde er hinausgedrängt, weil er einen Journalisten angespuckt (aber nicht getroffen) und nicht bloss beim Husten Spucke verspritzt habe. (Besonders objektiv kann man das in der NZZ nachlesen, deren Journalist die Spucke nicht traf. Eine EMRK-feste Beweisführung und damit ein verbindliches Ergebnis gibt es jedoch nicht.) Andererseits fällt auf, dass Bundesgerichtsentscheide, an welchen SVP-Richter massgeblich beteiligt waren, vom EGMR besonders oft aufgehoben werden (2015 zum Beispiel im Fall Kassensturz mit 6:1 Stimme). Die SVP will dieses Gericht nicht mehr.

Auf kantonaler und Bezirksebene brauchte es das Extrem der politischen Entlassung weniger; es läuft diskreter: Ein Bezirksrichter fällt Urteile, welche einer Partei nicht passen? Sie setzt sich dafür ein, dass er auf ewig Bezirksrichter bleibt und nie Oberrichter werden kann. So wird dafür gesorgt, dass alle den Scheitel an der gleichen Stelle tragen und das Frühstücksei – wie auf Liliput – am richtigen Ende aufschlagen.

Ich gebe es zu, ich habe mit kräftigen Strichen gezeichnet. Aber wie der im Artikel beschriebene Fall zeigt, ist die Unabhängigkeit der Gerichte extrem wichtig. Heute betrifft es die Ausländer, morgen dich.

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Grüezi Herr O., danke für ihre weitergehenden Überlegungen. Dass in der Schweiz bei der Richterinnenkür das Parteibuch überhaupt eine solch grosse Rolle spielt, wirft ja immer wieder Fragen auf. Deshalb versuchen wir bei der Republik ja auch genau hinzusehen. Wie sie sagen: Gerichte müssen unabhängig sein - sonst besteht die Gefahr der Justizlotterie. Je nach dem, wer wen und was beurteilt, hat man dann eben mehr Glück oder weniger.

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Danke für die Antwort, Frau Kunz.

Die Parteisteuern, welche die Richter (und Staatsanwälte etc.) abliefern müssen, sind ganz erheblich: Sie können einen Monatslohn ausmachen. Vor etwa 15 Jahren (aus der Erinnerung) wollte ein Richter seine Parteisteuer nicht mehr zahlen, worauf ihm die Partei mit der Abwahl drohte. Wer für sein Amt den Preis nicht bezahlt, wird sanktioniert und verliert es unter Umständen. Weil die Parteienfinanzierung geheim ist und die Parteisteuern erheblich sind, wird keine Partei das System ändern wollen.

Die Unabhängigkeit der Justiz wird so erheblich reduziert. Montesquieu ist halt für viele in der Schweiz doch nur eine Käsemarke.

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Liebe Frau Kunz. Könnten Sie noch ergänzen, wie sich das Verwaltungsgericht mit der Udeh-Praxis des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes (Anwesenheitsrecht für nicht schwer kriminelle Ausländer, die ein Kind in der Schweiz haben) auseinandersetzt? Interessant ist nämlich, dass alle Gerichte bis zum Bundesgericht trotz Udeh gegen Schweiz Wegweisungen bestätigen, auch wenn die Fälle günstiger als der Fall Udeh liegen. Grund ist der politische Druck, Schweizer Recht vor der EMRK anzuwenden. Dies führt dann zu völlig sinnlosen und teuren Verfahren, wo alle Instanzen bis zum Bundesgericht die Wegweisung bestätigen und Strassburg sie wieder aufhebt. Das ist eigentlich nicht derr Sinn der EMRK-Beschwerde, die Enhtscheide aus Strassburg sollten für die nationalen Gerichte verbindliche Präjudizien sein.Nur noch eine kleine kritische Bemerkung: Dass der Mazedonier die Verwarnung nicht verstanden hat, das glaube ich nicht. Ich glaube durchaus, dass seine Anwältin dies plädiert, man stellt aber auf dem Gebiete der Ausländerkriminalität ein merkwürdiges linguistisches Phänomen fest. Geht es z.B. um eine Zulage zur Sozialhilfe, sind die Sprachkenntnisse C2, geht es um eine Mahnung oder eine Verpflichtung sinken sie rapide auf A 0.

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Sehr geehrter Herr Eggenschweiler, ganz herzlichen Dank für ihre Anmerkungen. Ja, mir scheint auch, dass die verschiedenen Rechtssprechungen sehr "out of tune" sind - was zu dem von ihnen treffend beschriebenen Widersinn führt. Hinsichtlich des "linguistischen Phänomens" hatte ich ganz ähnliche Gedanken wie sie - bis ich das Dokument sah. Bei dem dort in schweren Passivkonstruktionen und mit zeilenlangen Gesetzeskürzeln verschränkten Rechtsvokabular kommen sie auch mit einem C2 nicht weit.

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Generell sollte man sich als Gerichtsbarkeit meines Erachtens auch immer fragen, was die Intention eines Gesetzes ist. Die ist (in der Schweiz und in Österreich gleich) die, dass Kriminelle ausgewiesen werden können, wenn sie a) in ihrem Herkunftsland nicht mit Tod oder Verfolgung bedroht sind (Menschenrechte) oder b) sie schwere Delikte begehen. Die Intention dahinter scheint klar zu sein - Mörder, Vergewaltiger etc. dürfen nicht die Rechte des Gastlandes missbrauchen. Hier gelten dann eben andere Regeln. Ob - wie im Beispiel - ein Fahren ohne Helm oder der Diebstahl eines Autos vor vielen Jahren oder andere "kleinkriminelle" Vergehen gemeint sind, ist strittig und würde dazu führen, dass die Gerichtsbarkeit Politik macht. Das ist im Sinne der Gewaltentrennung wohl nachteiliger, als wenn der beispielhafte Ausländer sein Leben auf die Reihe zu bekommen versucht und dies seit mehreren Jahren auch nachweislich schafft.

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Danke für die spannende und wichtige Ergänzung/Einordnung.

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(von der Moderation verborgen)

Wir dulden keine Beschimpfungen und haben Ihren Beitrag gelöscht.

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