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Danke für das interessante Interview. Ich frage mich allerdings, inwiefern die Logik des Profitstrebens tatsächlich dem freien Willen der Erdbevölkerung entspricht. Die Mehrheit ist ja schlicht dazu gezwungen, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, um zu (über)leben - gerade auch, weil der Kapitalismus durch den ihm innewohnenden Expansiondruck sämtlichen alternativen Wirtschaftsformen die Grundlagen entzieht - und dies durchaus auch mit roher Gewalt. Der Imperialismus des 19. Jahrhunderts und der aus ihm resultierende Erste Weltkrieg, für Liberale ein unerklärliches Mysterium, sind schliesslich ja auch die Folgen dieser Expansionslogik. Hierzu lohnt es sich, Rosa Luxemburg zu lesen, die auch viel zu Freiheit und Zwang im Kapitalismus zu sagen hätte.
Ein interessanter Beitrag. Interessant auch die für den Wirtschaftsexperten verblüffende Erkenntnis, dass sich der erste Weltkrieg allein mit dem damals herrschenden Wirtschaftssystem nicht erklären lässt. Meine Antwort dazu: Wen wundert`s? Geld alleine ist nicht die einzige Antriebsfeder des Menschen. Historiker und Philosophen hätten da wohl auch Antworten parat (Ich denke an Bismarck, die preussische Lebensart etc.). Ich denke, es ist gefährlich zu meinen, dass Wohlstand und wirtschaftliche Verflechtungen alleine Kriege verhindern. Eine Förderung guter öffentlicher Schulen (wie im Artikel richtig erwähnt) und Sorge zu tragen zur Ausbildung Phil 1 scheinen mir in diesem Zusammenhang äusserst wichtig, damit wir unser Wertesystem reflektieren können und uns die Welt nicht nur durch die Augen der Wirtschaft erklärt wird.
"Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet Ihr merken, dass man Geld nicht essen kann!"
Auch wenn darüber gestritten wird, wer dieses Zitat in die Welt setzte, es ist die mit Abstand treffendste Beschreibung des kapitalistischen Wirtschaftssystems.
Geld alleine ist nicht die einzige Antriebsfeder des Menschen.
Ich kann Ihnen nur zustimmen. Ich bin auch immer wieder erstaunt, wie oft davon ausgegangen wird, dass die Menschheit sich nur "rational" (oft gleichgesetzt mit "wirtschaftlich optimal") verhält. Im Vergleich von USA und China müsste m.E. mindestens auch die Kultur (Individualismus im Westen vs. Gemeinschaft im Osten als höchstes Gut) mit in die Analyse einfliessen.
zu einem der drei Merkmale des Kapitalismus "der grösste Teil der Arbeit wird als bezahlte Lohnarbeit verrichtet".... : bin doch sprachlos, dass ein Ungleichheitsforscher diese Definition so übernimmt, als wäre nicht schon längst klar und bewiesen, dass der Kapitalismus auf die unbezahlte Reproduktionsarbeit angewiesen ist, die notabene immer noch zu zwei Dritteln von Frauen geleistet wird.
Es ist zwar eine Tatsache, dass das Gebären von Kindern, ihre Erhaltung während der ersten Lebensmonate und die weitere Erziehung und Betreuung zu einem Grossteil von Frauen geleistet, und nicht monetär abgegolten wird.
Aber wenn wir das weiterdenken, ist die Alternative im Kapitalismus wenig berauschend. Wir müssten den Wert eines Kindes monetär definieren und während seiner Entwicklung laufend seinen Fähigkeiten entsprechend anpassen.
Das würde beispielsweise dazu führen, dass ein Kind mit Trisomie 21 de fakto wertlos wäre, weil wirtschaftlich nicht auswertbar. Oder ein Kind, das durch einen Unfall querschnittgelähmt wird, hat ebenfalls auf einmal keinen Wert mehr. Nur Frauen mit Kindern welche wirtschaftlich auswertbare Fähigkeiten aufweisen, kämen in den Genuss eines Kredites, der vom Kind im Laufe seines Lebens abgezahlt werden muss.
Ein solches System führt in die Leibeigenschaft. In so einem System möchte ich keine Kinder haben.
