«Wie geht ihr mit der Weltlage um?»
Die Republik-Community diskutiert, fragt, erzählt. Schon gelesen? Hier finden Sie eine Auswahl aktueller Dialogbeiträge.
Von Lucia Herrmann, 25.11.2022
Die Debatten mit Ihnen lösen in der Redaktions-Crew immer wieder etwas aus und stossen Veränderungen an.
Besonders viel zu reden gibt seit Sommer die Frage «Warum beteiligen sich so wenige Frauen am Republik-Dialog?». Die vielen Beiträge haben (wieder einmal) verdeutlicht: Die Antwort lautet bestimmt nicht, dass Frauen weniger zu sagen hätten. Woran liegt es dann? Am meisten Zustimmung erhielt die Wortmeldung einer Verlegerin, die ihre eigene Zurückhaltung so begründete:
Leider verkommt die Debatte mehr und mehr zu einem Kräftemessen unter Platzhirschen. Das schüchtert ein. Nicht nur mich als Frau, nehme ich an. Wer nicht mithalten kann, schweigt.
Der Dialog ist ein Angebot, jeder darf, aber niemand muss sich dort äussern. Wenn aber Personen stumm bleiben, weil sie sich nicht getrauen, dann haben wir ein Problem. Und zwar wir alle. Denn Ängste und Unsicherheiten sind Gift für das, wofür der Dialog hier steht: einen Austausch auf Augenhöhe.
Um diesem Anspruch gerecht zu werden, haben wir nun zwei erste Anpassungen vorgenommen – an der Etikette und bei der Moderation. Alle Details dazu lesen Sie am Schluss dieses Beitrags.
Zuerst zu aktuellen Stimmen aus dem Dialog:
Suppenwurf, Kunst und Klimaprotest
Seit Aktivistinnen mit flüssigen Lebensmitteln in Richtung berühmter Kunstwerke werfen, wird in der Öffentlichkeit heftig über Sinn und Berechtigung dieser Protestform gestritten. In ihrer Kolumne «Kunst ist verletzlich» nimmt Autorin Kia Vahland darauf Bezug und verweist auf einen Bildersturm im 16. Jahrhundert. Einige Verleger fanden diesen Verweis völlig unangebracht:
Zuerst das Gute an diesem Artikel: Es wird nicht behauptet, die Klimaaktivisten hätten die Kunstwerke zerstört oder das versucht – wie man sonst vielfach zu lesen bekommt, was zu nichts anderem taugt als zur Hetze gegen diese Aktivisten. (…) Nicht gut finde ich, dass nicht erkannt wurde, dass die Klimaaktivisten die Kulturgüter nicht beschädigen und auch nicht mit Beschädigung spielen und die Ermahnung folglich nicht brauchen. Trotzdem werden sie ausdrücklich mit Kulturschändern in eine Reihe gestellt. (…)
Oder auch:
Von den publicityträchtigen Suppenwürfen mag man halten, was man will, aber der Vergleich von ein paar Klimaaktivisten mit plündernden Soldaten finde ich mehr als wackelig und überzeugt gar nicht. Und auch der Begriff «Gewalt» ist hier fehl am Platz. Gemälde können zerstört werden, es kann allenfalls als Vandalismus bezeichnet werden. Gewalt hingegen ist etwas, das gegen Lebewesen ausgeübt wird, nicht gegen Gegenstände. (…)
Weitere Verleger schalteten sich ein, und auch die Autorin selbst reagierte auf die Rückmeldungen. Der Austausch zeigt, wie vielschichtig die aktuelle Debatte eigentlich ist – und wie entscheidend es ist, sie präzise und differenziert zu führen. Lesen Sie selbst!
Wie umgehen mit den Krisen?
Klimakrise, Kriege, Inflation und steigende Strompreise. Die gegenwärtigen Nachrichten sind nicht besonders erbaulich. Und dann kommt auch noch die Bedrohung der Demokratie durch faschistische Kräfte hinzu. Letzteres beschäftigte Daniel Binswanger im Vorfeld der Midterm-Wahlen in den USA. Darauf fragte eine Verlegerin in die Runde:
Könnt ihr mir mal verraten wie ihr ganz persönlich mit der sich zuspitzenden Weltlage und -dynamik umgeht? Das alles war mir ja auch vor dem samstäglichen Hochamt mit MB bekannt (also auch Artenverlust, Klimaerwärmung, Hunger und Kriege allerorten). Dennoch wird es bei mir innerlich eng und eine früher unbekannte Angst steigt auf: Es könnte am Ende auch noch mich (trotz fortgeschrittenem Alter) betreffen. (…)
Ihr wurde gleich mehrfach geantwortet:
Gegen die Angst hilft mir, mich mit Vernunft und Herz, Mensch und Natur zu verbinden. Mit meinem erwachsenen Kind und möglichst vielen jungen Menschen noch so viel wie möglich zu besprechen, ihre Reife, auch die politische, zu fördern. Manipulationsversuche erkennen helfen. Und von ihnen lernen.
(…) Was hilft, ist Gleichgesinnte zu finden und sich für etwas zu engagieren, das einem selbst wichtig ist.
Andere hören und machen Musik, nehmen sich Hannah Arendt zu Herzen, gehen spazieren und empfehlen «achtsame Beschäftigungen mit kleinen Dingen, Problemen und Aufgaben des Alltags».
