Die Infokrieger – Teil 2

Man muss es einfach glauben

«Politisch Korrekte», Linksliberale, Feministinnen – all denen wirkt die «Opposition von rechts» entgegen. «Flute den Raum mit Scheisse» gibt Steve Bannon aus den USA den Takt vor. Am extremsten führt diesen Kulturkampf in der Schweiz die «Weltwoche», wo sich inzwischen Verschwörungs­ideologen tummeln. «Die Infokrieger», Teil 2.

Von Daniel Ryser, Basil Schöni (Text), David Leutert (Illustration) und Felix Michel (Visualisierung), 25.06.2022

Vorgelesen von Cristina Capodifoglia
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Bronsch­hofen, Kanton St. Gallen, Studio von Stricker-TV: Rechnen mit Daniel Stricker. Das ist gar nicht so einfach. Denn wenn es um seine Ein­nahmen geht, wird der Mann, der den Medien vorwirft, gekauft zu sein, plötzlich sehr wortkarg.

Wir sagen, wir vermuten, dass er eigentlich ziemlich viel Geld verdiene mit seinen Abonnen­tinnen. Dass er sich mit der Pandemie ein Geschäfts­modell aufgebaut habe, und jetzt, wo die Pandemie vom Bundes­rat für beendet erklärt worden sei, da habe er gar keine andere Wahl, als auf das Thema Russland zu setzen. Um mit einer Art propagandistischer Gegen­erzählung den Krieg zu instrumentalisieren. Und dass die Pandemie letztlich ein austausch­barer Platzhalter gewesen sei für ein Geschäfts­modell.

Wir rechnen ihm vor, dass er im Moment, als Folge der Pandemie, auf der Platt­form Locals rund 4000 zahlende Supporter habe und damit einen monatlichen Umsatz von 45’000 Franken erziele.

«Das ist eine Schätzung, die komplett aus der Luft gegriffen ist», sagt Stricker.

«Ist sie nicht», sagen wir.

«Die Zahl ist wirklich falsch. Sehr falsch. Immer­hin kommen Sie hierher, um mich zu fragen, statt einfach zu schreiben, dass ich mir eine goldene Nase verdiene.»

«Es geht nicht darum, zu schreiben, dass Sie sich eine goldene Nase verdienen. Wir wollen wissen, wie Sie Ihr Geld verdienen.»

Die Infokrieger

Sie sehen sich im «Informations­krieg»: In der Schweiz basteln sich selbst ernannte «alternative Medien» und Oppositionsblätter nach US-amerikanischen Vorbildern ihre eigene Wahrheit und betreiben einen grossen Aufwand, um diese unter die Menschen zu bringen. Eine Reise ans Ende der Demokratie. Zur Übersicht.

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Man muss es einfach glauben

«Ich sage es so: Ich habe trotz Ende der Krise stabile Abonnenten­zahlen. Trotz Ende Corona-Bullshit sind meine Zahlen ziemlich stabil. Die Aktivismus­sachen sind stark rück­läufig. Ich habe lange nichts verkauft. Keine Paywall. Kein T-Shirt. Nichts. Ich habe nur drauf­gelegt. Mittler­weile kann man sagen, ich lebe davon. Das Geschäfts­modell funktioniert. Jetzt könnt ihr schreiben: Dann hat er ein breites Grinsen aufgesetzt.»

«Uns würde Ihre Kritik an unserer Berechnungs­methode interessieren.»

«Also was haben Sie gesagt?»

«Wir haben die Videos angeschaut.»

«Das heisst, Sie haben gezahlt?»

«Wir haben einen Zugang, ja.»

«Sie haben nicht gezahlt?»

«Natürlich haben wir gezahlt.»

«Danke. Ich mache ein Republik-Abo.»

«Wir haben Ihre Premium-Videos angesehen und geschaut, welches die meisten Views hat: 5300.»

«Welches ist das?»

«Es ist ein Video über das Kantons­spital Thurgau vom September 2021. Von den 5300 Views, die dieses Bezahl­video hat, streichen wir 20 Prozent als Mehrfach-Views. Die Leute können es theoretisch ja mehr­mals schauen.»

«Wie lange geht das Video? Das wäre ja noch interessant. Denn wenn es drei Stunden geht, ist das schon mal nichtig. Denn niemand schaut drei Stunden am Stück, und dann zählt das erneute Rein­klicken doppelt.»

«Das Video geht 8 Minuten.»

«Aha.»

«Wenn wir 20 Prozent abziehen als Mehrfach-Views, sind wir bei 4200 Views, sagen wir 4000. Bei 135 Franken pro Jahr pro Abo kommt man auf 540’000 Franken im Jahr, also 45’000 Franken im Monat.»

Stricker sagt, in dieser Rechnung könne ein dicker Fehler drin­stecken. Begründet das dann mit der falschen Behauptung, die ersten 30 Sekunden könne man ja gratis schauen, wenn man das Video teile, und das würde dann als View gelten (was man bei solchen Bezahl­videos nicht kann). Statt über seine Zahlen Auskunft zu geben, sagt er schliesslich, vielleicht sei er ein armer Siech, vielleicht aber auch nicht. «Ich werde Ihnen die Zahlen nicht verraten. Aber es ist ein Geschäfts­modell. Ein ehrliches Geschäfts­modell.»

Ein ehrliches Geschäfts­modell, basierend auf dem Verbreiten von Desinformation. Wir seien enttäuscht, sagen wir, dass er sich weigere, seine Zahlen offen­zulegen, wo er doch predige, dass die Massen­medien nicht vertrauens­würdig seien, weil es letztlich immer um Geld gehe.

