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Als Strafverteidiger bin ich immer wieder sprachlos, wie die Gerichte derartige Polizeigewalt reinwaschen. „Begünstigung“ ist der Begriff, der mir durch den Kopf schwirrt. Mit diesem Urteil stellt das Bezirksgericht allen Polizisten faktisch eine Lizenz zum Töten aus. Was das über die Gewaltenteilung aussagt, ist eine weitere Salve Schüsse über den Graben zwischen Staat und Bürger.
Als Strafverteidiger können Sie mir vielleicht eine Frage zu dem Fall beantworten: War es angemessen oder eher ein Fehler, den Polizisten wegen vorsätzlicher Tötung anzuklagen und nicht wegen Notwehrexzess? Hätte letzteres vielleicht den Fokus mehr auf die Schüsse in den Rücken verlegt und eher zu einem Schuldspruch geführt?
die Nähe der Staatsanwaltschaft zur Polizei eines Kantones ist seit jeher in der Schweiz zu hinterfragen.
Bei dem lagebedingten Erstickungstod unseres Sohnes vor 13 Jahren, kämpften wir 3 Jahre lang, um die Schuld der Polizisten zu beweisen. Das Plädoyer der Staatsanwältin, die in einem Zusatzkurs ihre Karriere von Polizistin zur Staatsanwältin aufgebaut hatte, war einzig massgeblich.
Die Polizisten konnten auch als "Einzeltäter" gar nicht behaftet werden. Lediglich das ganze Polizeikorps war verantwortlich. Es ging um die Ausbildung bei lagebedingtem Erstickungstod. Die war bis dahin in jenem Kanton nicht obligatorisch.
Nach dem Verfahren wurde diese Ausbildung zwingend.
Unsere Anwältin, eine versierte Juristin, hatte den Ordner mit dem Plädoyer vor sich auf dem Pult, durfte aber gar nicht erst Stellung nehmen. Man hatte unterlassen, uns zu Beginn des Verfahrens (drei Jahre früher) darauf hin zu weisen, dass ein gesonderter Antrag hätte gestellt werden müssen, wenn die Partei des Getöteten ein Plädoyer beantragen wolle. Man nennt das glaube ich Parallelverfahren.
Auch ich als Mutter wurde nicht darauf hingewiesen. Der Prozess bei Fahrlässiger Tötung ist obligatorisch und wird automatisch von der Staatsanwaltschaft des Kantons erhoben.
Doch die rechtlichen Handhabungen bei Delikten oder Verfahren mit oder gegen die Polizei sind in den Kantonen zum Teil unterschiedlich.
Erst in einem zweiten Verfahren, welches wir aus eigener Initiative führten, war dann erwiesen, dass der Tod unseres Sohnes auf Grund des falschen Verhaltens der Polis verursacht war. Sie hatten ihn zehn Minuten in Bauchlage, die Hände auf dem Rücken gefesselt, auf den Boden gedrückt und die Luft abgeklemmt. Dieser Fakt war durch ein Gutachten erwiesen. Entschuldigt haben sie sich nie und wie gehabt weiter gearbeitet.
Wie ich kürzlich im Tagi las, sei diese Ausbildung nun Schweiz weit realisiert.
Ich bezweifle jedoch, dass eine einheitliche Gesetzes Regelung in der ganzen Schweiz transparent für alle Kantone gleich übertragbar ist. Dass jeder Kanton eigene Gesetze braucht ist sogar für mich klar, aber man handhabt es sehr kleinräumig.
"Polizei" ist eine Art Institution, die der Öffentlichkeit dient, die international verknüpft ist. Und doch bleibt das Ganze für mich ein Kuddelmuddel, eine Art Hoheit, die unantastbar ist.
Ein Grundsatzproblem kann man offenbar rechtlich nicht daraus machen, vielleicht aber die Art des heutigen Föderalen Verständnisses neu interpretieren.
Vielen Dank für ihre Schilderungen. Es muss sehr schmerzhaft sein für sie. Mein herzliches Beileid.
Entschuldigt haben sie sich nie
Bei mir entsteht der Eindruck, dass bei der Polizei kaum Fehler-Bewusstsein vorhanden ist. So ist zu befürchten, dass auch keine Massnahmen ergriffen werden, solche Katastrophen zukünftig zu verhindern?
Ja, mir geht es darum, dass so ein "Fehlerbewustsein" sensibilisiert wird. Das gehört mit zur Ausbildung und sollte künftig mit zu den "Regeln und Techniken " bei den Festnahmen gehören. Auch eine Begleitung vom Care Team muss in ernste Fällen automatisch "mit ins Protokoll" gehören...
Inwiefern kann man zur Schlussfolgerung kommen, dass man die handelnden Polizisten 'entmenschlicht' und den Satz in den Raum stellt, dass der Fall für sie nach dem Gerichtsentscheid 'abgeschlossen' ist?
Oder ist Polizeibashing einfach gerade angesagt?
Nein, so einfach machen wir es uns nicht, dafür gibt es auch keinen Grund. Ich konnte nicht den ganzen Prozess wiedergeben, das hätte Dutzende von Seiten gefüllt. Der beschuldigte Polizist sagte gestern vor Schranken, er hoffe, dass diese Sache mit diesem Prozess nun endlich beendet sei, das daure nun schon mehr als viereinhalb Jahre. Meine Schlussfolgerung ist nicht frei erfunden, das mache ich nie, in einem Artikel. Ich habe übrigens auch noch nie jemanden "entmenschlicht" und werde dies auch künftig nicht tun; egal, um welche Berufsgattung es geht.
Liebe Brigitte Hürlimann, danke für diesen Text, der mich mit einer Wucht umgehauen hat wie L. nichts mehr.
Solche Ohnmacht, solche Gewalt, und dann noch das N-Wort hingespuckt, damit auch klar wird, dass hier kein Unrecht geschieht, sondern nur, was halt leider sein muss.
Mit Abstand das Beste, was ich zu BLM/strukturellem Rassismus in der Schweiz bislang gelesen habe.
Es tut mir leid, Herr Ali, dass Ihnen so unfassbares Unrecht angetan wurde.
Wurde der "N*ger" - Kommentar überhaupt vom Gericht diskutiert oder wurde das als Randbemerkung weggelegt? Oder habe ich etwas verpasst?
Der Funkspruch war am Strafprozess kein Thema, er wurde mit keiner Silbe erwähnt. Den grössten Teil der Informationen in diesem Artikel habe ich ausserhalb des Prozesses recherchiert. Die Recherche begang vor über einem Jahr, da besuchte ich Herrn Ali ein erstes Mal. Ich wartete aber bewusst mit dem Schreiben den gestrigen Prozess ab.
Lektüren in der Republik sind oft schmerzhaft aber wichtig. Vielen Dank für diese weitere, wichtige Erinnerung daran, dass auch bei uns vieles nicht so ist, wie es sollte.
Wenn "Korpsgeist" vor Gericht ehrliche Antworten verhindert, sollte die Polizei vielleicht zum Tragen von Bodycams verpflichtet werden?
Mich würde bei diesem Fall noch die Innensicht der Polizei interessieren. Haben solche katastrophalen Einsätze hinter den geschönten Kulissen der Medienabteilung irgendwelche Auswirkungen? (Akzeptiert man das einfach als "kann passieren"? Werden fehlbare Polizist*innen betreut und in den Nachhilfeunterricht geschickt? Sind die Beamt*innen wirklich derart schlecht ausgebildet, oder waren in diesem Fall einfach zufälligerweise die Klassenschlechtesten im Einsatz? Realisiert man, dass das Training oder zumindest die Abschlussprüfungen offensichtlich ungenügend sind? Kann man schlechte Polizeischüler*innen wegen Personalmangel nicht durchfallen lassen?). Ich wünschte mir, es würde jemand von der Stadtpolizei vertraulich mit der Republik sprechen.
Freundliche Grüsse
Dem würde ich mich anschliessen.
