E = ½ * CO2
Wie klimafreundlich sind Elektroautos? Und wie günstig? Ein Vergleich von Fiat über Tesla bis BMW zeigt: Es gibt ein paar einfache Faustregeln, um sich beim Autokauf zu orientieren.
Von Simon Schmid, 26.07.2021
Nur die wenigsten Menschen wissen, was es mit der Relativitätstheorie genau auf sich hat. Doch fast jeder hat Albert Einsteins berühmte Formel schon gesehen: E = mc2. Die Buchstabenfolge gibt an, wie viel Energie (E) in einer bestimmten Masse (m, zum Beispiel die Masse eines Elementarteilchens) steckt, wobei der Buchstabe c für die Lichtgeschwindigkeit steht.
Doch keine Angst – in diesem Datenbriefing geht es nicht um theoretische Physik. Sondern um Ihren nächsten, eventuellen Autokauf (im Allgemeinen) und darum, worauf Sie dabei aus Klimasicht achten sollten (im Speziellen).
Vier Faustregeln für den Autokauf
Beginnen wir mit dem Spezialfall: Sie wollen tatsächlich ein Auto anschaffen. Und zwar, wenn möglich, ein klimaschonendes. An welchen Leitplanken können Sie sich dabei orientieren – finanziell und ökologisch?
Merksatz Nr. 1 lautet: Elektroautos kosten, wenn man alle Faktoren miteinbezieht, nicht mehr als gleichwertige Benzin- oder Dieselfahrzeuge.
Dies geht aus einem Vergleich hervor, den wir anhand von Daten des Touring-Clubs Schweiz (TCS) und des Paul-Scherrer-Instituts (PSI) angestellt haben. Er umfasst ein gutes Dutzend Fahrzeugmodelle, die im laufenden Jahr zu den meistverkauften herkömmlichen oder E-Autos in der Schweiz gehören.
Die Grafik zeigt: E-Autos sind typischerweise ähnlich teuer wie gewöhnliche Autos. Exemplarisch dafür ist der Peugeot 208. Wer diesen Kleinwagen durch die Gegend chauffiert, bezahlt pro Kilometer 59 Rappen (inbegriffen dabei sind Kaufpreis, Service, Reparaturen, Treibstoff, Steuern, Versicherung und Parkplatz) – und zwar unabhängig vom Motorentyp: Beim Peugeot 208 mit Elektromotor liegt der Kaufpreis etwas höher, dafür verursacht jener mit Benzinmotor höhere Spritkosten. Unter dem Strich gleicht es sich aus.
Ähnlich ist es bei den meisten anderen Fahrzeugpaaren, die in unserem Vergleich vorkommen. Mal (wie beim Opel Corsa) ist das E-Auto leicht teurer, mal (wie beim Volvo XC40) der Verbrenner oder das Hybridfahrzeug (Hybride sind Verbrenner, die zusätzlich eine kleine Batterie eingebaut haben, aber zwingend auf Benzin oder Diesel im Tank angewiesen sind). Selten macht der Kostenunterschied zwischen den Motorentypen mehr als 10 Prozent aus.
Falls Sie schon als Kind gerne Auto-Quartett gespielt haben («Ferrari F40 mit 478 PS schlägt VW Golf mit 95 PS»), fragen Sie sich jetzt wahrscheinlich, wie wir die Modelle für diesen Vergleich genau ausgewählt haben. Näheres dazu steht in der folgenden Box. Falls Sie diese technischen Details nicht so spannend finden, lassen Sie die Box einfach zugeklappt und scrollen Sie weiter.
Ich will es genauer wissen: Wie wir die Modelle ausgewählt haben
Der Vergleich wurde in Zusammenarbeit mit Fachleuten des TCS und des PSI erstellt. Ziel war jeweils, ein Elektroauto und einen Verbrenner gegenüberzustellen, die zur selben Fahrzeugklasse gehören (zum Beispiel «SUV M») und möglichst ähnliche Eigenschaften haben (hier haben wir vor allem auf Gewicht und Motorenleistung geachtet, wobei die Elektrofahrzeuge wegen der Batterie typischerweise etwas schwerer sind und ihnen deshalb auch etwas mehr PS zugestanden wurden).
Zu den Modellen: Nicht jedes Fahrzeug ist als E-Auto und als Verbrenner erhältlich. Teils wurden für den Vergleich (wie etwa beim Renault Zoe bzw. Clio) daher zwei verschiedene Modelle eines Herstellers gewählt. Und in einem Fall (beim Tesla Model 3) ist schliesslich zu Vergleichszwecken ein möglichst ähnliches Fahrzeug eines anderen Herstellers (BMW 3er) aufgeführt. Die Auswahl der Elektroautos, Verbrenner und Hybridfahrzeuge ist nicht abschliessend.
Zu den Ausführungen: Manche Fahrzeuge werden in diversen Ausführungen angeboten. Zum Beispiel gibt es den VW Golf als Diesel oder Benziner, mit 1-Liter-, 1,5-Liter- oder 2-Liter-Motor. Sie weisen meist leicht unterschiedlich hohe Kosten und Emissionen auf. Wir haben jeweils die Ausführung ausgewählt, die dem E-Auto (hier: dem VW ID.3) bezüglich Gewicht und Leistung am nächsten kommt.
