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Und ich möchte noch anfügen, dass das schwedische Modell mit seinem 10x dünner besiedelten Land als ein Durchschnittland anderswo noch viel weitreichendere Konsequenzen hätte. Stockholm ist das dichtestbesiedelte Gebiet des Landes, mit 332 Personen pro km2. Zürich hat über 5000. Singapur 9000. Und in Stockholm sind über 50% der Infizierten. Die Schweden haben eine Art "Naturquarantäne", die noch zu ihren getroffenen Massnahmen hinzukommt. Aber das funktioniert natürlich nicht in Altersheimen, oder den dichteren Vorortsquartieren der unterprivilegierten Bevölkerung. Und von dort sind die Infizierten/Toten. Also die Schwachen - längst nicht immer nur die Alten. Schweden hat diese nicht geschützt, ohne Lockdown war das nicht möglich.
Ein Staatswesen ist aber immer nur so stabil, wie es den Schwächsten Stabilität garantiert. Solche "Feinheiten" sind est recht nicht auf dem Radar von Eichenberger und Co.
Ich bin wahrlich kein Fan von tendenziell sehr linken Blättern, aber wenn es halt sonst nirgends so klar steht: https://www.neues-deutschland.de/ar…toren.html
Die SchwedInnen sind noch nicht gewohnt, grössere unterprivilegierte Minderheiten zu haben. In dieser Hinsicht sind die sich so selbstbewusst als weltoffen und gesellschaftsliberal fühlenden SchwedInnen eher provinziell...
Ob die Sterblichkeit einer bestimmten Strategie höher oder niedriger als der Durchschnitt ist, lässt sich erst am Ende der Epidemie bewerten.
Eine lockerere Strategie ruft anfangs mehr Sterbefälle hervor, die allerdings bei einer vergleichsweise strikteren Strategie unter Umständen nur etwas verzögert auftreten, und dadurch im Laufe der Zeit nachgeholt werden. Das gilt, solange ausreichend Kapazität im Gesundheitssystem vorhanden ist, und kein Gegenmittel existiert.
Insofern lässt sich der Erfolg oder Misserfolg der Schwedischen Strategie derzeit noch nicht seriös abschätzen.
Ich finde auch, hier geht es in der Werteabwägung nicht um Wirtschaft oder Menschenleben, sondern hier geht es darum, was denn den Wert des menschlichen lebens ausmacht. Leben heißt nämlich nicht nur überleben. Überleben in in völliger Isolation ist zum Beispiel für Menschen relativ sinnlos.
Der Generationenspaltungseffekt der Pandemie ist nach meiner Ansicht von den Medien erfunden worden. Im richtigen Leben auf der Straße herrscht eine solide Generationenesolidarität. Allerdings haben nach meiner Erfahrung viele Senioren mehr Probleme mit der Ausgrenzung als mit dem Sterberisiko. Danach, was Senioren selbst wollen, fragt nämlich in Wirklichkeit auch niemand. Sie werden gerne einfach über ihren Kopf hinweg "beschützt".
Unser Umgang mit dem Tod ist doch reichlich unbeholfen. Jeden Tag sterben in Deutschland im Durchschnitt ca. 2500 Menschen, und manche tun so, als wäre das Sterben eben gerade erst erfunden worden. Es ist auch statistisch keine Neuigkeit, dass Ältere und kranke Menschen ein höheres Sterberisiko haben.
Wir gehen mit dem Sterben höchst selektiv um. Das menschliche Leben ist uns heilig, aber nur, wenn es gerade im Scheinwerferlicht steht, und wenn es am richtigen Ort stattfindet. Wir haben wenig Probleme damit, wenn Leben durch Deutsche oder Schweizer Waffen in Krisengebieten beendet werden. Ebenso haben viele kein Problem damit, wenn Menschenleben durch Ertrinken im Mittelmeer beendet werden. Es ist uns auch keine größere Anstrengungen wert, wenn Menschenleben durch Krankenhauskeime beendet werden, deren gründliche Beseitigung nur moderate Kosten verursachen würde.
Etwas weniger Panik und etwas mehr Besonnenheit würde uns guttun. Vielleicht ist es das, was manche am Schwedischen Umgang mit der aktuellen Epidemie bewundern.
Ich habe an der besagten Sotomo-Studie teilgenommen und ebenfalls angekreuzt, dass ich mich nicht mehr so stark vor einer Ansteckung fürchte. Dies aber nicht, weil ich denke, dass die Gefahr vorbei ist - im Gegenteil. (Ich wünsche mir eine Verlängerung des Lockdowns und/oder mindestens eine Maskenpflicht für ÖV und Supermärkte.) Meine Überlegung war, dass wir jetzt gewarnt sind und wissen, wie wir uns schützen können, und dass wir zumindest im Moment wahrscheinlich weniger unwissentlich Angesteckte "im Umlauf" haben als Mitte März. Also Voraussetzungen, die es ermöglichen könnten, auch nach einer Lockerung des Lockdowns mit tiefen Ansteckungsraten weiterzuleben.
Aber vielleicht haben Sie recht und die meisten, die das angekreuzt haben, gehen davon aus, dass die Gefahr einfach verschwunden ist...
Das Gruseln, das einen befällt bei den Fernseh-Diskussionen oder beim Lesen von Twitter-Beiträgen, scheint mir in diesem Text perfekt mit eingewoben zu sein. Sehr gut.
Wieder einmal ein von A-Z ausgezeichneter Kommentar! Ein Punkt wäre aber zu berichtigen: "...die Schuld trifft die verfehlte Quarantäne-Strategie von Italien, Frankreich, Spanien, Grossbritannien (also Staaten, die unter strikten Lockdown-Bedingungen bisher je zwischen gut 25’000 und 30’000 Tote zu beklagen haben)". Ich verfolge Grossbritannien ziemlich eng, und man kann mit Sicherheit sagen, dass die anfängliche Politik der Herdenimmunologie und zu lange Vermeidung eines Lockdowns zur desaströsesten Situation in Europa geführt hat. Zusammen mit unaussprechlich schlechten Arbeitsbedingungen in care homes, wo es sich die health workers schlich nicht leisten können, auch nur einen Tag von der Arbeit fern zu bleiben, Symptome hin oder her.
Ich kann die Analyse und Schlussfolgerung von Daniel Binswanger voll unterstützen. Es geht in diesen Diskussionen ganz klar um Werte, persönliche und gesellschaftliche. Wie viel Rücksichtlosigkeit oder wie viel Rücksichtsnahme will ich, will unsere Gesellschaft leben? Oder, anders gesagt, wie viel persönliche Freiheit ist möglich, ohne die Freiheit der anderen einzuschränken? Solche Diskussionen sind wichtig und immer wieder von neuem nötig.
In den Medien wird der Diskurs im Zusammenhang mit der Corona Pandemie und ihren Folgen aber zunehmend, so scheint mir, von Härte und Rücksichtslosigkeit dominiert. Das ist beängstigend. Die ausserordentliche Session unseres Parlamentes ist ein Beispiel dafür. In erster Linie werden die Interessen der Finanz mächtigen Betriebe und ihrer Aktionäre bedient. Für Einzelunternehmer, selbständig Erwerbende gibt es bestenfalls kleinste Beträge, für viele überhaupt nichts. Von den Sans Papiers und anderweitig Ausgegrenzten ganz zu schweigen, deren Massenarmut unsere bürgerliche Rechte in Kauf nimmt. Systemrelevanz muss wohl zum neuen Unwort des Jahres gekürt werden.
ES ist erstaunlich, dass die folgenden Gruppen in der Krise die selben Argumenten behaupten:
In der Schweiz : Maurer, martulla, Köppel und Eicheberger
In Deutschland : Linder, LA chate und fast das ganze AFD
In der USA: Trump und viele Republicaner.
In Brasilien: der Bolsonaro
In England: der Boris bis seinem Spitalaufenthalt
Ist es Zufall? Sind sie kluger? Sind sie mutiger? Oder könnte es sein, dass sie......????
Man kann die Frage, ob die «Lockdown-Kritiker» eine Diskriminierung älterer oder gesundheitlich beeinträchtigter Menschen (Ageism bzw. Ableism) begehen auch dadurch prüfen, indem man fragt:
Wären Sie auch gegen den Lockdown, wenn in der Pandemie hauptsächlich Menschen zwischen 20- bis 40-Jährige sterben würden?
Wären Sie auch gegen den Lockdown, wenn in der Pandemie genau so viele gesunde wie vorerkrankte Menschen sterben würden?
Würden Sie in der Pandemie den gesunden Menschen zwischen 20- bis 40 ebenfalls sagen «Carpe diem! Menschen müssen halt sterben!» statt den Lockdown zu verordnen?
Diese Fragen gehen meiner Ansicht nach am Kern des Problems vorbei. Der Lockdown betrifft überwiegend durch Covid-19 wenig gefährdete Menschen und Familien in ihrer wirtschaftlichen und schulischen Existenz. Andererseits betrifft er die stärker gefährdeten Menschen älteren Jahrgangs fast überhaupt nicht. Der Schutz älterer, gefährdeter Personen könnte auch ohne Lockdown fast genau so gut bewerkstelligt werden.
Machen Sie hier nicht denselben Denkfehler wie alle die „die Alten zuhause, die Jungen am Arbeitsplatz“ propagieren? Rund 1 Mio der unter 65jährigen gehören zur Risikogruppe, viele davon leben mit PartnerInnen und/oder Kindern zusammen. Das gibt dann insgesamt sehr viele Menschen welche zusätzlich zu den Ü65 geschützt werden müssen.
Die Diskussion zeigt, wie Binswanger feststellt: Es geht um eine Wertedebatte. Und davor fürchten sich eigentlich alle zu recht, denn bei dieser Debatte gibt es keine Verständigung, nicht richtig und falsch sondern nur 'Ich liege richtig und Du liegst falsch‘. Das "ideologische Pathos der Härte“ wird hier auf beiden Seiten einen guten Nährboden finden. In demokratischen Gesellschaften wurde dieser Kampf um Werte dadurch erträglich gemacht, indem verschiedene Werte nebeneinander Platz fanden, genügend Ressourcen für einen Interessensausgleich zur Verfügung standen und so Grundwerte immer wieder eingefordert werden konnten. Heute stellt sich die Situation anders dar: Der Corona-Virus bedroht die schwächsten und für die Wirtschaft unnützendsten Gesellschaftsmitglieder (die Alten und Kranken), und in einer Kosten-Nutzen-Rechnung, die man jetzt der Wertedebatte zugrunde legt, scheint es zu wenig Ressourcen zu haben, um einander offenbar widersprechende Grundwert weiterhin zu leben.
Nicht zufällig sind die Corona-Skeptiker oft identisch mit den Klima-Skeptikern: Auch hier stellt sich die Situation anders als früher dar: Die menschengemachte Klimaveränderung bedroht bedroht all das, was wir mit Grundwerten wie Wohlstand und Freiheit verbinden. Und in einer auf Effizienz, Konsum und Wirtschaftlichkeit ausgerichteten Gesellschaft ist fraglich geworden, ob solche Grundwerte mit unseren herkömmlichen Herangehensweisen, Ressourcen und den erhofften neuen Technologien bestehen bleiben. Auch hier tut sich ein weites Feld auf für einen Kampf.