Für mich klingt das mit den elf Schüssen wie ein Blackout infolge Panik, was ich mir bei einem Ersteinsatz mit Schusswaffengebrauch auch vorstellen kann. (Aus der Traumaforschung weiss man, dass schwerwiegende Psychotraumata nach Gewalteinsatz, insbesondere mit Todesfolge, auch bei Polizisten und Soldaten, also bei den Tätern, vorkommen können. Auf einen Menschen schiessen ist für niemanden ein Klacks, der noch einen Funken Empfindungsfähigkeit hat. Das ist kaum trainierbar: eine Schiessscheibe löst einfach nicht das Gleiche aus. Und abgebrühte Killer im Polizeidienst wünscht sich keine*r.)
Das soll in keiner Weise eine Entschuldigung für das Handeln der konkreten Polizisten sein (was sie Herrn Ali angetan haben, kann nur sprachlos machen), sondern eher der Hoffnung Ausdruck geben, dass den Betreffenden, und zwar allen fünf! nach einem solchen Vorfall eine vertiefte Nachbearbeitung inkl. erneuter und gründlicher charakterlicher Eignungsprüfung abverlangt wird. Panikreaktionen sind weder vorherseh- noch steuerbar, aber ob jemand, dem so ein gravierender Kontrollverlust passiert ist, jemals wieder bewaffnet Dienst leisten sollte, sollte man mMn gründlich abklären. Und ob sich jemand charakterlich für den Polizeidienst eignet, der nach einem solchen Vorfall die Loyalität zur eigenen Gruppe über alles andere stellt, ebenso.
Ich bin ziemlich fassungslos. In meinem Beruf bin ich auch schon ähnlichen Situationen gegenübergestanden: auf der Chirurgie mit einem akut deliranten Patienten, und in der Psychiatrie mit einem Suchtpatienten im Entzug. Egal, wie die Details wirklich waren: in der Ausbildung der Polizei fehlen offensichtlich wesentliche Elemente, wenn in dieser Situation keine/r der 5 anwesenden Polizist*innen in der Lage ist, eine zielführende Deeskalation einzuleiten und einen überreagierenden Kollegen zu bremsen. Schöne neue Schweiz - bitte dranbleiben!
Dieser Bericht ist so einseitig wie die Medienmitteilung der Polizei nach dem Vorfall.
Ihr erwähnt 2-3 Mal, dass der Polizist keinen Warnschuss abgab, so als ob es ein Fehlverhalten war. Und dann plötzlich steht geschrieben, dass es bei der Stadtpolizei keine Warnschüsse gibt. Sprich kein Fehlverhalten der Polizisten.
Wasser predigen und Wein trinken.
Guten Tag Herr K.
Die Polizist hat in dieser Frage deutlich mehr Spielraum, als er der Staatsanwaltschaft zu Protokoll gibt. Gemäss Art. 3 des Reglements über den Gebrauch der Schusswaffe durch die Polizei der Stadt Zürich hat dem «Schusswaffengebrauch ein deutlicher Warnruf vorauszugehen, sofern der Zweck und die Umstände es zulassen.» und «Ein Warnschuss darf nur abgegeben werden, sofern die Umstände die Wirkung eines Warnrufes vereiteln.» Der Warnschuss ist auch bei der Stadt Zürich ein legitimes Mittel, sofern es die Lage erlaubt. Deshalb macht es auch Sinn im Artikel zu fragen, wieso kein Warnschuss abgegeben und direkt dreizehn Mal auf den Betroffenen geschossen wurde.
Freundlicher Gruss
Elia
Guten Tag
Ich weiss nicht, wo der Vorfall stattfand, aber für einen Warnschuss benötigt man auch ein Ziel, welches gefahrlos getroffen werden kann.
Und wurde zuerst nicht Pfefferspray eingesetzt? Dieses kann nicht über eine grosse Distanz eingesetzt werden, sprich es bleibt dann kaum mehr Zeit, die Waffe zu ziehen, einen Warnschuss abgeben und erst dann auf die Person zu zielen.
Freundliche Grüsse
Geschätzter Herr K., um die fundierte Antwort meines Kollegen Elia Blülle nur ganz kurz zu ergänzen: Sie erwähnen in Ihrer Kritik drei wichtige Dinge nicht. Erstens, dass die Polizisten nie versucht haben, beruhigend auf den offensichtlich Apathischen und Verwirrten einzureden (siehe Aussage eines der Polizisten), nie deeskalierend auftraten. Zweitens, dass am Tag zuvor zwei Passanten, eine Frau und ein Mann, Herrn Ali begegnet sind, als er bereits mit dem grossen Messer in der Hand unterwegs war. Beide beschreiben Herrn Ali als friedlich und nicht aggressiv. Drittens hat die Bezirksrichterin, die über die Schuld von Herrn Ali zu befinden hatte, klar festgestellt, dass Herr Ali die fünf Polizisten in Schutzwesten nicht angegriffen hat, nie konkrete Stichbewegungen in die Richtung der Menschen getätigt hat. Die fünf Polizisten blieben denn auch unverletzt.
Ungeheuerlich- Black Live Matters, toxische Männlichkeit, fehlgeleiteter Korpsgeist. Wie kann man nach einer solchen Tat weiter als Polizist arbeiten?
Ja, ungeheuerlich, da bin ich total einverstanden. Ein Korpsgeist, der dies ermöglicht und unterstützt, das habe ich schon vor Jahren attestieren können. Doch wieso in diesem Zusammenhang toxische Männlichkeit fällt, ist mir schleierhaft. Weil die schiessenden Polizisten Männer sind? Und die anwesende Polizistin? Ich sie die eigentlich gute, welche von den männlichen Kollegen unter Druck gesetzt wird? Etwas sehr klischeehaft. Oder ich komme einfach nicht draus.
Als Informatiker stehe ich auf technische Lösungen. Warum müssen Polizisten und Polizistinnen keine 360 Grad Bodycams tragen, welche von Dienstanfang bis Dienstende durchgehend Filmen und das ganze kontinuierlich auf einen unabhängigen Server streamen? Die Aufnahmen sollten für eine gewisse Zeit gespeichert werden, im Verdachtsfall unbegrenzt und können nur vor Gericht verwendet bzw. angesehen werden. Ich finde die Polizei müsste in der Beweispflicht sein, wenn solche (übertriebenen) Massnahmen angewendet werden.
Ein Grund dürfte sein, dass der Nutzen nicht ganz so eindeutig ist:
The study, which looked at 70 other body-worn camera studies published through June 2018, found the cameras have not had statistically significant effects on most measures of officer and citizen behavior or citizens’ views of police.
Es ist schwierig, etwas dazu zu sagen. Wir waren ja alle nicht dabei. Aber: 11x schiessen, davon 3x in den Rücken - das tönt für mich nach Notwehrexzess. Angesichts von verschiedenen Versionen muss sich das Gericht an die für den angeklagten (schiesswütigen?) Polizisten günstigste Version halten und nach dem Prinzip "in dubio pro reo" zu einem Freispruch kommen. Das ist schwer verdaulich, aber systemimmanent nachvollziehbar. Die Frage ist: Wie kommt es dazu, dass die anderen Polizisten entweder nichts gesehen haben oder eisern schweigen? PolizistInnen neigen dazu, ihre KollegInnen zu decken, denn es könnte ja sein, dass mann/frau selber mal überreagiert. Da die Polizei das Gewaltmonopol hat, muss die Staatsanwaltschaft noch genauer als sonst hinschauen, denn zu Überreaktionen neigende Personen haben in der Polizei nichts zu suchen. Dass die Untersuchungsbehörden schon Stunden nach dem Vorfall der Polizei einen Persilschein ausstellen und sich standhaft weigern, das Geschehen genauer zu untersuchen, ist inakzeptabel. Es ist nur dadurch zu erklären, dass die Staatsanwaltschaft auf eine gute Zusammenarbeit mit der Polizei angewiesen ist. Deshalb sollten Fälle, in denen die Polizei auf der Anklagebank sitzt, zwingend an ausserkantonale, unverbandelte Untersuchungsbehörden übergeben werden.
