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Welch ein Unterfangen über dieses Werk von Ilya Kaminsky zu schreiben. Wenn ich den Originaltext in Englisch und später die deutsche Übersetzung nicht schon gelesen hätte, am wiederlesen wäre, würde ich mir die Bücher nach Ihrem Beitrag sofort kaufen. Eine erschütternde Lektüre, deren unerwartete Bilder, Wortfluss mich öfters zum Innehalten bringen und die Wirkung tief nachhallt. Unglaublich, dass dieser Text vor dem Krieg geschrieben wurde.
Wie recht Sie haben, Frau A.! - Ich bin eigentlich ziemlich literatursatt geworden in den letzten Jahren, aber DIESE Besprechung macht hungrig. Ich bin darauf gefasst, dass manch ein Bissen mir im Halse stecken bleiben wird.
Wieder ein Samstag mit einem Republik-Text, der allein schon das Jahresabo wert ist.
Sorry, muss mich kurz fassen, ich will gleich in die Buchhandlung.
Haben Sie sehr herzlichen Dank, liebe Frau A. und lieber Herr Brogli.
Herr Graf hat mich einmal mehr abgehängt.
Der Artikel hat mich grundsätzlich gluschtig gemacht, mich an dieses scheinbar literarische Meisterstück heranzuwagen. Dann kommen aber wieder Zweifel auf: Ich wäre ja gar nicht in der Lage dieses Buch und dessen Inhalt zu verstehen. Herr Graf überfordert mich mit Ausdrücken wie Deralisierung, Metaphernkritik, Doppel(schlag)reim und organischer Kompaktheit. Was will er mir damit sagen?
Die Republik ist kein Fachmagazin. Ich hätte mir einen zugänglicheren Artikel gewünscht. Dass das geht, zeigen andere Republikautoren, welche beispielsweise komplexe Wirtschaftszusammenhänge oder IT -Themen für alle verständlich beschreiben. Wer, wie Herr Graf, nur so mit Fachausdrücken um sich wirft, klingt zwar klug, hängt aber wohl die durchschnittliche Republikleserschaft ab. Oder geht es nur mir so?
Lieber Herr I., vielen Dank für Ihre Kritik. Grundsätzlich gilt genau das, was Sie ansprechen, sowohl für mich wie auch für die «Republik» im Ganzen als Zielsetzung bei jedem einzelnen Text: so viele Leser:innen wie möglich damit zu erreichen, weit über fachspezifische Interessen hinaus. Wenn ich Sie mit diesem Text also nicht erreicht habe, bin ich der Erste, der das bedauert. Trotzdem glaube ich, es gehört ebenfalls zur Wahrheit, dass nicht jeder Text in jedem einzelnen Moment jeder Leserin gleich zusagt. Und ja, auch die Möglichkeit, dass jemand irgendetwas als «too much», als unangemessen, als deplatziert empfindet, ist gegeben – Leser:innen und ihre Vorlieben und Erwartungshaltungen an Texte sind nunmal sehr verschieden. Und sie sind mündig, können also den Autor mit Kritik oder künftig Ignoranz bestrafen – fair enough, würde ich sagen.
Zu Ihren konkreten Argumenten: Sie nennen vier Ausdrücke, die Sie als unpassend und fachsprachlich empfinden. Was Sie in Ihren Ausführungen weglassen, ist dass ich diese Begriffe jeweils in ganz bestimmten Zusammenhängen und mit Bezug zu konkreten Textbeispielen aus dem Gedichtband verwende, sodass – wie ich meine – die Bedeutung jeweils sehr viel klarer wird, als wenn man die Wörter isoliert. Bei dem Wort «Derealisierung» würde ich Ihnen sofort recht geben, das hätte man anders formulieren können. Wenn Sie sich allerdings durch solche Stellen wirklich von der Lektüre des Gedichtbandes abhalten liessen, weil Sie glauben, der Band selbst sei noch schwerer, wäre das sehr schade, denn ich schreibe ja explizit im Text: Jedes Kind würde unmittelbar die Wucht von Kaminskys Texten spüren, auch wenn diese zugleich genügend hergeben, damit man sich auf allen analytischen Ebenen daran verausgaben könnte. Noch mal ein grundsätzlicher Gedanke: Wie oft wird Ihnen in einer Fussball-Live-Übertragung der Begriff Abseits erklärt? Dabei ist das ein sehr viel voraussetzungsreicherer Begriff, als wenn bei mir «Metaphernkritik» einfach nur Kritik an der Metapher heisst («Metapher» und «Reim» sind, soweit ich sehe, die beiden einzigen literaturwissenschaftlichen Fachbegriffe in meinem Text; deren Bekanntheit habe ich in der Tat vorausgesetzt und würde das wieder tun).
