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Einmal mehr ein hervorragendes Interview in der Republik. Um so kluge und differenzierte Antworten in kurzer Form zu erhalten, müssen die richtigen Fragen richtig gestellt werden. Gratulation auch an Daniel Graf!
Sehr herzlichen Dank, liebe Frau M.!
Visionen und Gedanken, die in dunklen Zeiten doch etwas Mut machen können. Vielen Dank für dieses Interview!
Finde ich etwas vom besten und durchdachtesten, was ich in letzter Zeit zu dem Thema gelesen habe. Vor allem Lösungsideen statt Opfer-Jammern... Nehme das Buch auf meine Leseliste!
Freut mich, lieber Herr Stucki, dass Sie sich das Buch vornehmen! Es ist, das will ich nicht verhehlen, alles andere als ein easy read. Aber das Gewicht von Allens Argumentation rechtfertigt jede zeitliche Investition. Ich würde sogar behaupten: Welche grundlegende Bedeutung ihre Gerechtigkeitstheorie für unsere Zeit tatsächlich hat, wurde bisher allenfalls ansatzweise angemessen gewürdigt. Ihr Buch ist jedenfalls von kaum zu überschätzender Relevanz für eine Vielzahl von Debatten, die wir seit Jahren führen und noch lange führen werden (um nur einige Stichworte zu nennen: Krise der Demokratie, Polarisierung, Migration und Integration, (linke) Identitätspolitik, neuer Nationalismus, rechte und linke Kritik am Kosmopolitismus, ... Sie merken, nur ein Bruchteil davon konnte überhaupt Eingang in das Interview finden.)
Danke für diesen interessanten Beitrag. Zu ihrem 2020 im Suhrkamp Verlag erschienen Buch "Politische Gleichheit" gibt es hier einen Videobeitrag (ab Min. 11:55): https://www.suhrkamp.de/mediathek/s…_1655.html
Darin plädiert Danielle Allen dafür, die im Liberalismus in den Hintergrund geratene politische Gleichheit wieder in den Vordergrund zu rücken.
Echte politische Gleichheit, so Allen, lässt sich nur in demokratischen Gesellschaften mit starken sozialen Bindungen realisieren.
Wenn in der Debatte über "negative" und "positive" Rechte, gemäss den Vorstellungen von Allen, beiden die gleiche Bedeutung zugestanden wird, folgen wir einem Prinzip "Differenz ohne Herrschaft". In einem solchen Kontext lassen sich Probleme des gesellschaftlichen Zusammenhalts eher produktiv bearbeiten.
Vielen Dank, lieber Herr Wüest. Interessant finde ich auch dieses kurze Video. Es ist quasi ein Teaser für diesen längeren Beitrag, den Danielle Allen kürzlich im Atlantic veröffentlicht hat.
Danke für diesen interessanten Hinweis.
Hier noch der direkte Link zum Videobeitrag von Yvo Wüest:
https://youtu.be/55y8pjEKqXE?t=715
Wie heisst das Buch auf englisch und wann ist es erscheinen? Ein hervorragendes Interview, Herr Graf!
Liebe Frau W., vielen Dank! Das Buch gibt es tatsächlich (noch?) gar nicht auf Englisch, es ist eine deutsche Originalausgabe. Das hat mit der Entstehung zu tun: Ursprünglich geht der Text auf die Frankfurter Adorno-Vorlesungen von Danielle Allen 2017 zurück. Allens Hauptwerk in den USA, «Our Declaration», war da bereits erschienen – wie der Titel schon sagt, ein Buch, das sich primär an eine amerikanische Leserschaft richtet. Trotzdem sind hier bereits die wesentlichen Grundgedanken von Allens Gleichheitstheorie angelegt und werden seither kontinuierlich weiterentwickelt (u.a. in einem Buch zu Bildungsfragen und Chancengleichheit). Meine persönliche Vermutung ist, dass Allen die Adorno-Vorlesungen ursprünglich selbst nur als eine Zwischenstation betrachtet hat; nun leistet das Buch – erschienen drei Jahre später – aber wesentlich mehr, als «nur» eine edierte Fassung der Vorlesungen, sondern es hat in Zusammenarbeit mit dem Suhrkamp Verlag eine eigene Buchlogik bekommen (Christine Pries hat dann den englischen Text ins Deutsche übertragen). Meines Erachtens ist daraus eine veritable Gerechtigkeitstheorie entstanden, die die von Rawls in unsere Zeit holt. Ich gehe aber davon aus, dass Allen ihre Theorie weiter ausdifferenzieren und dazu in den nächsten Jahren dann ein noch umfassenderes Buch vorlegen wird. Ziemlich sicher dürfte dieses dann wieder zuerst auf Englisch herauskommen.