Wenn wir den Kapitalismus, wir ihn kennen beibehalten wollen, und davon gehen eigentlich fast alle aus, gibt es kaum Möglichkeiten, die Reproduktionsarbeit angemessen zu vergelten.
Es gibt eigentlich nur eine Strategie, welche Aussicht auf Erfolg verspricht. Wir müssen den Kapitalismus politisch auf technische Prozesse einengen, welche durch Automatisierung und Rationalisierung den Wachstumszwang kapitalistischen Wirtschaftens noch am ehesten erfüllen können.
Sämtliche persönlichen Dienstleistungen, wie eben Kinderkriegen, oder Pflege, müssten aus dem Karussell der Effizienzsteigerung ausgeklinkt werden, aber aus den stetig wachsenden Gewinnen der technischen Produktion finanziert werden.
Das wäre mit einem Grundeinkommen wohl realisierbar, bedingt aber die Einsicht der vermögenden Bevölkerungsschicht, dass dies eine lohnende Investition in eine stabile, friedliche Zukunft ihrer Enkel und Urenkel ist.
Diese Einsicht vermisse ich derzeit schmerzlich...
Die "Professionalisierung" von Hausarbeit und Kinderbetreuung gehörte schon immer zum aristokratischen Haushalt dazu, mit Kindermädchen, Köchinnen, Wäscherinnen, Putzfrauen usw.
In meiner Nachbarschaft wird sehr viel professionell gereinigt, gegärtnert, umgebaut und renoviert, da das Ehepaar aus dem "Oberen Mittelstand" in leitender Position völlig ausgelastet ist und nicht zu viel Zeit mit den "ausgelagerten", bzw. delegierten Tätigkeiten "verplempern" will.
Nun, in einem Haushalt des "Unteren Mittelstandes", zu dem ich mich zähle, sieht das Ganze völlig anders aus: Meine Frau und ich machen möglichst viel selber.
Gärtner kommen hier nicht vor. Zum Glück ist meine Frau gut im Putzen, was allerdings auch die dunkle Seite eines (von mir aus gesehen völlig übertriebenen) Hygiene-Terrors mit sich bringt. Renovationen im Haus mache ich selber, was schleichend dazu führte, dass unser Haus einen morbiden Baustellencharme bekam. Ausserdem sieht man auch, dass ich Wände selber mit einem Kalkputz versehe.
Aber uns stört das nicht! Im Gegenteil! Im Nicht Perfekten entstehen "Seele" und "Charakter"! Und der zugewachsene Wildgarten ums Haus und der abgesägte und dann vertrocknet an der Mauer hängen gelassene Efeu signalisiert allen potentiellen Einbrechern, dass hier Nichts zu holen ist.
Und jetzt betreuen meine Frau und ich an einem Wochentag unseren Enkel.
Wir machen das gratis, weil dieser Tag für uns keine Arbeits-Verpflichtung ist, sondern ein wunderbares Vergnügen!
Natürlich wäre eine Betreuungswoche dann wieder ein anderes Kaliber, und darum besucht unser Enkel ja auch an zwei Wochentagen die Kita, dann, wenn Papa UND Mama arbeiten und die Grosseltern frei haben.
Hier kommt dann wieder das kapitalistische Effizienzmuster zum Tragen.
Das letzte Mal, als meine Frau und ich mit unserem Enkel auf dem Spielplatz waren, kamen zwei Kita-Betreuerinnen mit je 4 Kleinkindern hinzu. Jede Betreuerin schob einen Doppelkinderwagen vor sich her und hatte links und rechts noch je ein Kind, das schon gut laufen konnte. Auf dem Spielplatz angekommen, drängten die laufenden Kinder schon zum Sandkasten, zu den Schaukeln und zur Rutschbahn. Die Betreuerin liess die Kinder im Doppelkinderwagen erst mal angebunden sitzen, was diesen überhaupt nicht passte, so dass sie mit quengeln anfingen.
Nach kurzem Aufenthalt musste sich die ganze Kita-Formation wieder sammeln und von energischen Betreuerinnen zusammengehalten werden. Ein Kind versuchte sich schon loszureissen, wurde aber gerade noch entschlossen am Arm gepackt.
"Wirklich kein Zuckerschlecken, eine solche kapitalistische Kinderbetreuung!" könnte ich denken. Das eigentlich Wertvolle bleibt wieder mal auf der Strecke...
