Krieg in Europa: Ein Überblick zum russischen Einmarsch in die Ukraine
Woche 08/2022 – ein Sonderbriefing aus der Republik-Redaktion. Ausserdem weitere wichtige Nachrichten der Woche und die aktuelle Corona-Lage.
Von Philipp Albrecht, Nadja Angermann, Reto Aschwanden, Ronja Beck, Elia Blülle, Dennis Bühler, Sven Gallinelli, Lukas Häuptli und Simon Schmid, 25.02.2022
Vorab: Dieses Briefing enthält Bilder aus der Ukraine, die sehr explizit sind und auf denen auch tote Menschen gezeigt werden. Bei Bildern aus Kriegsgebieten stellt sich immer die Frage, wie viel Grauen man zeigen darf und wie viel der Leserschaft zugemutet werden kann. Die Bildredaktion der Republik stellt sich auf den Standpunkt, dass auch explizite Bilder Raum bekommen müssen; der Krieg soll in allen Aspekten gezeigt werden können. Gleichzeitig versuchen wir, bei der Auswahl die nötige Sorgfalt walten zu lassen.
Ukraine: Russland startet massive Invasion
Die Vorgeschichte: Russland hat seit dem Frühling 2021 Truppen an der russisch-ukrainischen und zuletzt auch an der belarussisch-ukrainischen Grenze zusammengezogen. Der Aufmarsch war begleitet von russischen Forderungen nach einer Sicherheitsgarantie. Präsident Wladimir Putin verlangte von der Nato, sie solle ihr transatlantisches Verteidigungsbündnis nicht weiter gegen Osten ausweiten. Doch die USA wie auch die Nato erteilten Putin eine Absage und boten ihm stattdessen einen intensivierten diplomatischen Dialog an. Lange war unklar, ob es sich beim russischen Aufmarsch an der Grenze lediglich um Drohgebärden handelt. Klarheit schuf Putin am Montagabend, als er die sogenannten «Volksrepubliken» Donezk und Luhansk in der Ostukraine offiziell anerkannte und die Entsendung von «Friedenstruppen» in diese Gebiete ankündigte; in den beiden Gebieten herrscht seit 2014 ein Krieg zwischen ukrainischen Regierungstruppen und Separatisten, die von Russland unterstützt werden. Nach Putins Kriegsdrohung sagte der US-Aussenminister ein geplantes Treffen mit seinem russischen Amtskollegen ab. Eine friedliche Lösung des Konflikts war endgültig gescheitert. Angesichts des drohenden russischen Einmarsches bat Kiew den Uno-Sicherheitsrat am Mittwoch um eine erneute Dringlichkeitssitzung. Noch während der Rat in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag tagte, erklärte Putin in einer Fernsehansprache der Ukraine den Krieg.
Der Angriff: Er habe die Entscheidung für eine besondere Militäroperation getroffen, sagte Putin in seiner in der Nacht zum Donnerstag ausgestrahlten Fernsehansprache. «Wir haben nicht vor, die ganze Ukraine zu besetzen, aber sie zu demilitarisieren.» Putin forderte das ukrainische Militär auf, «die Waffen sofort niederzulegen», und drohte für jegliche Einmischung in den russischen Einsatz Vergeltung an.
Wenige Minuten nach der Ausstrahlung waren in Kiews Innenstadt und in mehreren anderen ukrainischen Städten erste Explosionen zu hören. Der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba warnte auf Twitter, Putin habe «gerade eine grosse Invasion der Ukraine gestartet. Friedliche ukrainische Städte werden attackiert. Das ist ein Angriffskrieg.» Präsident Wolodimir Selenski rief für das ganze Land den Kriegszustand aus und brach die diplomatischen Beziehungen zu Russland ab.
Zu den ersten Zielen gehörten ukrainische Militäreinrichtungen. Schon nach wenigen Stunden meldete das russische Verteidigungsministerium, man habe die ukrainische Luftabwehr ausgeschaltet.
