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Ich versuche aus diesem anspruchsvollen Interview folgende wesentliche Punkte herauszulesen:
Wie alle technologischen Entwicklungen, alle „Fortschritte“ im Laufe der Menschheitsgeschichte haben auch die digitalen Technologien sozioökonomische Ursachen und führen zu einschneidenden sozialen und ökonomischen Veränderungen. Und wie bei allen solchen Veränderungen stehen gewaltige politische und finanziell-wirtschaftliche Machtinteressen als treibende Kräfte dahinter.
Ich staune immer wieder, wie naiv und unbedarft Politiker*innen und Ökonomen die Digitalisierung vorantreiben, ohne sich über die sozialen und gesellschaftlichen Folgen und massiven Kollateralschäden Gedanken zu machen. Das Gesundheitswesen ist ein Beispiel unter vielen.
Genau so wenig, wie der Kapitalismus alternativlos und schicksalshaft ist, sind die digitalen Technologien Naturereignisse. Sondern sie sind von Menschen gemacht und können auch von Menschen verändert und in die Schranken gewiesen werden.
Das ist enorm anspruchsvoll, schwierig und braucht den vollen Einsatz einer aufgeklärten Öffentlichkeit.
Mögliche Lösungen werden in diesem Interview aufgezeigt. Grundsätzlich, denke ich, muss das Internet von unten her demokratisiert werden.
Mir gefällt besonders
Genau so wenig, wie der Kapitalismus alternativlos und schicksalshaft ist, sind die digitalen Technologien Naturereignisse. Sondern sie sind von Menschen gemacht und können auch von Menschen verändert und in die Schranken gewiesen werden.
Dazu passt der Begriff „Selbstwirksamkeit“:
Eine Komponente der Selbstwirksamkeitserwartung ist die Annahme, man könne als Person gezielt Einfluss auf die Dinge und die Welt nehmen (internaler locus-of-control, siehe Kontrollüberzeugung), statt äußere Umstände, andere Personen, Zufall, Glück und andere unkontrollierbare Faktoren als ursächlich anzusehen.
Zu häufig erlebe ich mangelndes Vertrauen in die eigene Selbstwirksamkeit in meinem Umfeld. Und das bei ganz unterschiedlichen Themen:
„Google hat doch eh schon alles, was bringt das noch?“
„Der Flieger hebt auch ab wenn ich nicht einsteige!“
„Als ob meine Stimme jetzt noch etwas daran ändern würde...“
Darum tolles Statement für den Glauben an unsere Selbstwirksamkeit, Herr Kienholz :)
Danke, sehr einverstanden!
Ein etwas umständliches Interview mit einem interessanten Schluss. Die Idee die Kommunen und Städten als digitale Labors zu verwenden um neue Ideen zu entwickeln finde ich sehr interessant. Allerdings frage ich mich schon ob das angesichts der faktischen Monopole für gewisse Bereiche noch funktionieren kann. Ist das Zeitfenster nicht bereits wieder geschlossen. Nehmen wir z.B. Threema, wie soll sich diese App gegen WhatsApp durchsetzten wenn sich doch „alle“ bereits in dieser globalen Community tummeln? Warum sollten User die App wechseln ausser aus Gründen der Datenhoheit? Aber wie viele Leute kümmert das wirklich? Das funktioniert vielleicht für neue Ideen, für die es noch keine Apps gibt. Wie stellt sich Hr Morozov vor, die Daten zu dem Kommunen zu verschieben, ich meine praktisch. Man kann ja kaum gesetzlich verbieten, dass persönliche Daten freiwillig, was ja heute mittlerweile meistens der Fall ist, an die Tech Konzerne übermittelt werden.
Vermutlich wird eine solche Änderung nicht mit Gesetzen machbar sein, sondern mit eine grosszügigen Förderung von alternativen (Kommunalen) Projekten die sich dann als bessere Alternativen herausstellen könnten.
Guten Tag Herr Baumberger. So wie ich es verstanden habe, soll hier den Städten die Mittlerrolle zukommen.
Klar können Städte sagen: es ist uns egal, ob in unserem öffentlichen Raum unsere Bürgerinnen private eBike/eTrotti-Verleiher nutzen und auch AirBnb. Aber die Kosten werden dadurch teilweise externalisiert, siehe Wohnungsnot, die Einheimischen finden kaum eine bezahlbare Wohnung. Und dann muss die öffentliche Hand einspringen. Also versuchen Städte wie Barcelona und Amsterday einen bürgerfreundlichen Deal mit den Tech-Giganten abzuschliessen und sagen: ihr könnt das anbieten, aber nur wenn ihr transparent macht wie ihr die Daten handhabt (siehe Debatte der chinesischen Bike-Verleiher), und die Nutzer diese selbst verwalten und komplett löschen könnt, bei Bedarf.
