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Lieber Herr Scherrer, danke für diesen guten und umfassenden Überblick! Als selbst betroffener Mensch (Patientin und Angehörige) kann ich mich mit vielem was Sie schreiben und beschreiben 1:1 identifizieren. Das Erleben der Depression, die Ängste, der totale Rückzug, die existentielle Verzweiflung, der Todeswunsch. Ich bin den ganzen Weg gegangen über Medikamententests, ambulante, tagesklinische bis zu stationären Therapien. Ich kann nur bestätigen, dass psychische Erkrankungen nach wie vor ein Tabu sind und auch von Arbeitgeber*innen einer somatischen Erkrankung nicht gleichgestellt werden. Ich habe aufgrund meiner psychischen Erkrankung die Stelle verloren, was mir mit einer anderen Erkrankung mit Sicherheit nicht passiert wäre.
Und es ist, wie sie sagen: Das Reden über die eigene Betroffenheit öffnet die Tür zu einer anderen Welt. Ich bin am Lernen, meine Veranlagung so zu nutzen, dass daraus etwas Positives entstehen kann, das mir und anderen Menschen gut tut. Ich bin auf meinem Weg durch die Therapien Menschen begegnet, die ich schätze und mag, die mein Leben bunter und reicher machen. Ich weiss jetzt etwas besser, wer ich bin und was ich brauche. Und ich habe gelernt, die Kreativität, die Lebensfreude und die Energie, die so eine Veranlagung mit sich bringen kann, wenn es einem gut geht und man/frau in der Balance der Energien ist, zu nutzen und zu geniessen.
Als neulich pensionierter Psychologe kenne ich diese prekäre Situation sehr gut und bin froh, dass sie in diesem Artikel so kompetent abgehandelt wird. Die Situation ist wirklich grotesk, das Psychologiestudium ist überlaufen, doch die Psychologen haben massiv erschwerte und in der Tat "unwürdige" Arbeitsverhältnisse über Jahrzehnte auszuhalten. Psychiater werden immer weniger ausgebildet und sind häufig Ausländer, die weder die kulturellen Verhältnisse, noch die Sprache genügend kennen. Zudem legt ihre Ausbildung den Schwerpunkt auf die somatische Medizin. Doch diese Psychiater haben die Oberaufsicht. Ausserdem, bisher im Artikel unterwähnt, werden vor allem psychisch Kranke von den Versicherungsleistungen dert IV ausgeschlossen oder von Ihr mit belastenden "Schlechtachten" traktiert.
Dahinter steckt ein nach wie vor vorhandener kultureller und politischer Unwille, "psychische" Leiden anzuerkennen, und die Sparwut der bürgerlichen Politiker, die bereit sind den gesellschaftlichen Ausgleich und Konsens aufs Spiel zu setzen, damit einige Reichen noch reicher werden können. Dass wir verweichlicht seien, ist ein Scheinargument. In der Tat steigt die Stressbelsastung immer mehr wegen permanenten Umstrukturierungen in Firmen und Aemter, Weiterbildung, Grossraumbüros, Produktivitätssteigerung, Arbeitszeitflexibilisierung, Ueberzeit etc. Ich glaube dass wir in Bezug auf psychische Leiden auf ein Disaster zurasen, wo Unzufriedenheit, Not und Verzweiflung mehr und mehr in Wut umkippt, die sich selbstzerstörerisch, oder auch fremdzerstörerisch, eventuell auch in Gruppen organisiert, ausdrücken kann.
Der Autor verwendet in seinem Text im Zusammenhang mit Personen, die einer Depression wegen ihr Leben beenden möchten, den Begriff "Selbstmord".
Das Wort sollte im deutschen Wortschatz mit einer Ausnahme absolut verboten sein: zulässig nur noch bei Selbstmord-Attentätern. Nur bei diesen sind die negativen Qualifikationen vorhanden, die mit dem Begriff „Mord“ verbunden sind. Das Wort ist von Martin Luther geschaffen worden; ganz auf der Grundlage des Denkens wie beim "Kirchenvater" Augustinus, dem laufend Aktiven in der Bilanz fehlten, weil viele einfache Leute – wohl meist Sklaven oder sonst Unfreie – den vorzeitigen Tod dem Leben vorgezogen haben.