Der Angriff erfolgte von mehreren Seiten: im Osten und im Norden von russischem Territorium aus, von der besetzten Halbinsel Krim her und auch von Belarus aus, wo Russland in den letzten Wochen ebenfalls Truppen stationiert hatte. Die Attacken erfolgten mit Panzern und Bodentruppen, aus der Luft und vom Schwarzen Meer her. Im Laufe des Tages breiteten sich die Kämpfe in der gesamten Ukraine aus. Am Nachmittag riefen die Behörden in der Hauptstadt Kiew die Bevölkerung auf, sich in Luftschutzbunkern in Sicherheit zu bringen. Ebenfalls am Nachmittag berichtete der ukrainische Präsident Selenski, russische Truppen seien in die nukleare Sperrzone von Tschernobyl eingedrungen und es gebe dort Gefechte.
Die Angriffe zielen insbesondere auf die drei grössten Städte des Landes: Kiew, Charkiw im Osten und Odessa am Schwarzen Meer. Die ukrainische Armee wehrt sich, so gut sie kann, es gab Abschüsse von russischen Kampfjets und Militärhelikoptern. Nach eigenen Angaben haben die ukrainischen Behörden die Kontrolle über einige Gebiete im Süden des Landes verloren. Zudem haben russische Truppen einen Militärflughafen unweit von Kiew eingenommen.
Viele Ukrainerinnen versuchen sich in Sicherheit zu bringen. Auf den Strassen kam es zu Staus, und an den Grenzübergängen zu den Nachbarländern bildeten sich Warteschlangen.
Verlässliche Opferzahlen gibt es bisher nicht. Klar ist aber: Es gab viele Tote und Verletzte, darunter auch Zivilisten.
Die Reaktionen von anderen Staaten: US-Präsident Joe Biden wandte sich am Donnerstag in einer Ansprache ans amerikanische Volk. «Wenn die Geschichte dieser Ära geschrieben werden wird», sagte er, «wird Putins Entscheidung, einen völlig ungerechtfertigten Krieg gegen die Ukraine zu führen, Russland schwächer und den Rest der Welt stärker gemacht haben.»
In einer TV-Ansprache sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: «Wir verurteilen diese barbarische Attacke und die Argumente, mit denen sie gerechtfertigt wird. Präsident Putin ist verantwortlich dafür, den Krieg zurück nach Europa gebracht zu haben.» Am Donnerstagabend einigten sich die EU-Mitgliedsstaaten auf weitreichende neue Sanktionen. Diese betreffen unter anderem die Bereiche Energie, Finanzen und Transport. Zudem kommen Exportkontrollen und Einschränkungen bei der Visavergabe.
«Das ist Putins Krieg», bekräftigte auch Bundeskanzler Olaf Scholz in einer kurzen Ansprache. Mit seinem Angriff breche der russische Präsident eklatant das Völkerrecht. Scholz sprach der Ukraine und ihrer Bevölkerung seine Solidarität zu, genauso wie zahlreiche andere Staatsoberhäupter in Europa und dem Rest der Welt. Darunter auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der laut Nachrichtenagentur DPA dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski versichert habe, dass das Nato-Land Türkei die territoriale Integrität der Ukraine unterstütze. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, dessen Land an Belarus und die Ukraine grenzt, forderte «schärfste Sanktionen» gegen Russland: «Europa und die freie Welt müssen Putin stoppen.»
Weniger deutlich drückte sich eine Sprecherin des chinesischen Aussenministeriums aus: «Wir rufen alle Parteien auf, Zurückhaltung zu üben und zu verhindern, dass die Situation ausser Kontrolle gerät.» In früheren Statements hatte Peking Putin seine Unterstützung zugesagt und eine mögliche Nato-Erweiterung kritisiert. Für China steht allerdings die Respektierung der Souveränität aller Nationen im Vordergrund.