Wie gesagt: Mir ist sehr daran gelegen, keine unnötigen Verständnishürden in meine Texte zu legen, und es ist sicher so, dass mir das nicht an allen Stellen gelingen mag. Das tut mir leid. Ich würde dennoch dafür werben, sich beim eigenen Textverständnis nicht von einzelnen Vokabeln entmutigen zu lassen. Und falls es hilft: In meinem ganzen Leben habe ich immer am meisten von Texten gelernt, bei denen ich nicht alles auf Anhieb verstanden habe – sprachlich wie intellektuell. Und das ist ja eigentlich auch sehr logisch: Wie will man weiterkommen, wenn man immer nur genau das liest, was man eh schon weiss und kennt?
Ich hoffe jedenfalls, Sie probieren es einmal wieder mit Literatur-Beiträgen der «Republik». Und lassen Sie sich um Himmels willen nicht von meinem Text abhalten, diesen fantastischen Gedichtband zu lesen!
Danke Herr Graf (und Herr R.) für diese gelungene Antwort. Es freut mich, dass meine Kritik auf offene Ohren und Verständnis stösst. Umgekehrt haben Sie mich nun überzeugt, mich doch an den Gedichtband heranzuwagen. :-)
Und ja: Sie beide haben recht, dass man nur dazulernen kann, wenn man sich im Grenzbereich bewegt. Aber ich gehe davon aus, dass auch Sie in anderen Lebensbereichen schon Überforderung beim Dazulernen erlebten, wenn das Unbekannte zu gross wurde. Und genau deshalb habe ich mir etwas mehr Zugänglichkeit im Artikel gewünscht.
Ihr Unmut ist verständlich. Trotzdem: Ich freue mich über diesen Text. Nicht aus Überheblichkeit, weil ich viele Wörter kenne, denen ich nur sehr selten, wenn überhaupt, begegne. Sondern weil es Texte braucht, die den Grenzbereich dessen, was mit Sprache ausgedrückt werden kann, ausleuchten. Dabei ist es sinnvoll, wenn die Autorin auch Wörter benutzt, die ihr selbst in dunklen Zonen Licht bringen. Und schließlich soll ein Text nicht immer zu mir kommen, manchmal will ich mich zu ihm hin bewegen, auch wenn es mühselig sein kann.
Danke Republik, Feuilleton vom feinsten.
Lieber Herr R., jetzt haben sich unsere Nachrichten gekreuzt. Und ich muss gestehen, Sie sagen das kürzer und pointierter, was ich selber sagen wollte. Jedenfalls danke ich Ihnen sehr für Ihre Zeilen und freue mich, dass Sie mit dem Text etwas anfangen konnten. Ein schönes, langes Wochenende Ihnen allen!
Sagte mal ein Musikredaktor eines Kultursenders, er erlaube sich die Zuhörerinnen zwei Mal pro Tag zu überfordern. Auf die Gefahr hin, dass sie den Sender wechselten. Ich denke, das Gleiche gilt auch für eine Kritik von Literatur. Vom Banalen, sofort Verständlichem, auf den schlanken Konsum Zugeschnittenen und Kommerzialisierbaren gib es schon genug. Und gerade eben daran krankt unsere Gesellschaft und das Klima erhitzt sich deshalb, sowie auch die mögliche Stromlücke klafft, weil schnöder Profit den Geist planiert.
Ich hocke im Stuhl und weine. So unglaublich berührend. Lieber Daniel Graf, Sie haben das so wahnsinnig gut geschrieben. Noch nie hat mich eine Literaturkritik dermassen angesprochen. Die zitierten Texte: Genial. Umwerfend. Dieses Buch werde ich mir schnellstmöglich besorgen. Mich haben Sie definitiv erreicht. Danke!
Vielen Dank, liebe Frau Bär, Ihnen und allen anderen im Thread.
Lieber Herr Graf
Es geht mir wie Frau Bär. Dieses Buch haut mich um, raubt mir den Atem, trifft schmerzhaft ins Herz. Und das obwohl ich es noch nicht gelesen habe.
Bislang dachte ich, dass Ihre Besprechung von Adelheid Duvanel nicht zu übertreffen war. Bis diese kam.