Und die Kita ist ja nur der Anfang vom ganzen Elend...
Herr Reber, das sollten wir uns auf der Zunge zergehen lassen: Sie beschreiben mit Ihrem scheinbaren Gedankenspiel luzid und anschaulich den real in den meisten Ländern herrschenden, wenig berauschenden Kapitalismus, und Sie gehen allen Ernstes davon aus, dass fast alle davon ausgehen, dass wir ihn dennoch so, wie er ist, beibehalten wollen?
Die Oligarchie USA von heute oder morgen noch als demokratische Nation zu bezeichnen ist gelinde gesagt - Nonsense… so sein Satz: «…amerikanische Grossmacht hingegen, die auf freien Wahlen, Rechtsstaatlichkeit und dem Mehrheitsprinzip beruht…» im Artikel des Herrn Milanović ist heute total daneben.
Die Republikaner der USA sind am Ziel ihrer extremistischen Theorie, aus den 70er Jahren, eines Barry Goldwasser's (alias Goldwater) angelangt, wo «niemals mehr ein Demokrat US-Präsident werden kann». Trump ist nur die Spitze dieses Eisbergs.
Die heutige und zum Teil ehemalige USA noch immer als Demokratie darzustellen, entwertet den Zeitungs-Artikel total; Alles nur blabla…
Verglichen mit Ländern wie China oder Russland sind die USA auch im heutigen Zustand noch weitgehend demokratisch und rechtsstaatlich.
Erst wenn sich Donald Trump nach einer (korrekten) Wahlniederlage nicht freiwillig zurückzieht, und nicht gewaltsam entfernt wird, ist die Demokratie gestorben.
Sowohl die Wahlprozedur, als auch die wirtschaftliche und politische Machtkonzentration müssen allerdings jetzt angegangen werden, sonst wird eher früher als später ein Diktator die Zügel in die Hand nehmen. Bei einem Staat, welcher die militärischen Möglichkeiten hat, die Erde weitgehend unbewohnbar zu machen, ist das schon sehr beunruhigend.
Auf der anderen Seite, werden die USA den Klimawandel, genau wie die Corona-Pandemie nur sehr schlecht bewältigen können, und von daher auch ihre wirtschaftliche und militärische Vormachtstellung langsam aber sicher verlieren.
Im Grunde sehe ich das was Sie schreiben auch so und wollte schon ein plus1 geben. Leider macht das "Alles nur blabla..." unwillig, weil das so pauschal nicht stimmt. Einiges ist in dem wiedermal - sehr ( vielleicht zu ) langen - Artikel ok - vieles lässt erkennen das Herr Milanović eben in den USA studiert hat und das spricht halt eine eigene Sprache...
Wieso die erste Phase des globalisierten Kapitalismus anfangs 20.Jahrhundert kollabierte? Als Wissenschaftler mag Milanovic Vermutungen nicht als Erklärungen verkaufen, aber zwei Ansätze sind gerade im Kontext der Ungleichheits-Entwicklung zu diskutieren:
Erstens ist das Wachstum der Wirtschaft sehr begrenzt, wenn die Kaufkraft nicht breit verteilt sondern auf wenige konzentriert ist. Beispielsweise Kleider mögen teuer und knapp gewesen sein, Textilfabriken ein gutes Geschäft um das Angebot effizient auszubauen; aber wenn das Proletariat keine Kaufkraft hat, kommt es zur Absatzkrise (der 30er Jahre). Erst mit geglätteter globaler Einkommensungleichheit könnte heute das Wirtschaftswachstum sinnvoll fortgesetzt werden.
Zweitens trug es zum Ausbruch des ersten Weltkriegs bei, dass Grossbritannien Deutschland einen Zugang zu Erdöl abschneiden wollte - der mit der Bagdad-Bahn zu erschliessende grosse Energiezufluss, der Voraussetzungen ist für Wirtschaftswachstum. Ein friedlicher globaler Austausch ist zwar vielversprechend, aber wenn jemand wie heute China aufsteigt und die etablierte Macht (heute USA) zu verlieren droht, mag letztere die Entwicklung nötigenfalls auch kriegerisch aufzuhalten versuchen. So wie Deutschland damals nach Erdöl strebte, sind heute unbegrenzte erneuerbare Energien der Schlüssel zu Wirtschaftswachstum in Asien. Ihr Zugang ist physisch weniger einfach abzuschneiden - aber ideologisch wird die auf Erdöl aufbauende Macht verteidigt.