Der Polizist hat die Nerven verloren und losgeballert. Das wäre doch zumindest fahrlässige, schwere Körperverletzung. Die wichtigste Frage für mich. Ist dieser Mann nach wie vor im Dienst?
Ja, aber nicht mehr auf der Strasse. In der Abteilung, in die er von Anfang an wollte, die auch seiner früheren Ausbildung entspricht. Es war sein Wunsch, sein Ziel. Keine Zwangsversetzung.
Es wäre noch interessant zu wissen, wie man mit dieser Situation korrekt umginge als Polizistin. Z.B. Könnte man bei der Ausbildung nachfragen.
Klar: Ich gehe hier auch von Fehlverhalten/Notwehrexzess aus, aber an erster Stelle muss die Gesundheit der Polizistin stehen. Welche Mittel hätten zur Verfügung gestanden? Haben die Polizisten keine Taser, Schlagstöcke oder Nahkampfskills, um (immerhin zu fünft!) einen solchen Mann sicher zu entwaffnen? Wie würde man „Lehrbuchmässig“ vorgehen?
Das mit dem ballistischen Gutachten und den Schüssen in den Rücken verstehe ich nicht. Wieso kann das einfach ignoriert werden? Das ist doch ein Beweis?
Das Gutachten beschreibt wahrscheinliche und eher unwahrscheinliche Varianten. Es ist eine Grundlage für einen richterlichen Entscheid, aber es ersetzt den richterlichen Entscheid nicht. Es lässt immer noch Interpretationsspielraum. Und die Interpretationen fallen sehr unterschiedlich aus.
Eine schwer nachvollziehbare Bedrohungslage. Mehrere Polizisten fühlen sich durch einen (1) langsam stolpernden Man bedroht ... kein Rambo oder Terminator. Nicht ein einzelner Polizist in einer engen Gasse, mehrere auf einem Platz. Der Abstand ist hinreichend gross, die Beamten haben Pistolen.
Irgendwie können diese Beamten eine Situation nicht einschätzen. Sie sind falsch ausgerüstet. Ein Pfefferspray hätte genügt. Die Vorgesetzten haben Rambos ausgesucht. Und dem Richter fehlt die Übersicht, er hat sich einlullen lassen.
Das erinnert mich an amerikanische Verhältnisse. Erst schiessen, dann fragen.
Fakt ist: Das Opfer ist invalid seit den auf es abgegebenen Schüssen. Eine Tragödie mehr in seinem Leben. Fakt ist weiter: Das heutige Rechtssystem (-verfahren) garantiert keine unabhängige Beurteilung von Gewaltanwendung durch die Polizei. Die im Artikel erwähnte unabhängige Stelle muss eingeführt werden, damit solche Beurteilungen (Notwehr, nichts weiter passiert) verhindert werden können.
Danke, dass Sie hier dran geblieben sind!
Ich erinnere mich sehr gut an die Berichterstattung vor einigen Jahren. Auch wenn die Berichterstattung damals eher klein war. Sicher kein Stadtthema und schon gar nicht national. Der Fall hat mich damals enorm beschäftigt. Ich konnte absolut nicht verstehen, wieso das mit einem Wimpernzucken weggesteckt wurde, dass die Polizei in Zürich einen Mann auf offener Strasse einfach erschiesst bzw mehrmals auf ihn schiesst. Selbst wenn er tatsächlich Polizisten attackiert und gefährlich wäre. Ich fand das ungeheuerlich. Ein einziger Warnschuss vielleicht, ihn zu verletzen, damit er nicht mehr beweglich ist und man ihn einfacher überwältigen kann. Aber mehrere?! Und direkt in den Oberkörper?! Das kam mir vor als hätten die Polizisten irgendwie zuviele US Amerikanische Serien geschaut und sich zu fest mit diesem Rambo Image identifiziert, also völlig ihren Beruf verfehlt.
Die Schlagzeilen fielen dann alle sehr negativ für den Mann aus, er hätte die Polizei "attackiert", die arme Polizei hätte in "Notwehr" gehandelt usw. Das schien mir absoluter Verhältnismässigkeitsblödsinn und schlicht unglaublich rassistisch. Ich hatte Alpträume das könne irgendeinem dunkelhäutigen/ausländischen Freund oder Bekannten von mir passieren.
Ich erinnere mich insbesondere auch an die unglaublich rassistischen Kommentare zur Berichterstattung darüber. Fast ohne Ausnahme wurde über den Mann und Ausländer generell gewettert und dass die Polizei das schon korrekt gemacht habe. Ein Kommentar war anders, irgendwo bei einer Online Zeitung, wahrscheinlich beim Tagesanzeiger und an den erinnere ich mich ganz besonders:
Ein Mann, der behauptete Anwohner in Wiedikon zu sein und das Ganze beobachtet zu haben von seinem Fenster oder Balkon aus und der klar sagte, der Mann (Herr Ali) habe einfach nur verwirrt gewirkt und absolut nicht gefährlich, er habe mit seinem Messer sehr ziellos und schwach rumgefuchtelt und dass man ihm das Messer ganz einfach hätte abnehmen können und er verstehe absolut nicht wieso die Polizei mehrmals geschossen habe. Ich weiss noch wie ich und zwei andere Kommentatoren ihn dann dazu bewegen wollten zur Polizei zu gehen, eine Zeugenaussage zu machen. Ob er das jedoch je gesehen hat und je gemacht hat, weiss ich bis heute nicht.
Doch genau deswegen braucht es unbedingt eine unabhängige Beschwerdestelle für Polizeigewalt und insbesondere für rassistische Polizeigewalt, denn zur Polizei zu gehen um sich über die Polizei zu beschweren oder auch nur irgendetwas negatives über einen Polizeibeamten zu sagen ist ein Ding der Unmöglichkeit. Es ist so schon schwierig genug für Opfer, da die Polizisten immer mehrere sind und sich oft absprechen, schlicht die Verdunkelungsgefahr riesig und die Polizisten mehrere Aussagen gegen eine sind.
Zudem braucht es dringend eine rigorosere Selektion wer überhaupt Polizist werden kann, es braucht Schulung der Polizei über psychologische Krankheiten, es braucht Schulung bezüglich de-eskalierende Gesprächsführung, es braucht mehr Diversität in den Polizeikorps, es braucht mehr Selbstreflexion über Rassismus und rassistische Polizeigewalt. Aber so L. die Polizeikorps alle behaupten es sei kein strukturelles Problem, sondern ein Problem von Einzelfällen wird sich nie etwas ändern.
Gerade heute ein ähnliches Statement gehört, ich empfehle den aktuellen „Aufwachen“ Podcast (mit Tilo Jung u.a.): etwa in der Mitte der Timeline wird ein Dozent der Polizeischule interviewt, der sehr fundiert argumentiert, zB dass es unabhängige Beschwerdestellen braucht.
Wenn ich mich recht erinnere, gibt es (jedenfalls hier in Deutschland) vor Gericht so was wie die Bewertung von Zeug*innen-Aussagen, also es wird gefragt: wie glaubwürdig ist diese Zeugin? Wenn dann Verwandte oder sonst nahestehende Menschen aussagen, ist die Aussage weniger Wert, denn es besteht der Verdacht, dass sie die Person, über die sie aussagen, schützen wollen.
Müsste nicht ein Gericht gleichermaßen vorgehen, wenn Polizisten / innen über eigenes Handeln oder das von Kollegen / innen aussagen? Müsste also ein Gericht nicht in der Regel, wenn Aussage gegen Aussage steht, sagen: die Aussage der Polizei ist weniger Wert, denn es besteht der Verdacht, dass die Polizisten / innen sich gegenseitig decken?