«Also, ich könnte ja auch einfach lügen», sagt Stricker. «Allein dass ich nicht lüge, macht mich glaub­würdig.»

«Sie sagen bezüglich Ukraine, die Medien müssten immer neue Säue durchs Dorf treiben. Können Sie nach­vollziehen, dass man dieses Argument auch auf Sie anwenden kann, der mono­thematisch auf Corona gesetzt hatte, und jetzt auf Russland?»

«Ich bilde ja bloss die Medien ab», sagt Stricker. «Man kann auch sagen, das ist schlau von mir. Ich reite auf dem Rücken des klapprigen Gauls der Massen­medien und mache dabei eine gute Figur.»

«Weltwoche Daily»: Wachstum dank rechts­extremem Blog

Der einzige Journalist, dem Daniel Stricker noch voll und ganz vertraut, wie er uns immer wieder sagt, das ist Roger Köppel mit seiner «Weltwoche» und dem Format «Weltwoche Daily». Nicht so links und Filz und SRG wie wir von der Republik. «Köppel ist eine faszinierende Ausnahme», sagt Stricker. «Köppel ist eine fundierte Gegen­meinung. Ob er recht hat oder nicht, ist gar nicht wichtig. Er ist eine fundierte Gegen­meinung.»

Als Köppel Stricker in seiner Sendung besuchte, verstanden sich die beiden blendend: «Danke Dani für die Einladung, alles Gute», verabschiedete sich Köppel nach dreieinhalb Stunden Gespräch im April 2021, während Stricker von Corona als «Zombie-Pfnüsel» sprach, «der zur Apokalypse hoch­stilisiert wird».

Ein paar Monate später folgte Stricker der Einladung zum «Weltwoche»-Sommer­fest. Unterwegs zum Fest streamte er von seinem Auto aus auf der Plattform Locals. «Ich kann es auf Youtube nicht klar sagen. Aber wir haben im Moment 500 Leute, die auf Intensiv­stationen sind, die nicht positiv getestet sind», sagte Stricker. «Das ist mehr als in der ersten und zweiten und dritten Welle. Also plötzlich haben wir viel, viel mehr Leute auf Intensiv­stationen. Hier würde man gerne mal wissen, was das ist. Und ich behaupte, das sind Impf­schäden.»

«Was für ein perfider Master­plan, der da ausgerollt wird über die Welt. Wirklich hinter­hältig, hinter­fotzig. Und unglaublich effizient. Da habe ich dann wie Bhakdi schon wieder Respekt davor, dass sie so was durch­ziehen können», sagte Stricker weiter, der sich damit auf den prominenten deutschen Verschwörungs­ideologen Sucharit Bhakdi bezog. «Wir werden belogen, und es ist ein Massen­mord, und es ist ein Verbrechen und es ist Krieg.»

Der von Stricker gelobte Roger Köppel ist immer bestens gelaunt, wie er jeden Tag in seiner Sendung betont. Mitte Mai 2022 sagt er im Video­format «Weltwoche Daily»: Die Sendung gebe es ab sofort auch als Podcast. Hinter dieser Ent­scheidung stünden «erstaunliche Zahlen». «Im März 2022 erreicht das Format ‹Weltwoche Daily› 2 Millionen Aufrufe via Youtube und Website», sagt der «Weltwoche»-Verleger und -Chefredaktor. Die Zahl der Zugriffe auf «Weltwoche Daily» habe sich innerhalb eines Jahres vervierfacht. 1,4 der 2 Millionen kämen von Youtube.

Massgeblich zu diesem Wachstum beigetragen hat die Tatsache, dass Roger Köppel seit September 2021 neben dem täglichen «Weltwoche Daily» auch ein separates «Weltwoche Daily Deutschland» produziert. Diese deutsche Ausgabe erreichte rasch gleich viele Aufrufe wie die Schweizer Version und wuchs dann parallel mit dieser an.

Was Köppel nicht sagt: Seit dem 1. Oktober 2021 wird jedes «Weltwoche Daily Deutschland»-Video – und ab dem 21. Oktober auch jedes «Weltwoche Daily Schweiz»-Video – auf der Website des deutschen Blogs «Politically Incorrect» eingebettet. «Politically Incorrect» oder «PI-News» wird in Deutschland vom Verfassungs­schutz als «erwiesen rechtsextrem» eingestuft und beobachtet. Die Seite, die gemäss der Recherche­plattform Correctiv bereits 2017 rund 400’000 tägliche Aufrufe verzeichnete, dürfte einen bedeutenden Teil des Wachstums der «Weltwoche Daily»-Videos zu verantworten haben.

Hauptsache, der Spin stimmt

Das Video­format «Weltwoche Daily» hatte Köppel schon vor der Pandemie geschaffen: Und zwar punkt­genau auf Donald Trumps Landung in Davos im Januar 2018 und ein paar Wochen vor dem Besuch des Ex-«Breitbart»-Chef­redaktors und Ex-Trump-Chef­strategen Steve Bannon, der auf Einladung der «Weltwoche» in der Schweiz war.

Köppel hat damit einen spezialisierten Raum geschaffen für die tägliche Dosis Angst, Unsicher­heit und Zweifel. In den halb­stündigen Videos, die er jeden Morgen veröffentlicht, verpasst er jeder Tages­aktualität, die es gerade hergibt, seinen Spin.

SP-Nationalrat Fabian Molina läuft irgendwo in einem Demonstrations­zug, während es bei einem zweiten, getrennt laufenden Demozug zu Sach­beschädigung kommt? In Köppels Welt steht Molina damit «an der Spitze einer illegalen, gewalt­tätigen Krawall­demo», und man müsse sich doch fragen, wann denn nun die Staats­anwaltschaft gegen Molina ermittle.