Man hat den Eindruck, der Interviewte spricht über einen anderen Planeten als unseren.
Habermas hat von der Refeudalisierung gesprochen. Dieselbe ist unverkennbar eingetreten: von Meritokratie keine Spur mehr. Das Geld regiert. Um das immer noch nicht zu sehen, ist schon ein gehöriges Maß an ideologischer Verblendung nötig.
Auch die Formulierung, dass viele “nicht von der Globalisierung profitiert” haben, ist die Untertreibung des Jahres. Während die Reichen immer noch schneller noch perverser reich werden, wächst die Zahl der Armen. Die Mittelschicht verschwindet immer mehr in vielen Ländern, nicht nur (aber auch) in den USA. Die Schweiz ist erfreulicherweise eine demokratische Insel der Glückseligkeit, auch in diesem Punkt.
Und wenn ich Sätze lese wie «Empirische Studien zeigen, dass die obersten Lohnkategorien heute sehr viel und deutlich mehr arbeiten als Arbeitnehmer mit tieferen Einkommen», dabei dann an die Working Poor mit drei Jobs denke, von denen alle drei zusammen kaum oder immer noch nicht zum Leben reichen, dann habe ich den Eindruck, der Interviewte ist völlig von der Realität im Spätkapitalismus entkoppelt.
Aber auch der Blick nach China scheint verstellt zu sein: Korruption soll in dem quasi-faschistischen System das grosse Problem darstellen. Dabei vergisst der Autor völlig, dass es in einer totalitären, auf kommunistischer Ideologie basierendem kollektivistischen System möglich ist, Leuten einfach den Kopf abzuschlagen, wenn sie der herrschenden Klasse nicht gefallen. Und das passiert auch in China. Ich habe weder den Eindruck, dass Korruption etwa kein Probleme wäre in diesem Reich, noch dass die “Volksrepublik” etwa besonders unter Korruption leiden würde, vergleicht man sie mit der westlichen Welt; oder man erkläre mir, weshalb CumEx nicht nur möglich ist, sondern dessen Aufklärung und Ahndung als unmöglich erscheint.
Nein, an analytischer Schärfe mangelt es diesem scheinbaren Experten nicht nur, er scheint überhaupt keine zu besitzen. Ein Fachmann für Ungleichheit soll das sein? Wie kann das sein, wenn man nicht einmal die Grundlagen verstanden hat oder wenigstens die Entwicklung in nüchternen Zahlen (nicht aus Propaganda-Organisationen stammend) zur Kenntnis genommen?
Macht braucht der Mensch zur Unterwerfung. Westliche Logik: reich werden und mächtig sein sind eins. Ins Globale übersetzt: eine Wirtschaftsmacht muss geopolitische Ziele haben. Hier ist die Erklärung für den Ersten Weltkrieg. Hier ist die Erklärung für künftiges Scheitern. Nachhaltig ist (Welt-)Politik erst, wenn sie die eigenen (Sicherheits-)Interessen unter Inklusion derjenigen der anderen gewährleisten kann. So wie Demokratie die Freiheit der Andersdenkenden einschliesst. Die Demokratie riskiert auch im Westen, genau wie die Freiheiten der Andersdenkenden im Osten, geopfert zu werden, sobald die Perpetuierung der Machtverhältnisse gefährdet ist. Und warum implodierte das Sandkastenspiel „Realer Sozialismus“ nach dem zweiten Weltkrieg? - Ganz einfach: die Zeit war noch nicht reif dafür. Die Kosten für den Machterhalt in den Staaten des Warschauer Pakts und Comecon waren in jener historischen Situation zu hoch, der Westen trieb sie noch dazu künstlich in die Höhe. Damals war der Kapitalismus noch stark genug, die Wachstumsraten sollten seine innere Fäulnis noch für ein halbes Jahrhundert überstrahlen, bis zum Sonnenuntergang im Westen, der natürlich nicht das Weltende ist.
Ich komme ein bisschen spät mit meiner Reaktion auf dieses Gespräch, trotzdem möchte ich noch dazu äussern.
