Die Abenteuer von Pupsi, dem kleinen Steuerberaterseehund
Kaum ein Kind träumt davon, in einer internationalen Wirtschaftskanzlei zu arbeiten. Das muss sich ändern.
Von Constantin Seibt (Text) und Stefan Mosebach (Illustrationen), 20.09.2021
Warum macht die 99-Prozent-Initiative vielen Mittelklasse-Eltern ein schlechtes Gewissen?
Weil sie auf eine harte Wahrheit hinweist: Man wird kaum noch durch Arbeit wohlhabend. Sondern durch Investition von bereits vorhandenem Kapital.
Keine Erziehungsmethode, keine Ausbildung ersetzt Erben oder Heiraten. Am erfolgversprechendsten scheint noch ein Beruf zu sein, der für die Vermehrung oder die Sicherung grosser Vermögen sorgt: in der Finanz- oder Steuervermeidungsindustrie.
Doch eine der Tragödien ist, dass die Kinder hoffnungslos auf die falschen Ziele programmiert werden. Nehmen wir nur schon die Kinderbücher: Sie handeln fast durchgehend von Berufen ohne Zukunft – Lokomotivführerinnen, Tierärzte, Feen, Zwerge, Sanitäterinnen oder Baggerfahrer.
Kurz: Die Kinderbuchindustrie verharrt noch im tiefsten 20. Jahrhundert. Es gibt keine Kinderbücher wie «Meine Mama ist Steuerberaterin!», «Paul und Ida eröffnen ein Treuhandbüro» oder «Globis Abenteuer in der Vermögensverwaltung». Kein Wunder, kennt man kaum ein Kind, das den Wunsch äussert, internationales Steuerrecht zu studieren, wenn es gross ist, und in einer Wirtschaftskanzlei zu arbeiten.
Doch es ist auch klar, dass man so seinen Kindern den sichersten Weg in eine gesicherte Zukunft verbaut. Selbst Privatstunden in Frühchinesisch bleiben wertlos, wenn die Mentalität nicht stimmt.
Die Lücke an verantwortungsvollen Kinderbüchern ist schockierend. Es ist Zeit, sie zu füllen.
Hier eine erste Skizze.
Pupsi, der kleine Steuerberaterseehund, und Adalbert, der fleissige Seelöwe
Adalbert, der Seelöwe, ist unternehmerisch in der Heringszucht und -verarbeitung tätig. Plötzlich greift eine Riesenqualle namens Steuerstaat die Fabrikanlagen an. Ganze Unternehmensteile werden verschluckt. In höchster Not engagiert Adalbert Pupsi, den kleinen Steuerberatungsseehund. Pupsi stellt ein Set von doppelseitig gespitzten Bleistiften zusammen, lässt sich todesmutig von der Qualle verschlucken und schaltet dann nach und nach alle staatlichen Organe aus: die Leber, den Magen, die Milz …
Am Ende sinkt das gefrässige Monster ausgehöhlt zusammen. Der erleichterte Adalbert bietet Pupsi die Freundschaft an – und noch schöner: ein Mandat als Steueranwalt für die ganze Unternehmensgruppe!
Lernziel: Steuern bekämpfen ist ein echtes Abenteuer. Und: Der Staat hat viele Organe, aber kein Herz!
Pupsi, der kleine Steuerberaterseehund, und Sam, der übel gelaunte Bulle
Adalbert und Pupsi sind enge Freunde geworden. Sie leben in einer Kolonie mit vielen anderen leistungsstarken Wassertieren auf einer Insel 100 Meilen vor der Küste. Sie nennen es: unser kleines Offshore-Paradies. Eines Tages bittet Adalbert Pupsi um einen Gefallen. Er soll ein Kistchen Perlen an der amerikanischen Küste abholen. Doch kaum an Land, wird Pupsi von Sam, einem stets übel gelaunten Bullen, ins Gefängnis gesteckt. Beim Verhör mit Oliver, dem wüsten Fuchs, erfährt Pupsi zu seinem Entsetzen, dass die Perlen gar nicht Adalbert gehören, sondern der Qualle Steuerstaat, die sich mittlerweile erholt hat, weil sie (wie alle Kreaturen ohne Herz) unsterblich ist. Nun drohen Pupsi 326 Jahre in Örkatratz, der berüchtigten Robbenstrafkolonie!