Mittlerweile gibt es drei bedeutende Gerichte in Europa, welche Suizid als Menschenrecht verstehen: das Schweizerische Bundesgericht (2006) in BGE 133 I 58; der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg in seinem Urteil Haas gegen die Schweiz vom 20. Januar 2011, und das deutsche Bundesverwaltungsgericht in seinem Entscheid in Sachen Koch gegen Deutschland vom 2. März 2017.
Langsam fällt – endlich! – das Suizid-Tabu. Dem müssen wir die Sprache anpassen. Ein Suizid wird gewählt, nicht „begangen“; begehen bezieht sich in einem solchen Zusammenhang auf ein Delikt, was die Selbsttötung jedenfalls in Deutschland seit Friedrich II. von Preussen und in der Schweiz ohnehin nicht mehr der Fall ist.
Das ist uns ein Fehler unterlaufen. Haben wir angepasst. Danke für den Hinweis.
Mit dieser Logik dürfte man auch das Wort "Suizid" nicht verwenden und müsste Freitod sagen. "Caedere" heisst: "niederhauen; erschlagen, töten, morden". Natürlich kann man sagen, dass ja niemand mehr Latein versteht, aber es assoziiert auch niemand mehr ein Gewaltdelikt mit dem Begrriff "Selbstmord". In Wirklichkeit geht es wohl Herrn M. nicht um Semantik oder Republik-konforme PC, sondern ziemlich um das Gegenteil , worum es dem Autor geht, nämlich um die Entpathologisierung des Selbstmordes, während der Autor bei Suizidgefahr therapieren will. Damit keine Missverständnisse entstehen (sie entshen hier ja doch immer), ich neige eher dem Autor zu, dass der Suizidwunsch eine Indikation für eine Therapie ist.
Ich bin seit über 30 Jahren als Psychotherapeutin tätig und arbeite auch delegiert, mehrheitlich mit PatientInnen mit einer komplexen Traumafolgestörung. Die Delegationsbedingungen (Minderbezahlung von delegiert arbeitenden oft durch intensivere und längere psychotherapeutische Ausbildung sicher gleich, wenn nicht besser qualifizierte Fachkräfte als die medizinischen PsychotherapeutInnen.., Status, Abhängigkeit uam) sind unangemessen und widerspiegeln - genauso wie die schlechte Bezahlung der PsychiaterInnen - eine Haltung in unserer Gesellschaft: Beschämen von psychisch erkrankten Menschen, Abwehr und Verdrängen der Ursächlichkeit der steigenden Zahlen der psych. Erkrankungen, der Suizidrate, der Anzahl Suchterkrankten in unserem Land (das wir so rühmen als eins der reichsten ...). Die Krankenkassen profitieren seit gut 20 Jahren davon dass PsycholgInnen bereit sind unter schlechten Bedingungen zu arbeiten - gibt es Studien darüber wieviel die Versicherungen da verdient haben? Eine 60 minütige Sitzung bei der Psychiaterin kostet ca CHF 65 mehr als die bei der psychologischen Psychotherapeutin.... und - wenn die delegiert arbeitenden PsychotherapeutInnen heute ihre Arbeit niederlegen würden? Die Versorgung würde zusammenbrechen, die psychiatrischen Kliniken und Notfallversorgung müssten einspringen (wenn die Kapazität da wäre...), die Arbeitsfähigkeit vieler ArbeitnehmerInnen wäre gefährdet...es ist im Grunde genommen schlichtweg eine Frechheit, was hier auf dem Rücken gut ausgeblideter Arbeitskräfte seit Jahren geboten wird...und es wird in keiner Weise dem Bedürfnis der PatientInnen und der notwendigen Gesundheitsversorgung gerecht.
Die Verweichlichung in einer Gesellschaft, ist eine ungeheuerliche Verdrehung der Wirklichkeit. Der «Überlebenskampf» in der Arbeitswelt und mittlerweile auch in der Gesellschaft, wird immer härter geführt. Es ist selbstverständlich, dass man nur mit der besten Ausbildung, permanent 150% Leistung und in immer perfekt guter Laune, seine Arbeit behält. Auch die Gesellschaftlichen Normen und Ansprüche, mit ihrem Gruppen- und Konsumzwang, setzen Menschen unter massiven Druck. Wer nicht mit einem goldenen Löffel aufgewachsen ist, hat da oft wenig Möglichkeiten. Die Statistik zeigt, dass daran sehr, sehr viele Menschen zerbrechen. Das Stigma der Krankheit, verhindert eine schnelle und effiziente Behandlung. Niemand will ein Schwächling, ein Versager sein, der bloss nicht genug Willen hat, der faul ist. Das sind zwar «nur» Vorurteile der Gesellschaft und entbehren jeglicher Realität. Bloss, die Realität interessiert niemand.