Am Donnerstagmittag traf in Lettland ein Kontingent von 40 amerikanischen Soldaten ein. Insgesamt sollen mehr als 300 US-Soldaten nach Lettland verlegt werden. Das Nato- und EU-Mitglied Litauen erklärte den Notstand und schickte Truppen an die Grenzen. Die Nato hat angekündigt, weitere Truppen an ihre Ostflanke zu stellen. Einen Nato-Einsatz in der Ukraine schloss Generalsekretär Jens Stoltenberg allerdings aus. Ebensowenig rechnet er mit einer Attacke Russlands auf Nato-Staaten: «Solange Russland weiss, dass ein Angriff auf einen Nato-Verbündeten eine Antwort des gesamten Bündnisses auslöst, werden sie nicht angreifen», sagte er an einer Medienkonferenz.
In Moskau und Sankt Petersburg kam es zu Antikriegsprotesten. Sicherheitskräfte nahmen Dutzende von Demonstranten fest. Die russischen Behörden drohen Demonstrantinnen mit strafrechtlicher Verfolgung.
Das sagt die Schweiz: «Heute ist ein trauriger Tag, wie wir ihn schon lange nicht mehr gesehen haben», begann Bundespräsident und Aussenminister Ignazio Cassis gestern Nachmittag seine Erklärung vor den Medien. «Ein Tag, wie wir ihn nie wieder sehen wollten.» Auch danach wählte er klare Worte: Russland habe mit seiner militärischen Intervention, die der Bundesrat «aufs Schärfste» verurteile, «das Völkerrecht massiv verletzt».
Nur: Was die Landesregierung bei ihrer eilends einberufenen Sondersitzung am Vormittag konkret entschieden hatte, blieb während Cassis’ Rede unklar. Faktisch übernimmt die Schweiz dem Vernehmen nach nahezu alle bis gestern Nachmittag getroffenen EU-Sanktionen, wobei sie nicht von «Sanktionen» spricht, sondern von «Massnahmen, um die Umgehung der EU-Sanktionen via Schweiz zu vermeiden». Dies hat taktische Gründe: Der Bundesrat hofft, dass er es sich so mit Russland weniger verscherzt. Zum einen, weil er im Konflikt so zu einem späteren Zeitpunkt allenfalls vermitteln könnte; zum anderen wegen handfester finanzieller Interessen.
Darüber hinaus bleibt vieles unklar. So antwortete die Staatssekretärin für Migration Christine Schraner Burgener vage auf die Frage der Republik, ob die Schweiz ukrainische Flüchtlinge rasch und unbürokratisch aufnehmen werde: Man sei mit der europäischen Grenzschutzbehörde Frontex in Kontakt und werde die Lage aufmerksam beobachten. Immerhin: Auslaufende Aufenthaltsbewilligungen von Ukrainerinnen, die sich bereits in der Schweiz befinden, sollen umstandslos verlängert werden können. «Wir werden aktuell sicherlich niemanden zurückschicken.»
Wie es weitergehen könnte: Nato-Truppen auf ukrainischem Boden wird es nicht geben. Wie das Militärbündnis auf Russlands Angriff reagieren soll, werden die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer am Freitagnachmittag an einer Sondersitzung per Videokonferenz besprechen.
Wladimir Putin hatte bereits in seiner TV-Ansprache kurz nach dem Angriff auf die Ukraine vor einer Einmischung der USA und anderer Staaten gewarnt: «Wer auch immer versucht, uns zu behindern, geschweige denn eine Bedrohung für unser Land und unser Volk zu schaffen, muss wissen, dass die Antwort Russlands sofort erfolgen und zu Konsequenzen führen wird, die Sie in Ihrer Geschichte noch nie erlebt haben. (…) Alle notwendigen Entscheidungen wurden in dieser Hinsicht getroffen. Ich hoffe, dass ich gehört werde.» Zudem erinnerte Putin daran, dass Russland «einer der mächtigsten Atomstaaten» sei.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski sagte in einem Telefonat mit dem österreichischen Kanzler Karl Nehammer, er wisse nicht, wie lange er noch am Leben bleibe und wie lange sein Land noch existiere.
Polen bereitet sich derweil darauf vor, Flüchtlinge aus dem Nachbarland Ukraine aufzunehmen. Neun Empfangszentren sollen an der Grenze eingerichtet werden, um Menschen mit Nahrungsmitteln und Medikamenten zu versorgen, wie der polnische Innenminister Mariusz Kamiński am Donnerstag mitteilte. Auch Ungarn und die Slowakei richten sich darauf ein, Menschen aus der Ukraine aufzunehmen.
