Presserat: Mutmasslich krimineller Badi-Pächter wurde ungenügend anonymisiert
Das medienethische Gremium hat eine Beschwerde gegen die Republik in einem Punkt gutgeheissen: Mit einem im Juli 2022 veröffentlichten Beitrag verstiessen wir gegen die im Pressekodex festgeschriebene Pflicht, die Privatsphäre zu schützen.
Von Dennis Bühler, 22.12.2023
Ein Badi-Pächter, der von der US-Justiz gesucht wird, weil er schwere Wirtschaftsdelikte begangen haben soll: Am 21. Juli 2022 schrieb die Republik über einen verblüffenden Fall. Wir nannten den Mann in unserem Beitrag weder bei seinem Namen noch bei seinen Initialen, sondern gaben ihm das nichtssagende Pseudonym X. Aber wir erwähnten den Namen der Badeanstalt und die Gemeinde, die ihn eingestellt hatte und darin keinerlei Problem sah. Das führte schon damals zu Kritik einzelner Leser im Dialog.
Und es bringt uns nun auch eine Rüge des Schweizer Presserats ein. Dieser ist das medienethische Selbstkontrollorgan der Branche, das auf Beschwerde hin darüber urteilt, ob sich Journalistinnen und Redaktionen bei ihrer Berichterstattung an den Pressekodex gehalten haben. In diesem Fall erhob Badi-Pächter X. Beschwerde, weil die Republik seine Privatsphäre nicht geschützt habe. Konkret: weil wir ihn identifizierbar dargestellt hätten.
Der damalige Republik-Chefredaktor Oliver Fuchs stellte sich in seiner Antwort an den Presserat auf den Standpunkt, wir hätten die Privatsphäre von X. sehr wohl geschützt, weil man bei einer Google-Suche mit seinem Namen nicht auf unseren Beitrag stossen würde, jedoch auf eine Vielzahl von Medienartikeln, die in den Vorjahren im In- und Ausland wegen seiner mutmasslich schweren wirtschaftskriminellen Tätigkeiten veröffentlicht worden seien. Die Nennung der Badi sei nötig gewesen, damit der Verdacht nicht auf jeden Pächter einer Zürichsee- oder Schweizer Badeanstalt fallen könne.
In seiner am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme schreibt der Presserat:
Die Republik hat in diesem Artikel fast alles richtig gemacht. Sie hat den Beschwerdeführer angehört, diesen zu Wort kommen lassen und aus den Justizverfahren zitiert. Sie hat den Beschwerdeführer als X. bezeichnet und auch sonst kaum identifizierende Informationen veröffentlicht. Aber sie hat mit der Erwähnung des Namens und des Standorts der Badeanstalt für die ganze Gemeinde und die Umgebung klar gemacht, um wen es bei den schweren Vorwürfen im Artikel geht. Damit hat die Republik Richtlinie 7.2 (Identifizierung) verletzt.
Zu der von Chefredaktor Fuchs ins Feld geführten Verwechslungsgefahr, die gedroht hätte, wenn wir bloss von einem «Schweizer Badi-Pächter» oder einem «Badi-Pächter am Zürichsee» geschrieben hätten, hält der Presserat in seiner Stellungnahme fest: «Richtlinie 7.2 (Identifizierung) erlaubt tatsächlich eine Namensnennung, ‹um eine für Dritte nachteilige Verwechslung zu vermeiden›. Die Verwechslungsgefahr ist in diesem Fall allerdings nicht besonders gross. Nach Ansicht des Presserats überwiegt der Schutz der Privatsphäre.»
In zwei weiteren Punkten wies der Presserat die Beschwerde von X. ab: Die Republik hat weder gegen die Wahrheitspflicht verstossen noch wichtige Elemente unterschlagen.
Medien, die vom Presserat gerügt werden, müssen weder Artikel löschen noch mit anderen Konsequenzen rechnen. Dennoch hat sich die Republik entschieden, im Beitrag über den Badi-Pächter mehrere Anpassungen vorzunehmen: In der aktuellen Version werden im Text weder der Name der Gemeinde noch jener der Badeanstalt genannt. Zudem haben wir das Bild der Badi entfernt sowie diverse Links, die indirekt zur Identifizierung von X. führten.
Übrigens: X. ist inzwischen wegen schwerer Veruntreuung und Urkundenfälschung rechtskräftig verurteilt. Sein Antrag, die Verurteilung sei zu revidieren, wurde vom Bundesgericht am 18. August 2023 letztinstanzlich abgewiesen.
Unverändert gilt, was wir im Juli 2020 schrieben, als wir in einem «Echo» ausführlich über uns betreffende Stellungnahmen des Presserats berichteten: Ob wir mit allen Erwägungen einverstanden sind oder nicht, spielt keine Rolle – wir anerkennen seine Stellungnahmen immer. Und bedanken uns für seine Arbeit.
Dennis Bühler, der Autor dieses Echo-Beitrags sowie des Beitrags über den «meistgesuchten Badi-Pächter der Welt», ist selbst Mitglied im Schweizer Presserat. Selbstverständlich war er in die Entscheidungsfindung des Gremiums in diesem Fall aber nicht involviert. Er tritt in sämtlichen Fällen, die die Republik betreffen, in den Ausstand.