Twitter abschaffen! Oder doch nicht?
Wer viel Zeit mit sozialen Medien verbringt, weiss: Besonders sozial geht es hier nicht zu und her. Das hat auch die Geschichte über einen Schweizer Künstler gezeigt, der viel Aufmerksamkeit für sich und seine Kunst generierte und es dabei mit den Details nicht so genau nahm. Im Dialog dazu kam der Kurznachrichtendienst Twitter jedenfalls nicht gut weg. Eine Verlegerin meinte sogar:
(…) Es wäre definitiv kein Verlust für die Menschheit, resp. ein Gewinn für das Niveau des gesellschaftlichen Diskurs, würde Twitter demnächst komplett abgestellt.
Dem widersprach Tech-Redaktorin Adrienne Fichter, die – aller Kritik zum Trotz – auch auf die demokratiepolitische Bedeutung der Plattform hinwies:
Liebe Frau Widmer. Ich verstehe dass man von aussen Twitter für eine Dummschwätzer:innen-Plattform hält und viele das von den Medien aufgenommene Getöse als eine Minderheitenmeinung einer Elite (Wissenschaft, Journalismus, Politik) abtun. Ich verstehe diese Perspektive gut.
Dennoch muss ich Ihnen widersprechen. Es wäre in der Tat ein grosser Verlust für alle Demokratien und Demokratiebewegungen. Wir können uns jetzt noch gar nicht die Tragweite erahnen und das Ausmass des globalen «Schadens» vorstellen, sollte Twitter tatsächlich demnächst 1.) hinter einer Paywall verschwinden 2.) oder wegen Musks Bankrott/Amoklauf/Verkalkulierung ganz «abgeschaltet» werden. (…)
Was die Verlegerin darauf entgegnete, lesen Sie am besten direkt im Thread nach. Diese Diskussion war übrigens der Ausgangspunkt für einen Essay, den Adrienne Fichter im Anschluss angegangen ist. Thema: Warum Twitter Service public ist.
Fragen und Kritik aus der Chefetage
Während der Urabstimmung von Project R stehen wir Ihnen Red und Antwort zum Stand unseres Unternehmens. Einige von Ihnen haben dieses Angebot bereits genutzt und nachgefragt: Warum hat sich die Höhe der Lohnkosten im vergangenen Geschäftsjahr verändert? Erhebt die Republik eine Ökobilanz über ihr eigenes Wirtschaften? Warum ist die Rechnung für Kreditkartengebühren so hoch? Warum wird der Vorstand im kommenden Jahr nicht mehr aus fünf Personen bestehen? Wie werden eigentlich die Voten bei der Urabstimmung gezählt, und: Ist das sicher?
Beschäftigt Sie eine andere Frage oder möchten Sie uns eine Rückmeldung geben? Dann stimmen Sie ab und schreiben Sie uns in der Abstimmungsdebatte – noch bis zum 27. November.
Was sonst noch bei der Republik zu reden gibt, sehen Sie in der Übersicht auf unserer Dialogseite. Schalten Sie sich ein, lesen und diskutieren Sie mit.
Damit zu den eingangs angesprochenen Anpassungen, mit denen wir das Diskussionsklima einladender machen wollen. Die eine Änderung wirkt vorbeugend, die andere soll helfen, wenn eine Debatte zu kippen droht.
Erweiterung der Etikette: Die Dialog-Spielregeln enthalten neu einen expliziten Absatz zu Diversität. Damit unterstreichen wir, dass es nicht nur wichtig ist, was man sagt und wie man es sagt, sondern auch, wie sich das Gesagte in eine Gesamtdiskussion einfügt:
4. Miteinander statt nebeneinander: Der Dialog der Republik soll für alle Verlegerinnen zugänglich sein. Es geht nicht darum, möglichst laut und dominant aufzutreten, sondern einen inhaltlichen Austausch voranzubringen. Wir wünschen uns eine Vielfalt an Stimmen und Perspektiven. Denken Sie deshalb daran, auch anderen Stimmen Raum zu geben, und akzeptieren Sie, wenn nicht alle Anwesenden Ihre Meinung teilen.
«Moderation herbeirufen»: Über die «Flagge» konnten Sie bis anhin «anstössige Inhalte» im Dialog melden. Neu können Sie darauf klicken, wenn Sie sich an einem bestimmten Ort in der Diskussion mehr Moderation wünschen. Das heisst: wenn Sie sich unwohl oder unsicher fühlen oder (wie bisher) wenn Ihnen ein Inhalt negativ auffällt.
Diese beiden Anpassungen alleine zaubern noch keine Diversität in den Republik-Dialog. Aber sie sind ein Schritt in diese Richtung. Konkret ausgearbeitet haben wir sie übrigens in einem Workshop, den wir Anfang Oktober mit einer Gruppe von Verlegerinnen durchgeführt haben.
Zur Debatte: Wie geht es Ihnen im Republik-Dialog?
Jede Diskussion ist nur so gut wie ihre Teilnehmer. Der Republik-Dialog soll für alle Verlegerinnen zugänglich sein. Ist Ihnen in letzter Zeit etwas positiv oder negativ aufgefallen, hat Sie etwas irritiert? Haben Sie Vorschläge, wie der Dialog noch besser werden kann? Dann lassen Sie es uns wissen. Hier gehts zur Debatte über die Debatte.