Wie kommt man weg von einem Kampf, der mit dem "ideologischen Pathos der Härte“ geführt wird?
Akzeptieren wir doch, was ist: Wir haben es mit einer ansteckenden und für viele Menschen gefährlichen Seuche zu tun und wissen, welche Auswirkungen sie haben kann und wie man sie eindämmmen kann.
Akzeptieren wir doch, was wir nicht wissen: Wir leben im Ungewissen, was die Entwicklung der Seuche und der Wirtschaft betrifft.
Vertrauen wir doch auf den gestaltenden Prozess in uns: Dazu gehören Mitgefühl, Stärke durch Zusammenarbeit und die damit verbundene Kreativität.
Wir brauchen keine Ideologien, um diese Krise zu meistern, denn diese verhindern Kreativität, wissen zum vornherein, was trotzt Ungewissheit richtig und falsch ist, und grenzen alle aus, die nicht in ihr Denkschema passen. Mit Ideologien zementieren wir die Welt, wie sie war oder wie sie sein sollte. Doch wir erfassen damit nicht die Welt, wie sie gerade jetzt ist, nämlich sehr verletzlich. Wir müssen lernen, geduldig zu sein und einander zuzuhören, miteinander im Gespräch über Lösungsmöglichkeiten zu bleiben, neue Lebensentwürfe zu denken, andere Grundwerte zu diskutieren und Verlustängste auszusprechen - und nicht sofort immer entscheiden wollen. Denn wenn eines in all der Ungewissheit doch gewiss ist: Die Welt wird nicht mehr so sein, wie sie einmal war. Doch wir haben die Möglichkeit, uns eine bessere auszudenken und zu schaffen. Das braucht Zeit.
Besten Dank für diesen Beitrag, der das Irrationale an der Haltung "Schweden macht es besser" aufzeigt. Den Grund dazu vermute ich allerdings nicht wie Daniel Binswanger im Wunsch nach Härte, sondern in der Unfähigkeit eigene Positionen und Weltbilder zu hinterfragen und in der Fähigkeit unbequeme Resultate rhetorisch zu verdrängen.
Für viele "Normalsterbliche" kommt hinzu, dass mit dem erfolgreichen Lockdown light in der Schweiz, die spürbaren Konsequenzen tatsächlich viel mehr auf der wirtschaftlichen als auf der gesundheitlichen Seite liegen.
Lieber Daniel Binswanger, mir geht es ähnlich wie Christoph Cortes wenn ich Sie heute lese: da werde ich moralisch zurechtgewiesen. Und mit den fahrlässigen Schweden, rechten Meinungsmachern und andern Instrumentalisierern in den gleichen Topf geworfen.
Es soll also weh tun, dass ich anderer Meinung bin; Ihre Beiträge sind irritierenderweise erst und zunehmend so seit Covid auch das Republikleben dominiert.
Es ist logisch und richtig, dass die Politik ihre Entscheidungen anfänglich vom rein epidemiologischen Gesichtspunkt aus fällte. Doch jetzt, am Ende der Welle, soll sie möglichst schnell und datenbasiert zu einer ganzheitlichen, und damit sozialen, philosophischen und natürlich auch wirtschaftlichen Sicht (zurück?)finden.
Sie als begabter Journalist und Wirtschaftsexperte müssten heute die Rückkehr zur Normalität differenziert, nicht polarisierend unterstützen. Wir brauchen Sie auf diesem schwierigen Weg.
Statt dessen tanzen Sie auf dem dünnen Eis des Datenparketts und holzschnittartiger ethischer Aussagen. Voll daneben ist die Allegorie des Stockholmsyndroms, um Ihre vermeintlichen Gegner zum Schweigen zu bringen.
Quand me^me, liebe Grüsse!
Lieber Herr B.,
Dass wir "schnell und datenbasiert" zu einer Öffnung zurückkehren sollen und dass wir die Gesamtlage im Blick behalten müssen, ist ein Standpunkt, den ich immer vertreten habe. Unter dem Vorbehalt: so schnell wie möglich. Was ich kritisch beleuchte, ist, dass Datenbasiertheit im öffentlichen Handeln der Behörden und in der öffentlichen Debatte aktuell eine extrem nachgeordnete Priorität ist. Schnelligkeit hingegen triumphiert über alle anderen Gesichtspunkte. Ich bin mir nicht ganz sicher, welcher Seite der Debatte es da an Differenziertheit mangelt. Könnte es sein, dass Sie meine Kommentare als holzschnittartig empfinden, weil Sie sich wenig Zeit genommen haben, um sich mit Ihren Argumenten vertraut zu machen?
Auch ich grüsse Sie sehr herzlich, DB
Herr B., folgende Fragen:
Warum haben Sie ein derart grosses Problem moralisch zurechtgewiesen zu werden?
Warum Denken Sie die Daten würden eine schnelle Oeffnung rechtfertigen? Können Sie das genauer erläutern?
Können Sie auf Grund irgendwelcher Daten beweisen, dass eine schnellere Oeffnung weniger wirtschaftliche Kosten verursacht? Gerade das streitet ja Herr Binswanger ab.
Mein Eindruck ist, dass ihre Argumentation weniger datenbasiert ist als sie glauben.
Es geht doch immer nur um die selbe Alte Geschichte:
Man setzt 3 Personen in ein Zimmer:
Einen Arbeiter, einen Milliardär und einen Asylanten/Armen/Bedürftigen
Dann gibt man ihnen 100 Guetsli.
Was jetzt passiert scheint eine Konstante in der Geschichte des Menschen seit der Erfindung der Zivilisation zu sein.
Der Milliardär nimmt 99 davon mit der Rechtfertigung, dass er das Treffen überhaupt erst organisiert habe, gibt dem Arbeiter eines und sagt ihm dann so beiläufig: "Pass auf! Der Typ da sieht böse aus, ich glaube der will dir dein hart erarbeites Guetsli stehlen."
Ich habe gehofft die Menschen hätten in dieser Krise vielleicht ein wenig dazugelernt aber diese Veränderung scheint noch zu dauern...
Finanzielle Besitztümer machen abhängig. Abhängigkeit löst Verlustängste aus..
Während der Bedürftige überleben will, der Arbeiter weiterkämpft und um seine Arbeit bangt, hat der Milliardär weitaus mehr zu verlieren.. er hat Angst.
Die Königin im Ameisenhaufen ist ein gutes Beispiel dafür.. schon mal eine lebend gesehen?
Die Gründe sind mir klar, nur betrübt mich die Tatsache, dass wir es in 5000 Jahren Zivilisation noch immer nicht geschaft haben unser System daran anzupassen.
Stattdessen predigen unsere Bürgerlichen Politiker sogenannte Eigenverantwortung, also Egoismus, den Grund warum all unsere Probleme erst existieren. Ein Kampf allein brinG. K.ine Sicherheit.
Ich danke Daniel Bindwanger für diesen scharfsinnigen Artikel. Es mag wohl sein, dass durch das Coronavirus uns gewisse politische Zusammenhänge, wie die übermächtige Dominanz der Wirtschaft, plötzlich viel klarer erkennbarer werden, obwohl Missachtung der Menschenwürde zugunsten der Wirtschaftsinteressen ein basaler Teil unserer allgemein herrschenden Politik bildet.
Auch ich bin der Meinung, dass man das Lockern langsamer hätte angehen sollen. Jetzt werden gleichzeitig mehrere Parameter verändert und wenn sich im Ergebnis etwas ändert, weiss man nicht welcher dieser Parameter dazu geführt hat. Die einzig mögliche Folge. Alle Parameter auf den Ausgangswert zurück = voller Lockdown. Sehr ungeschicktes Verhalten bei Testszenarien. Und wir sind in dieser Sache immer noch im Testmodus, weil wir noch viel zu wenig wissen.
Die Schwierigkeit für Politiker ist jedoch, nebst den wissenschaftlichen auch ökonomische und soziale Parameter im Auge behalten müssen. Und das in Gleichungen mit extrem vielen Unbekannten. Ich möchte nicht in deren Haut stecken, die momentan Entscheidungen treffen. Wenn man jeweils nur ein Gebiet im Auge hat sind die Schlussfolgerungen einfach. Wenn man dann noch klar Priorisieren könnte, noch einfacher.
Es gibt drei Fakten, die sich kaum wegdiskutieren lassen. Das Virus ist gefährlich. Man hat nichts, womit man es bekämpfen kann. Die Wirtschaft wird massiv geschwächt, egal welchen Weg der Massnahmen man wählt. Also müssen in Sachen Wirtschaft genauso harte Massnahmen in die Wege geleitet werden wie im gesundheitlichen Sektor. Der Staat braucht Geld. Und zwar sehr viel mehr als bis jetzt. Es wird Branchen geben, die sich nie mehr auf das Niveau von vor Corona erholen werden wie bspw. der Tourismus. In diesen Branchen werden über kurz oder lang massenhaft Langzeitarbeitslose zu beklagen sein. Einfach den Firmen zu helfen, die sich dann sanieren, um auf tieferen Niveau wieder Profite zu machen, die nicht den Arbeitnehmern zugutekommen, ist der falsche Weg. So versenkt man Geld, das später der Allgemeinheit fehlt. Das Geld muss möglichst direkt zu den am meisten Betroffenen und Mittellosen Menschen gelangen. Woher es kommen soll, habe ich hier schon mehrfach erwähnt. Von dort wo es liegt (Vermögenssteuer) bzw. dort wo man es sich für sich «arbeiten» lässt (Transaktionssteuer).
Ja es braucht Härte, auch gegenüber den grossen Playern der Wirtschaft. Dass dies nicht unbedingt ein Stärke unseres Parlaments ist, wurde ja letzte Woche hinlänglich bewiesen.
Die 5. Kolumne in Folge, die mehr oder weniger in die selbe Kerbe schlägt?! Das erinnert mich doch stark an die in der Republik sonst doch genüsslich kritisierten Meinungsartikel der grossen Medienhäuser. Warum nur erhält Herr Binswanger mit seiner Meinung diesen Exklusiv-Platz? Ich rufe nicht nach „alternativen Wahrheiten“, aber eine Kolumne mit so klarer politischer Färbung passt nicht zum Versprechen, verschiedene Meinungen und Ansichten zu Wort kommen zu lassen.
Weil er wohl genau diesen Exclusiv-Platz mit seinen klaren politischen Analysen verdient, die er stringent mit seinem sozio-ökonomischen und kulturellem Wissen zu verbinden weiss, grosses kulturelles Kapital halt. Dass er sein Wissen hier bei der Republik als Journalist und nicht bei einem liberalen Thinktank wie weiland Thomas Held mit weit besserem ökonomischen Benefit zur Verfügung stellt, ehrt ihn in meinen Augen besonders.