Das ist natürlich weit entfernt vom Ziel der Datengenossenschaften/kommunen, aber ein Anfang. Kommunen haben durchaus regulatorischen Gestaltungsspielraum bei der Zähmung von Datenkonzernen. Ziel muss die komplette Datenhoheit bei Bürgerinnen sein. Wenn dieses Modell ein Erfolg wird, würde es auch von anderen Städten kopiert werden.
Anderseits muss die öffentlich Hand auch eigene Altrnativen, wie Sie schon geschrieben haben, fördern. Ebenso soll die Datenportabilität Pflicht werden und es sollten auch offene Kommunikation-Standards lanciert werden, so dass der Threema-User verschlüsselt auch an den Whatsapp-Nutzer Nachrichten schicken kann, wie das auch bereits mit Emails möglich ist.
Lieber Herr Baumberger, ich muss Ihnen recht geben: Es wäre interessant gewesen, die Frage, wie eine solche öffentliche Datenverwaltung auf kommunaler Ebene aussehen soll, detaillierter Anzusehen. Einige interessante Elemente wurden ja genannt, aber es trifft natürlich zu, dass die Entwicklung von Daten als Gemeingut sehr schnell an Grenzen stösst, wenn private Akteure die Träger der wesentlichen Dienste bleiben. Also wohl doch die grossen Tech-Firmen zurückbinden.
Was Kommunen im Gegensatz zur Privatwirtschaft tun könnten und unbedingt sollten, wären nicht 1:1-Alternativen zu Whatsapp&Co finden, sondern die dezentralen und offenen Ansätze, die es technisch längst gibt, entschieden zu fördern. Die Privatwirtschaft "kann" das derzeit nicht, weil eine zentrale, intransparente und möglichst grosse Plattform halt aktuell ökonomisch am effizientesten zu betreiben ist, und am meisten Kundenbindung und damit Geschäftserfolg erzeugt. Die Privatwirtschaft ist diesem Erfolg verpflichtet, und nichts anderem.
Die Aufgabe der öffentlichen Hand hingegen ist es, der jeweiligen Kommune Sorge zu tragen, und robuste Infrastruktur dafür anzubieten. Robustheit (z.B. auch gegen Manipulation) ist ein gutes Argument für dezentrale Strukturen. Eine Stadtverwaltung kann nun z.B. für ihre eigenen IT-Bedürfnisse konsequent die passenden OpenSource-Ansätze nutzen und die Steuergelder in deren Verbesserung stecken, anstatt in den Cloud-Hype. Tut sie das, wirkt das Geld doppelt - die Resultate gehen weit über den direkten Nutzen in der Verwaltung hinaus, weil rundherum Know-How (und Dienstleistung) zu diesen offenen Lösungen aufgebaut wird, die jede*r nutzen kann. Für die Gesellschaft ist das ein Profit, und nicht, wenn die Aktionäre globaler Plattformen reich werden.
Wir müssen und können die Rolle von Bürgern und Tech-Konzernen umkehren. Wie im Interview betont, werden wir immer mehr von den Tech-Konzernen aufgrund ihres Datenmonopols kontrolliert (Überwachungskapitalismus). Die heutige Wirtschaft basiert auf der Tatsache, dass wir alle selbst entscheiden, wie wir unser Geld anlegen oder ausgeben. Genauso können wir eine zukünftige faire Datenwirtschaft erreichen, wenn die Individuen die Kontrolle über ihre Daten erhalten. Das ist möglich, da Daten kopierbar sind und wir mit der Datenportabilität in der EU Datenschutzgrundverordnung und bald auch im CH Datenschutzgesetz ein Recht auf eine Kopie all unserer Daten erhalten. Da nur Individuen das Recht und die Möglichkeit haben werden, all ihre persönlichen Daten (Gesundheit, Einkäufe, Geolokalisation, soziale Netzwerke, etc.) zu aggregierten, erhalten sie eine neue Macht. Techkonzerne und neue Start-ups können neue Datendienstleistungen anbieten, für die wir mit Geld und nicht mit unseren Daten bezahlen, so wie wir das von Finanzdienstleistungen gewohnt sind. Individuen entscheiden, welche Dienstleistungen sie nutzen wollen. Persönliche Daten sind im Gegensatz zu anderen Werten gleichmässig verteilt. Ausserdem liegt die Wertschöpfung nicht im Datensatz einer einzelnen Person, sondern im Kollektiv. Organisieren wir die Daten-Banken als gemeinnützige Genossenschaften, kommt die Wertschöpfung aus den von Bürgern für bestimmte Zwecke freigegebene Daten der Gesellschaft und nicht nur den Techkonzernen zu gute. Auch Techkonzerne werden diese Daten nutzen wollen, da sie auf diese Art mehr verschiedene Daten verarbeiten können, die die Bürger bewusst zur Verfügung gestellt haben. In Datengenossenschaften, wie wir es mit der MIDATA Genossenschaft aufzeigen, haben Individuen nicht nur die absolute Kontrolle über ihre Daten, als Mitglieder der Genossenschaft können sie auch die Genossenschaft demokratisch steuern. Wenn Individuen die Kontrolle über ihre Daten nutze entsteht ein neues faires Datenökosystem, welches Landesgrenzen sprengt und den Weg ebnet für eine Datendemokratie, in der Mensch wieder das Subjekt und nicht das Objekt ist.