Über die Vererbbarkeit von Depressionen wird heftig gestritten. Im Augenblick geht die Diskussion wieder eher in die Richtung, dass die Krankheit von den Vorbildern, den Eltern abgeschaut, also erlernt wird. Was die Depression mitnichten harmloser macht. Sie bleibt eine potenziell tödliche Erkrankung, an der ca. dreimal so viele Sterben, wie im Strassenverkehr.
Was in der Medizin erst sehr langsam zur Kenntnis genommen wird, ist die Tatsache, dass nicht nur der Betroffene leidet und in den Abgrund gerissen wird. Meist leiden seine Angehörigen genau so, nur gibt es für sie weder eine Behandlung, noch werden sie in die Behandlung des Betroffenen einbezogen. Das bedeutet, dass ein Patient in der Klinik zusammengeflickt wird und dann wieder in die Strukturen (Arbeitsplatz, Familie, Freunde …) zurückkehrt, die ihn womöglich krank gemacht hat. Für die Klinik ist das ein sicherer Patient, denn der kommt bestimmt wieder.
Nichts beendet eine Depression so wirkungs¬voll wie eine möglichst schnelle Therapie. Aber die Gesellschaftlichen Vorurteile, die Stigmata und die Unwissenheit der Gesellschaft, verhindert eine schnelle Behandlung sehr effizient. Bei der Suche nach Hilfe ist ein depressiver Mensch völlig auf Hilfe angewiesen, denn die Depression verhindert jegliche Initiative, nimmt einem jegliche Handlungsenergie. Sowohl in der Stationären, wie auch in der Ambulanten Behandlung, wird ausschliesslich mit dem Betroffenen und dessen Defiziten gearbeitet. Angehörigenarbeit oder die Findung von Ressourcen, von Fähigkeiten, ist eine grosse Ausnahme. Dabei gäbe es dazu ausgebildete Psychologen und seit vielen Jahren auch die sogenannten Experten aus Erfahrung, die eine entsprechende Weiterbildung zum Peer-Psychiatrie gemacht haben. Diese Experten können den Betroffenen helfen, wieder in das Leben zurück zu finden, an Lebensqualität zu gewinnen und wieder ein gesunder Teil unserer Gesellschaft zu sein.
Sehr informativer Artikel. Man muss dazu ergänzen, dass der Grund dafür, dass Pschotherapeuten nicht in die Grundversicherzng eingeschlossen ist, unter anderem darin liegt, dass bei der Totalrevision des KVG in den 60-er Jahren der Verband der Psychoanalytiker nicht in die Grundversicherung eingeschlossen werden wollte (Grund einengende Tarife). Man begründete dies damals damit, es gehöre zum therapeutischen Erefolg, dass der Patient einen finanziellen Aufwand für die Therapie habe, damit er diese wertschätze. Und später waren es die ewigen Streitigkeiten zwischen SPV und FSP, die eine Lösung verhinderten. Ein bisschen schauen muss man aber schon, dass, wenn nun die Psychotherapie zur Grundleistung wird, wirklich Therapien gegen Depressionen und andere Krankheiten und nicht auch Life-Style-Therapien und klassische Psychoanalysen finanziert werden. Ich bin gespannt auf Teil II, der dies behandelt.
Da war etwa der hochprofessionelle Freund, der derart von Versagensängsten geplagt wird, dass die Arbeit, die er liebt, zur täglichen Tortur verkommt. Da sind die würdigen Eltern von Freunden, die ihre Sorgen in Alkohol ertränken oder ihre Depressionen ein ganzes Leben lang in stiller Qual hinter sich herzerren. Da ist die Freundin, die ein Leben lang ein Kind wollte, es bekam und danach an nichts dachte, als das Leben so rasch als möglich zu beenden. Da ist die Grossmutter, die nach unzähligen Operationen nicht mehr mag und versucht, sich die Treppe runterzustürzen, und im Spitalbett wieder aufwacht.