Aus den Textstellen geht hervor, dass ausser der emotionalen Wucht der Bilder, auch die schier unglaubliche Präzision der Sprache in hohem Masse in Staunen versetzt.
Neben so Grosses kommt mir ein einfaches Danke sehr klein vor.
Ein grosses Dankeschön, liebe Frau W.!
Lyrik ist Sprache an der Grenze des Sagbaren. Sie lebt von der Stille zwischen den Worten, dem Rhythmus, den Bildern, die sich der Fassbarkeit und der Eindeutigkeit immer wieder entziehen. Lyrik lebt von unserem ständig neuen Herantasten an ihre Worte und ihre Bilder. Lyrik ist Bewegung. Sie hält uns in Bewegung. Ein Abschliessendes gibt es nicht. Sie führt ins Offene.
Danke Daniel Graf für diese feinfühlige Besprechung eines offensichtlich eindrücklichen Buches. Sie macht einen wirklich gwungrig.
Ich denke auch, dass eine zweisprachige Ausgabe ein Gewinn wäre. Aber da spielen wohl pekuniäre Bedenken eine Rolle.
Lieber Herr Kienholz, besten Dank für Ihren Kommentar und die ausgesprochen treffende Beschreibung des Leseprozesses solcher Texte.
Der übliche Konflikt. Ich möchte die beiden Bücher sofort lesen. Es gibt aber (noch) keine e-pub-Version, oder? Meine Wohnung ist voller Bücher. Hat mir jemand einen Rat oder die Bücher zum Ausleihen?
Kann ihnen "Republik der Taubheit" schicken. Aber jetzt nach dem Lesen dieser Besprechung, müssten sie ncoh ein bisschen länger warten. Ich beginne nämlich gleich nochmals von vorn. Und, ich müsste das Buch unbedingt wieder haben. Das liest sich nie aus ........
Liebe Frau H., das Problem, nicht zu wissen wohin mit den Büchern, kenne ich zu gut! Meines Wissens gibt es hier tatsächlich keine Epub-Version, was ich in diesem Fall allerdings auch nicht empfehlen würde. Es müsste schon ein fixes Layout sein, weil die Art, wie der Text gesetzt ist, hier selbst bedeutungstragend und sehr entscheidend ist. Dieses schmale Buch können Sie sich meines Erachtens bedenkenlos in Print zulegen – es ersetzt ganze Regalmeter anderer Bücher.
Und welch' Illustrationen!
Gekauft. Prolog gelesen. Kaum zu glauben, Daniel, dass du wirklich nichts verraten hast bei allen Details und Zitaten in deiner Rezension. Chapeaux! Ich bin überrascht, schon im Prolog überrascht zu werden.
Vielen Dank, Even! Ich bin zuversichtlich, dass Kaminsky Dich bis zum Epilog noch einige Male überraschen wird. Eine eindrückliche Lektüre Dir!
Dass sich jetzt noch dieser 1. August zwischen die Nachtzugseinfahrt aus Zagreb und die nächste offene Buchhandlung legt. Immerhin steigert sich bereits die Vorfreude ins Epische!
Ein Nachtzug als retardierendes Moment, das hat doch selbst etwas Poetisches, liebe Frau Graf. Gute Lektüre Ihnen!
Ich habe das Buch in September 2021 als eins der sechs Bücher von zeitgenössischer anglophoner Lyrik in meinem Seminar über „Contemporary Poetry“ am Englischen Seminar der Universität Basel ausgewählt. Bis zu den zwei Sitzungen zu Kaminsky in März 2022 „kam etwas dazwischen“ (um mit Celan zu sprechen), das den Diskussionen dieses umwerfenden Buch noch brisanter gemacht haben.
Lieber Andrew Shields, vielen Dank. Natürlich interessiert mich: Welche anderen fünf haben Sie denn besprochen? Beste Grüsse!
Die anderen fünf Bücher:
• Rowan Ricardo Phillips, Living Weapon, Faber and Faber
• Natalie Diaz, Postcolonial Love Poem, Faber and Faber
• Mary Jean Chan, Flèche, Faber and Faber
• Vidyan Ravinthiran, The Million-petalled Flower of Being Here, Bloodaxe
• Sumita Chakraborty, Arrow, Carcanet
Sie sind alle grossartig, aber ganz besonders zu empfehlen ist das Buch von Natalie Diaz, "Postcolonial Love Poem".
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