Einige KommentatorInnen haben bereits bemängelt, dass das Gespräch zu wenig in die Tiefe geht. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass zentrale Begriffe nicht geklärt werden und deshalb nebulös bleiben. Was soll beispielsweise die Charakterisierung des chinesischen Kapitalismus als "politisch"? Ist der westliche Kapitalismus dann "unpolitisch"? Wohl kaum. Letztlich scheint Branko Milanovic eine genauere Definition der Systeme unwesentlich zu sein. Was sollte sonst die Bemerkung: "oder wie immer Sie es nennen wollen"?
M.E. wäre es wesentlich zu begreifen, um welche Staats- und Gesellschaftsform es sich in China handelt, um zu verstehen, was im "Reich der Mitte" tatsächlich vor sich geht. Die Antwort auf diese Frage, das nehmen wir immer deutlicher wahr, wird auch für uns in Europa zunehmend wichtiger. China ist staatskapitalistisch orientiert, wobei der entscheidende Akzent auf dem Staat liegt. Dieser hatte - bis zum Anbruch der neoliberalen "Revolution* - auch im Westen eine wichtige Rolle wahrgenommen. Durch die Corona-Krise scheint sich so etwas wie eine Renaissance des Staates abzuzeichnen. Die effiziente Bewältigung dieser Krise ist für den chinesischen Staat ein entscheidender Pluspunkt im Wettbewerb mit den Vereinigten Staaten - das wird im Gespräch gut hervorgehoben.
Zugleich bleibt für China die jüngere Geschichte des Landes eine zentrale Referenz - und dazu gehören eben Mao Zedong und die Revolution von 1949. Auch wenn die Führung das "rebellische" Element der Gründungsgeschichte des Neuen China vergessen machen möchte, so bleibt es doch virulent. Die "Reformpolitik" von Deng Xiaoping und seinen Nachfolgern hat die Massen entpolitisiert, aber die Staats- und Parteiführung kommt doch nicht darum herum, auf die Bedürfnisse und Interessen des Volkes einzugehen. Das ist angesichts der Corona-Krise sehr deutlich geworden. Und so kommt es zu der paradoxen Situation, die Branko Milanovic so lebhaft beschreibt: Ein "autoritäres" Regime wie China ist deutlich besser in der Lage, diese existenzielle Krise zu meistern als die "demokratischen" USA! Dass unsere Weltsicht dadurch nicht wesentlich erschüttert wird - das müsste doch eigentlich eine Erklärung finden. Leider geschieht das nicht in diesem Gespräch. Vielleicht kann es zu einem anderen Zeitpunkt mit anderen Beteiligten vertieft werden.
Der "politische Kapitalismus Chinas" und "das kommunistische China" sind fuer mich dann zwei gleichbedeutende Begriffe, wenn man vergisst dass "Kommunismus" im Westen als Schimpfwort und nicht als Begriff fuer eine Art von staatlicher Gemeinschaft verwendet wird. Waehrend im "westl. demokratische Kapitalismus" der Protagonist eine Einzelperson ist, ist es im "chinesischen Kapitalismus" der Staat als Ganzes. Wobei die erfolgreiche Einzelperson so lange im Staat oportun ist wie er diesem einen Nutzen erbringen kann. Das waere auch eine Erklärung dafuer, dass es in China einen positiven Steuerwettbewerb gibt, d.h. wer die meisten Steuern zahlt hat gewonnen. Was oft aussieht wie Korruption erklaert sich ebenfalls auf die gleiche Weise, ein Beispiel: Die gesammten Kosten der Trinkwasserversorgung fuer unser Dorf (GuangKou) wurden uebernommen von einer Firma, welche Tafelwasser in Flaschen verkauft, sie hat vom Staat die Lizenz fuer die Abfassung des Wassers ausgehandelt.
Der generelle Unterschied der Systeme liegt m.E. darin, dass eine Firma in China zwingend der Allgemeinheit dienen muss.
Ein sehr guter differenzierter Artikel, den man nur in der Republik lesen kann. Er ist auch für Laien wie mich gut verständlich.
ich bin relativ schockiert von diesem Interview, der mit einem sogenannten Fachmann der Ungleichheit geführt wurde.