Moderator Sandro Brotz konfrontiert SVP-Nationalrat Thomas Aeschi in der SRF-Diskussions­sendung «Arena» mit einer rassistischen Aussage, die dieser zuvor im Parlament geäussert hat. Für Roger Köppel wird der Journalist Brotz damit zum «Gross­inquisitor», die Polit­sendung zum «Tribunal» und «sowjetischen Schau­prozess».

Den einen National­rat einer Straftat bezichtigen. Dem Journalisten, der dem anderen kritische Fragen stellt, gleich­zeitig vorwerfen, er würde sich wie ein Straf­verfolger aufführen. Konsistenz: optional. Hauptsache, der Spin stimmt.

Daneben ist «Weltwoche Daily» aber auch ein Text­format. Mehrmals täglich erscheinen auf der Website der «Weltwoche» Kürzest­texte. Eine Art Langformat-Twitter, das Tag für Tag die Check­liste des Anti-Mainstream-Lehrbuchs abarbeitet: Berset, Trump, «laute Minderheiten», bedrohte Meinungs­freiheit, «Abtreibungs­lobby», Atomkraft­werke, Sommaruga, Trans­rechte, linke Parlamentarierinnen, SRF, Ausländer, Impfungen, Links­extremismus, Islamismus, «Woke-Virus», zu viele Verwaltungs­angestellte.

Willkommen im Kultur­kampf, der bei der «Weltwoche» seit zwanzig Jahren zum Konzept gehört.

Der Milliardär und seine «Opposition von rechts»

Im Frühling 2002 kaufte SVP-Nationalrat Thomas Matter, der 2021 ebenfalls Gast war bei Stricker-TV, mit seiner Finanz­gruppe Swissfirst den Jean-Frey-Verlag und die «Weltwoche». «Matter war nur der Stroh­mann», sagte Martin Wagner, der damalige Anwalt des Jean-Frey-Verlags, dem Co-Autor dieses Beitrags 2018 in einem Interview. «Den Kaufpreis von 83 Millionen Franken deckte der Tessiner Milliardär Tito Tettamanti mit seinen Investoren ab.»

Ein halbes Jahr zuvor war Roger Köppel Chef­redaktor der «Weltwoche» geworden, und das sei ein entscheidender Verkaufs­faktor gewesen, sagte Wagner, denn Tettamanti sei ganz vernarrt gewesen in Köppel. Er habe ihn als die richtige Figur betrachtet, um aus der links­liberalen «Weltwoche» ein rechtes Oppositions­blatt zu machen.

Bei einem Treffen in Tettamantis Villa oberhalb von Lugano im Frühjahr 2018 gewährte der Mann, der die «Weltwoche» damals kaufte, einen Blick in seine Vorstellung von Kultur­kampf.

Die Linke, sagte der rechte Milliardär, kümmere sich heute um Dinge wie Transgender-Toiletten. «Die Leute schämen sich, sich konservativ zu nennen», sagte Tettamanti damals. «Aber konservativ sein heisst, nicht anfällig für Moden zu sein. Alle rennen heute hysterisch Moden hinterher. Das ist die Tragödie unserer Zeit. Die Aristo­kratie hatte den Wert der Ehre. Die Bourgeoisie kannte den Wert der Tugend. 1968 hat uns eine Gesell­schaft beschert, in der nur noch ein Wert zählt: dass die Leute erwarten, dass der Staat sie ernährt, von der Wiege bis ins Grab. Arbeiten, sparen, verzichten – das alles zählt nicht mehr. ‹Kleider machen Leute› – auch das zählt nicht mehr. Die jungen Leute in den Sechzigern und Siebzigern haben mit den Jeans den Kleidungs­stil der Dealer über­nommen. Das sage nicht ich, das sagt Tom Wolfe. Und er hat recht. Es ist eine Schande.»

Weitere Gründe, den Jean-Frey-Verlag zu kaufen, sagte Tettamanti, seien der Zustand der Welt gewesen – «die Degeneration der repräsentativen Demokratie, die Dominanz eines Weltmacht­kartells, bestehend aus Weltbank, IWF, EU, Zentral­banken, assistiert von der etatistischen Bürokratie, während sich die einfachen Bürger Leuten wie Le Pen zuwenden» – und auch der Zustand der Schweiz – «die monotone Medien­landschaft, während das Land von der Verwaltung regiert wird».

«Wenn auch die Idee anfangs gar nicht so klar war, wie es später schien, so war es unser Ziel, mit einer grossen politischen Drehung aus der linksliberalen ‹Weltwoche› ein unkonventionelles Oppositions­magazin zu formen», sagte er. «Es gab bis dahin nur eine Oppositions­zeitung in der Schweiz, die ‹Wochenzeitung›. Wir brauchten ein Oppositions­magazin von rechts. Wir brauchten jemanden, der stört.»

Die «Weltwoche» hat in den vergangenen zwei Jahren erkannt, dass in der Corona-Bewegung ein Potenzial liegt, den Kultur­kampf von rechts zu führen. Und sich diverse prominente Massnahmen­gegnerinnen aus dem verschwörungs­ideologischen Spektrum bei «Weltwoche Daily» ins Boot geholt.

«Leute, ich krieg keine Luft! 😱»

Joyce Küng beispielsweise, eine aktive Exponentin der Corona-Bewegung. Bevor die Multimedia­produzentin und Inhaberin einer Marketing­agentur für die «Weltwoche» als Autorin zu arbeiten begann, verbreitete sie diverse Verschwörungs­erzählungen. So postete sie im November 2020, in den Tagen der Präsidentschafts­wahl in den USA, in ihrem Telegram-Kanal «The Voice of Joyce» ein Video des rechts­extremen, verschwörungs­ideologischen US-Fernsehsenders Infowars.