Zu den Hybridmotoren: Manche Fahrzeuge sind als reine Verbrenner gar nicht mehr erhältlich – sondern nur noch mit Hybridantrieb (etwa der Audi Q7). Andere Fahrzeuge kommen in der Verbrennervariante nicht an die Leistungskriterien der Elektrovariante heran (zum Beispiel der Jaguar F-Pace). In diesen Fällen haben wir das Hybridfahrzeug für den Vergleich ausgewählt. Der preisliche Unterschied ist meistens gering, er bewegt sich im Rahmen von einigen Rappen pro Kilometer.
Die vollständige Liste aller Autos und technischen Daten erhalten Sie hier.
Merksatz Nr. 2 betrifft die Klimabilanz. Er ist sehr einfach: Elektroautos verursachen ungefähr halb so viele Treibhausgasemissionen wie Verbrenner.
Als kleine Hommage an Albert Einstein (und in wissenschaftlich völlig unzulässiger Notation, mit E für «Elektro» statt für «Energie» und CO2 … na ja, Sie wissen schon) können wir dies in eine eingängige Formel giessen:
E = ½ * CO2
Anders als die Relativitätstheorie beschreibt diese Formel kein Naturgesetz. Sie ist bestenfalls eine Gedankenstütze. Denn die Klimabilanz ist abhängig von Raum und Zeit: Es macht einen grossen Unterschied, ob ein Elektroauto mit dänischem Wind- oder polnischem Kohlestrom aufgeladen wird. Und je weiter die Stromproduktion im Hinblick auf netto null dekarbonisiert wird, desto besser werden E-Autos im Vergleich zu Verbrennern abschneiden.
Stand 2021 – und mit Schweizer Strom – ist die Faustregel jedoch robust. Das zeigt sich etwa am Hyundai Kona, einem kleinen Geländewagen. In der Benzinervariante stösst dieses Auto pro Kilometer 275 Gramm CO2 aus. Die Elektrovariante stösst dagegen nur 133 Gramm CO2 aus – knapp halb so viel.
Ähnlich ist es bei den weiteren populären Fahrzeugen in unserem Vergleich.
Halb so viele Emissionen bedeuten, dass es sich aus Klimasicht in jedem Fall lohnt, statt eines Verbrenners ein Elektroauto zu wählen. Je öfter man das Fahrzeug braucht, desto grösser wird der Klimavorteil: Die meisten E-Autos schneiden zwar (wegen der Emissionen für die Batterieproduktion) bis etwa 35’000 Kilometer etwas schlechter ab als ihre Verbrenner-Pendants. Ab dieser Schwelle ist ihre Klimabilanz (weil sie kein Erdöl brauchen) aber überlegen.
Halb so viele Emissionen bedeuten aber auch, dass der Treibhausgasausstoss von Elektroautos eben nicht gleich null ist. Das liegt daran, dass wir hier den gesamten Lebenszyklus miteinbeziehen: Es zählt nicht nur das Treibhausgas, das (nicht) aus dem Auspuff entweicht, sondern auch jenes, das bei der Herstellung von Chassis, Karosserie und Batterie anfällt. Hinzu kommen die Emissionen bei der Bereitstellung der Treibstoffe (beim Verbrenner etwa durch Methan, das während der Erdölförderung in die Umwelt entweicht, oder beim E-Auto durch die Produktion von fossilem Strom), beim Strassenbau und bei der Entsorgung. Die Emissionswerte, die wir in diesem Beitrag zeigen, sind deshalb auch höher als die Angaben der Hersteller. Diese weisen typischerweise nur die direkten Emissionen aus dem Auspuff aus.
Und halb so viele Emissionen bedeuten für Ihren Autokauf schliesslich: Es spielt eine wichtige Rolle, welches Elektrofahrzeug Sie anschaffen wollen.
Merksatz Nr. 3: Doppelt so hohes Gewicht, doppelt so viele Emissionen.
Der wichtigste Faktor, an dem Sie die Klimabilanz eines Autos abschätzen können, ist das Gewicht. Bei Elektroautos funktioniert dies besonders gut, wie das folgende Diagramm zeigt: Der Audi e-tron wiegt 2,7 Tonnen und ist zweimal so schwer wie der Fiat 500e. Zweimal so gross sind auch die Emissionen, die dieser wuchtige Wagen im Vergleich zum Mikroklassenauto verursacht. Mehr Gewicht bedeutet mehr Metall, das im Auto und seiner Batterie verarbeitet werden muss, mehr Abnutzung der Strasse und meistens auch mehr Stromverbrauch pro Kilometer. Dies schadet der Klimabilanz.