Offen ist, ob und wann die EU-Staaten Russland aus dem internationalen Zahlungssystem Swift ausschliessen. Dieser Schritt gilt als eine der schärfsten Sanktionswaffen des Westens.
Hier gibts weitere Informationen: Zahlreiche Zeitungen und Newsportale berichten laufend über den Krieg in der Ukraine. Wir empfehlen den Liveticker von SRF und der NZZ. Der deutsche «Spiegel», der britische «Guardian» und die «New York Times» bieten ebenfalls Ticker mit zuverlässigen Informationen. Karten zur aktuellen Lage liefert die «New York Times».
Beiträge zu den Hintergründen des russischen Einmarschs, zur Geschichte der Ukraine und zum schwierigen Verhältnis der beiden Länder finden Sie in unserer Zusammenstellung von vergangener Woche: «Was ist da eigentlich los?»
Suisse Secrets: Datenleck bringt Credit Suisse erneut ins Zwielicht
Darum geht es: Am Sonntag machten das Recherchenetzwerk OCCRP sowie Medien aus mehreren Ländern unter dem Titel «Suisse Secrets» ein Datenleak bei der Credit Suisse publik. Ein Whistleblower hatte der «Süddeutschen Zeitung» Daten von rund 30’000 Kunden der Schweizer Grossbank übergeben. Gemäss den Berichten befinden sich darunter Regierungsmitglieder und Geheimdienstchefs autokratischer Staaten, Unternehmerinnen mit fragwürdigen Geschäftspraktiken sowie verurteilte Straftäter. Die meisten stammen aus asiatischen, afrikanischen oder südamerikanischen Staaten.
Warum das wichtig ist: Nach den «Panama», «Paradise» und «Pandora Papers» sind die «Suisse Secrets» das vierte grosse Bankdatenleak in den letzten sechs Jahren. Die neuen Daten nähren einmal mehr den Verdacht, dass Schweizer Banken gute Geschäfte mit Schwarzgeld machen. Schweizer Medien waren an der Recherche nicht beteiligt: Gemäss einer Bestimmung im Schweizer Bankengesetz kann in der Schweiz nämlich bestraft werden, wer geheime Bankdaten veröffentlicht. Das verletzt die in Artikel 16 der Bundesverfassung festgeschriebene Pressefreiheit.
Was als Nächstes geschieht: Im europäischen Parlament verlangt die grösste Fraktion, die rechtsbürgerliche EVP, dass die EU-Kommission die «Suisse Secrets» untersucht. Gegebenenfalls soll sie die Schweiz auf ihre Liste derjenigen Länder setzen, welche Geldwäscherei und Steuerhinterziehung zu wenig bekämpfen. Die Wirtschaftskommission des Nationalrats will Anhörungen zur Pressefreiheit in Finanzfragen durchführen. Abzuwarten bleibt, ob auch die Schweizer Strafverfolgungsbehörden oder die Finanzmarktaufsicht Finma im Zusammenhang mit dem Datenleak Ermittlungen einleiten.
Afghanistan: Geld der Zentralbank soll an Terroropfer in den USA
Darum geht es: In Kabul entlädt sich die Wut auf die USA bei Demonstrationen mit Tausenden Teilnehmern. Ausgelöst wurden die Proteste durch ein Dekret von US-Präsident Joe Biden vor zwei Wochen: Er will die Hälfte der in den USA eingefrorenen Auslandreserven der afghanischen Zentralbank an die Familien von Opfern der Terroranschläge vom 11. September 2001 ausbezahlen.
Warum das wichtig ist: Vielen Menschen in Afghanistan fehlt es am Nötigsten zum Leben. Weite Teile der Verwaltung und des öffentlichen Lebens sind seit der Machtübernahme der Taliban zusammengebrochen. Darum wäre das Land dringend auf die 7 Milliarden Dollar angewiesen, die von den USA eingefroren wurden, um sie dem Zugriff der Taliban zu entziehen. Nun soll das Geld zur Hälfte an die Opferfamilien von 9/11 ausbezahlt werden, die andere Hälfte soll via Hilfsorganisationen an die afghanische Bevölkerung gehen. Der frühere afghanische Präsident Hamid Karzai bezeichnet den Entscheid als «Grausamkeit gegenüber dem afghanischen Volk».