Eine Republik mit mehr "alternativen Wahrheiten" brauche ich gerade nicht. Diese "Wahrkeiten" kann sich jeder beliebig im Internet aussuchen und zu seiner "eigenen Meinung" machen. Erkenntnisgewinn basiert immer auf wissenschaftlichen Fakten, die sich aufgrund empirischer Forschung in einer aktuellen Lage verändern und zu neuen Schlüssen führen können. Die Kunst besteht darin, die Übersicht aus dieser riesigen Informationsmenge nicht zu verlieren und in einen gesellschafts-politischen Kontext zu stellen. Das hat nichts zu tun mit "Angst verbreiten" oder "Panikmache", sondern im weitesten Sinn mit Aufklärung.
Dafür steht die Republik, dafür schätze ich sie, und Herrn Binswangere im Besonderen.
Kolumnen sind definitionsgemäss Meinungsartikel. Wenn ein Kolumnist - in diesem Fall Daniel Binswanger - diese Meinung vertritt, dann wollen Sie die nicht mehr lesen, weil sie nicht Ihrer Mienung entspricht. Wie wär's wenn Sie sich statt sich damit aufzuhalten, dass das die "5. Kolumne (ist), die mehr oder weniger in die selbe Kerbe schlägt", die darin geäusserten Argumente einer Prüfung unterzögen? Vielleicht haben Sie ja die besseren Argumente? Aber vielleicht auch nicht.
Bravo, Herr Binswanger. Es braucht jetzt diesen Mut und die Penetranz, immer wieder auf die Grundwerte einer Gesellschaft hinzuweisen, jene Werte, welche die Gesellschaft zusammenhalten.
Der Blickwinkel soll erweitert werden. Die Rezession in der Schweiz ist prämer nicht durch das Lockdown. Alles wäre nicht viel anders ohne Lockdown. Das Beispiel von Swiss zeigt es am deutlichstn. Der Bund hat für Swiss kein Lockdown Verordnet, Swiss kann überall Fliegen, das einzige Problem ist nur : SWISS KANN NIERGENDS LANDEN.
Es ist hauptsächlich keine Wirtschaftskriese durch das Virus, sondern eine Aufdecken von SYSTEMSCHWÄCHE, angestoßen durch das Virus.
Wenn wir damit fertig sind, werden wir uns bis zum Lebensende daran erinnern.
Fliegen ist abgesehen davon unter den Bedingungen einer Pandemie alles andere als angenehm:
Ja, klar
Auf ähnliche Kriesen sollen wir uns vorbreiten, leider werden Gefahren von vielen verharmlost oder sogar verleugnet um weiterso zu machen. Denken Sie an Klimaproblematik(wenn Sie nicht zu den Gegnern gehören), warum wird nur geredet? Die Maskenreserve hat der Bund sogar schriftlich festgelegt aber niemand hat etwas gemacht. Es kommt sowieso nicht... Uns kann nichts passieren!!!!
...es gibt Menschen wie mich, die die grösste "Gefahr" von Anfang an nicht in einem Virus gesehen haben, sondern in der Tatsache, dass Menschen zu allem, wirklich zu allem zu motivieren sind, wenn man ihnen auch nur ansatzweise Dinge sagt wie: "xyz könnte dafür sorgen, dass es DIR schlechter geht als jetzt". (xyz ist beliebig zu ersetzen mit "die Juden, der Virus, die Flüchtlinge...). Ich habe in einem Webinar (https://www.youtube.com/watch?v=LV5BFY51Hek) mit drei der Trägerinnen des alternativen Nobelpreises letzte Woche gehört, dass man in Georgien politisch die Meinung vertritt, der Virus käme von den Homosexuellen. In Afghanistan erzählen die Oberen, die Frauen seien schuld am Virus. Man stelle sich das vor...! In meinem Freundeskreis, den ich bisher immer für sehr gebildet und reflektiert gehalten habe, gibt es im Moment Menschen, die würden den rechten Arm heben, wenn Herr Drosten sagen würde, er wisse es zwar nicht genau, aber es könnte den Virus eventuell daran hindern, sich weiter auszubreiten.
Wenn man diesen Menschen dann sagt "damit das nicht passiert sagen die Experten, dass Du zyx tun musst"...dann tun sie das. (zyx ist beliebig zu ersetzen mit "Juden töten, daheim bleiben, einen Mundschutz tragen, Dich impfen lassen, Flüchtlinge wieder weg schicken, Gold kaufen, Bananen essen und muss möglichst bequem sein, darf auf gar keinen Fall etwas mit Eigenverantwortung zu tun haben). Denn so wie zyx* bedeuten würde "nicht mehr fliegen (wegen dem Klima), nicht mehr rauchen (wegen der Gesundheit), weniger Fleisch essen usw. dann funktioniert das System plötzlich nicht mehr.
Ich würde mir wirklich wünschen, wir würden den Blick heben, weg von den Zeitungen, weg von haarsträubenden, irreführenden Zahlen, weg von den schönen Kalendersprüchen, die kurz das kleine ängstliche Ego streicheln, ungeschminkt hinein in den Spiegel und uns selber jeden Morgen vor dem ersten Kaffee fragen: "Lebe ich das Leben, das ich leben will?"
Dann fällt es einem möglicherweise leichter zu akzeptieren, dass man selber oder der, den man liebt morgen schon sterben könnte. Einfach so. Und dann ist man viel weniger manipulierbar, von Menschen, die einem mit dem eigenen Sterben Angst machen und dabei nichts anderes verfolgen als Interessen, die rein gar nichts mit der Wahrung von Menschenleben zu tun haben, sondern ausschliesslich machtorientiert sind. Je näher ich mir die Sache ansehe, desto mehr bin ich davon überzeugt, dass das der einzige Wert ist, über den wir hier reden. Kann ich einem Schrecken ungewissen Ausmasses mutig ins Auge sehen und ihm entgegen gehen, auf dem Weg idealerweise noch anderen, denen es viel schlechter geht als mir unter die Arme greifen oder verschliesse ich mich in meinen eigenen vier Wänden aus Angst davor und schreie anderen zu, unbedingt dasselbe zu tun?
An dieser Stelle empfehle ich Ihnen statt der eloquenten, aber leider das Thema verfehlenden Vergleiche von Schweden mit dem Rest der Welt dieses Buch: https://www.randomhouse.de/leseprob…157525.pdf
Bitte! Leben Sie gut. Ab heute. Jetzt. Denn, so sehr Sie es auch versuchen, die Politik, die Wirtschaft, Gott, der Impfstoff, die Medizin, ihr Chef, die nächste Kreuzfahrt, das ersehnte Auto, die Beförderung, die Lohnerhöhung wird diese brennende Wunde in Ihrem Herzen nicht verschliessen können. Wer weiss, vielleicht sind die Schweden uns allen in diesem Punkt wirklich einen Schritt voraus....
Sie scheinen genau für diese Haltung der Härte zu plädieren, die Daniel Binswanger unter die Lupe nimmt und kritisch beleuchtet. Natürlich sind wir alle Sterbliche! Aber es macht doch einen Unterschied, ob ich einen vermeidbaren Tod sterbe, ober einen, der unvermeidlich kommt. Weil wir uns derzeit nicht anders gegen das Virus schützen können, sind Massnahmen, die möglicherweise unsere Freiheit eingrenzen, gerechtfertigt - sofern sie sich im Rahmen der verfassungsmässigen Ordnung bewegen. Es geht hier nicht ums Überleben um jeden Preis, sondern darum, einer Pandemie die Stirn zu bieten, die uns alle betrifft.
...und wieso bitte haben wir ein Anrecht darauf, unseren Tod hinauszuschieben im Wissen um das unermessliche Leid, dass sich ein paar Kilometer südlich VOR UNSEREN AUGEN und schon seit Jahren abspielt? Gilt es diese Leben dann nicht mindestens so sehr zu schützen, wie die von den Menschen nebenan? Oder habe ich da in meiner humanistischen Ausbildung etwas nicht richtig verstanden? Zumal wir auf deren Wohlergehen sehr viel mehr Einfluss hätten als auf die Ausbreitung eines Virus, der für die meisten von uns ungefährlich ist. Machen wir uns klar, dass wir eine Ausnahme sind, dass in vielen Ländern um uns herum "stay at home" mit einem Selbstmord gleichzusetzen ist. Machen wir uns das doch bitte endlich klar.
Liebe Diana Krüger, ich finde ebenfalls, dass alle Menschen, gerade die Privilegierten unter ihnen, diese Krise als Gelegenheit für ein gründliches Memento mori! wahrnehmen würden.
Aber würden Sie dieselbe Rede den Hospitalisierten, sagen wir, im Tessin, Bergamo oder New York geben? Ich mag mich täuschen, aber es läuft darauf hinaus, dass Sie sagen: «Hört nicht auf das, was die Ärzt*innen sagen (also die Expert*innen), sondern fragt euch einzig: Lebe ich das Leben, das ich leben will?».
Wollen Sie tatsächlich Empfehlungen von Ärzt*innen oder Wissenschaftler*innen gleichsetzen mit fanatischen oder populistischen Schuldzuweisungen?
Wir erleben momentan ein Parade Beispiel in der Wirtschaftsschizophrenie. Vor einigen Monaten wurde eine Aktion lanciert um das Volk für Organspende zu sensibilisieren damit Patienten mit Organversagen geholfen werden konnten. Man will auch das Transplantationsgesetz dementsprechend ändern.
....... Und jetzt Nimmt man in Kauf, dass Herz-, Leber- und Nierenkranke mit oder ohne Transplantation von einem Tag auf den andern sterben könnten.
Leider höre ich auch hier in den Kommentaren viele, die versteckt mitteilen wollen:
Und so what.... Sie sind sowieso krank.... Und selbstverantwortung gilt auch für sie.
Lieber Herr Binswanger, Kolumnen sind Meinungsäusserungen. Mit der geäusserten Meinung kann ich als Lesender übereinstimmen oder nicht. Letzteres kann anregend sein. Schwierig wird es, wenn ich das Gefühl bekomme, fahrlässig zu sein, wenn ich anderer Meinung bin, die Realität sozusagen verkenne und mir die Augen geöffnet werden müssen. Ich möchte weder geschulmeistert noch von oder zu etwas bekehrt werden. Nicht alle, die sich ähnliche Fragen stellen, aber zu anderen Antworten kommen oder Mühe haben, befriedigende Antworten zu finden, sind Igno- oder ObskurantInnen. Vielleicht ist es in Zeiten, die eindeutig zur Polarisierung neigen, besser, hin und wieder der Lust des polemischen Zweihänders zu widerstehen?
Lieber Herr C., es ist richtig, dass ich hier dem Gegenlager Motive zurechne, die wenig schmeichelhaft sind und dass das natürlich den konstruktiven Dialog erschwert. Ich bringe aber ein ganze Reihe von Argumenten, weshalb ich der Überzeugung bin, dass die zunehmende Überstürzung bei den Lockerungen und die zunehmende Nachlässigkeit bei den Sicherheitsdispositiven, die eigentlich gedacht sind, die kommenden Risiken aufzufangen, nicht richtig sind. Es würde mich freuen, wenn Sie mir Ihre Argumente mitteilen würden, weshalb Sie der Überzeugung sind, dass ich falsch liege.