Das klingt jetzt aber schon ganz anders als das, was ich aus diesem Satz herauslese.
Ich glaube, sie wären durchaus in der Lage diesen Satz besser zu formulieren.
Der Satz ist absolut korrekt und unmissverständlich formuliert.
Guten Tag
Erstmal bedanke ich mich bei der Republik für die Möglichkeit bei brisanten Beiträgen den Modus "Anonymous" einzuschalten. Denn die Diskussion auf der Ebene der Ideologie kann schnell zu Diffamierungen führen, auch ist nicht klar wer alles mitliest. Dem Datenschutz wird im Netz m.E. oft zu wenig Beachtung geschenkt. Es wurde moniert, dass anonyme Meldungen mühsam sind, da keine direkte Ansprechperson besteht: Sie dürfen mich gerne Frau K nennen.. :-)
Auch entstammt dieser Kommentar eigentlich einer bereits bestehenden Splitterdiskussion. Ich habe mich aber entschieden, diesen als neuen Kommentar zu veröffentlichen, da mein Beitrag am Ende auch eine Kritik am Artikel darstellt. Aber ich möchte nicht nur kritisieren, sondern auch loben: Ich finde solche Artikel wichtig und die entstehenden Diskussionen elementar für unseren Rechtsstaat.
In Bezug auf die Dimensionen der Diskussionen: Alle Ebenen sind möglich und wichtig zu diskutieren. Sowohl die technische, die ideologische, aber auch die juristische und die politische. Aus meiner Sicht werden viele Aspekte miteinander vermischt und verunmöglichen dadurch einen konstruktiven Dialog.
Selbstverständlich ist dieser Fall hochpolitisch, hingegen retrospektiv an sich nicht all zu sehr. Ideologisch finde ich es schade wenn blindlings für oder gegen eine Person Stellung bezogen wird, mit teilweise nicht wasserdichten Argumenten. Mit meiner kurzen Abhandlung möchte ich keine wasserdichte Argumente beanspruchen, sondern ziele auf die eigentliche Problematik ab und bin a priori ergebnisoffen.
Einerseits steht die NotwehrLAGE im Raum, andererseits die NotwehrHANDLUNG.
Zur NotwehrLAGE ist zu sagen, dass gemäss Art. 15 StGB eine rechtswidriger menschlicher Angriff im Gang oder unmittelbar bevor stehen muss und ein individuelles Rechtsgut bedroht ist.
Somit ist erstmal die Frage zu beantworten, ob es sich um eine "drohende Person" handelte oder um einen "unmittelbar bevorstehenden Angriff". Da gemäss Artikel die Person mit dem Messer auf die Polizisten zuging hat dies das Gericht wohl als Notwehrlage gewertet. Da müssten allerdings weitere Informationen vorliegen. Aus unserer Sicht als Leser ist es schwierig einzuschätzen, ob für die Person eine Lebensgefahr bestand oder nicht. Dies ist ein hoch subjektives Element. Lediglich den Umstand zu nennen, dass die Polizei von den psychischen Problemen und der bisherigen Ungefährlichkeit Kenntnis hatte, greift meiner Meinung nach zu kurz.
Die Anforderungen an die NotwehrHANDLUNG sind gemäss Art. 15 StGB tief; so muss eine Proportionalität der Rechtsgüter vorliegen und eine Subsidiarität der Mittel (mildest geeignetes). Sofern nun also ein Mensch an Leib und Leben unmittelbar bedroht ist, darf er auch gegen Leib und Leben vorgehen (Proportionalität). Bei der Subsidiarität sind gemäss Bundesgericht tiefe Anforderungen gestellt, da eine angegriffene Person sich verteidigen dürfen soll und das eigene Leben schützen darf. Insofern muss einfach der Angriff abgewendet werden können (sofern ein solcher vorliegt).
Unter der Prämisse, dass es sich um eine Notwehrlage gehandelt hat, sind dann auch bei der Notwehrhandlung die technischen Aspekte zu berücksichtigen. So muss die angegriffene Person den Angreifer stoppen können. Falls dieser steht, geht oder rennt hat dies eine unterschiedliche kinästhetische Wirkung; je grösser und schwerer desto höhere Energie die u.U. vorwärts drückt (https://www.lernhelfer.de/schuelerl…he-energie) und das Messer dem Angegriffenen näher bringt. Um diesen Angriff nun zu stoppen ist eine entsprechende Gegenenergie nötig. Ein Pfefferspray wirkt nicht auf die Vorwärtsbewegung ein, sondern hat anderweitige Wirkungen – welche aber für den (vorausgesetzten) Angriff mit einem Messer ungeeignet ist. Ein Taser wäre ein valables Mittel, stand meines Wissens aber zu dieser Zeit der Polizei Zürich nicht zur Verfügung (nur bei Spezialeinheiten, welche offenbar nicht vor Ort waren). Somit bleibt die Schusswaffe. Dem Vorredner entgegengestellt verwendet die Polizei Zürich offenbar seit 2007 Mannstoppmunition (https://www.gemeinderat-zuerich.ch/…6_0047.pdf). Dies spricht prima vista gegen die vielen Schüsse.
Dafür spricht hingegen, dass wenn eine angreifende Person plötzlich sprunghafte Bewegungen macht, 2-3 oder auch 5 Meter wenig sind und dem gegenübergestellt ist die Mannstoppwirkung, welche nicht nach einem Schuss eine Person mit z.B. 70kg stoppen kann (https://cernunninsel.wordpress.com/…er-praxis/).
Auch befindet sich ein Mensch in Todesangst ebenfalls in einem psychischen Ausnahmezustand - wohl egal welche Ausbildung er genossen hat - und in der Hitze des Gefechts wohl auch nicht alle Schüsse Treffer sind. So ist aus der Ferne auch zu erklären, warum so oft geschossen wurde.
Wie im Artikel beschrieben sind die letzten drei Schüsse etwas fragwürdig. Auch hier kennen wir die Sachlage und den genauen Inhalt der Gutachten nicht. Falls es sich bei diesen drei Schüssen um einen Exzess gehandelt hätte, wäre dies wohl aufgrund des asthenischen Affekts aufgrund Art. 16 Abs. 2 StGB eine entschuldbare Notwehr und somit auch straffrei.
Die Lage und die Handlung sind aus meiner Sicht deshalb getrennt zu betrachten, weil das eine vom anderen abhängt. Wenn keine Notwehrlage bestanden hat, dann sind die vielen Schüsse absolut unverhältnismässig. Hat eine Notwehrlage aber bestanden, dann sind die Schüsse erklärbar bzw. nachvollziehbar und u.U. auch verhältnismässig.
Meines Erachtens müsste sich somit diese Diskussion um die Lage drehen, die vor der Schussabgabe geherrscht hat. Ist die Person mit Messer einfach dagestanden und hat nicht auf ein Gespräch reagiert? Ging die Person effektiv gegen die Einsatzkräfte zu? Hat sie das Messer in der Hand gehalten? Wie hat sie das Messer gehalten? Wurde der Sicherheitsabstand immer geringer? Reagierte die Person auf das Gespräch? Warum ging der Polizist nicht zurück? Warum hat sich der Polizist bedrängt gefühlt?
In Bezug auf diese Fragestellungen wurde ich vom Artikel etwas enttäuscht und es wurde m.M. nach etwas zu pointiert die eine Seite dargestellt.
Beste Grüsse, Frau K
Sehr geehrte Frau K, ich weiss nicht, ob Sie die aktuelle Diskussion verfolgen. Sie haben sich meiner Ansicht nach genau die richtigen Gedanken gemacht vor einem Jahr. Ihren Kommentar kann ich voll und ganz unterschreiben. Ich erlaube mir, auf meinen Kommentar zu verlinken.