Im Vergleich zur grossartigen Ankündigung im Infomail: „In einer Zeit, in der viele von uns glauben, die Menschheitsfragen seien nur noch ein Big-Data-Problem, fragt sich Morozov, wie sich das entwickelt hat. Und er verweist auf die Machtstrukturen hinter den Technologien“, hat das Interview wohl eine ganz kleine Maus geboren, sorry. Wieviel Faschismus darf es denn noch sein? Erdogan, der alles was ihm nicht passt im Gefängnis verschwinden lässt; Orban mit seiner Zwangsarbeit in Form von Überstunden, die er vier Jahre lang nicht bezahlen lassen will; Kaczyński's PIS, die bereits wesentliche Teile einer rechtsstaatlichen Gewaltentrennung abgeschafft hat; Bolsonaro, der Landlose ermorden lässt und zum Abfackeln des Regenwaldes aufgerufen hatte; ein US-Präsident, der gerade mal jeden mittels Drohne umbringen lässt, der ihm nicht in den Kram passt oder die Ein-Mann-Diktatur über 1,4 Milliarden Menschen mit über einer Million in Konzentrationslagern? Und dagegen sollen jetzt kommunale Datengenossenschaften helfen, HALLO.
Es ist Ihre Behauptung, dass kommunale Datennutzungsmodelle gegen Erdogan und Bolsonaro helfen sollen. Bedeutet die Tatsache, dass zur Zeit autokratische und semiautokratische Systeme Hochkonjunktur haben, Ihrer Meinung nach, dass andere Probleme nicht mehr angegangen werden dürfen, dass kleinräumige autonome Lösungen nicht zu diskutieren sind? Eine Regelung von AirBnB auf kommunaler Ebene, um mehr günstigen Wohnraum zu schaffen, wird das Problem der türkischen Kurden und Gülen-Anhänger nicht lösen, aber vielleicht einigen Familien mit nicht so viel Geld eine Wohnung verschaffen. Ich werfe dem Interviewten eher vor, dass er nicht konkreter mit Bezug auf das Problem, wie denn die Rechte zur Datennutzung von den grossen Tech-Konzernen auf den Einzelnen und die Kommunen übergehen soll, wird. Um überleben zu können, müssen wohl SPS, SPD und SPÖe ein etwas grösseres Daten-Projekt vorschlagen, als nur eine algorithmische AirBnB-Kontrolle oder den Online-Bezug von Betreibungsauszügen.
wieso schreiben sie im ersten nebensatz (und überhaupt) des personenbeschriebs, dass er einen starken slawischen akzent hat?
Darf ich fragen, warum Sie das irritiert? Als Leserin mache ich mir gern ein Bild, wer der Mensch ist, der eine Theorie vertritt. Der Hinweis auf einen Akzent dünkt mich an sich so relevant wie die Haar- oder Hautfarbe, die Kleidung oder der Familienstand. Trotzdem geben solche Informationen meinem Bild Farbe, manchmal sogar Leben. Das freut mich und gefällt mir.