Was Pupsi quält: Warum hatte sein Freund Adalbert ihm nichts über die wahren Besitzverhältnisse gesagt? So macht Pupsi schliesslich Sam ein Angebot … Er lockt Adalbert mit einer Postkarte zur Seelöwenkolonie in San Francisco – und damit auf amerikanischen Boden. Plötzlich ist Sam ein nicht mehr so übel gelaunter Bulle. Pupsi kommt wieder frei, zwar um einige Illusionen ärmer, aber um viel Erfahrung reicher.
Lernziel: Wenig verdient mehr Verteidigung als die Freundschaft. Aber: Deine Freunde sind nur deine Freunde, solange es beiden Seiten nützt!
Pupsi, der kleine Steuerberaterseehund, und Roger, der verliebte Knorpelfisch
Auf einer Party im Ballenberg-Riff lernt Pupsi den Journalisten und Verleger Roger Knorpel kennen. Anfangs ist Pupsi verblüfft, dass Rogers wahre Leidenschaft – obwohl verheiratet – offensichtlich den ältesten, hässlichsten, dicksten und verrufensten Wasserkreaturen gilt. Er grüsst alle mit derselben unverstellten Leidenschaft: den Narbenhai, den Welterklärungswal, die Mundgeruchmuräne, den Eingeweide fressenden Darmaal, den chinesischen Renmimbi, die achtäugige Warzenschlange, den weisswandigen Kraken Tinto Tettemanti und den greisen Blobfisch Christoph Blubber.
Doch dann erkennt Pupsi, dass die hässlichen, dicken, alten Seemonster alle nicht umsonst dick und hässlich sind und einen schrecklichen Mundgeruch haben: Sie haben sehr lange sehr viel Beute gemacht. Und Pupsi spürt: Gerade deshalb sind alte Monster einsam – niemand ausser ein paar Putzerfischen traut sich noch in ihre Nähe. Sie haben alles, ausser eines: eine Zuhörerschaft im Alter. Aber sobald jemand Jüngeres sie aufrichtig bewundert, sind gerade die gefürchtetsten Schurken bereit, alles zu geben.
Pupsi sieht ein, dass es Zeit ist, sich von einigen Vorurteilen zu trennen.
Lernziel: Nichts bringt einen jungen Menschen (egal welchen Geschlechts: männlich, weiblich, non-binär) weiter als aufrichtige erotische Begeisterung für mächtige, alte, ein wenig anrüchige Männer!
Pupsi, der kleine Steuerberaterseehund, und Lisa, die kluge Oktopussin
Pupsi hat nun viele Mentoren. Sein Know-how wird immer gefragter. Bald schon braucht Pupsi eine Assistentin. Seine Wahl fällt auf Lisa, die kluge Oktopusfrau. Diese ist ein Genie in Multitasking: Sie erledigt ihre Arbeit mit links. Mit rechts. Mit weiter links, weiter rechts, weiter weiter links, weiter weiter rechts und Mitte. Pupsis Kanzlei floriert. Aber eines Morgens macht sich Lisa selbstständig und eröffnet ein Konkurrenzbüro.
Pupsi geht fast bankrott. Doch dann studiert er das internationale Seerecht. Und entdeckt, dass Weichtiere nicht berechtigt sind, Firmen zu eröffnen. Pupsi zieht vor Gericht. Lisa muss schliessen, und Pupsi ist erneut die Nummer eins der Hochseefinanz.
Lernziel: Wer wahren Erfolg haben will, braucht vor allem eines: Rückgrat.
Pupsi, der kleine Steuerberaterseehund, und Mittagessen, der philosophische Hering
Pupsi verlegt seine Geschäfte aufs Festland. Doch um der alten Zeiten willen baut er ein Salzwasseraquarium in seine Kanzlei. Dort schwimmen alle möglichen Fische, die Pupsi «Mittagessen» tauft. Jeden Montag füllt sich das Aquarium mit neuen Bewohnern, die am Wochenende alle wieder gegangen sind. Doch eines Tages schwimmt dort ein alter, kluger Hering. Er erklärt Pupsi, dass Fische auch eine Seele haben. Und ein Recht auf Würde. Eine Nachricht, die Pupsi erst einmal verdauen muss.
Lernziel 1: Ihr Stadtkind lernt, dass seine Fischstäbchen nicht aus dem Kühlschrank kommen. Ja, wir lieben Tiere, aber wir essen sie auch. Und das ist oft – mmh! – sehr lecker.