Sehr geehrter Herr H., herzlichen Dank für die Verlinkung zu Ihren Kommentaren. Daraufhin habe ich die Debatte mit Interesse verfolgt, ohne mich erneut zu beteiligen. Ihre Recherchen mit mitschwingender Meinungsanpassung bzw. Ergebnisoffenheit empfinde ich als bemerkenswert! Dass über die Thematik gesprochen wird, befürworte ich sehr. Die Thematik polarisiert hingegen enorm und es wird u.a. auf fragwürdigen Prämissen aufgebaut. Ihre Dokumente haben auch da Licht ins dunkle gebracht. Dennoch muss ich - trotz bekennender Republik-Anhängerschaft meinerseits - monieren, dass ich die Berichterstattung und insbesondere die Debatte unerfreulich tendenziös erlebe. Danke für Ihr Engagement. Freundliche Grüsse, K
Erstmal bedanke ich mich bei der Republik für die Möglichkeit bei brisanten Beiträgen den Modus "Anonymous" einzuschalten. Denn die Diskussion auf der Ebene der Ideologie kann schnell zu Diffamierungen führen, auch ist nicht klar wer alles mitliest. Dem Datenschutz wird im Netz m.E. oft zu wenig Beachtung geschenkt. Es wurde moniert, dass anonyme Meldungen mühsam sind, da keine direkte Ansprechperson besteht: Sie dürfen mich gerne Frau K nennen.. :-)
Tja, wenn das so brisant ist, hier unter Klarnamen zu posten, dann nehme ich die Möglichkeit zur Anonymität doch gerne auch in Anspruch. Und Sie dürfen mich selbstverständlich Anonymous nennen ;)
Werter Herr Stauffacher. Dieser fundierte und sauber recherchierte Bericht zum Fall "Herr Ali und die Polizei" hat aber auch gar nichts mit Polizeibashing zu tun. Das 5 ausgebildete und mit Schutzwesten ausgerüstete Polizisten nicht in der Lage sind einen offensichtlich verwirrten Mann mit einem Küchenmesser ohne Schussabgabe zu entwaffnen, gibt viele Fragen auf. 1. Frage: Was taugt die Polizeiausbildung überhaupt? 2. Frage: Wie kann es sein, dass Untersuchungsbehörden keine Gleichheit in der Untersuchung von solch gravierenden Vorfällen walten lassen, sondern sich sogar noch schützend vor die überforderten Polizisten stellen? 3. Frage: Wie wären die Polizisten in diesem beschriebenen Fall wohl vorgegangen, wenn der Küchenmessermann ein Weisser gewesen wäre? 4. Frage: Wie kann es sein, dass, obwohl Herr Ali sich bereits von den Polizisten abgewendet hat, trotzdem noch drei Schüsse zilegerichtet auf den Körper von Herr Ali abgegeben werden? 5. Frage: Wieso keine Warnschüsse? Die Begründung, es sei gefährlich in einer Stadt Warnschüsse abzugeben ist schlicht Blödsinn, denn in den Himmel schiessen sollte doch möglich sein. Das lernt man in den Westernfilmen. Fazit aus Frage 5: Lieber 13 mal in einen Körper schiessen als 1 mal in die Luft? Und zum Schluss noch eine etwas gewagte Meinung von mir: In gewissen Köpfen gewisser Staatsorgane ist der Chip " Dunkle Haut - Dunkler Mensch - Dunkle Machenschaften" mittlerweile ein fest programmierter Code. Und zum Schluss-Schluss noch ein Wunsch: Bitte kein Amerika!!!!
Die Begründung, es sei gefährlich in einer Stadt Warnschüsse abzugeben ist schlicht Blödsinn, denn in den Himmel schiessen sollte doch möglich sein. Das lernt man in den Westernfilmen.
Was rauf geht kommt wieder runter und kann dritte Treffen. siehe Wikipedia EN. Als nächstes Lernen die Polizisten von Videospielen wie man eine Waffe verwendet?
Sehr geehrter Herr Incondi
Zu 1. Ungefähr gleich viel wie jede andere Ausbildung in der Schweiz. Im Moment sind zB. Polizisten die Buhmänner und Gesundheitsberufe die Helden. Wenn sie diese statistisch untersuchen würden, würde man sehen, dass wohl die meisten ihren Job gut machen, einige überfordert sind und einige einfach schlicht unbrauchbar sind. Genau diese 'Helden' aus den Gesundheitsberufen haben es ja nicht geschafft dafür zu sorgen, dass Herr Ali nicht mit einem Küchenmesser durch die Stadt läuft. Wieso haben sich diese ach so aufgeschlossenen Menschen nicht um Herr Ali gekümmert, obwohl dieser für sie einen total ungefährlichen aber doch sehr verwirrten Eindruck gemacht hat? Wahrscheinlich hätten 80% der Leser hier sich nicht um Herr Ali gekümmert und im besten Falle die Polizei gerufen. Man muss ja nicht so tun als würde die (Re-)Integration von Menschen mit diversen Problemen nicht zu solchen Situationen führen. Am Ende der Kette ist dann die Polizei die das ausbaden muss.
Zu 2. In Rechtsfragen ist das mit der Gleichheit immer so eine Frage. Es ist ja von uns gewollt, dass die Polizei gewisse Rechte wahrnehmen darf/muss, die der 'normalen' Bevölkerung nicht zusteht. Ich glaube man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass dies nicht auch zu Situationen führt, welche grenzwertig oder sogar darüber sind. Der Fall wird ja auch behandelt, sie tun ja so als würde ein absolut rechtsfreier Raum bestehen.
Zu 3. Wäre der Fall anders ausgegangen, wenn der 'Küchenmessermann' 20cm kleiner oder schlanker gebaut gewesen wäre?
Zu 4. Wieso haben Menschen immer wieder verschiedene Vorstellungen von zeitlichen Zusammenhängen je emotionaler etwas ist? So fühlt sich zB. Nachbar A gestört, weil Nachbar B Lärm oder Gestank verursacht hat. Die beiden werden Ihnen mit Sicherheit zwei sich absolut widersprechende Aussagen dazu machen. Meist nicht aus Bosheit, sondern weil einfach die empfundenen Abläufe nicht den realen Abläufen entsprechen. Je emotionaler, desto weniger rational reagieren die Menschen, genau das gleiche Problem sehen sie ja auch bei den Reaktionen auf den Artikel.
Zu 5. Nützt ein Schuss in die Luft bei einem verwirrten Angreifer oder einem Terroristen etwas? Würden Sie garantieren, dass ein Schuss in die Luft hilfreich ist?
Ich kann da nur aus meiner persönlichen Erfahrung von 3 Amba-Centro-Einsätzen sprechen. Mit einer geladenen Waffe an einer Strasse zu stehen mit der Anweisung auf gewisse Leute schiessen zu müssen. Das Ganze dann bitte noch in einem Zeitraum von ein paar Sekunden...
Ich glaube nicht, dass ich im Notfall diese Aufgabe besonders gut gelöst hätte...
Als Anschlussfrage von mir. Glauben sie der Polizist hat auf den Küchenmessermann geschossen weil er einfach mal auf jemanden schiessen wollte?
Ich war unlängst in einem Land mit vielen Bären, den grössten Bären. Die Touristenführer dort haben keine Schusswaffen, die Bären sind streng geschützt. Da der Mensch nicht auf der Speiseliste der Bären steht, ist ein Angriff auf ein Fehlverhalten der Menschen zurückzuführen. Touristen machen schnell mal etwas falsch. Wir sassen mal an einem Abend bei einem Bier als ein Bär mitten durch unser Zeltlager kam. War hatten unser Lager grad auf seinem Wechsel errichtet. Der Bär ging locker weiter und unsere Leute sprangen auf, die Kamera zur Hand. Und mussten uns dann instantan stoppen lassen. Hinter einem Bär her zu rennen könnte als Angriff gedeutet werden. speziell als Gruppe. Die Führer haben zur Verteidigung spezielle Pfeffersprays. In der Grossflasche von 3/4 Litern mit einigen Metern Reichweite. Das scheint zu genügen.