Lieber Anonymous, das Detail erschien mir erwähnenswert, weil Morozov ja einer der erfolgreichsten Journalisten weltweit ist, ein grossartiges, lexikalisch extrem reiches Englisch schreibt - und das obwohl Englisch ganz und gar nicht, und bis heute spürbar, seine Muttersprache ist. So etwas finde ich extrem bewundernswert. Aber vielleicht kam das etwas missverständlich rüber, so als wollte ich mit der Bemerkung einen Vorbehalt anmelden. Das ist absolut nicht der Fall.
liebe frau I., lieber herr binswanger
vielen dank für ihre antwort, herr binswanger.
ich wusste dieses detail nicht klar einzuordnen. ich finde das erwähnen einer präzisen sprachgewandtheit in einer fremdsprache sehr schön und auch wichtig, da es m. e. kaum platz für dieses detail hat, obwohl es breit anerkannt wird, dass sprache und ausdruck wirklichkeit schafft. insbesondere im englischen haben viele das gefühl, dass es eine "einfache" sprache sei.
Das Interview mit Morozov berührt einige interessante Fragen:
Sind Daten ein öffentliches Gut? Wenn ja: Wer hat die Kontrolle über sie? Eigentlich wäre die Frage einfach zu beantworten: Der demokratische Staat. Aber im Moment beobachten wir, dass demokratische Staaten zu Überwachungsstaaten werden, immer unter dem Vorwand, gegen den Terrorismus zu kämpfen. Dass der unkontrollierbare Privatbesitz der Daten durch Quasi-Monopole wie Google kein Alternative wäre, versteht sich. Ob die Daten auf kommunaler Ebene kontrolliert werden können durch demokratisch gewählte Instanzen, das müsste sich erst noch zeigen.
Ich würde aber einen Schritt weiter gehen: Daten und ihre Verarbeitung sind charakteristisch und unverzichtbar für die derzeitige Form der Kapitalverwertung. Deshalb müsste eigentlich sie, also der Kern unserer kapitalistischen Wirtschaftsweise, als öffentliches Gut begriffen werden, nicht nur die Daten. Wir werden nicht zu einer wirklich demokratischen Wirtschaft gelangen, wenn wir nicht ihre Kernprozesse unter demokratische, öffentliche Kontrolle stellen werden. Wenn wir die derzeitige feudale Wirtschaftsform überwinden wollen und mit dem Demokratieversprechen der Aufklärung wirklich Ernst machen wollen, müssen wir die private Beschränktheit unseres Wirtschaftens aufheben. Die hilflosen Versuche, den Datenbesitz einzuhegen, werden nicht reichen. Und wenn wir unsere Wirtschaft als Gemeingut verstehen wollen, weil sie schliesslich die Grundlage unserer Existenz ist, dann stellen wir die Machtfrage, die Frage, wer denn über diese Grundlage verfügen darf. Die einzige Antwort: Demokratisch die, die von ihr unmittelbar betroffen sind.
Die Rolle von Macht und Politik muss geklärt werden. Ist es uns möglich, die Macht über unsere Lebensgrundlage wirklich zu erringen? Oder beschränken wir uns auf hilflose sozialdemokratische Versuche, den Kapitalismus einzuhegen durch einen demokratischen, politischen Prozess, der die Kapitalverwertung selbst nicht berührt? Die alte Frage stellt sich: Wollen wir, wie das die Sozialdemokratie bis heute gemacht hat, einfach nur zur Effizienzsteigerung des Kapitalverwertungsprozesses beitragen, indem wir ihn mit dem Schein der Einhegung umgeben und ihn scheinbar zivilisieren? Ich bin mit Morozov völlig einverstanden, aber wir müssten einen Schritt weiter gehen:
«Die Sozialdemokratie kann sich nicht damit begnügen noch einmal fünfzig Jahre lang dieselben Argumente zu wiederholen, weshalb wir den Sozialstaat nicht abbauen dürfen, sondern sie muss neue Institutionen, neue Praktiken, neue Infrastrukturen der kollektiven Verwaltung schaffen. In einem weiteren Schritt kann man das dann gegebenenfalls auf nationalstaatlicher Ebene replizieren. So ist vor über hundert Jahren die europäische Sozialdemokratie zu einer Macht geworden. Sie hat auf kommunaler Ebene soziale Leistungen erbracht: Bei der Gas- und Elektrizitätsversorgung, im Gesundheitswesen, im Wohnungsbau. Das schuf die Grundlagen, auf denen der Sozialstaat errichtet werden konnte.» Wollen wir diese Grundlage zu einer wirklichen sozialen Produktionsweise erweitern, dann müssen wir uns ernsthaft über eine wirkliche, demokratische Aneignung unserer Existenzgrundlage unterhalten.