Mit freundlichen Grüssen, DB
Lieber Herr Binswanger, es ging mir nicht darum, Ihnen darzulegen, dass Sie falsch liegen, sondern um die Frage, wie die eigene Meinung vertreten wird. In einer Kolumne wird zugespitzt formuliert, das ist der Sinn der Sache. Ist es aber hilfreich zu sagen, dass Schweden 50% mehr Todesfälle pro 100'000 Einwohner hat als die Schweiz? Der Fakt stimmt, klingt verheerend und ist meiner Meinung nach tendenziös. In der Schweiz sind es 21, in Schweden 31. Es sind die gleichen Zahlen, aber sie wirken anders. Die Schweiz hat sogesehen dramatische 100% mehr Todesfälle als das benachbarte Deutschland, wo die Massnahmen etwas weniger streng waren (Märkte waren nie geschlossen)! In absoluten Zahlen sind es 9 und 21. Ein Unterschied. Ja, aber nicht wie Nacht und Tag.
Sie schreiben von ungezügelter Schwedenbegeisterung von diversen Menschen, mit denen ich nicht in einen Korb geworfen werden möchte. Auch andersherum stimmt es: ungezügelter Schwedenverriss. Sie machen es anders, die Schweden. Und ich glaube, dass das gut ist, denn nur so können wir irgendwann einmal wissen, welche Methode wie anschlägt, ob es eine bessere Methode gab. Andere Wege zu suchen ist nicht unlauter.
Ist es hilfreich zu sagen: Hey, es sterben nur die Alten? Ein Totschlagargument, vor dem man stumm bleiben muss, von der Eleganz eines SVP-Plakates.
Sie sprechen vom Gegenlager. Gibt es nur richtig und falsch in dieser Diskussion, Freund und Feind? Bin ich in Ihrem Lager, oder in dem der Gegner? Sind wir so weit, dass wir unser Lager wählen müssen?
Sie fragen nach meinen Argumenten. Ich habe keine, mit denen ich Ihre anscheinend gut etablierte Gewissheit ins Wanken bringen könnte. Ich habe vor allem Fragen... und tue mich schwer, befriedigende Antworten zu finden. Mir fehlt Wissen, mir fehlt konkrete Erfahrung. Sie fehlt uns Allen. Deshalb ist polternde Gewissheit zumindest einmal zweifelhaft.
Und dann ist da dieses Unbehagen. Das Unbehagen, dass alle das Gleiche sagen, das Gleiche postulieren, das Gleiche fordern. Auf der ganzen Welt. Das könnte mir Gewissheit geben, mich beruhigen. Tut es aber nicht. Es ist mir unheimlich. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Es gibt immer mehrere Lösungen, zumindest theoretisch, schon gar, wenn das Problem so neu und unbekannt ist wie dieses. Es muss Uneinigkeit geben können!
Eine zu lange, unbefriedigende Antwort.
Herzliche Grüsse, CC
Ich staune immer wieder, wie man Todesfälle in Relation zu sogenannt „Infizierten“ bringen kann und dann eine Aussage über Massnahmen postuliert. Die Zahl der positiv Getesteten hat viel mit der Teststrategie aber wenig mit der Zahl der Infizierten zu tun. Die Zahl der Infizierten ist die grösste Unbekannte in der ganzen Pandemie.
Lieber Herr S., da haben Sie recht: Verschiedene Länder testen sehr unterschiedlich intensiv, weshalb Vergleiche auf dieser Ebene problematisch sind. Die härteste Währung, über die wir verfügen, sind die Todeszahlen. Auch diese sind zwar mit Vorsicht zu geniessen, weil verschiedene Länder verschiedene Zählungen haben und allgemein zu erwarten ist, dass die Todeszahlen generell zu tief sind, weil es unerkannte Fälle gibt. Aber am ehesten ist Vergleichbarkeit auf dieser Ebene gegeben. Meine Kollegin Marie-José Kolly hat dazu einen sehr erhellenden Text geschrieben:
https://www.republik.ch/2020/05/04/…en-koennte
Herzlich, DB
Die härteste Währung, über die wir verfügen, sind die Todeszahlen.
Die einzige harte Währung ist die Gesamtzahl der Todesfälle, unabhängig von der Todesursache (siehe BAS und euromomo). Daraus kann die Übersterblichkeit abgeleitet werden. Die Zahl der "Corona-Toten", über die Marie-José Kolly schreibt, ist hingegen eine sehr schwammige Währung.
Länder, die COVID-19 erfolgreich bekämpfen, zeichnen sich durch eine hohe Zahl von Test bei gleichzeitig einer kleinen Zahl von positiv getesteten Personen aus. Mit vielen Tests findet man Infizierte eher, was eine erfolgreiche Pandemiebekämpfung ermöglicht. Es wäre deshalb falsch zu behaupten, viele Tests würden zwangsläufig zu vielen Personen, die als COVID-19-positiv erkannt werden, führen.
Zur Erinnerung: In der Schweiz sterben täglich (Zahlen BAG 2017) ca. 170 Menschen, resp. 1200 pro Woche, übers ganze Jahr gemittelt, zu Grippezeiten ca. 25%mehr.
Herr Reichel, so gesehen brauchen wir keine Spitäler, weil am Ende sterben eh 100% der Bevölkerung. D.h. ohne Spitäler hätte man nur kurzfristig eine Zunahme der Todesraten.
Auch Mord und Totschlag müsste man nicht mehr verfolgen.
Und Sichehrheitsgurte und Helme kann man sich auch einsparen.
All das Zeugs hat nämlich keinen langfristigen Einfluss auf Todesraten.
Die ETH-Studie von Banholzer et al. «Impact of non-pharmaceutical interventions on documented cases of COVID-19» untersuchte und quantifizierte die verschiedenen Massnahmen im internationalen Vergleich. Dort heisst es einerseits:
dass der Lockdown die am wenigsten effektive Massnahme scheint
und die Effektivität des Lockdowns nur 5% betrage. Doch andererseits wird für die Schweiz gar kein Lockdown verzeichnet, denn nach der Definition der Studie ist ein «Lockdown»:
Prohibition of movement without valid reason (e.g., restricting mobility except to/from work, local supermarkets, and pharmacies)
As our effect estimates describe the additional impact of an NPI on top of the other NPIs, the moderate effect of lockdown may be explainable by event bans, venue closures and gathering bans catching already a substantial part of the impact of a lockdown.
Mit «Lockdown» ist damit also eher ein «Hard Lockdown», wie in Italien, Frankreich oder Spanien gemeint – also v. a. die Ausgangssperre. Und nicht ein «Soft Lockdown» wie in der Schweiz, Deutschland oder Österreich.
Den grössten Effekt, nämlich 36%, hätten nach dieser Studie «venue closures», d. h.:
Closure of venues for recreational activities and/or closure of shops, bars, and restaurants
Also genau das, was «Lockdown-Kritiker» monieren, wenn sie auf die Wirtschaft oder auf Schweden verweisen (vgl. auch den Thread von Bob Robson).
Aber haben sie die Fehlerbalken der Daten angeschaut? Also ich würde behaupten, dass man damit eigentlich keine Aussagen machen kann was mehr und was weniger wirkt. Leider ist das die typische Qualität vieler Studien, die zur Zeit publiziert werden.
Wollen Sie damit sagen, dass die ETH-Studie unwissenschaftlich ist? Oder dass die Resultate nicht hinreichend robust sind? Dann müssen Sie mir das erklären und begründen.
Welche Studien mit für Sie hinreichender Qualität gäbe es denn, die die Eindämmungsmassnahmen als überflüssig qualifizieren? Gerne würde ich sie lesen.
Ihren Standpunkt haben Sie ja schon in einem früheren Kommentar klargestellt:
Es ist alles eine Frage der Güterabwägung zwischen den Folgen für die Gesellschaft in der Zukunft, der Ausbildung unserer Kinder und Jugendlichen, die wir gerade stark beschränken und der Gesundheit des einzelnen. Und diese Diskussion findet nicht statt weil die publizierte Meinung in fast allen Medien ganz klar das Leben des einzelnen höher gewichtet. Erfreuliche Ausnahmen ist die NZZ heute mit einem Gastkommentar von Reiner Eichenberger (...).
Schweden geht einen viel weniger restriktiven Weg und scheint damit auch nicht schlechter zu fahren als die Schweiz.
Also kann maximale Härte der Massnahmen nicht unbedingt die beste Lösung sein.
Bieten Eichenbergers Thesen die «Qualität», die Sie beanspruchen?
Zudem wäre «maximale Härte» ein «Hard Lockdown» wie in Wuhan, Italien, Frankreich oder Spanien, also inkl. Ausgangssperre. Was wir in der Schweiz haben ist ein «Soft Lockdown».
Und hatte Schweden ebenfalls wie die Schweiz zwei Nachbarländer, die so hart betroffen waren wie Italien und Frankreich? Das ist als würde man ein Haus, dass schon vom Feuer zweier brennender benachbarter Häuser ergriffen worden ist, mit einem Haus am anderen Ende der Strasse vergleichen.
Liebe Frau Diana Krüger
Ich stimme Ihnen voll und ganz zu, dass man sich genau so umfassend für die Beendigung der Flüchtlingskrise und für den Klimaschutz einsetzen sollte. Die Covid 19 Kriesen lässt alle strukturellen Mängel der Länder, wie etwa kaputt gesparte Gesundheitswesen, Homophobie ( Georgien), Frauenhass ( Afghanistan) oder totales Chaos und Unfähigkeit ( USA), deutlich zutage treten. Aber das Gegenteil ist genau so der Fall. Gelebte Solidarität überall. Nicht nur mit Risikogruppen und älteren Menschen, sondern auch mit Ärztinnen und dem Pflegepersonal. Sie haben den Artikel in der Republik vielleicht auch gelesen über die 13 stündigen Schichten auf den Intensivstationen wegen dieser " normalen Grippewelle". Meiner Meinung nach hat sich die Schweiz, zumindestens bis Jetzt, recht gut verhalten. Nun Frage ich mich aber, wie sich wohl die Menschen der Risikogruppen fühlen, wenn darüber diskutiert wird, ob sich dieser ganze Aufwand für sie lohnt!? Werden sie eventuell andere Parteien wählen?
Sie schreiben: "In meinem Freundeskreis, den ich bisher immer für sehr gebildet und reflektiert gehalten habe, gibt es im Moment Menschen, die würden den rechten Arm heben, wenn Herr Drosten sagen würde, er wisse es zwar nicht genau, aber es könnte den Virus eventuell daran hindern, sich weiter auszubreiten." Mit dem rechten Arm heben spielen Sie wohl auf den Hitlergruss an?