Danke für dieses Interview. Sehr spannend. Regt an über unser Modell von Demokratie nachzudenken. Und danke für die Frage wie denn Frau Allen die Umsetzung Ihrer Konzepte im realen zeitgenössischen politischen Umfeld sieht!
Mir bleibt die Frage zurück: Wie bringt man Mitmenschen welche „Stürmis“, „Hitzköpfe“, „Polteris“ sind, dazu sich mit solchen Konzepten zu befassen (für viele dieser, kommt es meines Erachtens bereits einem Versagen gleich wenn Sie den Worten oder Ideen eines Gegenübers Raum geben und sich mit Ihnen persönlich auseinander setzen)?
Auch spannend: Mehr Freiheit führt zu mehr Diversität. Diese Einsicht wird wohl nicht allen gefallen, die sich für „Freiheit“ einsetzen.
Lieber Herr M., haben Sie vielen Dank. Ich musste schmunzeln bei Ihrem letzten Punkt: das ist sehr genau und treffend beobachtet! Und Ihre Frage im Mittelteil ist natürlich eine der ganz grossen der Gegenwart. Danielle Allens Ansatz, glaube ich, wäre es zu sagen: Lasst uns nicht zuallererst auf die schauen, die in keiner Weise gesprächsbereit sind – sondern mit dem Verringern der Gräben anfangen, indem wir diejenigen miteinander ins Gespräch bringen, die bei allen unterschiedlichen Werten und Positionen doch zumindest das grosse gemeinsame Interesse an einer funktionierenden demokratischen Kultur haben. Wenn diese gemeinsam die demokratischen Institutionen verteidigen, aber eben auch für gerechtere Machtverhältnisse sorgen würden, fielen die Saboteure gar nicht mehr so sehr ins Gewicht. Dass das möglich sei, ist ihre feste Überzeugung – dass es eine immense Aufgabe ist, allerdings auch.
Danielle Allens Ansatz heisst doch auch "... ohne Herrschaft" und wenn man dies konkretisiert, könnte dies doch zum Beispiel bedeuten, dass die BigTech Firmen keine Daten über einzelne Personen zurückhalten dürfen. Wenn ich also wissen möchte, was die BigTech Firmen über mich wissen, müssten sie mir alles herausgeben, sonst üben diese Firmen ja wegen den kognitiven Verzerrungen eine Herrschaft über mich aus. Auch das Kaufen von Aufmerksamkeit lässt sich wohl kaum mit "... ohne Herrschaft" vereinen, was in der Konsequenz bedeuten würde, dass man Wahlwerbung verbieten müsste. Das ist wohl nicht ganz einfach zu kontrollieren, aber "push" liese sich wohl schon unterbinden. Wenn man nur schon diese beiden Punkte konsequent umsetzen würde, würde man die Machtverhältnisse deutlich gleichmäßiger verteilen.
Dann dürfte auch die Einführung des automatischen Wahlrechts und die Abschaffung der Wahlmänner kein großes Problem mehr sein.
Lieber Herr Graf
Danke für die Information über das Buch von Allen. Ich gebe zu: ich habe bisher nichts von ihr gelesen oder gehört, und das hier neulich erschienene Interview mit Cornel West hat ihn mir zum ersten Mal vorgestellt. «Die Republik» lehrt und informiert mich.
Wenn ich jetzt mit meinem wenigen Wissen über diese zwei «Giganten» nachdenke, meine ich einen von mir unerwartet gross vollzogenen Wandel zu sehen.
«Was würde das heissen, das System zu reformieren?» ist eine grundsätzliche Frage, die man Allen und West in Interviews hier gestellt hat.
West plädiert für eine friedliche Revolution: «eine fundamentale Verschiebung von Vermögen, Macht, Ressourcen und Würde hin zu den Arbeiterinnen, zu den Armen, legitimiert durch einen demokratischen Prozess, ... gewaltfrei». Als ich das neulich hier gelesen habe, habe ich als 72-jährige in Texas, USA, geborene, etwas deprimiert gedacht: die gleichen Worte wie Martin Luther King, aber WIE umsetzen? «Gewaltfrei» vorzugehen hat immer in mir einen Nebenklang von Hoffnungslosigkeit ausgelöst.
Bei Allen sehe ich erstmals eine Auslegung der vielen Problemen, die mir hilft, etwas Hoffnung zu schöpfen, dass es jemand gibt oder geben kann, die diese richtig anzupacken vermag: zum Beispiel die Neugestaltung des Wahlsystems. Ich juble!
Und ich bin neugierig, ob Allen jemals den Begriff «gewaltfrei» benutzt? Ich mache mich auf den Weg, das auszufinden und lese ihr Buch – auch auf deutsch.
Herzlichen Dank nochmals, Herr Graf.