Danke für das sehr wertvolle Interview. Es eignet sich hervorragend zum Start einer Debatte über die Frage wie wir mit Daten umgehen, wem sie gehören und wie und wozu sie genutzt werden können. Die vorgeschlagenen Ansätze kommunaler oder genossenschaftlicher Datenplattformen und Steuerungsformen sollten unbedingt weiter vertieft werden. Auch der entsprechende Fokus einer zeitgerechten Sozialdemokratie scheint mir vielversprechender als das meiste was aktuell im deutschsprachigen Raum diskutiert wird. Ich hoffe auf Fortsetzung und Vertiefung in der Republik. Interessant könnten auch vermehrte Darstellung und Einordnung kommunaler Good-Praxisbeispiele sein wie hier Amsterdam und Barcelona.
Schade, Herr Morozov hat leider nicht viele gute Ideen, wie man mit den Big Tech Firmen in Zukunft umgehen könnte. Es ist wichtig zu verstehen, dass Daten alleine keinen Wert besitzen; erst die Verknüpfungen zwischen den Daten ergeben einen echten Mehrwert. Die meisten Big Tech Firmen trainieren verschiedenste Algorithmen nach den gewünschten Optimierungs-Gesichtspunkten (z.B. Verkaufsmaximierung). Für das Training benötigen sie riesige Datenmengen und immense Rechenpower. Sobald ein Algorithmus aber trainiert ist, ist er intelligenter, effizienter und einfühlsamer als der beste Autoverkäufer.
Um Big Tech Firmen zu zerschlagen, reicht es also nicht, die persönlichen Daten wieder zu entfernen, weil der Algorithmus ja immer noch dem Unternehmen gehört und unteilbar ist. Hilfreich wäre eine Art künstliche Demenz: sobald ein User seine Daten löscht, vergisst Algorithmus einige Fähigkeiten, weil jeder einzelne User mit seinen Daten ursprünglich zur Intelligenz des Algorithmus beigetragen hat. Man könnte auch fordern, dass Big Tech Firmen (nebst Steuern zu zahlen) auch Algorithmen berechnen müssen, die der ganzen Gemeinschaft und der Politik nützlich sind und nicht nur zur Profitmaximierung des Unternehmens beitragen. Statt Big Tech Bashing: diesen Firmen eine Möglichkeit geben, sich der Gemeinschaft erkenntlich zu zeigen.
Lieber Swen
Ein einfacher wie naheliegender Gedanke: „sich der Gesellschaft erkenntlich zeigen.“
Mir fehlt leider das Fachwissen, um zu erkennen, auf welchen Gebieten die Algorithmen der IT-Unternehmen, die auf unseren Surf- und Konsumgewohnheiten basieren, dem ‚Staat‘ oder meinetwegen der Gesellschaft anders von Nutzen sein könnten als zur Überwachung der BürgerInnen
Kannst du positive Anwendungen nennen?
Lieber Andreas
Selbst Tech-Grössen wie Larry Page oder Mark Zuckerberg wollen irgendwann einmal als «good guys» in die Geschichte eingehen. Dummerweise laufen ihre berechneten Algorithmen in eine Richtung, die neben Profitmaximierung auch immer extremere Ansichten oder Videos begünstigen. Ein überstattliche Gesellschaft könnte z.B. fordern, dass diese Firmen ihre Algorithmen auch sozial optimieren, damit z.B. extreme Hass-Posts oder Gewaltvideos weniger schnell populär werden (obwohl sie mehr Klicks und damit mehr Geld generieren). Staatliche Präventionskampagnen (z.B. Suchtprävention) sollten ihr Zielpublikum so genau treffen können, wie Facebook es heute längstens schon kann. Eine Stadt wie Zürich könnte einfach herausfinden, wo sie ihre Velorouten optimieren sollten, ohne aufwändige Verkehrszählungen durchführen zu müssen.
Es stimmt schon, ein Staat kann alle diese Methoden auch zur Überwachung der BürgerInnen verwenden, wie China dies vormacht. Die Überwachung durch einen demokratischen Staat könnte immerhin noch von der Stimmbevölkerung eingeschränkt werden (wenn auch oft mit grossen Schwierigkeiten). Überstaatliche Big Tech Firmen schliesslich können praktisch gar nicht mehr kontrolliert werden, profitieren aber maximal. Ein Staat soll nicht nur ein Teil des finanziellen Gewinns via Steuern abschöpfen können, sondern auch von ihren technischen Fähigkeiten.