Da muss ich mich wohl auch als Nazi betrachten, denn als Pflegefachfrau bin ich überzeugt davon, dass Herr Drosten, nach jahrzehntelanger Forschung, wesentlich mehr von Coronaviren versteht als Sie. Ich bin absolut für Demeter Produkte, Kräuter Tee und Selbstfindung, aber in einer Pandemie braucht es andere Massnahmen.
Die Gefahr scheint wirklich schon relativ weit weg zu sein in den Augen der Leute: Heute im gut gefüllten Zug war ich die Einzige, die eine Maske trug. Waren die Leute überrascht worden, weil nicht mit soviel Personen gerechnet hatten? Immer noch keine "Maske für alle Fälle" dabei? Ein Tuch wäre ja auch gegangen zur Not. Ich hätte jedenfslls nicht gedacht, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt immer noch in die Rolle einer "Exotin" kommen könnte mit einer Maske. Immerhin ist sie bei engen Verhältnissen im ÖV mittlerweile offiziell "dringend empfohlen"! Und ich hab immer noch den Eindruck, den Leuten sei sie peinlich, solange es nicht die Anderen auch tun. Es ist dieser typische Konformitätsdruck, der die SchweizerInnen stark prägt. Man tut, was die anderen tun. Oder eben nicht tun. Deswegen wäre es klüger, wenn eine Pflichtsituation die hohe Bereitschaft zur Konformität wenigstens nutzen würde, um sie in die angemessene Richtrung zu lenken.
Liebe Frau P., vielen Dank für diesen Beitrag. Ich mache dieselbe Beobachtung: Masken werden wenig getragen und wer eine trägt, wird komisch angeschaut, nicht nur in den öffentlichen Verkehrsmitteln sondern auch in den Supermärkten. Riesiger Kontrast zu fast allen anderen europäischen Ländern. Herzlich, DB
Tja, von mir werden Sie nicht komisch angeschaut, aber ich folge Ihrem Beispiel dennoch nicht. Als Asthmatiker ist für mich das Tragen der Maske nämlich problematisch und ich zupfe dann erst recht immer mal wieder an ihr rum. Zudem denke ich an die vielen Keime, die ich ausatme und dann gleich wieder von der Maske einatme. Ich kann also davon ausgehen, dass mich die Maske mehr gefährdet als dass sie mir nützt. Ich halte die Abstandregeln ein und die Hygienegrundsätze, auch betreffend Niesen, und ich verhalte mich gegenüber Corona genau so wie gegenüber Grippegefahr: Fühle ich mich selber nicht wohl, bleibe ich zuhause, und hustende Leute meide ich vielleicht unbewusst mehr als früher - aber ich will persönlich meine eigene Kirche in meinem Dorf lassen und weigere mich auch als "Risikoperson" konsequent, mich verrückt machen zu lassen.
Und das war vor vier Wochen nicht anders.
Und wird immer behauptet : alle Menschenleben unabhängig vom Alter gleichwertig sind.
Wären die Meinungen, die Argumente und die Entscheidungen gleich geblieben, wenn die ca. 1500 Toten zwischen 20 und 40 Jahre alt wären?
Ich bin froh, dass wir nun zur Wertediskussion kommen, die meiner Meinung nach zentral ist. Die Kruste der Wissenschaftlichkeit ist zerbröselt, da sie einer vertieften Diskussion der oft unbekannten Fakten nicht standhält. Und natürlich kommt es da zu einer Polarisation zwischen rechtgeleiteten Wissenschaftsgläubigen und verabscheuenswürdigen Verschwörungstheoretikern sowie altruistischen Lebensrettern und billigen Populisten. In einer Wertediskussion kommt es darauf an wie wir mit anderen Werten umgehen. Diffamieren wir sie oder akzeptieren wir sie.
Ich glaube der Beitrag geht am Thema vorbei. Wie soll man angesichts der Coronakrise erwarten, dass die Menschen plötzlich ihre Werte in ein ganz neues Verhältnis setzen? Wäre dies nicht grundsätzlich der schlechteste aller Wege?
Das Schwedenmodell ist ja genau die Vision auf die das BAG von Anfang an hingearbeitet hat. Überlastung des Gesundheitssystems verhindern, möglichst kleine Eingriffe in die persönlichen Freiheiten, Vertrauen in die freiwillige Umsetzung der Massnahmen.
Wieso soll man angesichts der Coronakrise plötzliches alles auf den Kopf stellen? Wieso plötzlich ökonomische Entscheide treffen, welche viele der politischen, demokratisch legitimierten, Entscheide der letzten 25 Jahre ad absurdum führen? Die momentane Krise ist sicher nicht der richtige Ort um sozial- bzw. wirtschaftsromantische Träumereien durchzusetzen.
Das Problem ist dass es viele Leute gibt die nicht begreifen, dass auch der Lockdown nur eine Abwägung zwischen wirtschaftlichem Interesse, Menschenleben und Freiheit war.
Lieber Herr Binswanger
Ich gratuliere für den genialen Titel. Genau wie damals die Entführten sich mit dem Entführer solidarisierten erleben wir heute wie die ausgebeuteten sich mit dem Ausbeuter vereinen, sie sprechen sogar seine eigene Sprache.
Auch ich lese die samstägliche Botschaft Binswangers mit gemischten Gefühlen, einerseits schätze ich ganz absolut die Rücksichtnahme auf gefährdete und ältere Teile der Bevölkerung und trage Einschränkungen der persönlichen Freiheit mit Vertrauen in von der Wissenschaft informierte Entscheide unserer Regierung, eine Regierung, die ihre Entscheide auch im europäischen Kontext zu fällen hat. Und ich schätze seine Formulierungsgabe.
Womit ich Mühe habe, ist, wenn Menschen und Parteien/Gruppierungen unterstellt wird, dass sie heimlich von darwinistischen Motiven geleitet sind. Dann entsteht der seltsame Effekt, dass es mir fast etwas peinlich ist, dass ich mich auf der "moralisch besseren" Seite befinde, auf der Seite, die genau weiss, was schwarz und weiss ist.
Vielleicht befinden Sie sich ja auf der "moralisch besseren" Seite Frau C... Wichtig ist nur, dass die richtige Seite nichts mit Gruppen, nichts mit angeblich guten oder bösen Menschen zu tun hat, sondern mit guten und schlechten Taten. Man muss sich nicht von darwinistischen Motiven leiten lassen um auf der schlechten Seite zu stehen. Die schlechte Seite ist auch nie nur in einem politischen Spektrum zu verorten und viele Menschen handeln nicht schlecht, weil sie es sind, sondern weil sie von der angeblichen Alternativlosigkeit überzeugt sind und denken das beste zu tun was geht. Das macht diese Menschen auch nicht schlecht und man sollte sie nicht verurteilen, nur ihr Handeln!
Man muss sich nur anmassen entscheiden zu können welche erzwungenen Opfer von Leben anderer für eine Bewahrung des Systems zu vertreten seien. Unser finanzielles Wohlergehen ist ein sehr relativer Begriff, denn wenn der Mensch in einem miserabel ist, dann ist es darin einzuschätzen wie viel er zum Leben braucht, weil seine Bedürfnisse sich so stark den Umständen anpassen. Es scheint mir deshalb immer falsch Leben gegen finanzielle Aspekte aufzuwiegen.
Die Strasse zur Hölle ist bekanntlich mit guten Absichten gepflastert...
Grundsätzlich ist einfach kein Menschenleben gegen Geld aufzuwiegen, denn wenn wir beginnen das zu tun kreiren wir damit die Unsicherheit, die uns diese Krise erst eingebrockt hat. Dieser Verlust am BIP kam nicht wegen verlorengegangener Arbeit zu Stande, denn wirklich Wichtiges wurde so gut es geht weitergeführt. Er kam wegen der völlig unzureichenden Massnahmen zur finanziellen Sicherheit der Menschen zustande. Weil der Geldfluss ins Stocken geriet.
Unsere Dienstleistunggesellschaft generiert ja zu grossen Teilen keinen physischen Mehrwert, also nichts was physisch Bedurfnisse deckt, sondern schafft immer nur neue Zudienerjobs zu denen die durch ihr Kapital, Wissen und Energie Mehrwert schaffen und das auch während der Krise weiter taten. Wenn die anderen alle zuhause bleiben müssen geht uns nichts verloren, ausser eben Papierwert. Weniger Löhne, weniger Steuern, Weniger Ausgaben bei den Haushalten. Unsere Wirtschaft bricht fast zusammen, aber nur weil uns ein Umverteilingssystem fehlt, dass wir auch heute noch im veralteten protestantischen Arbeitsethos suchen.
Die Restaurants, Bars, Geschäfte etc. hätten sich verkraften lassen aber das Loch, dass sie in unser falsch konzipiertes System gerissen haben brockt uns diese Probleme ein.
"Wacht auf, Verdammte dieser Erde
Die stets man noch zum Hungern zwingt
Das Recht wie Glut im Kraterherde
Nun mit Macht zum Durchbruch dringt"
Gerade als Linker geniesse ich es sehr, dass die Panikmache von Leuten wie Herrn Binswanger mittlerweile nicht mehr verfängt. Er mag Menschen, die zum Umgang mit dem Virus eine andere Meinung haben, als Dummköpfe oder Rechtsextreme verunglimpfen - es ist Ausdruck eines Kleingeists, der sich nicht eingestehen kann, dass er wochenlang zu unrecht den Teufel an die Wand gemalt hat. Wir anderen werden ihm bestimmt nicht den Gefallen tun, den Erfolg durch einen leichtsinnigen Umgang mit der Situation zu gefährden. Heja Sverige.
... dass er wochenlang zu unrecht den Teufel an die Wand gemalt hat.
Noch einer der meint weil die Massnahmen gewirkt haben, seien sie nicht notwendig gewesen.
Welch fulminanter Schluss!
Wie erklärt sich das epidemische Stockholm-Syndrom? Weshalb sind weite Kreise dagegen so wenig resistent, obwohl Schweden nach heutiger Datenlage ökonomisch nicht besser fährt und stark erhöhte Todeszahlen hat? Die kurze Antwort dürfte lauten: weil die Todeszahlen höher sind. Weil in einer bestimmten Weltsicht die realistische, virile, eben «rationale» Haltung zwangsläufig auf der Seite der grösseren Härte liegt. Weil jede andere Güterabwägung ja nur zu «Moralisieren» führt. Weil man nur dann wirklich sicher sein kann, vernünftig zu handeln, wenn man vor Ruchlosigkeit nicht zurückgeschreckt hat.
Natascha Strobl spricht in ihrem Artikel «Der Hass auf alles Schwache» diese «Werte» aus: Sozialdarwinismus. So im Teaser:
Heroische Männlichkeit, Recht des Stärkeren, Wert des Lebens – bei der Debatte um Risikogruppen gehen die Argumente von Marktradikalen und Rechtsextremen Hand in Hand.
Oder wie sagte Trump kürzlich: «The people of this country are warriors». Was wohl «the body count» erträglicher machen sollte. Ist er doch jetzt schon höher als im Vietnam Krieg. Aber hey, «that is what it is» (seine Antwort auf die hohe Zahl der Todesfälle)!