Was für einen 600kg Bären genügt, sollte auch für Menschen genügen.
Wenngleich das Zusammentreffen von Menschen in psychischen Ausnahmezuständen und der Polizei nicht in jedem Fall so abläuft wie hier beschrieben, ist Herr Ali kein Einzelfall. ‚Die Zeit’ hat einen ähnlichen Fall aufgegriffen, den ich gerne empfehle:
https://www.zeit.de/gesellschaft/ze…ieinsaetze
Mir stellt sich vor diesem Hintergrund immer wieder die Frage, inwiefern Aspirantinnen und Aspiranten der Polizeischule bezüglich psychischen Krankheiten ausgebildet und geschult werden?
Ja, Herr P., das mag sein, aber der Mann wurde nicht primär als "komisch" eingestuft, sondern, gemäss Funkspruch: "Der Neger hat ein Messer in der Hand".
jedenfalls nicht als krank, sondern als bedrohlich. Könnte die Einstufung nicht davon geleitet sein, dass wir oft sachlich-rationale Gründe suchen. ... und finden.
...
ich meine, es fühlt sich besser an, zu denken, der da ist gefährlich, als zu denken, ich weiß nicht recht, irgendwie komisch. Also rutscht die Einordnung als komisch ganz schnell in eine Erklärung, wie gefährlich und bedrohlich der da ist.
Da das Thema BLM ja aktuell ist frage ich mich, wäre die Situation anderes gewesen, wenn er nicht schwarz sondern weiss gewesen wäre? Was wäre gewesen, wenn er anstatt „Kill me„ „Verschüss mi“ geschriehen hätte? Wie fest handelt es sich hier um ein Rassismus Problem und wie fest um ein Problem mit der Polizeigewalt bzw. der versagenden Justiz?
"Handlungsweisen" bei Festnahmen müssen einheitlich ausgeübt werden: das bezieht sich auf den praktischen Einsatz bei Festnahmen als auch suf die Verhörtechnik und das Protokoll im anschliessenden Verfahren. Das heisst: laufen lassen, wenn jemand nicht wirklich kriminell ist, ein begleitendes Care Team zur Verfügung haben, wenn es um ein korrektes rechtliches Verfahren gehen soll... wenn diese Regeln überall eingehalten werden müssen, gelten sie gleich für alle, die von der Polzei festgenommen werden, egal welche Hautfarbe, Geschlecht oder Heimat man hat... wäre ganz einfach....
Ein Fall, der zeigt, wie rassistische Vorurteile den klaren Verstand vernebeln. Jeder vernünftige Mensch mit klarem Verstand weiss, dass kein wirklicher Gewalttäter mit einem Küchenmesser bewaffnet auf 5 mit Pistolen bewaffnete Polizisten losgeht.
Haben Sie schon einmal einen unberechenbaren, akut-schizophrenen Patienten (ganz gleich welcher Hautfarbe) in einem fremdgefährdenden wahnhaft-aggressiven Schub erlebt? Ein solcher Mensch kann in einem stabilisierten Zustand der normalste und "liebste" Mensch sein. In einer Notsituation kann die Einschätzung von aussen extrem schwierig sein.
"Jeder vernünftige Mensch mit klarem Verstand weiss, dass kein wirklicher Gewalttäter mit einem Küchenmesser bewaffnet auf 5 mit Pistolen bewaffnete Polizisten losgeht"
Im Nachhinein, nachdem ich den Satz gelesen habe, klingt das eingängig. Aber ich glaube nicht, dass dies "jeder vernünftige Mensch" weiß. Ich glaube, als Ärztin in der Psychiatrie (ihr späterer Kommentar zeigt dies) haben Sie da einen Vorsprung. Viele Menschen haben einfach Angst vor "komischen", fremdartigen Menschen, weil sie den Zustand eines Menschen in einer Psychose nicht in ihren normalen Schubladen unterbringen.
Die Polizei will helfen. Vielleicht ist es sehr schwierig, Menschen, die randalieren oder Menschen, die festgenommen werden sollen, für beide Seiten gefahrlos in Kontrolle zu bringen. Es wird oft von Tazern gesprochen, oder einfach von Gummiknüppeln.
Man erklärte mir, es gebe 5 Schritte beim Einsatz:
Ansprechen und Reden - mit Nachdruck warnen - den Gummiknüppel – den Tazer - schliesslich den Revolver.
Wie der Herr Hitz sagt, "Dass die Untersuchungsbehörden schon Stunden nach dem Vorfall der Polizei einen Persilschein ausstellen und sich standhaft weigern, das Geschehen genauer zu untersuchen, ist inakzeptabel."
Hier liegt das Dilemma, denn bei den Untersuchungsbehörden werden die Entscheide gefällt.
In unserem Fall ( lagebedingter Erstickungstod) musste ich nach tatsächlich mehr als 24 Stunden ohne Schlaf, immer noch im Schock Zustand a l l e i n e zur Bestandes Aufnahme auf das Revier.
Als erste Befragte vor den beiden Polis. - So schlief ich dann ein, weil endlich Ruhe war, und ein relativ freundlicher Beamter mir gegenüber sass - hörte hin und wieder eine Frage oder die Wiederholung des Protokolls und sagte einfach ja - zu allem. Damit war das erste wichtige Protokoll aufgezeichnet - drei Stunden nach dem Todesfall -
Ein morgendliches Breefing der Gruppe der Polizisten ist in dieser Region üblich, Es wäre jedoch nicht für die beiden beteiligten Beamten erlaubt gewesen . Sie hätten jeder einzeln isoliert vor der ersten Befragung warten müssen, bis sie zum ordentlichen Verhör, wie auch ich als beteiligte Mutter bzw Zeugin, vor geladen waren.
Doch man sprach sich gemeinsam ab, dann bereitete man jeden einzelnen der beiden Beamten auf ihre Befragung vor.
Diese Protokolle gehen dann weiter an den Untersuchungsrichter, alle drei Protokolle, in unserem Fall. Es waren bis dahin kaum fünf Stunden nach dem Todesfall verstrichen.
Auch beim Untersuchungsrichter wurde ich beim ersten Mal o h n e unsere Anwältin befragt, zwei Tage später... Anschliessend wurde eine Art Film oder Fotomontage auf Grund der Aussagen der Polis erstellt, besser nachgestellt.
Erst jetzt durfte ich gemeinsam mit unserer Anwältin diese Foto Show beurteilen.
Das war ein schmerzhaftes als auch frustrierendes Prozedere, denn es stimmte in den wesentlichen Punkten nicht. Vieles stimmte, was zu dem Geschehen in den frühen Morgenstunden gehörte, aber nicht wesentlich für die Wahrheitsfindung war.
So ist im Nu ein richtiger Ordner mit Protokollen, Befragungen Bildmaterial vorhanden, ein rechtliches Dokument des Staatsanwaltes. Das ist dann fix, man weiss wie schwierig, umständlich und teuer es ist, etwas dagegen zu unternehmen. Es passiert in den ersten Stunden und solch eine Akte ist dann bereits fix- und fertig. Dieser zweite Teil der Polizeiarbeit ist doch sehr wichtig. Ein Care Team kann wohl nicht bei jedem Einsatz bereit stehen, doch wenigstens dann, wenn offensichtlich etwas Schlimmes passiert ist. Solche Massnahmen müsste man voraus setzen können.
Auch die fünf Stufen bei der Festnahme. hätte man bei dem Herrn Ali vereinfachen können, indem man ihn einfach hätte laufen lassen, er wäre irgendwann in einem Eckchen abgesessen und eingeschlafen.
Dann hätte man eine Woche später eine Vorladung zu einem ordentlichen Verhör verschicken sollen.
Ich schreibe das, um vielleicht weiter zu helfen, solche Ereignisse in Zukunft zu vermeiden. Es müsste den Polis auch erlaubt sein, sich überhaupt so locker verhalten zu dürfen!