Life-Style? Our life-style. Aber ist das etwa nicht therapiewürdig?
Wer sagt denn, dass, schwere Depressionen nicht therapiewürdig sind? In meinem Beitrag wird in keiner Weise auf die im Artikel genannten Fälle Bezug genommen, wie käme ich dazu? Wenn zum Beispiel jemand, der ein Kind kriegt, in eine postpartale Depression mit Suizidgedanken verfällt, dann sprechen wohl nur Sie von Life-Style, da geht es einfach um ein psychisches, behandlungsbedürftiges Leiden.
Ändert aber nichts daran, dass gerade die oft über Jahre dauernden klassischen Psychoanalysen Life-Style-Therapien sein können, denen keine wirklich ernsthafte medizinische Diagnose zugrunde liegt. Ich würde ganz schüchtern behaupten, dass dies auch für manche (Betonung auf manche) Burnout-Diagnose gilt.
Was mich stört an der Art, wie hier diskutiert wird, ist die sofortige Klasierung von Meinungsäusserungen in gut und schlecht. Sage ich, dass es bei der Zulassung der Psychotherapie in der Grundversicherung Abgrenzungsprobleme geben wird, weil ich eigentlich mit meiner Krankenkasse kein Coaching etc. bezahlen will, und dass ich neugierig bin, wie dieses Problem in Teil II behandelt wird, dann verstehen das die linientreuen Leser offenbar so, dass ich meine, eine postpartale Depression sei eine Lifestylediagnose.
Da geht es mir genau gleich, auch ich wünsche mir mehr Diskussion zum Thema in der Schweiz. Ich promoviere seit 4Jahren in England und staune immer wieder, wieviel mehr Öffentlichkeitsarbeit und Enttabouisierung hier vorgenommen wird (was nicht heissen will, dass alles perfekt ist). Jede Uni hat einen kostenfreien Psychologischen Dienst und viele öffentliche Ämter trainieren ihre eigenen Mitarbeitenden zu sogenannten mental health first aider, das macht bereits einen riesen Unterschied.
Lieber Nico, dass Sie sich bemühen, Ihren Arbeitskollegen zu unterstützen, hilft schon sehr. Eine Therapie kann dies jedoch nicht ersetzen. Raten Sie Ihren Kollegen zu einer ambulanten Beratung bei einer Psychologin/Psychiaterin. Dort wird der Schweregrad professionell eingeschätzt und gemeinsam besprochen, ob eine Information der Vorgesetzten Sinn macht. Anschkiessed fragen Sie dann und wann den Kollegen, wie es ihm in der Therapie ergeht. Die Uni hat auch eine psychologische Beratungsstelle, an die Sie oder der direkt Betroffene sich für eine erste Einschätzung wenden können.
Ich habe keine Erfahrung mit Depressionen, hatte aber lange Zeit schmerzen, ohne das die "normale" Schulmedizin mir hätte helfen können. Erst mit dem Gang zu meiner Psychologin sind diese verschwunden. Heute gehe ich, ab und an immer noch zu ihr, nämlich dann, wenn ich spüre, das die Schmerzen wiederkommen. So kann ich schmerzfrei Leben. Insofern halte ich es für möglich, dass durch die Kostenübernahme der KK nicht nur Kosten entstehen, sondern auch ein nicht unerheblicher Betrag für unötige Behandlungen eingespart wird.
„ Es war, als öffne man eine Tür.“ schreiben Sie. Das gilt ich auch für das Ansprechen von Tabus in anderen Bereichen. Als ich vor über dreissig Jahren (ich bin jetzt 70) in einer Frauenrunde erstmals über meine Vergewaltigung im Kindesalter sprach, ermutigte das andere Frauen, sich zu öffnen. Mehr als zwei Drittel hatten ähnliche Erfahrungen gemacht (von sexueller Belästigung bis Schlimmeres). - Danke für Ihren Beitrag zum wichtigen Thema, das, weil der Begriff ‚Depression‘ tabuisiert wird, im beruflichen Bereich oft ‚Burnout‘ genannt wird.