«Leute, ich krieg keine Luft! 😱 Der Betrug mit den Wahl­zetteln könnte von Trump auf einfache Art aufgedeckt werden …», fasste Küng den Inhalt des Videos zusammen. Drei Wochen später schrieb sie: «Ist die Schweiz am US-Wahl­betrug beteiligt? Wer kennt den US-CH-Blogger Neal David Sutz? Leute, ich brauche mehr Infos!»

Dieser Blogger behauptete, die Schweizerische Post sei über die Firma Scytl, mit der sie eine E-Voting-Lösung entwickelte, am angeblichen Wahl­betrug zum Schaden von Donald Trump beteiligt. Kurz darauf schrieb Küng: «Der Twitter-Account, der mit dem Blog von Neal David Sutz verlinkt ist, beinhaltet mehrere Hilfe­rufe – offenbar sieht er sich in Lebens­gefahr 😱, seit er die Verbindung zwischen Schweizer Post und US-Wahl­betrug öffentlich machte.»

Einen Tag später publizierte sie ein Video, in dem sie über ihre Motivation sprach: «Es geht mir einfach darum, dass wir zusammen die Wahrheit entdecken. (…) Egal, welche Videos wir sehen, auch wenn es von deinem Lieblings-Truther ist, trotzdem sollst du alles überprüfen, denn wir leben wirklich in einem Informations­krieg und deshalb überprüfe ich gerne mit.»

Küng, die auch Telegram-Artikel verbreitet, in denen behauptet wird, Britney Spears sei ein Produkt der «Illuminaten-Gedanken­kontrolle», war auch Teil des Recherche­teams von Reto Brennwalds Film­produktion «Unerhört!», die im Oktober 2020 erschien.

Für die Juni-Ausgabe ihres Print­magazins «The Voice of Jars», das sie seit November 2021 produziert, traf sie sich Ende Mai 2022 mit Vertreterinnen der rechts­radikalen Plattform Rebel News, die zuvor in Davos über das World Economic Forum und in Genf über die Weltgesundheits­organisation berichtet hatten. Das WEF bezeichnen sie als «die Gruppe hinter dem ‹Great Reset›», die in Davos über «ihre globalistische Agenda» nachdenke. Und über die WHO sagen sie, dass diese mit dem geplanten inter­nationalen Pandemie­vertrag ihre «Macht festigen» und die Kontrolle über die nationalen Gesundheits­behörden «einer internationalen Kabale von globalen Eliten» in die Hände geben wolle. Auf dem Bild, mit dem Joyce Küng ihr Gespräch mit den Verschwörungs­ideologen von «Rebel News» ankündigt, trägt einer der Aktivisten ein gelb-schwarzes Polo­hemd – ein Marken­zeichen des neofaschistischen US-amerikanischen Schläger­trupps «Proud Boys».

Küng hatte gemeinsam mit Daniel Regli, dem ehemaligen Zürcher Gemeinde­rat und Präsidenten des Abtreibungs­gegner­vereins «Marsch fürs Läbe», den Massnahmen­gegner­verein Bürgerforum Schweiz gegründet und geleitet. Ebenfalls trat sie im Frühling 2020 als Kern­mitglied von Rimoldis Verein Mass-voll auf, dessen Content-Team sie zeitweise leitete. Mittlerweile ist Küng weder beim Bürgerforum Schweiz noch bei Mass-voll als Mitglied aufgeführt.

Nach einem Praktikum beim «Schweizer Monat» arbeitet sie heute als Autorin für die «Weltwoche».

Ihr aktueller Chef Roger Köppel ist inzwischen selbst zum Verbreiter von Verschwörungs­mythen in Bezug auf die US-Präsidentschafts­wahl geworden. Am 10. November 2020 twitterte er: «Ein Sack voll weggeschmissener Trump-Stimmen. Sieht aus wie nach einem Bingo. Houston, we definitely have a problem.» Die Quelle: der Screenshot eines bizarren, nichts­sagenden Videos der Plattform Rumble – verbreitet von Dinesh D’Souza, einem wegen illegaler Partei­spenden verurteilten und von Trump begnadigten Filme­macher und Verschwörungs­ideologen.

Bei der «Weltwoche» verbreitet Joyce Küng inzwischen ohne jeden Beleg Mut­massungen über eine mögliche Verschwörung bei Twitter, die mit dem zu diesem Zeit­punkt noch gar nicht vollzogenen Kauf von Elon Musk aufgeflogen sei: Plötzlich hätten konservative User einen massiven Anstieg ihrer Follower­schaft zu verzeichnen gehabt, behauptete sie. Die assoziierte Verschwörung: «Schalten progressive Twitter-Mitarbeiter eingekesselte Konten frei, weil sie einen internen Macht­wechsel fürchten und Spuren von etwaiger Meinungs­unterdrückung verschleiern wollen?»

Gleich­zeitig markiert Küng auf Twitter solche Beiträge mit «Gefällt mir»: «Die Leit­medien sind der Schlüssel und das Haupt­problem. Ohne sie wäre die Installation der Krisen nicht möglich. Mit fundierter, sachlicher und unablässiger Kritik zwingen wir sie in die Knie.»