Bin mit Swen einverstanden dass die Argumentation von Herr Morozov etwas seicht ist. Nicht die individuellen Daten an sich sind interessant "Paul hat einen Bart", sondern das Modell "Männer haben tendenziell Bärte".
Der Staat sollte den Datenschützer beauftragen, dass Datenmodelle für Menschen einklagbar nicht diskriminierend sind. Datenmodelle können relativ einfach mit Stichproben getestet werden. Ich stelle mir ein Gesetz für Datenmodelle vor, ähnlich wie das die Europäische Datenschutz Grundverordnung EUDSGVO.
Was dann noch fehlt wären Gesetze, wie aus persönlichen Daten ("Paul hat Lungenkrebs") für die Allgemeinheit nützliche Modelle hergestellt werden können ("dieses Pattern auf einem Lungenscan deutet auf eine hohe Krebswahrscheinlichkeit hin, welcher aber behandelt werden kann wenn man reagiert.")
Die Schweiz hat einen schlechteren und oberflächlicheren Datenschutz als Europa. Europa hat wenigstens die Mittel, sich ernsthaft und qualifiziert mit solchen Themen auseinanderzusetzen. Europa ist als Markt für KI Anbieter auch gross genug, und dies wäre auch der Ort um ernsthaft etwas zu bewirken.
Schade hat sich die Linke aus Europa verabschiedet, da kann ich mich Bärfuss nur anschliessen.
Europa hat den grossen Fehler gemacht, europäische Daten in die Hände amerikanischer Firmen zu geben, und damit auch in die Hände amerikanischer Geheimdienste. Europa ist klar demokratischer als die USA, aber eben datenmässig nicht mehr unabhängig. Da wurde viel verschlafen in den letzten 10 Jahren.
Was wir für wahr halten und was modisches Gerede ist
Mich persönlich interessiert an diesem gehaltvollen Interview die erkenntnistheoretische Frage, wie wir dazu kommen, dass wir etwas für wahr halten. Es ist dies eine philosophische Fragestellung, die wir gerne wissenschaftsgeschichtlich aufzulösen versuchen.
Ich glaube nicht, dass es weit genug gedacht ist, wenn Morozov behauptet, dass die Frage nach der Objektivität sich aus dem Bereich des Charismas und der Autorität der klassischen Gelehrten gelöst hat und den NaturwisschenschaftlerInnen anvertraut wurde, welche "die Welt" mit mechanischer Kausalität erklärten. Ich denke, es gilt bei der Analyse "der Welt" zu differenzieren zwischen mathematisch formulierbaren naturwissenschaftlichen Vorgängen und geisteswissenschaftlichen Fragestellungen, die von mathematischen Formeln weiterhin nur unzureichend erfasst werden können. Und auch die Erkenntnisse aus der Quantenphysik stellen stereotype, mechanistische Behauptungen über "die Naturwissenschaftler" und ihre "mechanischen Kausalitätserklärungen" ganz radikal in Frage.
Die materialistische Analyse Morozovs scheint mir die Macht von Computern, mathematischen Maschinen, die genau das tun, was Menschen ihnen vorschreiben, zu überschätzen, bei aller berechtigten Kritik über bestimmte Auswüchse der digitalen Gesellschaft, bei aller Notwendigkeit, Monopole, wo immer sie auftauchen, zu zerschlagen. Nur ist die Zerstörung von Monopolen letztlich eine banale Forderung, die allerdings ähnlich schwierig durchzusetzen ist wie der Schutz der Umwelt, weil sie eine supranationale Aufgabe ist, für die wir die dafür nötigen Instrumente leider nicht besitzen. Und das ist in der Tat traurig.
"Wenn eine Maschine die Debatte moderiert, haben alle dieselben Zugangsbedingungen", diese Aussage des Interviewers halte ich für sehr unreflektiert und bedenklich. Sie führt nämlich in die absolute Herrschaft des kalt berechnenden Intellekts. Werte wie Ästhetik, Freundlichkeit oder Menschlichkeit haben keine Chance dagegen, wenn Gerechtigkeit über “Zugangsbedingungen“ definiert werden. Es ist wie mit den freien Wahlen: jeder kann theoretisch mit gleichem Recht gewählt werden, doch faktisch gewinnt ein kleiner Teil der Gesellschaft mit überlegenem Intellekt und starken manipulativen Fähigkeiten. Man kann sagen, wir kennen nichts besseres. Aber gut ist es deshalb noch lange nicht.
Da gefällt mir der Verweis von Herr Morozov auf die Experten.
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