Depression....Wer kennt das nicht aus eigener Erfahrung.....ein Schelm ist, wer sich Böses dabei denkt....meiner Erfahrung nach sind es häufig Machtstrukturen, welche diese Krankheit auslösen. 2005 gab es eine solche Erfahrung bei mir😓 Es war der Auslöser einer jahrelangen Odyssee und am Ende die Erkenntnis, dass ich mein bisheriges Leben auf den Kopf stellen musste, um wieder zu gesunden. Das habe ich getan mit professioneller Hilfe und heute bin ich gefestigter den je in meinem „Ich“ , in meinem „Selbst“ . Geholfen hat mir auch, so blöd es klingen mag, ein Buch über KI(Künstl.Intellig.), und die folgende Aussage von Antonio Damasio: „Das SELBST ist die Antwort auf die Frage, welche wir uns NIE stellen.“
Die Frage ist grundlegend und Richard David Precht hat es mal so ähnlich formuliert: „ Wer oder Was sind wir, und wenn ja, WIEVIELE?“
Danke für diesen informativen und wichtigen Beitrag zum Thema. Als Randanmerkung: Während dem Lesen war ich einige Male irritiert ob der nicht geschlechterneutralen Formulierungen. Wie zB folgender Satz: "Psychologinnen, die keinen Psychiater finden, bleibt nur die Arbeit in einer psychiatrischen Klinik oder die Selbstständigkeit."
Danke für die Rückmeldung. Was meinen Sie mit nicht geschlechterneutrale Formulierungen? Die Regel bei der Republik ist: Abwechslung nach Zufallsprinzip.
Dann hat mich das Abwechseln zwischen femininen und maskulinen Bezeichnungen in diesem Text irritiert, vor allem wenn beide Optionen in einem Satz vorkamen. Und beim gekürzten Text im Newsletter dachte ich mir für einen Moment, dass es lediglich um Schweizerinnen geht und den männlichen Anteil der Bevölkerung nicht betrifft. Aber Merci für die Erklärung!
Zwischenfrage (für einen fundierten Kommentar brauche ich mehr Zeit) : fehlt zwischen so und hilfreich nicht ein 'wenig'? (Titel des Absatzes: 2000 Jahre Tradition). Wenn 'es einen erwischt', nützen theoretische Erklärungsansätze nämlich: nichts.
So spannend die verschiedenen Erklärungsansätze über die Ursachen psychischer Krankheiten sind, so hilfreich sind sie, wenn es einen erwischt.
Ihr Artikel zrifft den Nagel auf den Kopf. Es ist dine Tatsache, dass wir mehr Psychotherapeuten brauchen. Und statt die delegierte Psychotherapie zu verdammen, wäre es bedeitend sinnvoller, sie mit guten begleitenden Massnahmen zu fördern. An meinem Arbeitsplatz finden regelmässig Inzervisionssitzungentstatt. Schwierige Fälle werden dort besprochen und dienen der internen Weiterbildung. Die Psychiater können sich dabei ein gutes Bild machen, wie die delegierte Therapie verläuft. Der Psychologe lernt auch an den Schwierigkeiten des Psychiaters. Das Vertrauen im Team wird gefördert. Und die Rechnung des Patienten wird nicht mit zusätzlichen Kosten aufgebauscht.
"Berset will Zugang zur Psychotherapie vereinfachen" (TA zur Medienkonferenz)
Ein sehr guter, informativer Artikel mit einem wunderbaren Bild dazu.
Dieses Bild zeigt "das Meer".
Im Meer müssen wir schwimmen, wenn wir nicht ertrinken wollen.
Aber manchmal haben wir einfach keine Kraft mehr.
Und dann sind wir froh, wenn uns freiwillige, oder staatliche RetterInnen aus der Seenot befreien und uns erst mal "an Bord" holen, damit wir uns ausruhen und erholen können und damit wir mit dem Trauma des "Beinahe Ertrinken" und den Gründen, wie wir in diese missliche, lebensbedrohliche Lage gekommen sind, umzugehen lernen.
Das Meer kann spiegelglatt sein, oder mit hoch gehenden und fallenden Wellen.
In Ufernähe überschlagen sich die Wellen, weil das Wasser unten zurückfliesst.
Die Wellen in Ufernähe sind besonders gefährlich und heimtückisch, schäumen und drehen, wie Waschtrommeln. Für SchwimmerInnen besteht die Gefahr, dass sie so herumgewirbelt werden, dass sie nicht mehr wissen, wo "oben" und "unten" ist und dass sie beim versuchten Luft holen Salzwasser schlucken...