Vielleicht braucht es in diesem Land nur wenige kleine Veränderungen in dieser Art Polizei Praxis.
Gemäss Ballistischem Gutachten wurde ihm, als er sich bereits abgewandt hatte, dreimal in den Rücken geschossen. Oder wurde das nur vermutet vom Gutachter? Ich denke, dass ein professioneller Experte, wie z. B. Dr. Mark Benecke (D), sehr genau analysieren kann, ob dem Opfer auch noch in den Rücken geschossen wurde. Es ist klar, dass sich die Polizei gegenseitig deckt und dass durch die Zürcher Staatsanwaltschaft keine unbefangene Untersuchung erfolgen konnte. Die Grenzen der Notwehr wurden hier mit der unglaublichen Anzahl von Schüssen klar überschritten. Hier wurde einfach nach Wildwestmanier auf das Opfer geballert. Und hätte eine gewöhnliche Frau, die sich ebenfalls (wie der Polizist) in Todesangst und damit in einer Ausnahmesituation befunden hätte, dies jedoch durch schwere Todesdrohungen und immer wieder gravierende körperliche Gewalt durch den Ehepartner, sich gegen diesen gewehrt, so dass dieser Ehemann schwere bleibende Schäden hätte oder leider gar gestorben wäre, so hätten die Richter keinesfalls eine Notwehrsituation oder einen Notstand gesehen und die Frau bestimmt mehrere Jahre lang ins Gefängnis geschickt.
„Die Grenzen der Notwehr wurden hier mit der unglaublichen Anzahl von Schüssen klar überschritten.“
Wie kommen Sie zu diesem Schluss?
Und wie kommen Sie zum Schluss, den Sie in Bezug auf die häusliche Gewalt skizzierten?
Wie stehen Sie zu diesen Ausführungen: https://www.republik.ch/dialog?t=ar…dbd32c135e
Erstens: Die Polizei wusste von seiner Krankheit und kannte demzufolge wahrscheinlich auch seinen Namen. Und falls die Polizei den Namen kannte, so hätte sie den "Angreifer" mit Namen oder Vornamen ansprechen können; das hätte vielleicht bereits gereicht, um ihn aus der Apathie oder aus der nervösen Verwirrung herauszuholen, evtl. noch mit einem Warnschuss. Und ansonsten hätte es gereicht, dass ihm ein Polizist ins Bein geschossen hätte. Für Profis, die zielen können, ist ein Schuss ins Bein mit einem oder zwei Schüssen erreicht. Wer jedoch so viele Male in den Oberkörper und in den Kopfbereich eines psychisch Kranken schiesst, hat keine Notwehr begangen. Oder anders gesagt bzw. gefragt: Hätte der Polizist, wenn das sein psychisch erkrankter Bruder oder Vater gewesen wäre, diesen auch derart zusammengeschossen?
Zweitens: Würde ein Ehemann "häusliche Gewalt" bzw. gravierendste Gewalt anstatt seiner Frau einem Polizisten antun und würde sich der Polizist ebenfalls mit gravierendster Gewalt wehren, so bekäme der Polizist einen Freispruch aufgrund von Notwehr oder Notstand. Nicht aber die Frau.
Oder wenn ein Nichtpolizist das Gleiche wie die Polizei gemacht bzw. 13 Mal auf den psychisch Erkankten bzw. den "Angreifer" (z. B.) eingestochen hätte, dies mit den gleichen Folgen für das Opfer, so wäre dieser Nichtpolizist vom Gericht mit Bestimmtheit verurteilt worden. Der Mann hat lediglich mit dem Messer in der Luft herumgefuchtelt und die Polizisten nicht angegriffen. Ausserdem stand er unter Medikation, die als Nebenwirkung apathisch oder unruhig machen oder u. U. sogar zu Verwirrung, aber zu keinem zielgerichteten Zustechen führen kann. Das Gericht hat meines Erachtens zu Unrecht den schiesswütigen Polizisten geschützt; dies zusätzlich, falls dem Opfer tatsächlich auch noch dreimal von hinten in den Oberkörper geschossen wurde.
Alles in allem sei gesagt: Bei unrechtmässiger, überbordender Polizeigewalt lügen alle beteiligten Polizisten, der Staatsanwalt will nicht richtig gegen seine Freunde (die Polizisten) ermitteln, niemand (von der Justiz) will dafür sorgen, dass (in solchen und ähnlich schlimmen Fällen von Polizeigewalt) eine ausserkantonale Ermittlung durchgeführt werden muss, und die Gerichte sprechen, meistens durch alle Böden hindurch, den/ die Polizisten frei.
Dazu der Tweet von RAin M.S.: Der Staatsanwalt, der Stunden nach der Tat die gemeinsame MM mit der Polizei absegnet, in der von Notwehr gedprochen wird, ist nicht befangen. Er wehrt sich bis vor Bundesgericht für die Einstellung. Und wird nicht ausgewechselt für höchstrichterlich angeordnete Anklageerhebung.
Kommentar: Bei Basel18 hat weniger bereits für die Annahme von Mittäterschaft gereicht. Dabei sollte der gemeinsame Tatplan von Polizei, Stawa und Bezirksgericht doch die BV und das StGB sein. Stattdessen subsumiert die Justiz Gesetze unter Lebenssachverhalte statt umgekehrt. Und das nennt man dann Gewaltenteilung.
Der Polizist hat also 11 mal auf den Mann geschossen? 11 mal!
Man stellt fest:
Dieser Polizist ist seinem Job nervlich nicht gewachsen.
Er ist ein miserabler Schütze.
Fazit:
Er hat mit höchstwahrscheinlich den falschen Beruf.
Die Staatsanwaltschaft kommt auch nicht gut weg. Gar nicht gut. "Säuhäfeli/Säudeckeli", ist man versucht zu denken. Hier braucht es die Presse in ihrer Funktion als 4. Gewalt ganz dringend. Gut, dass ihr hinschaut!
Dazu der Tweet von RAin M.S.: Der Staatsanwalt, der Stunden nach der Tat die gemeinsame MM mit der Polizei absegnet, in der von Notwehr gedprochen wird, ist nicht befangen. Er wehrt sich bis vor Bundesgericht für die Einstellung. Und wird nicht ausgewechselt für höchstrichterlich angeordnete Anklageerhebung.
Mein Kommentar: Bei Basel18 hat weniger bereits für die Annahme von Mittäterschaft gereicht. Dabei sollte der gemeinsame Tatplan von Polizei, Stawa und Bezirksgericht doch die BV und das StGB sein. Stattdessen subsumiert die Justiz Gesetze unter Lebenssachverhalte statt umgekehrt. Und das nennt man dann Gewaltenteilung.
Noch ein Nachsatz zum kryptischen Abschluss meines vorigen Beitrags. Mit "Schöne neue Schweiz" wollte ich zum Ausdruck bringen, dass wir in einer Zeit globalgesellschaftlicher Umwälzungen leben und als basisdemokratisch orientierter Staat eine vorbildliche Funktion einnehmen könnten, so wir denn wollen. Im Zeitalter von exekutiv eingesetzten Drohnen und rasanter Entwicklung Künstlicher Intelligenzen können wir nur menschlich bleiben, wenn das vorhandene psychologische, soziologische, kommunikationsbezogene Wissen an den richtigen Stellen implementiert und trainiert wird, damit es auch unter Stress abrufbar ist.
Auch zur Weiterentwicklung des Rechtssystems wären wir sicher in der Lage...
Zum besagten Funkspruch: Habt ihr hier ein Protokoll oder eine Tonaufnahme davon, oder sonst eine Quelle die man konsultieren könnte? Ich würde liebend gerne ein wenig in den Akten stöbern, finde ich hochspannend (und -stossend)
Wir haben das Protokoll. Die Untersuchungsunterlagen sind aber nicht öffentlich einsehbar.