Vielen Dank, liebe Frau W., für Ihre Gedanken. Die Parallele zu Cornel West ist treffend, die beiden schätzen sich wechselseitig sehr. Wenn Sie das Buch lesen, werden Sie auf der Umschlagrückseite auf seinen Namen stossen. Das Wort «gewaltfrei» verwendet Danielle Allen nicht, sicher deshalb, weil ihr dies selbstverständlich scheint. Sie versteht sich selbst als Brückenbauerin, über den weltanschaulichen Graben im Land hinweg. «Bridging» ist übrigens ebenfalls ein Schlüsselbegriff ihres Buches. Eine anregende und ergebnisreiche Lektüre wünsche ich Ihnen!
Haben Sie vielen Dank für die schönen Rückmeldungen!
Differenz ohne Herrschaft hiesse kürzest zusammengefasst: anders ist anders, aber nicht besser oder schlechter, nicht mehr oder weniger wert? Oder simplifiziert das zu stark?
Inspirierendes, gut geführtes Interview, danke.
Liebe Frau J., vielen Dank. Das ist eine treffende Formulierung für die Prämisse von Danielle Allens Theorie – aber eben auch nur für die Prämisse. Das wirklich Spannende kommt eigentlich danach. Denn es gibt noch eine zweite Prämisse: dass wenn Gesellschaften sich ausdifferenzieren, dies mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit mit dem Entstehen von Herrschaftsstrukturen einhergeht. Die Aufgabe ist deshalb, die Grundspannung zwischen diesen beiden Prämissen so zu handhaben, dass sich Differenz und Herrschaft entkoppeln. Denn Letzteres widerspricht dem Gerechtigkeitsempfinden, aber die Lösung kann in einer liberalen Gesellschaft eben nicht sein, die Differenzen einzuebnen. Die instruktive Kraft von «Differenz ohne Herrschaft» liegt nun weniger in diesem Gedanken an sich, als vielmehr darin, ihn als regulative Idee zu begreifen: eine Art Massstab oder Bewertungsprinzip, mit dem wir alles historisch Gewachsene neu überprüfen können bzw. müssen (denn es bestehen ja längst historisch gewachsene Herrschaftsstrukturen in grosser Zahl); zugleich ein Erwartungshorizont, an dem wir künftige politische Entscheidungen messen können. Die Herausforderung liegt also darin, in unzähligen konkreten Einzelfragen in der Politik, in der Wirtschaft etc. um Lösungen zu ringen, die dieses Prinzip bestmöglich erfüllen.
Lieber Herr Graf, danke für Ihre Antwort. Also darf anderes anders bleiben, muss aber als gleichwertig gesehen und gleichberechtigt werden? Das scheint ein so einfacher wie einleuchtender Bewertungsmassstab für historisch Gewachsenes wie Zukünftiges. Dass um das eigentlich Selbstverständliche so vielfältig und an so vielen Orten gerungen werden muss, zeigt aber auch auf, welche mächtigen Gegenkräfte diesem lebensdienlichen Prinzip entgegenstehen. Frau Allens Optimismus ist herzerfrischend und macht Mut.
Ich wünschte, ich hätte denselben Optimismus wie Danielle Allen... Spontan folgere ich: wenn ich an den Schalthebeln der Macht bin, führt das, quasi "automatisch", zu mehr Geld für mich.
Lieber Herr Bieri, beim zweiten Teil Ihres Statements bin ich unsicher, ob ich Sie richtig verstehe, vermute aber, es geht ein wenig an der Argumentation von Danielle Allen vorbei. Beim ersten Satz würde ich mich Ihnen anschliessen: Ich bin tendenziell leider auch pessimistischer als Danielle Allen, finde ihren – bei aller intellektuellen Flughöhe – pragmatischen und immer realitätsbezogenen Optimismus aber sehr inspirierend.
Von Danielle Allen ist unbedingt das Buch zu empfehlen: Our Declaration. A Reading of the Declaration of Independence in Defense of Equality (Liveright 2014). Wunderbarer Ausgangspunkt (Night Teaching für lernbegierige Erwachsende mit oder ohne Job), hervorragende Beweisführung und überraschende, aber überzeugende Ergebnisse!
Lieber Herr B., besten Dank für den Hinweis auf «Our Declaration». In den USA ist dieses Buch in der Tat das Referenzwerk der Autorin. Unten in der Antwort auf Herr Wüest habe ich einen Link zu einem aktuellen Atlantic-Essay von Danielle Allen gepostet. Er ist gewissermassen das Update zu «Our Declaration».
Lieber Herr Graf. Herzlichsten Dank für den Hinweis. Der Atlantic-Artikel von D. Allen war mir unbekannt. Es ist die Ausweitung ihrer Arbeit zu 1776 auf 1787 (und 1865, 13.-15. Am.), und meines Wissens der erste einigermassen überzeugende Versuch, so etwas wie "Verfassungsliebe" zu definieren. Schlichtweg, und in gutem Sinne, tränenrührend!
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