Was in Artikeln über psychische Krankheiten und über die Psychiatrie leider immer wieder als "notwendiges Übel" verharmlost wird, sind die Medikamente.
Medikamente können ruhig stellen und belämmern.
Bei Schlafstörungen können sie einige Stunden Schlaf erzwingen.
Das ist aber kein richtiger, erholsamer Schlaf, und eine fatale Nebenwirkung solcher "Chemischen Keulen" ist die, dass der Prozess des Nachdenkens über (selbst-)schädigende Gedanken erschwert bis verunmöglicht wird.
Die Chemikalien machen süchtig!
Zu den psychischen Problemen kommt dann noch eine Drogensucht hinzu...
Ich war selber einmal in einer solchen verzweifelten Notlage, dass Medikamente auf mich wirkten, wie letzte Strohhalme, an denen ich mich halten konnte.
Umso wertvoller waren warnende Stimmen, die mir sagten, dass es keine "Glückspillen" gebe!
Eine solche Stimme war zornig und verächtlich und kam vom (sehr christlichen) Hausarzt.
Auf diesen Neo-Nazi, der auf Schwäche mit Härte reagierte, hätte ich verzichten können.
Aber er war wenigstens ehrlich!
Ich möchte hier allen FreundInnen, Bekannten und Verwandten empfehlen:
Verhalten Sie sich offen und ehrlich! Verstellen Sie sich nicht!
Wegen Depressionen, oder wegen Burnout innerlich blockierte Menschen wirken zwar völlig weggetreten und reden kaum noch, oder dann schwer verständliches, wirres Zeug.
Aber nichts desto Trotz sind sie hyper-sensibel, so dass sie tatsächlich in der Lage sind, "den Teufel" zu sehen, sowohl ausserhalb, als auch in sich selbst!
Und diese Erfahrung war etwas vom Schrecklichsten, ABER auch vom Aufschlussreichsten, was ich je erlebt habe!
Eine andere Stimme war besorgt und herzlich. Sie kam von einem Psychiatriepfleger aus dem Balkan. Dieser Mensch initiierte von sich aus und ohne etwas daran zu verdienen, neue Kontakte, die dann zum entscheidenden Durchbruch führten.
Auch dieser Mensch "aus dem ehemaligen Ost-Block" war christlich motiviert, aber es war Nächstenliebe, keine Alt-Testamentarische Auge um Auge, Zahn um Zahn Rache-Archaik!
Was es also in solchen Situationen ebenfalls braucht, ist Glück und Menschen, die wirklich zu einem halten, die nicht weglaufen, die sich nicht anders verhalten, indem sie ihre frühere Maske fallen lassen, sondern indem sie einfach ehrlich und emotional mitgehen.
Aber was sage ich da?
Auch die Falschen sollen sich mit ihrem brutal hinterhältigen Schmarotzertum zu erkennen geben!
Inmitten der psychischen Krise konnte ich mich nicht wehren.
Aber als ich aus der Klinik rauskam und dann bald einmal wie neu geboren wurde, rechnete ich mit diesen Leuten ab!
Eine Person nach der andern kam dran!
Jetzt wurde noch einmal abgerechnet, ganz im Sinne dieser "Teufel", die sich zu erkennen gaben: Auge um Auge, Zahn um Zahn.
Und jetzt, wo diese "Rache an den RächerInnen" bald abgeschlossen sein wird, kann's wirklich losgehen, mit dem LEBEN!
Verbreitet sich dieses Leiden, weil Depression zu Frust führt und Frust mit Strafe bekämpft wird?
In Ihrer Frage führt Depression zu Frust und dieser zu Strafe. Das heisst aber auch, dass zuerst die Depression da ist (und Frust und Strafe nach sich zöge). Dann kann aber die Verbreitung der Depression nicht die Folge von Frust sein, wenn sie diesen erst auslöst.
Korrigendum:
„2000 Jahre Tradition
So spannend die verschiedenen Erklärungsansätze über die Ursachen psychischer Krankheiten sind, so WENIG hilfreich sind sie, wenn es einen erwischt.“
oder?
