Neustart
Die Genossenschaftsrätinnen von Project R haben sich zu ihrer ersten Sitzung in neuer Besetzung getroffen. Was sie als Erstes anpacken wollen – und warum.
Von Lucia Herrmann (Text) und Nick Lobeck (Bilder), 23.03.2022
Jünger und weiblicher – so lässt sich das Wahlergebnis beschreiben, das wir Ihnen am 1. Dezember 2021 präsentieren durften. Der neu zusammengesetzte Genossenschaftsrat von Project R besteht etwa hälftig aus bekannten und neuen Gesichtern. Diese Gesichter hatten sich in den Wochen zuvor, in der Wahlphase, über kurze Steckbriefe und Bilder vorgestellt. In der zeitgleich stattfindenden Wahldebatte standen sie Rede und Antwort.
Seitdem ist es ruhig geworden um das Gremium. Vielleicht haben Sie sich gefragt, was aus dem Rat geworden ist?
Es gibt Neuigkeiten: Vor einigen Tagen fand die erste Plenarsitzung statt. Es war einer der ersten sonnigen Frühlingstage, und nicht nur meteorologisch herrschte Aufbruchstimmung. Die Rätinnen trafen sich zum ersten Mal persönlich im Zürcher Rothaus und sprachen über die grossen Linien, die sie in den kommenden drei Jahren verfolgen wollen.
Der Genossenschaftsrat besteht aus 30 Mitgliedern von Project R und sichert die Beteiligung aller Genossenschaftsmitglieder am Unternehmen. Die verschiedenen Aufgaben des Rates sind detailliert in den Statuten geregelt – dazu gehören etwa die Vorberatung von Urabstimmungen oder die Stellungnahme zu Geschäftsberichten und Jahresabschlüssen. Ausserdem beaufsichtigt und berät der Genossenschaftsrat den Vorstand. Auf die Inhalte der Republik nimmt der Rat keinen direkten Einfluss, es gilt die Redaktionsfreiheit.
Der Rat trifft sich zu mindestens zwei Plenarsitzungen im Jahr und berichtet jeweils darüber. Zudem gibt es verschiedene Arbeitsgruppen, die sich regelmässiger unter dem Jahr treffen – so hat die Arbeitsgruppe «Finance and Legal» die Aufgabe, jeweils im Spätsommer den Jahresabschluss zu prüfen.
Die Republik bekannter machen
Wie bringen wir die Republik noch stärker unter die Leute? Diese Frage beschäftigt zum Beispiel Liliane Eggli, die in Zürich als Fundraiserin arbeitet und neu im Genossenschaftsrat ist. Über ihre Motivation sagt sie: «Unabhängige, starke Medien liegen mir am Herzen.» Schmunzelnd fügt sie hinzu: «Ich bin wahrscheinlich die Person, die am häufigsten ins Cockpit schaut und nachsieht, wie sich die Mitgliederzahlen entwickeln.» Ihr ist es ein Anliegen, dass diese Zahlen in den kommenden drei Jahren weiter steigen. Auch Oliver Reinhardt, der sich bereits seit drei Jahren für den Rat engagiert, beschäftigen die Abozahlen. Er findet: «40’000 in drei Jahren, das wäre doch etwas!»
Nicht nur mehr Verlegerinnen, sondern auch eine stärkere geografische Diversifizierung – das wünscht sich Kiran Kappeler, die zu den Neuen im Rat gehört. Es ist nach wie vor so, dass ein grosser Teil der Verleger im Raum Zürich wohnt. Anders die Rätinnen selbst, die für die Sitzung unter anderem aus Freiburg, Bern und Luzern angereist sind. Kappeler doktoriert zwar an der Universität Zürich, ursprünglich kommt sie jedoch aus der Ostschweiz – und dort würde sie der Republik gerne zu mehr Bekanntheit verhelfen.
Deshalb hat sich Kappeler für die Arbeitsgruppe «Aktionen und Regionen» gemeldet. Diese Arbeitsgruppe will hands-on arbeiten und möglichst bald erste Veranstaltungen und Kampagnen auf die Beine stellen.