Applaus von den Neonazis

Ein weiterer Verschwörungs­ideologe, der seit März 2022 regel­mässig für die «Weltwoche» schreibt: Nicolas A. Rimoldi. Der ehemalige FDP-Jung­politiker gründete mit seinem Verein Mass-voll einen wichtigen Akteur der Corona-Bewegung. Persönlich fiel er während der Pandemie mit aggressiver Rhetorik auf, mit Verschwörungs­erzählungen und mit Aussagen, die bei näherer Betrachtung kaum Wahrheits­gehalt aufwiesen. Rimoldi stieg nach einem Praktikum als Autor und Marketing­verantwortlicher beim «Schweizer Monat» ein, wo er sich selbst ein Inserat seines Vereins Mass-voll verkaufte.

Gegen Ende 2021 gab er seine Tätigkeit beim «Schweizer Monat» auf. Im Januar 2022 trat er eine Stelle an als Managing Director bei der Gretchen AG, der Produktions­firma des Satirikers und Massnahmen­gegners Andreas Thiel, der ebenfalls für die «Weltwoche» als Autor tätig ist.

Bei der «Weltwoche» schreibt Rimoldi seit März dieses Jahres über die WHO, Viktor Orbán und die Schweizer Corona-Politik. Am 13. Mai 2022 schreibt er über die Pläne der Weltgesundheits­organisation, ein internationales Abkommen zur Bekämpfung von Pandemien abzuschliessen. Für Rimoldi ist das «eine Art globaler Staats­streich» und eine faktische Über­nahme von «Regierungs­gewalt» durch die WHO. «Neu regieren fremde Henker die Schweiz», schreibt Rimoldi, der in der einheimischen Landes­regierung ebenfalls Verbrecher sieht und deshalb findet, der Bundesrat gehöre ins Gefängnis.

«Der Bundesrat führt hier nur die Befehle der WHO aus», so Rimoldi in der «Weltwoche», und diese WHO habe ja auch den PCR-Test «zum Gold­standard erhoben», obwohl dieser – so die Verschwörungs­erzählung, die Rimoldi an dieser Stelle ausbreitet – «völlig nutzlos» sei zur Erfassung der Covid-Fallzahlen.

Der «Weltwoche»-Autor erhält inzwischen auf Twitter auch Applaus von Neo­nazis – und zwar, als er Ende April twitterte, «Massen­einwanderung ist Suizid, Waffen­besitz ein Grundrecht, Atom­kraft lebensnotwendig & ‹woke› Faschismus». Ein verurteilter Neo­nazi der «Jungen Tat» retweetete den Beitrag mit den Worten: «Grosser Austausch, Great Reset ––STOPPT DEN GLOBALISTENDRECK--» (in der Neonazi­szene ist «Globalisten» ein Codewort für «Juden»).

Neben Rimoldi, Küng oder dem deutschen Blogger und Verschwörungs­ideologen Boris Reitschuster werden Anfang Mai 2022 auch «Ostschweiz»-Chefredaktor Stefan Millius und Milosz Matuschek bei der «Weltwoche» als neue Autoren präsentiert. Just als Matuschek gerade den von ihm koproduzierten Dokumentar­film «Pandamned» auf Social Media anpreist.

Losgelöst vom Engage­ment bei der «Weltwoche» rufen die Verschwörungs­ideologen verschiedene Publikationen ins Leben. Die wegen Masken­verweigerung entlassene Urner Lehrerin Prisca Würgler zum Beispiel gründet unter anderem mit Michael Bubendorf, einem ehemaligen Vorstands­mitglied der «Freunde der Verfassung», die zweimonatlich erscheinende Zeit­schrift «Die Freien». Die erste Ausgabe soll in diesen Tagen erscheinen. Als Autoren aufgeführt sind unter anderen Milosz Matuschek, Daniele Ganser und Andreas Thiel.

Nicolas A. Rimoldi präsentiert bei Stricker-TV zudem Anfang Juni die Idee für einen eigenen publizistischen Kanal namens «Tell», der Meinungs­artikel von «namhaften Autoren» und Studien publizieren werde, «wie ‹Schweizer Monat› oder ‹Nebelspalter› in wirklich liberal», sagt Rimoldi.

#Gamergate

2017 schickte Roger Köppel dem Alt-Right-Vordenker und «Breitbart»-Chefredaktor Steve Bannon einen euphorischen Brief. Im selben Jahr hatte die «Weltwoche» bereits Reden von und Interviews mit Bannon publiziert. Der Brief war eigentlich nicht für die Öffentlich­keit bestimmt. Aber der ständig überaus gestresste Köppel liess ihn acht­los in seinem Büro herum­liegen, während er den Co-Autor dieses Textes für die Arbeit an seiner Köppel-Biografie «In Bade­hosen nach Stalingrad» bei einem verabredeten Interview warten liess.

Sehr geehrter Mr. Bannon, lassen Sie mich zu Beginn sagen, dass Ihr Interview mit unserem Korrespon­denten Urs Gehriger eine der meistdiskutierten Titelgeschichten in der Schweiz und im deutschen Sprach­raum ist. Das Feedback aus der Leserschaft, von Journalisten­kollegen und aus Regierungskreisen auf die Darlegung Ihrer Perspektive in Ihren eigenen Worten ist bemerkenswert.

Darf ich dazu bemerken: Europa braucht mehr davon! Aus diesem Grund bin ich so erfreut, dass Sie nach Zürich kommen werden, um Ihre Erfahrungen und Einblicke in die global wachsenden populistischen Bewegungen mit uns zu teilen – dies als ein aussergewöhnlicher Repräsentant dieser Bewegung. Ihre Ausführungen werden das Publikum begeistern und Medienberichte in ganz Europa auslösen.