Schade eigentlich. Ist das die Regel? Ich meine, in der Schweiz sind zumindest Prozesse i.d.R. öffentlich zugänglich. Und hier besteht meiner Meinung nach (gerade angesichts der momentanen Umstände) doch ein enormes öffentliches Interesse.
"Es gebe «schlicht keine Beweise dafür», dass der Polizist Herrn Ali hinterhergeschossen habe, als sich dieser vom Geschehen bereits abgewandt hatte: «Angesichts dieser Beweislage ist der Beschuldigte freizusprechen. Ich muss diesen Antrag stellen, auch als Staatsanwalt.»"
Da frage ich mich ernsthaft, wie es dann zu den nachweislichen Schüssen von Hinten kam. Und warum diese nicht als Beweis dafür gelten, dass der Polizist dem Opfer hinterhergeschossen hat..
Btw:
Ein Polizist, der wegen einem Messer dermassen durchdreht, dass er fast sein ganzes Magazin auf einen Menschen abfeuert, ist mE nicht für die Polizeiarbeit geeignet. Er gehört suspendiert und psychologisch abgeklärt. Ich tippe auf ein Problem mit der Impulskontrollle.
Kennt sich da jemand aus, ist die Zürcher Polizei ausschliesslich mit Schusswaffen ausgerüstet und hat keine anderen Möglichkeiten (Pfefferspray? Taser?) dabei, um potenziell gefährliche Personen zu stoppen?
Offenbar war ein Taser zu dieser Zeit nicht flächedeckend im Einsatz. Und ein Pfefferspray nützt gegen einen Messerangriff nicht viel:
https://www.republik.ch/dialog?t=ar…dbd32c135e
Dieser Artikel ist leider von einer Einseitigkeit, die ich von der Republik so nicht erwartet hätte. Das Ganze liest sich eher wie das Plädoyer des Rechtsanwaltes von Herrn Ali als wie der Versuch einer objektiven Einordnung der Geschehnisse, wie ich sie mir von der Republik wünschen würde. Folgende Punkte finde ich störend:
Im Artikel heisst es, «die Polizei» wusste, dass Ali «krank, aber ungefährlich» sei. Wussten es aber auch die involvierten Polizisten? Dass sie laut Protokoll mit dem Auftrag «eine verdächtige Person anzuhalten» ausgerückt sind, spricht eher nicht dafür.
Die entscheidende Frage ist doch, ob der betreffende Polizist ihn mit gutem Grund als Gefahr für sein eigenes Leben eingestuft hat. Die Krankenakte des Mannes (und dass er überhaupt eine hat) sowie die Aussagen von Zeugen vom Vortag, die ihn als nicht aggressiv einstuften, standen dem Polizisten zu diesem Zeitpunkt ja höchstwahrscheinlich nicht zur Verfügung.
Ich glaube, die allermeisten Menschen, Frau Hürlimann inklusive, würden einen Mann, der in einem verwirrten Zustand in der Stadt herumläuft und mit einem 25 cm-langen Fleischermesser herumfuchtelt, als zumindest potentiell gefährlich einstufen. Wenn zudem die Aussage der Polizisten, dass Ali sich mit dem Messer auf sie zubewegte und «Kill me, Kill me» schrie, stimmt, dann wäre doch eine Notwehrlage durchaus gegeben, oder nicht? (wenn ein Messerstecher den Hals trifft, nützt einem eine Schutzweste übrigens wenig) Zumal dies stark nach einer "Suicide-by-cop"-Situation aussehen würde. Dieser Aussage wird aber im Artikel von vornherein keine Glaubwürdigkeit geschenkt, ohne nähere Begründung. Oder vertritt die Autorin die Meinung, der Polizist hätte abwarten müssen, bis der Andere zugestochen hat, bevor man Notwehr geltend machen kann?
Stattdessen wird im Artikel wiederholt darauf hingewiesen, dass 13 Schüsse abgegeben wurden. Ich bin kein Jurist, aber meines Wissens hat dieser Umstand auf die Frage, ob eine Notwehrsituation vorliegt, keinen Einfluss. Nur auf die Frage, ob es sich allenfalls um einen Notwehrexzess handelt. Davon ist aber im ganzen Artikel keine Rede.
Woher stammt die Einschätzung, dass Omar Ali «ungefährlich» ist? Gibt es ein psychiatrisches Gutachten, dass zu diesem Schluss kommt oder wird dies einfach aus dem Umstand abgeleitet, dass er bis jetzt noch niemanden verletzt hat, wenn er offenbar bei Anfällen wiederholt mit einem Messer durch die Gegend läuft?
Warum wird nur die Sichtweise von der einen Seite dargestellt und praktisch übernommen, nicht aber die Sicht der involvierten Polizisten? Hat die Autorin versucht, auch mit ihnen zu sprechen? Man hätte ihnen beispielsweise die im Artikel aufgeworfenen und durchaus berechtigten Fragen stellen können, wie zB. ob der Polizei wirklich kein besseres Mittel zur Verfügung steht als ein Schusswaffeneinsatz, um eine verwirrte Person mit einem Messer zu stoppen, bevor eine Notwehrsituation vorliegt.
Geschätzter Leser, Sie stellen viele Fragen und unterstellen mir Einseitigkeit, ich versuche dennoch, mich bei den Antworten kürzer zu halten.
Bei der Stadtpolizei Zürich war Herr Ali bekannt (so steht es im Artikel), das heisst, den beteiligten Stadtpolizisten möglicherweise nicht. Sie sassen im Fahrzeug, als sie Herrn Ali mit dem Messer in der Hand erblickten. Er bedrohte niemanden. Es hätte genügend Zeit für Rückfragen gegeben.
Ich zitiere eine Passantin und einen Passanten, die am Tag vor der Schiesserei Herrn Ali mit dem Messer in der Hand begegnet sind und ihn als nicht aggressiv oder gefährlich schildern. Die Bezirksrichterin, die den Prozess gegen Herrn Ali als Beschuldigten führte, kam klar zum Ergebnis, dass Herr Ali die Polizisten nicht angegriffen hat, keine konkreten Stichbewegungen gegen die Polizisten ausführte, sondern mit dem Messer wild herumfuchtelte. Keiner der Polizisten, die alle eine Schutzweste trugen, wurde verletzt. Stossend an diesem Fall ist insbesondere, dass die Polizei und die Staatsanwaltschaft schon Stunden nach dem Vorfall von Notwehr schrieben; zu einem Zeitpunkt, als bloss die ersten Aussagen der schiessenden Polizisten vorlagen.
Notwehrexzess war kein Thema, das machte niemand geltend.
Ja, das psychiatrische Gutachten beschreibt Herrn Ali als ungefährlich.
Die Sichtweise der Polizisten wird dargestellt: Todesangst, aussergewöhnliche Situation, etc.
Nun. So lernt man's zumindest in Filmen. Die Polizei schiesst auf die Beine. Damit ist ein Angreifer gestoppt. Aber vielleicht waren das Weichspühler und heute ist eher wieder rambomaessiges Auftreten gefragt. Dann aber besser doch mit zwei Pistolen, eine Links, eine Rechts. Aus der Hüfte.
@Goubrais: Das ist vielleicht genau das Problem: dass viele zu sehr an Filmen orientieren. In Filmen fallen Menschen auch sofort um, nachdem sie von einem einzigen Schuss getroffen werden. Dies ist in der Realität bei einem Menschen in grosser Erregung eher selten der Fall. Je nach Erregungszustand fällt er erst um, wenn er entweder tödlich getroffen wird oder der Blutverlust so stark wird, dass das Gehirn unterversorgt wird. Ansonsten bleibt er meistens stehen und ist weiterhin handlungsfähig. Ich nehme an, aus diesem Grund schiessen Polizist*innen auch nicht auf die Beine und ebenfalls aus diesem Grund werden meisten mehrere Schüsse abgegeben. Dies könnte auch hier der Fall gewesen sein.
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