Lernziel 2: Andererseits lernt Ihr Kind zusammen mit Pupsi Respekt. Statt gedankenlos zu konsumieren, soll man nachdenken. So etwa erkennt Pupsi, dass der gefressene Hering ein Teil vom Wertvollsten wird, was es gibt – ihm selbst. Seitdem nennt er die neuen Fische nicht mehr «Mittagessen», sondern «Bruder», «Schwester» oder gerne auch «Mitarbeiter»!
Pupsi, der kleine Steuerberaterseehund, und der Weihnachtsmann
Im Advent bekommt Pupsi einen neuen Kunden: den Weihnachtsmann. Zuerst ist Pupsi nicht begeistert: ein weisser, alter Mann – und wahrscheinlich mit veralteten naiven Idealen. Wer macht heute denn noch Geschenke! Aber als Pupsi sich über die verblüffend schweren Geschäftsbücher beugt, geht ihm ein Licht auf: Die Geschenke und die Ideologie der freigebigen Liebe sind die Grundlage für eine ungeheuer starke Marke, mit der Santas Firmengeflecht den internationalen Weihnachtsmarkt dominiert.
Pupsi erkennt: Hoho! Der Weihnachtsmann ist kein alter Wirrkopf, sondern der operative Kopf des vielleicht lukrativsten Franchisegeschäfts der Welt!
Lernziel: Hier erfahren Kinder, dass die Fähigkeit zu geben und die Spiritualität keine naiven Sachen sind. Sondern die Grundlage für starke, weltweite Geschäftsmodelle wie etwa von Google, Facebook oder Jesus!
Pupsi, der kleine Heuler, hat Geburtstag!
(Geburtstagsspezial mit Pupsi als schneeweissem Seehundbaby!)
Pupsi bekommt von seiner Verwandtschaft Geschenke. Nur: Wie soll er sie einschätzen? Eine praktische Tabelle von Onkel Scharfzahn hilft Pupsi und seinen kleinen Leserinnen, den ungefähren Kaufpreis verschiedener typischer Kindergeschenke einzuordnen, damit sie eine Tabelle erstellen können, wer sie wie lieb hat.
Doch am Ende stellt sich heraus: Onkel Scharfzahn hat am wenigsten investiert. Das Buch «Pupsi, der kleine Heuler, hat Geburtstag!» kostet nur 19.90 Franken. Aber trotzdem ist es das wertvollste Geschenk: Denn Onkel Scharfzahn schenkt nicht Illusionen, sondern Wissen.
Lernziel: Know-how ist wertvoller als Materialwert!
Pupsi, der kleine Steuerberaterseehund, und Philadelphia, das eigentümerliche Schaf
Pupsi hat eine neue Klientin: Philadelphia, das Schaf. Philadelphia wurde auf einer Farm im australischen Outback geboren und hatte eines Tages keine Lust mehr, sich weiter melken zu lassen, um irgendwelche Provinzfarmer reicher zu machen. Philadelphia nahm einen Kleinkredit auf, kaufte ihrem Farmer die Melkmaschinen ab und begann die anderen Schafe zu melken. Mit dem zeitgemässen Slogan «Nur Tiere sollen Tiere melken» baute sie ein internationales Molkerei-Imperium auf – und besitzt heute unter anderem das Monopol auf Philadelphia-Käse.
Beim ersten Treffen lacht Philadelphia über Pupsis Salzwasseraquarium. Pupsi wird zunächst wütend, erkennt dann aber, dass Philadelphia recht hat. Er entwirft einen Businessplan, leiht sich bei Philadelphia 40 Milliarden Sternthaler und kauft damit die noch funktionstüchtigen Industrieanlagen aus der Konkursmasse von Adalberts Heringszuchtimperium. Gleichzeitig kauft er den internationalen Salzmarkt leer. Darauf beginnt Pupsi, systematisch jeden Süsswassersee im bioverrückten Europa zu salzen, eröffnet überall eine Heringszucht und ist heute Weltmarktführer für den frischen, lokalen Fisch.
Damit kommt es zum Happy End: Pupsi gibt seine Steuerberatungspraxis auf und stellt selbst eine Steuerberaterin ein: Lisa, die kluge Oktopusfrau!
Lernziel: Der Lohn für harte Arbeit ist zu Recht vor allem das: Spott. Geschafft hat es nur, wer andere Leute für sich arbeiten lässt.