Wie Sie wissen, ist die Schweiz stolz auf ihre Unabhängigkeit von den europäischen Eliten. Ihr Eintreten für den wirtschaftlichen Nationalismus, Ihr unerschrockener Patriotismus und Ihre kulturelle Souveränität treffen hier auf starkes Echo. Unser Podiums­gespräch im Januar zur Wahl von Präsident Donald Trump, an dem auch Ihr Kollege, der Meinungs­forscher John McLaughlin, teilnahm, fand im übervollen Saal statt. Wir erwarten einen noch erheblich grösseren Aufmarsch für «The Real Steve Bannon» – ungefiltert.

Wir haben bereits mit den logistischen Vorarbeiten begonnen (Örtlichkeit, Sicherheit etc.). Nun müssen wir noch einen Termin fixieren. Die erste Hälfte November ist nach unserer Ansicht eine ideale Periode für den Event, der damit Bezug nimmt auf das einjährige Jubiläum von Donald Trumps Wahl zum 45. Präsidenten der USA. Wie ich höre, sind Sie interessiert an einem Treffen mit Ungarns Premier­minister Viktor Orbán. Wir haben enge Kontakte zu ihm und können gerne ein solches Treffen in die Wege leiten.

Brief, mit dem Roger Köppel Steve Bannon im Oktober 2017 nach Zürich einlud.

Roger Köppel und Daniel Stricker: wütende, monologisierende Männer auf den Platt­formen Youtube, Locals, Rumble. Die Schweizer haben das, man ahnt es schon, nicht erfunden. Sie stehen in einer Tradition von Hass­reden im Internet, die ihren Ursprung unter anderem im Jahr 2014 in den USA hat. Mit einer Affäre mit dem harmlos klingenden Namen Gamergate, die aber nicht harmlos war, sondern eine rechts­extreme Hetz­kampagne gegen Frauen in der Videospiel­industrie – mit mehr als 180 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr 2021 die grösste Kultur­industrie der Welt.

Ausgangs­punkt von Gamergate war der Versuch der Medien­kritikerin Anita Sarkeesian, sich gegen stereo­type Darstellungen von Frauen in Video­spielen zu wehren. Und die Veröffentlichung des Spiels «Depression Quest» der Game-Entwicklerin Zoë Quinn, bei dem man nicht gegen Monster kämpfte, sondern gegen Depressionen.

Als Reaktion darauf wurden die beiden Frauen «gedoxt», was bedeutet, dass ihre Adressen im Netz veröffentlicht wurden, mit der Absicht, sie anzugreifen. Dazu wurde der Hashtag #Gamergate gestellt. Die Frauen erhielten in der Folge Mord- und Vergewaltigungs­drohungen. Ein Spiel wurde veröffentlicht, in dem man eine der Frauen blutig schlagen konnte.

Die brutale Eskalation, ein Kultur­kampf zwischen links und rechts weit über die Gaming-Industrie hinaus, basierte auf der Verschwörungs­erzählung, liberale Gaming-Journalisten und feministische Spiele-Entwicklerinnen (die natürlich miteinander ins Bett gehen würden) wollten mit ihrer politischen Korrektheit Gaming zerstören. Im Kern angegriffen fühlte sich dabei vor allem eine bestimmte Klientel: junge, wütende Männer. Sie machten Gamer­gate zu einer extrem frauen­feindlichen Hetz­kampagne. Eine Kampagne, in der Steve Bannons rechtsextremes Portal «Breitbart News» schnell eine zentrale Rolle spielte.

Es war der erste Kultur­kampf, dessen primäre Waffe das Internet war, so heisst es im «New York Times»-Podcast «Rabbit Hole» über das Zusammen­spiel von Verschwörungs­erzählungen und Netz­algorithmen. Ein Kultur­kampf, der heute als Vorläufer der Alt-Right-Bewegung betrachtet wird, die in der US-Präsidentschaft von Donald Trump mündete.

Entscheidend verwoben mit Gamer­gate und der Alt-Right-Bewegung war auch das Wachstum und die Bedeutung von rechts­extremen Internet­foren wie 8kun. Jenem Ort also, wo 2019 der Attentäter von Christ­church sein Mani­fest postete, und zwar unmittel­bar bevor er in zwei Moscheen 51 Menschen ermordete. Das Mani­fest war teilweise im Stil der rechts­extremen Meme-Subkultur verfasst und nannte die Verschwörungs­erzählung des «Grossen Austauschs» als ein Leit­motiv für die Morde – jene Verschwörungs­erzählung, die nach Anders Breivik und dem NSU auch bei den Anschlägen in Hanau und Halle ein Motiv war.

Gamer­gate war in Inhalt und Form ein prägendes Moment jener Opfer­erzählung vom weissen Mann, der zum Schweigen gebracht werden soll, von der sich mittler­weile auch in der Schweiz ein ganzes mediales Öko­system nährt. Bei Gamer­gate hiess dies: dass man nicht mehr spielen darf, was man will. Dass einem Wokeness und politische Korrekt­heit und Feministinnen das Gaming nehmen wollten. Bald hiess es, befeuert von Steve Bannons «Breitbart», dass sie einem «alles» nehmen wollen. Und heute sagt Daniel Stricker: «Woke führt zu KZ.»

«Flute den Raum mit Scheisse»

Natürlich hat Stricker auch das nicht erfunden. Der rechts­extreme Blogger Stefan Molyneux, ein führender Kopf der Alt-Right-Bewegung, hat das schon vor einem Jahr gesagt: «Cancel-Culture ist eine General­probe für Massen­mord.» Als Molyneux schliesslich im Juni 2020 aufgrund neuer Richt­linien zusammen mit dem Ku-Klux-Klan-Führer David Duke oder dem Neonazi Richard Spencer von Youtube wegen «Hassrede» gesperrt wurde, hatte sein Kanal fast eine Million Abonnenten.

