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Was in Ägypten abgeht ist wirklich haarsträubend. Ich arbeite für eine Schweizer Maschinenfabrik im Textil Bereich und war in den letzten Jahren mehrmals in Ägypten. Ich habe selbst erlebt, wie die Armee Staat im Staat ist. Bezahlbare Wohnungen, Restaurants, Strassen ohne Schlaglöcher, Stadien für lokale Fussbalmanschaften, alles gebaut, betrieben und im Besitz der Armee. Die "einfachen" Leute finden dies jedoch meist super. Solange der Brotpreis im rahmen bleibt und die Leute Arbeit und Unterkunft haben, ist das Volk glücklich. Auf der anderen Seite, sich kritisch zu äussern traut sich kaum jemand. Sicher nicht öffentlich.
Meine Firma agiert zurzeit in einem schwierigen Marktumfeld weltweit gesehn, und unser Management hat dieses Jahr einen dringend benötigeten Grossauftrag in Ägypten an Land gezogen. In etwa 180 Mio. ChF. Kunde: Eine Firma im Besitz der Ägyptischen Armee. Für uns als Firma sicher eine wilkommene Devisenspritze, aber es zeigt auch auf, wie Schweizer Konzerne von autoritären Regimen profitieren. Und Indirekt jede und jeder Schweizer.
Wichtiger Hinweis auf einen hochambivalenten Zusammenhang: wir haben es gut, weil es anderen schlecht geht. Unser Wohlstand beruht auch auf Ausbeutung und wirtschaftlicher Kungelei mit fragwürdigen Systemen. Darauf hinweisen zu können, ohne um Brot und Freiheit fürchten zu müssen, finde ich trotzdem eine Qualität, die zu schätzen und zu schützen ist. Möchte man die wirtschaftlichen Zusammenhänge wirklich umgestalten, wird es auch bei uns schnell aggressiv. Trotzdem gibt es öffentliche Bewegungen, die in Frage stellen (und ungestraft in Frage stellen können, z.B. Erklärung von Bern) ob dieser Zusammenhang tatsächlich so unvermeidbar und zwangsläufig ist, wie auch Sie ihn darstellen. Und es gibt keine Razzia bei der Republik, um Ihren Namen herauszupressen.
ja, frau J., wir haben in unserm land - trotz einiger unzulänglichkeiten - einiges an freiheiten zur verfügung, die in vielen andern ländern zu massiven repressalien führen würden. um so wichtiger sind organisationen wie die von ihnen erwähnte "erklärung von bern" (die sich übrigens seit jahren "public eye" nennt), der ich wünsche, dass ihr die von den eidgenössischen räten bis zur ausreizung verschleppte konzernverantwortungs-initiative einen rasanten mitgliederzuwachs bescheren möge.
Danke für diese interessante Ergänzung. Mir fehlen grad die Worte.
Danke fuer Ihre Erklaerungen erster Hand. Was ich nicht verstehe wenn Sie sagen : « bezahlbare Wohnungen« - das wuerde also heissen, dass aermere Leute in Wohnungen leben, welche fuer sie bezahlbar sind ? Ich verstehe dies sicherlich falsch da der Republik Artikel dieses Problem der « unzahlbaren » Wohnungen so tragisch beschreibt.
Ich nahm damit Bezug auf ein Gespräch, dass ich mit meinem Fahrer letztes Jahr in Alexandria hatte. Wir fuhren an einer riesigen, neuen Überbauung vorbei, und er meinte stolz, dass er seit 2 Monaten dort Wohne. Desshalb möge er seinen Job bei der Armeefirma. Die Bezahlung sei zwar Mies, aber dafür wohne er jetzt in einer schönen und grossen Wohnung mit fliessend Wasser und Strom. Die Küche und Badezimmer seien sogar gefliest. Bezahlt sei dies alles von der Firma. Er bezahle nur die Nebenkosten. Dazu seien die Lebensmitelpreise im Quartierladen deutlich günstiger als sonst wo in der Stadt. Das sei super für ihn, jetzt da seine Frau das zweite Kind erwarte. Da war mir dann auch klar warum er ein Bild von Sisi auf dem Armaturenbrett hatte. Auf meine Nachfragen hin erklärte er mir, dass die Überbauung von der Armee erstellt worden sei. Während diesem Gespräch habe ich realisiert wie die Armee in Ägypten alle Lebensbereiche durchdringt, sich dabei eine Loyale Gefolgschaft aufbaut und im Gleichschritt die Zivilgesellschaft erodiert.
Die Armee produziert Pasta und Zement ... du meine Güte. Bei diesen Berichten denke ich manchmal, wir sollten mehr schätzen, und schützen, was wir haben: Demokratie, Meinungsfreiheit, Würde, Brot. Butter darauf. Und eine Armee, die zwar ebenfalls enorm Geld verschlingt, und deren Nutzen mehr als fragwürdig ist, die aber zumindest in ein System eingebunden ist, das ihre Macht ein stückweit beschränkt. Wie es ist, wenn die Armee sich dem Wirtschaftssystem nicht mehr unterwirft, sondern sich ihm entgegenstellt und die Macht übernimmt .... die Vorstellung lässt schaudern. Eindrückliche Beschreibung. Und gut investiertes Geld des Recherche-Etats. Finde ich. Merci.
Vielen herzlichen Dank an Republik fuer diese Serie « Reise in die Arabische Welt ». Ich hoffe sehr, dass viele Leute diese lesen. Als Mitverlegerin unterstuetze ich voll unsere Investition in solche tiefgreifende Berichte, vor Ort.
ist doch alles egal, solange wir billige all-inclusive Ferien im Scharm el Scheich machen können - oder etwa nicht?
völlig falsch verstanden. Der Kommentar ist weder Galgenhumor noch Zynismus. Aber mich erschreckt immer wieder, wie gleichgültig unsere Gesellschaft Missstände zwar zur Kenntniss nimmt (im besten Fall), aber dann doch leicht(fertig) darüber hinweg geht. Gilt selbstredend nicht nur für Ägypten, sondern ebenso für Klimaerwärmung, Altersarmut, Raubtierkapitalismus und, und, und...
Ironie, Galgenhumor oder Zynismus sind hier völlig deplatziert.
Sehr eindrücklich, interessant und berührend. Danke für diese Reportage.
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