Liebe Frau Leu: Ja, das erscheint uns auch plausibel. Vielen Dank für Ihr scharfes Auge, wir haben das Wort ergänzt. Gute Lektüre und herzlich! DM
Nicht direkt Thema und weg vom Schwerpunkt der Depression. Auch keine "Krankheit" im eigentlichen Sinne, aber trotzdem durchaus interessanter Vortrag zum Thema Autismus, aus Sicht eines Betroffenen und auch am Rande auch darüber, wie schwer es ist, überhaupt eine Diagnose zu erhalten. Ein wie ich finde, sehr interessanter und empfehlenswerter Vortrag.
Danke für den Link, auch wenn ich gestehen muss, dass ich das Referat nicht bis zum Ende verfolgen mochte. Der Vortragsstil ist gewöhnungsbedürftig, aber es ist hilfreich, wenn Betroffene zu Experten ihrer Einschränkungen und spezifischen Stärken werden. Wer kann Nicht-Betroffenen besser vermitteln, worum es geht?
Gern geschehen. Ich habe einen Autisten (Asperger, nach früherer Auffassung) in meiner näheren Umgebung. Zugang zu ihm zu erhalten, empfinde ich nicht sehr schwer. Das Verständnis, warum er so "tickt", hingegen schon, auch wenn ich das mit den Spezialinteressen und der Besessenheit von mir selber gut kenne. Fachliteratur und auch Vorträge waren für mich oft sehr Widersprüchlich. Ich habe zwar nur Erfahrung mit einem Asperger mit einem ausgeprägten Spezialinteresse für Zahlen, Mathematik und Finanzen, dennoch glaube ich, zum Thema etwas sagen zu können.
Während für mich Mathematik eine extrem starre Disziplin darstellt, sieht er das ganz anders, kann stundenlang Berechnungen anstellen und hört nicht eher auf, bevor er nicht überzeugt ist, alles und ich meine wirklich alles, in seine Berechnung eingeflossen ist.
Wenn man bereit ist, ihm zuzuhören, offenbahrt sich ein reiches Innenleben, welches von ethischer Betrachtungsweise enorm geprägt ist. Auch wenn da eine gewisse Sturheit zu erkennen ist und und manchmal gewisse Dinge und meist die eigenen Ansichten innerhalb seiner gewählten Interessen bis aufs Blut verteidigt werden, lässt er Aussagen seines Gegenübers niemals ausser acht, zumindest solange, wie diese nicht eindeutig als Angriff verstanden werden.
Dass Autisten Mühe mit Sozialkontakten haben und diese auch nicht suchen, stimmt nach meiner (nicht repräsentativen) Erfahrung nicht. Es ist eher so, dass die Detailreiterei für Sie elementarer ist, als für "Normale" und der Blick mit der Lupe etwas ist, was sie in ein zu enges Korsett steckt und darum meiden und sich lieber ausgiebig mit Querbezügen beschäftigen und Paradoxien regelrecht suchen. Auch etwas, was ich von mir selber kenne und daher weiss, dass man sein Gegenüber damit irritieren kann.
Die Selbstverständlichkeit mit welcher Sie, wenn sie konzentriert nachdenken, aus ihren Gedanken geholt werden, mit "Belanglosigkeiten", wie Essenszeiten und Alltagsproblemen, denen sie, im Moment, keine besondere Bedeutung zugestehen können und man sie darum damit auch richtig ärgern kann, ist dann wahrscheinlich auch der Grund, weshalb ihnen wohl gerne mangelndes Sozialverhalten vorgeworfen wird.
Bitte als Erfahrungsbericht verstehen, nicht als "wissenschaftliche" Abhandlung. Mir hat der Vortrag, wenn auch gewöhnungsbedürftig, sehr geholfen, einen besseren Zugang zu erhalten, welcher für mich wertvoll ist. Man kann nämlich dabei auch eine Menge lernen.
Entschuldigen Sie die Langatmigkeit, war wohl auch etwas, was mir auf der Seele brannte und ein Thema, was meinen Hang zu "Spezialinteressen" aktiviert.
Als Fazit lässt sich wohl auch sagen, dass die Abgrenzung zwischen Autismus und Neurotypisch derart fliessend und vage ist, dass ich für mich, nicht von einer "Krankheit" im eigentlichen Sinne ausgehen kann. Auch wenn man derart schwer betroffen sein kann, dass ein eigenständiges Leben nicht mehr möglich ist. Autismus deshalb als Spektrum zu definieren, vermutlich auch das einzig Richtige ist.
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