Und wenn Daniel Stricker heute seine je nach Situation «Echte», «Freie» oder «Geheime Tagesschau» genannte Sendung macht, dann ist das eine Kopie von Stefan Molyneux’ Sendung «Die Wahrheit über ...». Damit wurde der Rechts­extreme in den USA vor zehn Jahren als Youtuber zum Star – mit Millionen von Zuschauern. Er griff aktuelle Ereignisse auf («Die Wahrheit über Michael Brown und die Krawalle von Ferguson») oder Geschichts­themen («Die Wahrheit über die Sklaverei»), um dann die angeblich «wahre» Sicht darzulegen.

Damit meinte er: das zu erzählen, was einem der links­liberale Medien­mainstream, die Feministinnen, die «politisch Korrekten» verschweigen würden. Anders gesagt: Er schrieb mit zusammen­gebastelten Halb­wahrheiten oder kompletten Lügen die Geschichte neu.

Meistens monologisierte Molyneux allein, manchmal trat er aber auch zu zweit auf. Das war seiner Bekannt­heit extrem dienlich, und zwar jene beiden Male, als er 2013 im Studio des Podcasters und Stricker-Vorbilds Joe Rogan Platz nahm.

Der wichtigste Verstärker von Gamer­gate war ein Aushänge­schild der entstehenden Alt-Right-Bewegung: der rechts­extreme Journalist Milo Yiannopoulos. Er war von Steve Bannon zu «Breitbart» geholt worden, wo er aus Anlass von Gamergate die Opfer­erzählung vom bedrohten weissen Mann auf eine neue Ebene hob. Der zentrale Feind der rechts­extremen Akteure, auch das wird im bereits erwähnten «New York Times»-Podcast «The Rabbit Hole» aufgeschlüsselt, sind die Medien. Die «Gatekeeper», die einem mit Fake News und Moral­keulen die politische Korrektheit in den Kopf hämmern wollen («Weltwoche»-Autor Nicolas A. Rimoldi bezeichnete nach der verlorenen Abstimmung zum Covid-19-Gesetz Ende November 2021 auf Transition-TV die etablierten Redaktionen als «Schaltstelle dazwischen, die zensiert», weswegen man selber Projekte starten müsse, und sein Kollege Milosz Matuschek träumte daneben von dezentralem Journalismus «auf der Blockchain»).

Gamergate habe gezeigt, so wird Yiannopoulos im «Rabbit-Hole»-Podcast zitiert, dass man gegen die Feminis­tinnen und das Medien­establishment gewinnen könne, wenn man nur die richtigen Strategien anwende. Eine davon: Hassrede. Yiannopoulos wurde 2016 wegen ebensolcher von Twitter gesperrt.

«Flood the zone with shit» – flute den Raum mit Scheisse: So beschrieb Steve Bannon 2018, wie man gegen «die Medien» vorgehen sollte, die in Bannons Welt die «wahre Opposition» sind. Den «Raum mit Scheisse fluten» heisst, alles in einem Nebel von Wirrheit und Propa­ganda versinken zu lassen, in dem nichts mehr geglaubt werden kann. In dem nichts mehr wahr ist und alles möglich.

Als wir bei unserem Besuch in Bronschhofen mit Daniel Stricker über «Wahrheit» sprechen, sagt er kurz darauf in seiner Sendung über unser Gespräch: «Die eine Frage war: Gibt es denn keine Wahr­heit? Und natürlich gibt es eine Wahr­heit! Es gibt meine Wahr­heit, es gibt seine Wahr­heit, es gibt hundert Wahr­heiten. Ob es eine absolute Wahr­heit gibt? Glaube ich nicht.»

«Darth Vader. Satan. Das ist wahre Macht»

Steve Bannon, der ehemalige «Breitbart»-Chef­redaktor, Wahlkampf­leiter und Chef­stratege von Ex-US-Präsident Donald Trump, gibt den rechten Streamern auch in der Schweiz ideologisch den Takt vor, inklusive einer ordentlichen Dosis Wut. «Ich bin Leninist», sagte Bannon einmal. «Lenin wollte den Staat zerstören. Das ist auch mein Ziel. Ich will alles zum Ein­sturz bringen und das heutige Establish­ment zerstören.»

Über die Medien sagte Bannon Anfang 2017: «Die hiesigen Medien sind die Oppositions­partei. Sie verstehen dieses Land nicht. Sie verstehen immer noch nicht, warum Donald Trump der Präsident der Vereinigten Staaten ist. (…) Die Medien sollten sich genieren, beschämt sein, ihren Mund halten und für eine Weile nur zuhören. (…) Die Medien verfügen über keinerlei Serio­sität, Intelligenz und leisten keine harte Arbeit.» Kritik an der Wahl­kampagne Donald Trumps konterte er mit den Worten: «Dunkel­heit ist gut. Dick Cheney. Darth Vader. Satan. Das ist Macht.»

Wenn Bannon etwas sagt, sagt es bald auch Köppel. Das war 2017 so, als Köppel Bannon in die Schweiz eingeladen hat, und so ist es heute immer noch. Wenn Bannon Putin lobt, macht das zwei Tage später auch Köppel.