Den Austausch mit Verlegerinnen stärken
«Austausch» ist ein weiteres Stichwort, das bei der Sitzung des Genossenschaftsrats immer wieder fiel. Roland Messmer etwa, der den Rat bereits seit drei Jahren kennt, möchte, dass der Rat zum «Sprachrohr für die Verlegerinnen» wird. Er hat sich für eine zweite Amtszeit beworben, weil sich das Gremium in seiner Wahrnehmung immer noch in einer Gründerinnenphase befindet. Darum sei es ihm wichtig, dabeizubleiben. Ihm ist es ein Anliegen, dass in den kommenden drei Jahren die Funktion der Genossenschaft und des Rates weiter geschärft wird. Dazu gehört auch, noch klarer über die Tätigkeitsbereiche des Rates zu informieren, sowohl intern als auch extern. Eine bessere Zirkulation der Informationen zwischen Genossenschaft, Verlegerinnen und Republik, daran wird Messmer als Mitglied der Arbeitsgruppe «Kommunikation» arbeiten.
Eine andere Art des Austauschs nimmt die Arbeitsgruppe «Blattkritik» in Angriff. Die Idee dahinter: Wie kann Kritik aus der Community zur Publizistik der Republik besser in die Redaktion getragen werden? Dabei geht es nicht um Einflussnahme, sondern um eine Verbesserung der allgemeinen Feedbackkultur. Der Genossenschaftsrat könnte hier die Rolle einer Echokammer aus der Community übernehmen. Wie genau das umgesetzt werden soll, das wird in den kommenden Monaten ausgearbeitet. Als erstes, konkretes Ziel soll ein Format aufgebaut werden, das einen regelmässigen Austausch der Arbeitsgruppen-Mitglieder mit der Redaktion institutionalisiert.
Das Unternehmen unterstützen und mitdenken
Auch Martina Straub ist neu im Rat. Sie hat einen betriebswirtschaftlichen Background und interessiert sich für Finanzen: «Mich beschäftigt die Frage, wie Journalismus heute finanziert und getragen werden kann. Wie schaffen wir es, ein nachhaltiges und stabiles Modell zu schaffen, also Strukturen, die ‹verheben›?» Dafür engagiert sie sich in der Arbeitsgruppe «Finance and Legal». Diese Arbeitsgruppe hat sich in der letzten Legislatur bereits sehr gut etabliert. Sie prüft etwa die Jahres- und Risikoberichte und bereitet die Geschäfte der Urabstimmung vor. Im Vergleich zu den anderen Arbeitsgruppen ist der Tätigkeitsbereich von «Finance and Legal» am klarsten abgesteckt, und die Abläufe sind bereits eingespielt.
Im Gegensatz dazu ist die neu ins Leben gerufene Arbeitsgruppe «Strategie» erst einmal eine Idee. Hier haben sich Rätinnen zusammengeschlossen, die sich für die strategische Entwicklung der Genossenschaft und der Republik interessieren. So wie Sina Bucher. Die neu gewählte Kommunikationsexpertin aus Luzern ist davon überzeugt, dass jeder und jede hier ganz eigene Qualitäten mitbringt und dass diese genutzt werden sollten. «Ich möchte nicht nur teilnehmen, sondern auch teilgeben», sagt sie.
Gemäss Statuten liegen strategische Entscheide zwar allein beim Vorstand. Der Genossenschaftsrat hat allerdings ein Antragsrecht und kann den Vorstand beraten. Hier möchte sich die neue Arbeitsgruppe konstruktiv einbringen; wie genau dieses Vorhaben umgesetzt wird, muss sich noch zeigen.
Was als Nächstes geschieht
Das sind also die fünf Arbeitsgruppen des Genossenschaftsrats, die nun ihre Arbeit aufnehmen: «Aktionen und Regionen», «Kommunikation», «Blattkritik», «Finance and Legal» und «Strategie». In den kommenden Wochen und Monaten finden die ersten Treffen statt, es werden Pläne geschmiedet und erste Projekte aufgegleist.
Was sich daraus ergibt, erfahren Sie spätestens im Herbst. Der Gesamtrat kommt bei der nächsten Plenarsitzung Ende Oktober wieder zusammen. Danach werden die Rätinnen Sie über den aktuellen Stand ihrer Ideen, Projekte und Visionen auf dem Laufenden halten.
Haben Sie Fragen oder Wünsche an den Genossenschaftsrat? Dann melden Sie sich hier im Dialog, die Räte geben Ihnen gerne Antwort.