Bin gerade etwas verlegen. Kann mir irgenwer etwas mehr über Köhnlein und seine sagenhafte Viren-Analysen sagen?
Vielleicht ein Link zu einer Site, welche sich kritisch mit seinen Thesen aueinandersetzt? Ich werde im Moment von gutmeinenden und gutgläubigen, glutäugig von mir sonst lieben Menschen auf den Herrn aufmerksam gemacht. Merci!
Danke für die Frage, Herr R. Dr. med. Claus Köhnlein ist Internist. Reicht das? Sonst helfen die Faktenchecker von Mimikama zuverlässig beim Enttarnen von kursierendem Bullshit.
Ich finde hier wird der "schwedische Weg" etwas stark zersaust, obwohl es klar scheint, dass die Übersterblichkeit höher ist als in anderen skandinavischen Ländern, nämlich leicht mehr als in der Schweiz; siehe https://www.euromomo.eu/graphs-and-maps/ (ganz nach unten scrollen und evtl. mit <CTRL> + vergrössern). So lange die Spitäler nicht überfordert werden, sind nicht die Spitze oder die Steilheit der Kurven massgebend, sondern deren Fläche, in der Schweiz z.B. kleiner als bei den Grippeepidemien 2015 und 2017. Wer selber betroffen ist, findet natürlich keinen Trost in diesen nüchternen Kurven. Die wohl kaum beantwortbare Frage ist: hätte Schweden mit strengeren Massnahmen z.B. das extrem kleine norwegische Niveau erreichen können? Was ist und war, abgesehen von diesen Todesfällen selbst, anders zwischen z.B. Schweden und Norwegen?
Bei dieser Wertedebatte geht es nicht nur um Todesfälle vs. Wirtschaft oder Freiheit, sondern auch um andere, diffusere gesundheitliche Risiken, die kaum wahrgenommen werden aber trotzdem vorhanden sind, welche durch die Corona-Massnahmen teilweise zu und teilweise abgenommen haben, aber gar nicht diskutiert werden. Mein allergrösstes persönliches aber von aussen erzwungenes Lebensrisiko ist z.B. der Strassenverkehr und ich verzweifele am Unwillen sämtlicher Regierungen und Parlamente dieses Risiko bei den Verursachern stärker zu reduzieren, was mit viel kleineren Eingriffen als mit den gegenwärtigen Coronabedingten möglich wäre und viel mehr Lebensjahre "retten" würde. Es ist sogar zu befürchten, dass die, gegenwärtig durch weniger Verkehr wenigeren Todesfälle, bald stark zunehmen werden, wenn noch mehr Leute Auto fahren, weil sie Angst haben, sich im ÖV anzustecken.
Diese Diskussion ist allerdings "Jammern auf hohem Niveau" im Vergleich zu vielen anderen Ländern mit weit mehr Leid als wir uns vorstellen können.
Aber, lieber Herr Binswanger, wenn vor allem die Alten sterben, entlastet das doch die AHV!
Ironie wird nicht immer verstanden ;-)
Alle wissen, dass es im Alltag ängstliche und weniger ängstliche Charaktere gibt und dass die unterschiedlichen Haltungen oft nicht auf rationalen Überlegungen beruhen.
Wenn ich mir die Beiträge hier anschaue, sind die ängstlichen Charaktere in der Überzahl. Diese betonen zwar oft, dass sich ihre Haltung und Meinung nach wissenschaftlichen Erkenntnissen richte. Sie kommen dann aber zum Schluss, dass man nur sehr wenig wisse und daher vorsichtig bleiben und mit dem schlimmsten rechnen müsse. Im weiteren werden dann neue Erkenntnisse ignoriert und auch gar nicht nach solchen gesucht. Die Ängste werden noch verstärkt durch die Tatsache, dass die Verlautbarungen des Bundes und der meisten Wissenschaftler immer eher negative Aspekte betonen und oft ominöse Warnungen
enthalten, offensichtlich aus "pädagogischen Gründen". Als Grund für gefürchtete Entwicklungen werden dann profitgierige Wirtschaftsmächte (die es sicher gibt, greift aber zu kurz) ins Spiel gebracht. Positive Daten werden selten erwähnt. Ich glaube, niemand hat hier in diesem Zusammenhang die positive Entwicklung der täglich gemeldet Fallzahlen (gemässBAG, meint die Anzahl neu infizierter Personen) erwähnt, von über 1000 bis jetzt etwa 50 (von über 15 % zu jetzt 1.5 % positive Fälle), bei etwa gleich bleibender Anzahl Tests.
Ich habe begonnen, mich näher mit den Zahlen des BAG zu befassen, weil ich Zweifel hatte, dass nach wissenschaftlichen Kriterien und mit der nötigen Professionalität gearbeitet werde. Dazu kam fehlende Transparenz. Ironischerweise ausgerechnet jetzt, nachdem sich einiges verbessert hat, finden viele, dass der Bund nicht mehr nach wissenschaftlichen Kriterien handle.
Interessant das Interview mit BR Berset heute bei Tages-Anzeiger. Er war am 25.Feb. in Rom. Da war es den Verantwortlichen offenbar schon klar, dass die Lage in Italien ausser Kontrolle war. Danach kam dann das Problem: wie sag ich es meinem Volk. Berset glaubt nicht an eine 2. Welle. Wer sich mit den Daten befasst, hat sich wahrscheinlich schon länger gefragt, woher diese kommen solle.
Um die Krise zu meistern, braucht es eine gegenüber allem offene Haltung.
Lieber Herr K., aufgrund welcher Zahlen kommen Sie zum Schluss, dass eine zweite Welle nicht kommen wird? Herzlich, DB
Alle wissen, dass es im Alltag ängstliche und weniger ängstliche Charaktere gibt und dass die unterschiedlichen Haltungen oft nicht auf rationalen Überlegungen beruhen.
Ich würde eher sagen: die einen haben mehr Angst vor Todesfällen, die anderen haben mehr Angst vor Schäden an der Wirtschaft. Angst haben beide.
Wer viel wirtschaftlichen Besitz hat, und wenig ältere Familienmitglieder, der gehört eher zu den Zweiten, wer wenig Besitz hat, einen sicheren Job beim Bund, und viele alte Familienmitglieder, gehört eher zu den ersteren. Das ist soweit alles sehr rational. Es gibt keinen Grund jemandem Irrationalität vorzuwerfen. Das wäre irrational.
Eine gefährliche Entwicklung ist jetzt im Anmarsch.
Die Rechtsradikalen konzentrieren sich momentan intensiv auf das Thema Corona.
Mit Ausländerthemen können sie momentan nicht Punkten.
Die Demos am Wochenende in Stuttgart waren seit Tagen im Internet auf bestimmte Seiten vorangekündigt.
Die Rechtsradikalen sind einmarschiert und viele der sog. Freiheit Liebende Bürger haben sich ahnungslos angeschlossen.
In der Schweiz ist es ähnlich aber nur sanfter und versteckter.... Wie immer.
Das Coronavirus sehe ich ganz klar. Vier Wochen war ich krank. Mein Körper war mehrere Mal wie ein gewrungener Putzlappen vom Zehen zur Haarspitze. Ich wünsche niemandem diese Krankheit so durchzumachen. Nach zehn Wochen bin ich immer noch beeinträchtigt. Zwischen dem Spital und leichten Symptomen von zwei Wochen gibt es noch viele Varianten. Ich habe Respekt vor der zweiten Welle. Sie wäre noch schlimmer (auch wirtschaftlich). Weil ein paar „Stars“ Demos organisierten oder andere „Stars“ nicht warten konnten, hätten meine disziplinierten Quartier Kolleginnen wieder weniger Möglichkeiten.
Bei uns wird das Grosi vielleicht hässig angeschaut, wenn es, im Wissen darum, dass es im Notfall auf der IPS keinen Platz bekommt, gleichwohl darauf besteht, unter Wahrung des Sicherheitsabstandes selber am Rollator durch den Einkaufsladen zu kriechen.
Vielleicht meldet sich dann der eine oder andere anonyme Flegel, um ihm klarzumachen, wo es hingehört. Vielleicht wird es auch explizit nach Hause geschickt. Aber es wird nicht verhaftet. Muss keine Busse bezahlen. Und wo, bitte, soll der Gropa den Mut zum Sterben üben, wenn nicht bei Gelegenheiten, die neben Besonnenheit ein kleines bisschen Zivilcourage brauchen?
Das Argument zieht nicht, dass die Alten den Schutz gar nicht wollen.
Individuen waren und sind bei uns frei, selber zu entscheiden. Sie bekommen - allerhöchstens - eine Busse. Realisieren vielleicht ernüchtert, dass unserer Gesellschaft zu einem guten Teil aus Möchtegernlehrern und Freizeitpolizistinnen besteht. Wenn sie das nicht zuvor schon wussten. Mehr nicht.
Der Staat hat diese Freiheit nicht. Es ist seine Verpflichtung, sich bei den Schutzmassnahmen an den Schwächsten zu orientieren. Und deren Interessen auch gegen jene anderer, ungleich mächtigerer Gruppierungen zu gewichten und zu vertreten.
Da finde ich, hat Binswanger recht: wer gegen den Lockdown löckt und unreflektiert eine möglichst schnelle Aufhebung will, sollte darüber nachdenken, welchen Werten er oder sie vielleicht ungewollt das Wasser trägt.
(Mit der Zweckentfremdung des 'Stockholm-Syndroms' bin ich nicht ganz einverstanden. Aber ich sehe die Eignung als eingängiger Titel.)
Ja, ich fürchte mich davor und nein, ich sehe die Wertedebatte nicht nur polarisiert zwischen: was braucht es für eine gesunde Wirtschaft und was brauchen Menschen über 65 und weitere sogenannte vulnerable Gruppen zum Schutz ihres Lebens. Die Wertedebatte greift hoffentlich dahin, wo sie vor Corona häufig umgangen wurde: Welche gesellschaftlichen Werte und zwar durch alle sogenanten Gruppen, Clusters, Schichten, Geschlechter, Herkunfte, Alter etc hindurch, bestimmen das politische, soziale, ethische..... Regelwerk für unsere Gesellschaft und unser Staatswesen.?
Und ich habe als über 65jährige genug von diesem Drachen Biopoltik, der meine Lebenswurzeln abfrisst. Dies mit allem Verständnis für die Pandemie Bekämpfungs-und Verhütungs Regeln und Nichtverständnis für die forcierte überstürzte Lockerung und die in der Republik in Salon Causerie gezeigte Non Chalance des Parlamentes. Die Biopolitk Debatte ist genauso pervers Wohlstands geprägt , wie die Kapitalismus Debatte. Lasst mich bitte am Leben, auch Sie, Herr Binswanger. Ich weiss nicht in welchen Kreisen sie sich aufhalten. In meinem Umkreis höre und lese ich anderes. Viele Stimmen, auch junge Stimmen, die das Bewusstsein haben, dass wir mitten drin sind, da ist nichts von zurück zur Normalität zu spüren, sondern wie gestalten wir jetzt den nächsten Tag, wie gestalten wir unsere Arbeit, den Umgang mit uns , den anderen, das Um uns herum, wie nehmen wir Einfluss? Das ist die Wertedebatte dieser Stimmen und meine auch.