So weit die Bücher. Aber alles wäre noch naiv ohne …
… Merchandising!
Pupsi-Kinderkrawatten (nur echt mit dem Örk-Sticker)
Pupsi-Aluminium-Wasserpistolen (für den Notfall auch säurefest)
Pupsi-Buchstützen (mit der Aufschrift: «Aufgepasst Kinder – Pupsi kann Buchhaltung!»)
Das legendäre Set mit doppelt gespitzten Bleistiften, mit denen Pupsi in Band 1 die Staatsorgane der Qualle ausgeschaltet hat. (Set-Aufschrift: «Pupsis kleine Bi-Lanzen»)
Pupsi-Spiel-und-Lern-Betonblock (500 kg) für jedes Kinderzimmer (mit der Gravur: «Wenn du Bleibendes willst – kauf Immobilien!»)
Pupsi-Monopoly-Massstab: Eine lustige Ergänzung für Monopoly und andere Brettspiele, bei dem die Mitspieler nach Körpergrösse gemessen werden. Weil danach nur noch der kleinste Mitspieler Gebühren zahlen muss. Damit die Kinder lernen: «Nur kleine Leute zahlen Steuern!»
Pupsi-Superreichen-Quartett: Zum Schwärmen und Angewöhnen – und lernen. Nicht zuletzt, da in der App dazu die Frage gestellt wird: «Willst du, dass diese Menschen in Zukunft deine Idole sind?» Und falls die Antwort «Ja» lautet, kommt die Mahnung: «Du willst zu wenig. Du solltest lieber hoffen, in Zukunft für einen dieser Menschen zu arbeiten! Oder?» Bei einem «Ja» folgt Pupsis Antwort: «Falsch. Du solltest anstreben, eines Tages ihr Nachbar zu sein. Und dann ihr Kollege. Verstanden?» Und auf ein weiteres «Ja» folgt: «Nein! Du hast nichts verstanden. Du solltest ihr Idol sein wollen!»
Pupsi-Honorarticker (für Eltern): Sobald Sie sich mit Ihrem Kind beschäftigen oder etwas für Ihr Kind erledigen, lassen Sie den Honorarticker mit Ihrem üblichen Stundenlohn mitlaufen. Damit a) Ihr Kind lernt, wie viel Sie in es investieren, b) Sie eine Basis für spätere Rückforderungen haben, c) dem Kind klar wird, was im Leben zählt. (So wird auch die verträumteste Tochter schnell merken, dass der Wert der Care-Arbeit einer nicht berufstätigen Mutter genau null Franken ist.)
Pupsi-Fotosortieralbum: Zum periodischen Einordnen der Verwandten nach Vermögen, Verkaufs- und Verkehrswert.
Pupsi-Tätowierung: (Ab 3 Monaten. Achtung: Bitte nur in von Pupsi zertifizierten Studios!) Werde Teil der weltweiten Pupsi-Kinder-Bewegung! Trage deine Tätowierung mit Stolz und als lebenslange Mahnung! – Eine Pupsi-Tätowierung begleitet und schützt Ihr Kind noch dann, wenn Sie – etwa wegen Krankheit oder Tod – längst nicht mehr in der Lage dazu sind.
So weit die ersten logisch gefolgerten Produktentwicklungsideen. Doch auch diese wären Amateurarbeit ohne den letzten, konsequenten Schritt auf …
… das kleine Pupsi-Imperium
Hier nur die selbstverständlichsten Ideen:
Der Pupsi-Club, Pupsi-Filme, Pupsi-Seminare (für Kinder, Eltern, Führungskräfte), Pupsi-Kinder- und Businessmode, Pupsi-Fischrestaurants (mit saisonalen und lokalen Produkten), die Pupsi-Treuhandkette (was sonst!), Pupsi-Salzstreuer und – just for the fun of it! – Pupsi-Cola.
PS: Natürlich lancieren wir Pupsi-Cola nicht zum Spass. Sondern um einen jahrelangen Markenrechtsstreit mit dem Pepsi-Konzern anzuzetteln. Mit weltweitem PR-Echo für den Sympathieträger Pupsi.
PPS: Investoren und Merchandising-Produzenten melden sich bitte bei:
Lic. oec. publ. C. Seibt
Sihlhallenstrasse 1
8004 Zürich