Was als Nächstes geschieht: Bidens Dekret wird noch von einem Gericht überprüft werden. Während manche Angehörige von Terroropfern den Entscheid begrüssen, kritisieren andere, damit würden unschuldige Afghanen getroffen, die bereits viel gelitten hätten.
Der Corona-Lagebericht
Vor einer Woche hat der Bundesrat die meisten Massnahmen aufgehoben. Einzig die Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr und im Gesundheitswesen sowie die Pflicht zur Selbstisolation von Infizierten bleiben bestehen.
Die Fallzahlen sind in der Zwischenzeit weiter gesunken. Gegenüber dem Höchststand von Ende Januar stecken sich gemäss aktuellen Zahlen noch ungefähr halb so viele Personen pro Tag an. Dies liegt zum Teil daran, dass auch die Anzahl der durchgeführten Tests im Februar abgenommen hat. Doch wie die wissenschaftliche Taskforce des Bundes in ihrem jüngsten Lagebericht schreibt, zeigen die Daten insgesamt ein rückläufiges Infektionsgeschehen.
Weniger Leute stecken sich an
Positiv getestete Personen: gleitender Mittelwert über 7 Tage
Die Daten nach dem 20. Februar sind vermutlich noch unvollständig, deshalb haben wir sie nicht berücksichtigt. Stand: 24. Februar 2022. Quelle: Bundesamt für Gesundheit
Auch die Anzahl der Hospitalisationen ist tendenziell rückläufig. Allerdings können hier nur zuverlässige Aussagen für die ersten 10 Tage im Februar gemacht werden, da die eintreffenden Daten seither noch unvollständig sind.
Pro Tag starben in der Schweiz zuletzt rund 10 Menschen an Covid-19. Zum Höhepunkt der vierten Welle im Dezember waren es knapp 30 gewesen.
Die Corona-Pandemie ist damit in der Schweiz weiter auf dem Rückzug. Doch sie ist noch nicht zu Ende. Wer sich ungeschützt in der Öffentlichkeit bewegt, ist weiterhin einem Ansteckungsrisiko ausgesetzt. Ungeimpfte Personen weisen dabei ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe auf.
Dies gilt es in den kommenden Wochen im Blick zu behalten, wenn sich die Lage entspannt. Weil Expertinnen diese Entspannung praktisch unisono erwarten, stellt die wissenschaftliche Taskforce ihre Arbeiten per Ende März ein. Mit dieser Ausgabe beenden wir – zumindest solange sich die Lage nicht wieder dramatisch verschlechtert – auch den Lagebericht in unserem Wochenbriefing.
Wir bedanken uns für die Aufmerksamkeit und verweisen für weitere Informationen auf das offizielle Covid-19-Dashboard. Dort sind die aktuelle Entwicklung der Fälle und weitere Indikatoren übersichtlich dargestellt.
Was sonst noch wichtig war
Konzernverantwortung: Die EU-Kommission schlägt ein neues Lieferkettengesetz vor, mit dem die Sorgfaltspflichten für Unternehmen massiv ausgebaut würden. Damit sollen Firmen für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden entlang der gesamten Wertschöpfungskette haftbar gemacht werden können. Das Komitee hinter der am Ständemehr gescheiterten Konzernverantwortungsinitiative verlangt nun vom Bundesrat ebenfalls griffige Regeln, die über den «Alibi-Gegenvorschlag» hinausgehen.
Schweiz I: Das Kunsthaus Zürich und die Stiftung Bührle haben die Leihverträge zur Bührle-Sammlung veröffentlicht. Der neue Vertrag, der denjenigen von 2012 ersetzt, bekennt sich zu den «Richtlinien der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nazis konfisziert wurden». Zudem wird die Provenienzforschung neu geregelt, und das Kunsthaus erhält «grössere kuratorische Freiheiten».