Ich kenne in der ganzen Verwand- und Bekanntschaft eine Person, die zwei Wochen wegen Corona mit leichten Symptomen zuhause bleiben musste, aber im selben Kreis mehr als ein Dutzend Personen, die wegen den Maßnahmen nichts mehr verdienen, Handwerker, Künstlerinnen und Künstler. Mein Vater und seine Schwester, 95jähriG. K.rngesund, sind im Gefängnis des Altersheims, wie sie sagen, und ich befürchte, dass diese Monate der Isolation ihren Zustand so verschlechtert, dass sie die gewohnten Spaziergänge und Ausflüge nicht mehr machen können. Alte Menschen verlieren schon nach kurzer Zeit der körperlichen Einschränkung ihre Beweglichkeit.
Damit bin ich sicher nicht alleine und das Verhältnis zeigt doch deutlich, wo der Schuh mehr drückt.
Darum ist Ihre Polemik und sind ihre zynischen Seitenhiebe auf Kritiker der Massnahmen kein konstruktiver Beitrag. Eine Wertedebatte würde uns gut tun, denn dazu gehört auch eine Debatte über den Wert medialer Berichterstattung ohne Scheuklappen.
Danke Herr Leimbacher. Dass Ihr Kommentar mehr negative als positive Beurteilungen bekommt, zeigt mir, wie sehr "man" auch jetzt noch nicht bereit ist, den gesunden Menschenverstand anzuwenden - und die konkreten Folgen aller Massnahmen: Und die messen sich nicht an der Anzahl Toten, sondern an Lebensschicksalen, an verminderter Lebensqualität und dergleichen.
Corona-Viren werden die nächsten Jahre Teil unserer Welt sein - und wir tun gut daran, ja, wir sind verpflichtet, einen Umgang damit zu finden, der uns und allen Menschen erlaubt, zu arbeiten und Geld zu verdienen.
Unsere Reaktionen führen WELTWEIT zu Armut und Notstand für Abermillionen von Menschen. Es ist - nur so zum Beispiel - eine Anmassung sondergleichen, Opfer- und Infiziertenzahlen aus Staaten wie Singapur und Südkorea für Benchmarks heranzuziehen, in welchen das besondere, aber überhaupt nicht interessierende Schicksal von Gastarbeitern komplett ausgeblendet wird.
Der gesunde Menschenverstand ist leider sehr schlecht darin, exponentielle Phänomene zu beurteilen. Darum bin ich sehr dankbar, wenn sich Entscheidungsträger NICHT auf den gesunden Menschenverstand verlassen, sondern auf Wissenschaft und ihre Modelle.
Die Tatsache, dass in halb Europa derart strenge Massnahmen notwendig wurden, verdanken wir hauptsächlich dem gesunden Menschenverstand, der dazu geführt hat viel zu lange nichts zu unternehmen.
Wenn in der CH bereits im frühen Februar Massnahmen ergriffen worden wären, hätten wir wir viel weniger strenge Massnahmen ergreiffen müssen. Leider war das wegen gesundem Menschenverstand nicht machbar.
Dringend gebrauchter Denkanstoss und wichtige, wohltuende Wertediskussion!
Einzig "Stockholm-Syndrom" darf wohl ähnlich wenig in den Sprachgebrauch führen wie "(Herkunftsstadt)-Virus", um nicht (unbewusst) gegen eine ganze Stadtbevölkerung zu wettern, oder?
Auch interessant fände ich übrigens, wenn jemand einen Artikel dazu hätte, wie sehr denn die Schwedische Bevölkerung eigentlich hinter der eigenen Politik steht. Alternativ auch: Wie schaut man (in einigen Wochen oder Monaten dann) in Schweden auf uns?
Wieder einmal grossen Dank für einen grossartigen Artikel. Ich bin froh, bei der Republik immer wieder vernünftige Texte zu lesen. Sorry, ich kann trotzdem noch etwas beifügen:
Zunächst: ich denke, dass man den Erfolg der verschiedenen Länder schon einigermassen vergleichen kann. Abgesehen von den Katastrophenländern Italien etc., welche überrascht wurden, hat die meisten Coronatoten pro 100'000 Einwohner das Vereinigte Königreich, dessen Johnson es besser wissen wollte (47.5 Coronatote auf 100'000 Einwohner). Rang 2 hat Schweden inne mit 31.5 Coronatoten pro 100'000 Einwohnern. UK liegt im Zentrum von Europa (ja, ja, ich weiss) und ist eine internationale Drehscheibe. Schweden liegt am Rand, hat keine Drehscheibenfunktion und einen grossen Teil der Bevölkerung über riesige Distanzen verteilt. Schweden müsste also viel besser dastehen, doch auch dort funktionierte die Eindämmung nicht. Rang 3 haben die USA mit 24 Coronatoten auf 100'000. Weil dort die (erste) Corona-Welle noch nicht so weit ist wie bei uns und Trump Chaos stiftet und Schuldige sucht, werden die USA im Finish wohl an die Spitze vorrücken, denn Johnson hat es unterdessen begriffen und auch die Schweden merken, dass ihre Bullerbü-Romantik nicht mehr so ganz zu Zeit und Leuten passt.
Typisch für die Schweiz ist, dass hier die Zahlen ihr eigenes Leben führen. Unsere Zahlen weichen (wenigstens heute Nachmittag) erheblich von jenen von Johns Hopkins ab. Nach Google-Zahlen hat die Schweiz mehr als 17 Coronatote auf 100'000 Einwohner, nach Johns Hopkins sind es sogar mehr als 21. Darauf können wir nicht stolz sein, vor allem nicht wenn man mit Deutschland vergleicht (gut 9) oder mit Österreich (gut 7). Aber bei uns ist ja auch sonst alles anders: In der letzten Pandemie waren Schutzmasken günstig (in der Migros Fr. 4.90 für 50 Stück) und sinnvoll. Dieses Mal wurden sie beim Ausbruch der Pandemie in grossen Mengen ins Ausland verkauft, sind jetzt schweineteuer und werden als sowieso sinnlos hingestellt (das kennt man doch: unerreichbare Trauben sind saure Trauben). Ich bin froh, dass wir immer noch BAG-zertifizierte Pandemiemasken besitzen.
Ja, Schweden rechnet trotz seines Bullerbü-Lockdowns mit eine Wirtschaftskrise - gleich wie der Rest der Welt auch. Warum also über Sicherheitsmassnahmen streiten, wenn die Vorgehensweise nach dem Gusto von Frau Martullo-Blocher zwar mehr Tote bringt, aber nichts für die Wirtschaft? Ich sehe nur einen Gewinn aus dieser Diskussion: es zeigt sich, wie dünn die zivilisatorische Lackschicht ist: wie leicht solche Leute den Tod fremder Menschen in Kauf nehmen. Und das nur für ein Prinzip und nicht gestützt auf eine durchgerechnete Kette von adäquaten Kausalzusammenhängen. (Das wäre übrigens das Kriterium und nicht die summarischen Andeutungen wie in Seiten der abgedrifteten Tante von der Falkenstrasse.)
Aber was für eine Wirtschaftskrise haben wir denn? Schlimmer als nach dem Ölschock? Sicher nicht, denn damals brach eine Grundlage der Wirtschaft weg. Dieses Mal ging einfach der Strom aus. Alles steht still, der Schaden ist enorm. Ja, aber wir alle wissen, bald wird der Strom wieder eingeschaltet und geht es ans Aufräumen. Vieles wird beschädigt sein, aber im Prinzip kann man alles reparieren und zum Laufen bringen. Das ist auch einer der Gründe, weshalb die Börsen wieder Fuss gefasst haben.
Eine zweite Corona-Welle ist an sich so sicher wie vor hundert Jahren bei der Spanischen Grippe. Aber vielleicht haben wir Glück und schon bald Medikamente, welche das Problem für uns faktisch aus der Welt schaffen: die Welle wird gebrochen oder sogar ganz verhindert.
Die ETH-Studie basiert auf den Fallzahlen der einzelnen Länder. Sind diese Daten tatsächlich vergleichbar? Nur als Beispiel (Daten: Johns Hopkins University, 8. 5. 2020) :
Schweden: 24'600 Fälle, 3'175 Tote, 12.91 Todesfälle / 100 Infizierte
Schweiz: 30'200 Fälle, 1'823 Tote, 6.04 Todesfälle / 100 Infizierte.
Das heisst doch, dass es in Schweden doppelt so viele Todesfälle pro Infizierte gibt wie in der Schweiz. Da Altersstruktur und Spitalstandard der beiden Länder vergleichbar sind, heisst das für mich, dass die Fallzahlen mit Vorsicht zu verwenden sind und nicht ohne weiteres für weitere Schlüsse taugen.
Ja, genau, es geht um Werte. Aber wer nur mit der Moral-Keule à la «in Schweden wird die Rezession genau so heftig sein» dreinschlägt, bleibt an der Oberfläche. Das ist ja nur das Resultat der Tatsache, dass die Verantwortlichen auf einem ganzen Kontinent (und mehr...) in ihrer Überforderung alle gleich einäugig handelten... Da wäre nun die Frage: Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Dazu habe ich bis jetzt erst einen einigermassen überzeugenden Antwort-Versuch gefunden: https://www.zeit.de/2020/19/grundre…gesundheit (Den ganzen Artikel kann man nur mit Abo lesen - aber DAS wäre mal eine Einordnung, wie ich sie mir hier auch wünschen würde...).
PS: Im Übrigen ein GROSSES KOMPLIMENT und ein ebensolcher DANK an die Republik! Ihr und die NZZ seid die einzigen Schweizer Medien, die in dieser Corona-Krise überhaupt den Mut hatten und haben, auch kritische Fragen zu stellen und eine Einordnung zu versuchen!
Seien Sie ehrlich und sagen ohne wenn und aber: wie viele Tote sind sie bereit zu akzeptieren um das Prinzip von weiter so aufrecht zu erhalten.
Das ist die falsche Frage. Sagen sie, wie weitgehende Einschränkungen der Grundrechte sie bereit sind in Kauf zu nehmen? Am besten wäre es wenn wir alle Leute in ihren Wohnungen einmauern, denn dann wäre der Virus besiegt - aber wir auch alle tot. Die Dinge sind nicht so einfach, wie sie es in ihren Beiträgen darstellen. Es gibt keine richtigen und falschen Antworten, die Welt ist leider etwas komplexer.
Aber wer nur mit der Moral-Keule à la «in Schweden wird die Rezession genau so heftig sein» dreinschlägt, bleibt an der Oberfläche.
Warum soll das eine Moralkeule sein?
Da wäre nun die Frage: Wie konnte es überhaupt so weit kommen?
Vielleicht weil es sich überall um denselben Virus handelt?
