Geschmacksache – Folge 26

In dieser Paella darf weder Huhn noch Meeresgetier mitmachen.

Geschmacksache

Die Fiestas feiern, wie sie fallen

Eine Paella für Menschen, die keine Paella mögen: Das spanische National­gericht lässt sich mit überraschenden Zutaten prima abwandeln. Und der Abwasch ist leichter, als die Werbung behauptet. «Geschmack­sache», Folge 26.

Von Michael Rüegg (Text) und Lilli Persson (Bild), 30.11.2021

Meine erste Begegnung mit Paella war am Fernsehen. In der Werbung für ein Spülmittel wurden Anfang der Neunziger­jahre die beiden mutmasslich fiktiven spanischen Dörfer Villariba und Villabajo miteinander verglichen.

Beide feiern gemäss Offsprecher jedes Jahr ihre Fiesta. «Dazu gibt es eine riesige Paella», wobei der Sprecher «Pa-elja» sagt (korrekt auf Spanisch wäre «Pa-e-ya»). «Und wenns an den Abwasch geht, müssen beide mit den riesigen, fettverkrusteten Pfannen fertigwerden.»

An dem Punkt enden aber bereits die Gemeinsamkeiten von Villariba und Villabajo. Denn in Villabajo (wörtlich: «das untere Städtchen») macht man den Abwasch mit herkömmlichem Spül­mittel. In Villariba («das obere Städtchen») nimmt man «Fairy Ultra». Es lockert das Fett und löst es einfach ab, verspricht zumindest die Werbung. «Ein glänzendes Ergebnis», kommentiert der Sprecher das Geschehen am Bildschirm. Und während man in Villabajo noch schrubbt, wird in Villariba bereits wieder gefeiert.

Mein Problem mit Paella war bis anhin nicht spültechnischer Natur. Ich konnte das Zeug schlichtweg nicht ausstehen. Paella hat in der Regel alles drin, was ich ablehne: Poulet, Meeres­früchte und Safran. Zumindest diejenige Art von Paella, die einem überall vorgesetzt wird. Von meiner Spanisch­lehrerin im Gymnasium wusste ich, dass je nach Region unter­schiedliche Zutaten ins Reis­gericht gelangen. Doch irgendwie oszillierte alles stets zwischen Huhn und Meeres­bewohner.

Das mit dem Safran ist übrigens so eine Sache: Neben Dill, den ich toleriere, aber auf den ich nicht sonderlich gut zu sprechen bin, ist Safran das einzige Gewürz, das mir wirklich zuwider ist. Wobei ich kleine Mengen von guter Qualität gelegentlich in Ordnung finde. Aber seien wir ehrlich, in Villariba und Villabajo wird nicht der hand­geerntete Walliser Safran verwendet. Sondern das elende Zeug aus dem Super­markt, das nach im feuchten Keller verwesenden Leichen­teilen riecht.

Hoffnung aus Übersee

Wenn also irgendwer sich die Mühe macht, mich zu Paella einzuladen, suche ich stets eine Ausrede. Oder ich esse vorab reichlich und lehne dann dankend ab. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ich würde das Gericht gerne mögen. Aber ich kann nicht.

Vor kurzem stiess ich auf der Koch-App der «New York Times» auf ein Paella-Rezept, das meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Die Rede war von einer Gemüse-Paella for weeknights, also für unter der Woche. Etwas, das man auch dann noch schnell zubereiten kann, wenn man nach dem Pilates erst die Kinder aus dem Querflöten­unterricht abholen muss und sich, sobald diese in der Heja sind, mindestens zwei Stunden Netflix-Serien reinziehen will.

Die Gemüse-Paella war dann bei genauem Hinsehen nicht wie vermutet vegetarisch. Sie enthielt Chorizo, jene getrocknete, mit Paprika gewürzte Schweins­wurst, die man mittler­weile in jedem Laden kriegt. Dies gibt bereits den Ton an für das unten stehende Rezept: nix kompliziert. Mit Ausnahme des geräucherten Paprikas, der nicht in jedem Regal stehen dürfte, sollte alles auffindbar sein, solange nicht wieder mal grad die Liefer­ketten zusammen­brechen.

