Bertschi macht Geschenke
Die Zürcher Grossbäckerei, gegen die die Staatsanwaltschaft ermittelt, erhöht flächendeckend Löhne ihrer Angestellten. Mit den Recherchen der Republik habe das selbstverständlich nichts zu tun.
Von Lukas Häuptli, 06.07.2022
Bertschi ist eine der grössten Bäckereien der Schweiz, hat ihren Sitz in Kloten und liefert Backwaren an Migros, Coop und Aldi, an Hotels, Heime und Spitäler und an Unternehmen der sogenannten Systemgastronomie, etwa an Kantinen.
Mitte Juni hat die Republik mutmassliche Missstände in der Grossbäckerei bekannt gemacht und über das Strafverfahren berichtet, das die Zürcher Staatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang eröffnet hat.
Verschiedene Angestellte hatten berichtet, dass Bertschi während Jahren Kredite an seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vergab und Ausstände direkt von deren Löhnen abzog. Um Schulden abbauen zu können, leisteten Angestellte zahllose Überstunden. Damit verstiess das Unternehmen womöglich gegen den Gesamtarbeitsvertrag und gegen das Arbeitsgesetz. Die Verantwortlichen der Bäckerei Bertschi bestritten immer alle Vorwürfe – und bestreiten sie noch immer.
Trotzdem haben sie dieser Tage verschiedene Massnahmen getroffen.
Die wichtigste:
Die Grossbäckerei erhöht den grössten Teil der Löhne ihrer rund 370 Angestellten. Von nun an erhalten alle Mitarbeiter von Bertschi einen monatlichen Bruttolohn von 4000 Franken oder mehr.
Die zweitwichtigste:
Die Bäckerei schenkt allen Angestellten einen Migros-Gutschein im Wert von 200 Franken.
«Eine solche Aktion hat es bei Bertschi noch nie gegeben», sagt ein langjähriger Mitarbeiter dazu. «Es scheint, dass man das Personal beruhigen will.»
Arbeiten, bis man krank wird? Eine Grossbäckerei, die Aldi, Coop und Migros beliefert, soll Mitarbeiter mit Krediten abhängig gemacht und zu unzähligen Überstunden gedrängt haben. Die Verantwortlichen bestreiten es. Doch die Staatsanwaltschaft hat ein Strafverfahren eingeleitet.
Die Verantwortlichen bestreiten, dass die Erhöhung der Löhne und die Verteilung der Geschenkgutscheine etwas mit dem Bekanntwerden der mutmasslichen Missstände in der Grossbäckerei zu tun haben.
Die Löhne seien «angesichts der steigenden Preise in der Schweiz» angehoben worden, die Gutscheine im Rahmen eines Betriebsfestes zum 125-Jahr-Jubiläum des Unternehmens verschenkt worden, sagt Kommunikationsberater Jürg Wildberger, der die Bäckerei Bertschi gegenüber den Medien vertritt.
Durch die Massnahme dürften die Lohnkosten der Grossbäckerei um einen stattlichen Betrag gestiegen sein. Eine gut informierte Person geht von Mehrkosten von 700’000 Franken bis 1,3 Millionen Franken aus – pro Jahr.
Der Gesamtarbeitsvertrag für das Bäckerei-, Konditorei- und Confiserie-Gewerbe sieht für ungelernte Mitarbeiterinnen einen monatlichen Bruttolohn von knapp 3500 Franken vor, für gelernte einen von knapp 3800 Franken.
Die Grossverteiler, die von Bertschi Backwaren beziehen, haben sich bis jetzt von den mutmasslichen Missständen in der Grossbäckerei ungerührt gezeigt – zumindest offiziell.
«Die Firma Bertschi hat uns über die Vorwürfe informiert», sagt ein Sprecher der Migros. «Selber nehmen wir dazu keine Stellung.» Ähnlich tönt es bei einer Sprecherin von Coop: «Uns sind faire Arbeitsbedingungen und eine gesetzeskonforme Geschäftstätigkeit wichtig. Für weitere Fragen bitten wir Sie, sich direkt an die Bäckerei Bertschi zu wenden.»
Und eine Aldi-Sprecherin hält fest: «Wir haben Kenntnis von den Vorwürfen und stehen laufend im Austausch mit der Bäckerei Bertschi.» Seit Jahren engagiere sich Aldi für die Einhaltung sozialer Standards und geltender Gesetze entlang seiner Lieferketten. «Wir sind der Überzeugung, dass unternehmerischer Erfolg auf Dauer nur dann möglich ist, wenn Regeln respektiert und gute soziale Voraussetzungen erfüllt werden.»