Ein ungelöstes Rätsel, die Ursache des ersten Weltkrieges? Mag sein, aber es gibt relativ viele glaubhaften Hypothesen. Eine ist die, dass ein Teil des Ursprungs in der Leichtsinnigkeit der damaligen Regierenden liegt. Es was Sommer, und alle Regierenden waren in den Ferien und nicht erreichbar, wie Poincaré in der Ostsee. Und die ganz kleine Oligarchie des militaro-industriellen Komplexes wollten ihre Produkte zum Einsatz bringen, sei es mit oder ohne richtigen Grund. Der richtige Moment dazu war, die Politiker nicht zu entscheiden lassen.
Wie kommt man dazu, zu sagen, dass WIR die Hyperkommerzialisierung und den Konsumexzess wollen? Das System des Konsums beruht auf der Werbung. Merkt der Interviewte gar nicht wie wir von der Werbung abhängen? Die Werbung zwingt uns das auf. Stoppen wir die Werbung und der Exzess hört auf. Beispiel Fahrzeuge: machen wir rund um die Welt Werbung mit ehrlichen Daten der Kosten der Elektromobilität (sichtbar besonders für Zweiräder) und die ganze Verbrennungs- und thermische Motorisierung liegt flach. Aber wo bleibt diese Werbung?
„Umgekehrt hat das kommunistische Geschichtsbild keine Erklärung dafür, weshalb 1989 die Sowjetunion unterging und der Kapitalismus triumphierte“.
Sehr geehrter Herr Branko Milanović, es gibt durchaus eine banale Erklärung zum Untergang der Politik, sowjetischer Prägung.
Eine gern verschwiegene, aber beidseits schmerzhafte Wahrheit:
Der Kommunismus scheiterte, am Zahlen Missverhältnis der „Brutto Sozial-Werktätigen“ zu seinen "Kontroll-Dienstleistungs-Organisationen“.
Der Kapitalismus schlittert aus genau dem gleichem Missverhältnis in seinen vorhersehbaren Untergang.
(Soweit ich mich erinnere, hat sich ein Mitglied des Mittelstandes der SVP zur sinngemässen Aussage bemüssigt gefühlt:
„Es sei nicht sinnvoll allen Kindern eine höhere Bildung angedeihen zu lassen“)…
hier fehlt ihm die entscheidende Schlussfolgerung: …" fern der Brutto Sozial Produktion"!
Der Gesprächspartner von Herrn Daniel Binswanger, Ökonomen und Ungleichheits-Experten Branko Milanović beschreibt danach in perfekter Weise die Auswirkungen dieses Missstandes:
„Ungleichheit erschöpft sich nicht darin, dass ein kleiner Teil der Bevölkerung sehr viel Geld hat. Sie charakterisiert sich dadurch, dass sich die Privilegien auf Kinder und auf Kindeskinder ausdehnen. Wenn dieser Zustand zu lange anhält, wird das Versprechen von Chancengleichheit und demokratischer politischer Gestaltungsmacht hinfällig. Dann wird das Fundament des politischen Systems bedroht“.
Perfekt formuliert…
Denn ein Gesellschaftssystem, das nicht den Grundwerten seiner Akteure entspricht, kann sich nicht durchsetzen.
Quark. Natürlich geht das, wenn Akteure ineffizient kommunizieren und kooperieren. Die Akteure sind irrational, denn sie haben beschränkte Informationen und Rechenkapazität. Ausserdem wählen sie nicht ihre Ausgangslage und die Annahme von Akteuren mit homogenen und konsistenten Grundwerten ist ohnehin eher naiv.
Sorry, aber der ganze Milanović - Wortschwall lässt mich kalt. Die Fragen dienen zwei hochdotierten, selbst ernannte Geistesgrößen dazu, sich gegenseitig warme Luft zuzufächeln. Ach, wie sind wir doch klug! Einen "liberalen" und einen "politischen" Kapitalismus als gesellschaftliche Kernfrage zu definieren ist nichtssagend. Homoplutie? Meine Güte. Eine unschöne Wortkreation für soziologische Binsenwahrheiten. Der Artikel bringt nichts Neues. Im Gegenteil, er macht aus einem wirklichen und wichtigen Thema einen ungeniessbaren Brei der noch nicht mal einen Hauch von Lösungsansätzen oder gar positiver Utopie enthält. Die Republik als Plattform für intellektuelle Selbstbefriedigung? Muss wohl nicht sein.
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