So sagte Bannon am 23. Februar 2022 in seinem Podcast «Steve Bannon’s War Room»: «Putin ist nicht woke. Er ist anti-woke.» In Russland würden noch keine Pride-Flaggen aufgehängt werden. Am 24. Februar schreibt Köppel in der «Weltwoche»: «Putins Verbrechen besteht darin, dass er die grösste Schwäche des Westens aufgedeckt hat: politische Korrektheit. Macht­pokerer Putin ist das Gegen­teil, eine wandelnde Kriegs­erklärung an den Zeitgeist, an die ‹Woke- und Cancel-Culture›, der unsere Intellektu­ellen und viele unserer Politiker so inbrünstig huldigen.»

Der Feind ist hier wie dort derselbe, weil der Diskurs derselbe ist. Ein Diskurs der amerikanischen Rechten: den Liberalismus zurück­drängen, den Feminis­mus, die sogenannte politische Korrekt­heit, und das mit einer «Opposition von rechts», wie es Tito Tettamanti sagte. Man kann zwar sagen, was man will, aber behauptet einfach, man dürfe nichts mehr sagen. Man ist Chef­berater des mächtigsten Politikers der Welt, aber sieht sich in der Opposition.

Auch der Kampf gegen das Schweizer Medien­gesetz geschah nicht im luft­leeren Raum: Es geht darum, die Medien (dazu gehört auch die SRG, die gerade wieder mittels Volks­initiative angegriffen wird), die Steve Bannon am liebsten zum Schweigen bringen würde, so schwach wie möglich zu halten. Diese Lücke soll dann mit dem Geld gefüllt werden, das in den USA von rechten Milliardären wie den Brüdern Charles und David Koch kommt.

In der Schweiz besetzen solche Positionen Tito Tettamanti oder Konrad Hummler.

Am Ende der Reise warten die Echsen­menschen

Trump, Orbán und die Medien als Oppositions­partei: Was bei Bannon und Köppel erzählt wird, echot auch Daniel Stricker täglich in seinem Studio in Bronsch­hofen oder seinem Haus in Tobel in die Kamera. «Die Massen­merdien haben den Westen immer noch im Griff», sagt er. Wie der militärisch-industrielle Komplex, der pharma-industrielle Komplex, habe auch «der medial-industrielle Komplex alles im Griff». «Die Leute sind blöd. Sie müssen blöd gehalten werden.»

Die Amerikaner hätten den Sprung schon einmal geschafft mit Donald Trump. Wir befänden uns in einer Schlacht, «von oben nach unten». «Und das zu durch­brechen, da ist es die Aufgabe der Populisten, einen Weg zu finden. In Ungarn hat es geklappt, in England hat es halb geklappt, mit Boris Johnson. Es wird ein langer, harter Kampf bleiben, um die Leute dazu zu bringen, anzufangen, ihre eigenen Interessen wahr­zunehmen.»

Und der grösste Feind dabei, sagt Stricker, sind die Medien: «Macht die Regierung, was die Presse sagt, oder sagt die Presse das, was die Regierung will, dass sie es sagt. Mittler­weile komme ich zum Schluss, tendiere ich dazu, dass die Regierungen das machen, was die Massen­merdien wollen. Weil sie wissen, dass sie davon profitieren, und weil sie ihren Job, ihre Macht und Immunität verlieren könnten, wenn sie anders agieren. Aber da sind wir in einem Gefilde gelandet, wo man werweissen muss.»

«Flood the zone with shit»: Daniel Stricker sitzt in seinem Studio und wird jeden Tag wütender. Im Format «Die geheime Tagesschau» sagt er am 7. Mai 2022: «Der Schlüssel zu allem Elend sind die Merdien. Und da spielt es gar keine Rolle, ob die Medien das Ganze initiieren oder einfach Politiker unterstützen. Sicher ist, die Massen­merdien, die sozialen Merdien, sind wirklich einfach das Übel der Welt. Das ist der Dreck. Das ist der Boden­satz, wirklich. Das ist das Niedrigste, das Primitivste, was auf dieser Welt unter­wegs ist, das am meisten Schaden anrichtet.»

Daniel Stricker, noch vor zwei Jahren Immobilien­makler in Tobel, Thurgau, der sich an Masken störte, ist am Ende einer langen Reise angekommen, wo nichts mehr und gleichzeitig alles wahr ist und im eigenen Kopf alles möglich wird.

Gerade als wir das Interview beenden wollen, sagt Stricker: «Darf ich noch etwas sagen, weil ich gerne missionarisch bin?»

«Gerne», sagen wir.

Es folgt eine zehn­minütige Wutrede über die Wissen­schaft und den Klima­wandel und das «unglaublich tiefe Niveau an den Univer­sitäten», denn woher solle man denn wissen, dass es einen Zusammen­hang zwischen der Klima­erwärmung und dem Menschen gebe.

Und dann sagt Stricker: «Was wehtut, ist, dass man sich abfinden muss, dass man sehr vieles nicht weiss.»

Was er damit meine, fragen wir.

«Ich habe ja Dinge gehört von Reptiloiden, Flach­erde, alles. Ich habe meine Meinung zu diesen Sachen. Aber grund­sätzlich: Ich höre mittler­weile auf, zu verurteilen. Mond­landung? Ich höre auf, zu verurteilen. Denn ich habe es nicht gesehen. Ich kann es nicht messen. Ich glaube daran, dass es die Mond­landung gegeben hat. Aber wenn jetzt jemand kommt und sagt: ‹Schon komisch, die sind fünfzig Jahre nicht mehr da oben gewesen›, muss ich sagen: Ja, es ist schwer, das zu beweisen. Ich bin nicht Astronaut. Ich bin nicht Physiker. Ich kann sagen: Man muss es einfach glauben.»

«Und bloss weil jemand einen anderen Glauben hat, das zu verurteilen?», sagt Stricker. «Nein. Nicht mehr.»

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Man muss es einfach glauben