Wäre es ein Experiment wert, Herrn Binswanger für einmal um eine Kolumne zu bitten, bei der er nur Fragezeichen, aber keine Ausrufezeichen benützen darf, als stilistische Herausforderung?
Liebe Frau C., es fällt mir immer wieder auf, dass Sie nicht sehr aufmerksam lesen und ein desto stärkeres Bemühen an den Tag legen, exklamatorische Pointen zu setzen. Ich benutze sehr selten Anrufe-Zeichen, ein Stilmittel, das mir wenig behagt. Und ich benutzte sehr viele Fragezeichen. Herzlich, DB
Besten Dank Herr Binswanger. Es war höchste Zeit, das "Schwedenmodell" ins richtige Licht zu rücken.
Noch zur Ergänzung: Es gibt ein Land, das zum richtigen Zeitpunkt (18.3.2020) einen Lockdown verfügt hat und so die Coronoa-Epidemie einigermassen in Schach halten konnte: Argentinien.
Hier die Todesfälle pro 100’000 Einwohner (Johns Hopkins University) am 8. Mai 2020:
Argentinien: 1
Österreich 7
Schweiz: 21
Schweden: 30
Die Unterschiede scheinen mir doch signifikant.
Meldungen der letzten Tage:
< Im Kanton Zürich ist seit Donnerstagnachmittag eine Person an Covid-19 gestorben. Damit erhöht sich die Anzahl Todesfälle auf 125. Von diesen sind 75 Personen in Alters- und Pflegeheimen gestorben, 49 im Spital und eine Person zuhause. (Tages-Anzeiger) >
< Fast die Hälfte aller Todesfälle im Kanton Schwyz betreffen ein Altersheim
Im Kanton Schwyz entfällt fast die Hälfte der Todesfälle, die mit dem Coronavirus in Verbindung stehen, auf ein Altersheim. Im «Zentrum für aktives Alter Frohsinn» in Oberarth starben in den letzten Wochen total elf Personen, die positiv auf Covid-19 getestet worden waren. Insgesamt meldet der Kantons Schwyz bislang 23 Corona-Todesfälle. ..... Auch im Kanton Glarus sind die meisten Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus in einem einzigen Altersheim vorgefallen. Dort starben 11 von 12 Todesopfer in einer Einrichtung in der ehemaligen Gemeinde Ennenda, wie bereits vermeldet wurde. (SRF) >
Die Kantone Genf und Waadt zeigen in ihren täglichen Bulletin, dass der Anteil der nicht im Spital gestorbenen Personen deutlich über 50 % liegt. Aus all diesen Berichten lässt sich schliessen, dass der grösste Teil der bei uns Verstorbenen in Alters- und Pflegeheimen gewohnt hat (auch ein Teil der Todesfälle in Spitälern dürfte Leute aus Heimen betreffen). Diese Personen sind nicht mehr selbständig genug, um sich draussen zu bewegen.
Eindämmungsstrategien nur aufgrund der Totenzahlen zu beurteilen, greift zu kurz. Offensichtlich gibt es weitere wichtige Faktoren neben den Lockdown-Massnahnen, z.B. wie gut Heime abgeschirmt werden können. In Italien kam dazu, dass das Virus nicht aus den Spitälern herausgehalten werden konnte. Neben Schweden haben auch Belgien und die Niederlande hohe Zahlen. Beide haben stärkere Massnahmen als Schweden ergriffen.
In Österreich wurden die Ergebnisse der 2. Querschnittstudie bekannt: 1 positiver Fall auf über 1500 Tests. Ich habe nicht gesehen, dass dies irgendwo kommentiert wurde. Anders wäre es wahrscheinlich gewesen, wenn es 100 Fälle gegeben hätte. Positive Ergebnisse finden offensichtlich viel weniger Beachtung als negative.
Ich sehe mich selber als links- und faktenorientiert, schon wegen meines früheren Berufes (Forschung und Entwicklung). Ich war froh, als der Bundesrat beschloss, die Lockerungen schneller vorzunehmen. Es gab und gibt genügend einzelne Daten, die zeigen, dass die Entwicklung schneller als gedacht in die richtige Richtung geht. Die Kosten gehören ebenfalls zur Gesamtbetrachtung.
Die Schlussbemerkung von Daniel Binswanger
<Ein guter Teil der Meinungsmacher und Entscheidungsträger lässt sich leiten von einem ideologischen Pathos der Härte. Wer sich davor nicht fürchtet, hat nichts begriffen.>
erscheint mir als sehr emotional. Das Fürchten (auch weil von den Medien gern angeheizt) kann dazu führen (gut sichtbar in Zuschriften und Kommentaren), dass nicht alle Fakten in gleichem Ausmass zur Kenntnis genommen werden.
Wie Sie wissen, Herr K., bin ich ganz bei Ihnen, dass man den Alters- und Pflegeheimen besondere Beachtung schenken sollte. Aber wenn Sie schreiben:
Offensichtlich gibt es weitere wichtige Faktoren neben den Lockdown-Massnahnen, z.B. wie gut Heime abgeschirmt werden können.
Dann ist dies eine falsche Disjunktion, denn die Abschirmung der Heime ist eine Art von Lockdown-Massnahme.
Wie müssten vielleicht erst klären, was Sie unter «Lockdown-Massnahme» verstehen. Folgen wir der ETH-Studie von Banholzer et al. «Impact of non-pharmaceutical interventions on documented cases of COVID-19» dann heisst es einerseits:
dass der Lockdown die am wenigsten effektive Massnahme scheint
und die Effektivität des Lockdowns nur 5% betrage. Doch andererseits wird für die Schweiz gar kein Lockdown verzeichnet, denn nach der Definition der Studie ist ein «Lockdown»:
Prohibition of movement without valid reason (e.g., restricting mobility except to/from work, local supermarkets, and pharmacies)
As our effect estimates describe the additional impact of an NPI on top of the other NPIs, the moderate effect of lockdown may be explainable by event bans, venue closures and gathering bans catching already a substantial part of the impact of a lockdown.
Mit «Lockdown» ist damit wohl eher ein «Hard Lockdown», wie in Italien, Frankreich oder Spanien gemeint – also v. a. die Ausgangssperren. Und nicht ein «Soft Lockdown» wie in der Schweiz, Deutschland oder Österreich.
Den grössten Effekt, nämlich 36%, hätten nach dieser Studie «venue closures», d. h.:
Closure of venues for recreational activities and/or closure of shops, bars, and restaurants
Also genau das, was «Lockdown-Kritiker» monieren, wenn sie auf die Wirtschaft oder auf Schweden verweisen (vgl. auch den Thread von Bob Robson.
Es wäre nun tatsächlich interessant – etwa in einer Nachfolgstudie – zu erfahren, welche Effekte die Abschirmung der Alters- und Pflegeheime im internationalen Vergleich hatte.
Der Zeitpunkt für ein Zwischenfazit im grossen pandemischen Konzeptvergleich Schweden gegen Reste der Welt zu ziehen, ist nicht jetzt, sondern frühestens in der zweiten Jahreshälfte. Denn beide haben Zeit gegen Fallzahlen getauscht: Schweden nimmt höhere Fallzahlen heute in Kauf, um nach Erreichen einer Immunität lockern zu können und tiefe Fallzahlen zu halten. Wir haben strenge und teure Massnahmen heute eingeführt, um sofort keine höhen Fallzahlen mehr ertragen zu müssen. Und uns das Risiko eingehandelt, diese nicht mehr lockern zu können aus Angst vor der zweiten Welle - bis zur Impfung oder für immer, falls die Impfung keinen dauernden Schutz gibt.
Ich denke, der Ausgang ist wieder offener denn je: Weil es so schwierig ist, Corona in den Altersheimen zu kontrollieren, wird Schweden auch bei Erreichen der Herdenimmunität nicht, wie erhofft, so leicht zum Status Quo Ante zurückkehren können. Und wenn sich bei uns bestätigt, dass Corona ausserhalb der Altersheime mit den einfachen Hygieneregeln unter einem R=0 von 1.0 gehalten werden kann, sieht es gut aus für uns und unsere Politiker. Obwohl niemand mit so günstigen Umständen gerechnet hat - rechnen konnte.
Als Illustration zum "ideologischen Pathos der Härte" hier ein Verweis auf den Club von SRF vom 5.5.2020. Rationalität heisst für Eichenberger offenbar Mut zur Grausamkeit. Er warf dem Bundesrat vor, er habe in der Corona-Krise zu viel Rücksicht genommen auf die Alten und Kranken. Der Tod von sehr alten oder gesundheitlich vorbelasteten Personen habe weniger Gewicht als derjenige von 40-Jährigen. Wörtlich sagte er (Minuten 19:50 - 20:30): «Er (der Bundesrat) hat nicht genügend rational entschieden in dem Sinn, dass er das Problem breit angeschaut und wirklich alle Vor- und Nachteile abgewogen hätte. Er hat wirklich extrem fokussiert auf die hohe Zahl von Toten und hat nicht berücksichtigt, eben dass das nicht wie bei den Verkehrsunfällen Leute sind, die mit 40 im Schnitt sterben, sondern das Leute sind, die mit wahrscheinlich schwersten Vorbelastungen, sehr alt sterben, wenige Lebensjahre verlieren, und dann muss man das anders anschauen.»
https://www.srf.ch/play/tv/club/vid…be76f24488
Die hohen Anforderungen an den Faktencheck - "etwas, auf das wir stolz sind, auf das wir Wert legen" (siehe "Zu den Fakten", 10. Mai 2020) - gelten offenbar nicht für Kolumnen. Sonst hätte Herr Binswanger sich unvoreingenommen mit den Fakten zum schwedischen Weg befasst und diesen wesentlich differenzierter gewürdigt. Zum Einstieg und Kontrapunkt sei der Artikel "Sweden's Coronavirus Strategy Will Soon Be the World's" in Foreign Affairs vom 12. Mai empfohlen.
Ein guter Teil der Meinungsmacher und Entscheidungsträger lässt sich leiten von einem ideologischen Pathos der Härte. Wer sich davor nicht fürchtet, hat nichts begriffen.
Schon wieder ein Artikel, der Angst machen will.
Ich würde sogerne von Daniel Binswanger einmal etwas ermutigendes lesen
Für den Pathos der Härte bin ich überhaupt nicht empfänglich, für soziale Werte wie Liebe und Freude hingegen schon.
Von Liebe spricht aber kaum jemand, umsomehr von Tod und sterben.
Zelebriert hier Daniel Binswanger nicht den Pathos der Angst? Der schützt uns aber nicht vor dem Pathos der Härte. Dafür ist er mit diesem viel zu eng verwandt. Beide verschliessen das Herz.
Ich bin über 70 Jahre alt. Es würd mir nie einfallen, von der Welt einen Lockdown zu erwarten, um mein Infektionssrisiko zu reduzieren. Anstatt von Härte zu sprechen sollte man die Umsorgten doch einmal fragen, welche Fürsorge sie denn wünschen.
Sehr gut! Genau das sagt meine Mutter (83) auch. Sie will selbst entscheiden wie sie ihr restliches Leben lebenswert lebt.
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