Ich glaube, es gibt einen spanischen Reis, der sich besonders für Paella eignet. Da aber selbst ein Super­markt von exorbitanter Grösse, in den ich eigens gereist bin, Derartiges nicht zu führen imstande ist, habe ich Risotto­reis verwendet. Geht auch, Haupt­sache Rundkorn. Im Grunde ist Paella so etwas wie ein Risotto, der nicht gerührt wird. Die Reiskörner geben ihre Stärke nicht ab, und die Geschichte wird dadurch nicht cremig. Ha!

Das Rezept aus der «Times» habe ich leicht modifiziert und die Mengen­angaben umgerechnet. In meiner Version kommt noch ein Schluck Sherry hinzu. Falls kein Sherry da ist, tun es auch ein trockener Wermut oder Weisswein. Paella wird in der Regel in einer breiten Pfanne gekocht. Unsere muss jedoch in den Ofen. Pfanne und Ofen sind selten kompatibel. Die Schweizer Öfen sind zu mickrig. Ich habe stattdessen auf einen guss­eisernen Bräter zurück­gegriffen und war von dieser Wahl mehr als angetan.

Gemüse-Paella for weeknights

Zutaten (für etwa 4 Personen): Oliven­öl, 1 grosse Zwiebel, 1 roter Peperone (am besten einen der langen), 5 Koblauch­zehen, 2 EL Tomaten­püree, 240 g Risotto-Reis, 1 TL geräuchertes Paprika, 1 Schuss Sherry, 1 Blumen­kohl, 300 g Rosen­kohl, 300 g Erbsen, 150 g Chorizo, 8 dl Bouillon, Salz und Pfeffer, 1 Bund Frühlings­zwiebeln, 1 Zitrone.

  • Den Ofen auf 210 Grad (Umluft) oder 220 Grad (Ober- und Unterhitze) aufheizen.

  • In einer breiten guss­eisernen Pfanne oder einem Bräter etwas Oliven­öl erhitzen. Die gehackte Zwiebel, den in Würfelchen geschnittenen Peperone und den fein geschnittenen Knoblauch darin einige Minuten andünsten.

  • Tomaten­püree beigeben, vermischen und etwas karamellisieren lassen (rund 2 Minuten).

  • Ein bisschen Oliven­öl nachreichen, Reis und geräuchertes Paprika beigeben, den Reis kurz etwas anrösten, mit dem Sherry ablöschen.

  • Den in Röschen gebrochenen Blumen­kohl, den geviertelten Rosen­kohl, die Erbsen, die in Scheiben geschnittene Chorizo sowie die Bouillon beigeben, salzen und pfeffern. Kurz gut untereinander­mischen. Danach nicht mehr rühren. Zum Kochen bringen.

  • Pfanne oder Bräter ohne Deckel in den Ofen stellen, Timer auf 25 Minuten stellen.

  • Die Flüssigkeit sollte mittlerweile vom Reis aufgesaugt worden sein. Nun Pfanne oder Bräter mit Topf­lappen aus dem Ofen hieven und auf eine heisse Herd­platte stellen. Dort etwa 5–7 Minuten belassen, damit der Reis am Pfannen­boden leicht ankrustet.

  • In Rädchen geschnittene Frühlings­zwiebeln draufgeben und mit Zitronen­schnitzen servieren.

Darfs ein Gläschen Sherry sein?

Getreu dem Grundsatz «Wähle den Wein aus dem Land, aus dem dein Gericht stammt» blicken wir uns in Spanien um. Die Sangría lassen wir vorderhand mal im All-inclusive-Resort. Zu Paella bietet sich stets ein trockener Sherry an. Das Problem beim Sherry ist, dass die meisten Leute ihn im Super­markt kaufen und er danach mehrere Jahre geöffnet im Regal steht. Je nach Produktions­methode (es gibt mehrere) lässt sich ein trockener Sherry gut verschlossen im Kühl­schrank ein paar Tage bis ein paar Wochen halten. Zu unserer Paella passt ein Manzanilla gut. Er ist trocken, hat meist eher subtile Oxidations­noten und überrascht mit einer gewissen Frische. Natürlich tuts auch jeder andere trockene Weiss­wein, etwa ein netter Verdejo oder ein Sauvignon blanc.

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