Schweiz II: Hanno Berger, einer der Drahtzieher im Cum-Ex-Skandal, wird an Deutschland ausgeliefert. Mit den Cum-Ex-Deals hatten Banken und Börsenhändler Steuerämter in ganz Europa um zweistellige Milliardenbeträge geprellt.
Schweiz III: Die Anwälte des bekannten Gefängnisinsassen Brian reichen Strafanzeige gegen Personen aus dem Strafvollzug ein. Sie reagieren damit auf Vorwürfe von Experten, die das Haftregime als Folter bezeichnen. Zudem verlangen sie die sofortige Freilassung ihres Mandanten.
Deutschland: Die Regierung hat einen neuen Mindestlohn für Arbeitnehmerinnen von 12 Euro pro Stunde beschlossen. Bisher lag diese Untergrenze bei 9,82 Euro. Von dieser Umsetzung eines zentralen Wahlkampfversprechens von Kanzler Olaf Scholz profitieren mehr als 6 Millionen Beschäftigte.
Türkei: Der Investigativjournalist Güngör Arslan ist am Samstag ermordet worden. Ein Kleinkrimineller wurde als Täter verhaftet, doch es bleiben Zweifel: Arslan hatte wiederholt über Korruption in der Bauindustrie und der lokalen Politik berichtet.
Burkina Faso: Bei einer Explosion in der Nähe einer Goldmine sind mindestens 63 Menschen getötet worden. Offenbar handelt es sich um eine nicht zugelassene Schürfstätte mit miserablen Sicherheitsstandards. Rund 1,2 Millionen Menschen im Land leben vom illegalen Goldabbau.
Kolumbien: Gemäss einem Entscheid des Verfassungsgerichts sind Schwangerschaftsabbrüche künftig bis zur 24. Woche legal. In vielen lateinamerikanischen Ländern sind Abtreibungen nur in Ausnahmefällen erlaubt.
Dominikanische Republik: Künftig soll eine Mauer von 164 Kilometern Länge und fast 4 Metern Höhe die Dominikanische Republik von Haiti trennen. Damit soll der Schmuggel von Waffen und Handelsgütern zwischen den beiden Staaten auf der Insel Hispaniola unterbunden werden.
Die Top-Storys
Das Geschäft mit dem Krieg Schweizer Sturmgewehre im jemenitischen Bürgerkrieg, Pilatus-Flugzeuge bei Luftschlägen in Afghanistan: Eine gemeinsame Recherche von Schweizer Journalistinnen und investigativen Recherchenetzwerken zeigt, wie dank laschen Kontrollen und löchrigen Gesetzen Schweizer Kriegsmaterial in bewaffneten Konflikten landet.
Fake it till you make it Ob Scheinerbin Anna Sorokin oder «Tinder Swindler» Simon Leviev – Betrügergeschichten sind gerade hoch im Kurs. In dieselbe Kerbe haut nun eine Recherche der BBC über die Firma Madbird. Mitten in der Pandemie gibt sich diese als aufstrebende internationale Designagentur aus. Doch in Wirklichkeit ist alles heisse Luft, und die getäuschten Angestellten bleiben mit leeren Versprechungen und Schulden zurück.
Hank the Tank Taser, Paintball-Knarren, Sirenen – bisher hat nichts und niemand Hank the Tank aufhalten können. In fast 30 Häuser ist der aussergewöhnlich grosse Schwarzbär (daher der Name) im kalifornischen South Lake Tahoe bereits eingedrungen. Mit seiner Körpermasse bricht er durch Garagentore und weigert sich standhaft, in den Winterschlaf zu gehen. Nun droht die Bärengeschichte ein unschönes Ende zu nehmen, wie die «New York Times» schreibt. Ganz zum Unbehagen der durch Hank drangsalierten Stadtbewohnerinnen.
Hinweis: In einer früheren Version des Briefings haben wir vermeldet, dass Metadaten im Video von Präsident Putins Kriegserklärung nahelegen, dass sie Tage zuvor gefilmt worden war. Das hat sich als falsch erwiesen.
Illustration: Till Lauer