Auch bei den Verbrennern ist der Zusammenhang zwischen Gewicht und Emissionen gut erkennbar. Zusätzlich spielt hier die Motoreneffizienz eine Rolle. So ist etwa der Porsche Panamera, ein Sportwagen mit 441 PS (normale Autos haben 100 bis 150 PS) besonders klimaschädlich unterwegs. Je grösser und stärker der Motor, das zeigen Zahlen des Bundes, desto grösser sind typischerweise der Benzinverbrauch und die CO2-Emissionen. Achten Sie also darauf, dass Sie kein unnötig schweres oder PS-starkes Auto anschaffen.
Immerhin: Selbst der dickste E-Offroader (der erwähnte Audi e-tron) weist eine bessere Klimabilanz auf als der leichteste Verbrenner, der in unserem Vergleich vorkommt (eine Variante des Fiat 500 mit Hybridmotor). Das unterstreicht einmal mehr, welchen Klimafortschritt Batterieautos bringen.
Bevor wir dies in einen allgemeinen Kontext stellen (und ja, ein weiteres Mal relativieren), müssen wir allerdings noch einen kleinen Ausflug machen.
Merksatz Nr. 4 sagt nämlich: Es ist mit den Emissionswerten nicht alles so, wie es scheint. Besonders dann nicht, wenn es um Plug-in-Hybride geht – einen Fahrzeugtyp, der zurzeit im Trend ist und als ökologisch beworben wird.
Plug-in-Hybride haben einen Verbrennungsmotor. Aber sie haben auch eine Batterie, die man an der Steckdose (oder Schnellladestation) aufladen kann. Anders als die klassischen Hybridautos können Plug-in-Hybride deshalb nicht nur elektrisch anfahren – also einige Meter nach einer Kreuzung mit Batteriestrom fahren –, nein, man kann mit ihnen im reinen Strombetrieb auch durch die ganze Stadt fahren. Deshalb gelten sie als klimafreundlich.
Diese Sichtweise ist nicht ganz falsch. Denn tatsächlich geht aus dem Klimabilanzrechner des TCS hervor: Fahrzeuge wie der Mini Cooper stossen bis zu 40 Prozent weniger Treibhausgase aus, wenn sie mit einem Plug-in-Hybrid-Motor statt mit Benzin oder Diesel laufen. Sie sparen damit gegenüber den Verbrennervarianten fast so viel CO2 ein wie reine Elektroautos.
Doch die Sache hat einen Haken. Denn die Basis für die Berechnungen sind die offiziellen Angaben der Hersteller zum sogenannten Normverbrauch. Dieser gibt an, wie viele Liter Benzin (oder wie viele Kilowattstunden Strom) ein Fahrzeug pro 100 Kilometer benötigt. Bei den Plug-in-Hybriden ist dies eine Mischrechnung: Skoda weist für den Octavia, das meistverkaufte Auto der Schweiz, etwa 1,1 Liter Benzin plus 14,3 Kilowattstunden Strom aus.
Allerdings ist die Batterie dieses Plug-in-Hybrid-Fahrzeugs ziemlich klein: Sie speichert nur 13 Kilowattstunden Strom. Das genügt nicht einmal, um im reinen Strommodus von Zürich nach Bern zu fahren – man käme nur bis zur Autobahnraststätte Gunzgen Nord und müsste dort bereits wieder aufladen, was mehrere Stunden dauern kann.
Forscher des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung haben vor diesem Hintergrund untersucht, wie klimafreundlich Plug-in-Hybride wirklich sind. Ihr Ergebnis: Die Angaben sind zu optimistisch. In der Realität verursachen diese Fahrzeugtypen zwei- bis viermal so viel direkte Treibhausgasemissionen wie auf dem Papier. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Den Automobilistinnen fehlt Geduld und Zeit, ihre Plug-in-Hybrid-Autos schon nach 45 Minuten Autobahnfahrt wieder aufzuladen.
Lohnt sich ein Plug-in-Hybrid-Auto aus Klimasicht also überhaupt? Um das herauszufinden, haben Christian Bauer und Romain Sacchi, Forscher am Paul-Scherrer-Institut, für die Republik eine zweite Vergleichsrechnung vorgenommen – diesmal nicht mit dem offiziellen Normverbrauch, sondern mit einem realistischeren Treibstoffmix. Das Resultat liegt irgendwo in der Mitte: Über den gesamten Lebenszyklus spart man je nach Auto zwischen 10 und 30 Prozent CO2 im Vergleich zu Modellen, die einen reinen Verbrennungsmotor haben, ein. Das ist immerhin etwas – aber deutlich weniger als mit einem reinen E-Auto.
Und damit endlich zur allgemeinsten Frage in der Mobilitätstheorie.
Sollen Sie überhaupt ein Auto kaufen?
Die Antwort darauf wollen wir Ihnen selbstverständlich nicht vorschreiben. Vielleicht brauchen Sie zwingend ein eigenes Auto, weil Ihr Zuhause schlecht mit dem öffentlichen Verkehr erschlossen ist, aus beruflichen Gründen oder weil das nächste Carsharing-Angebot schlicht zu weit entfernt ist. In diesem Fall: Nehmen Sie die folgenden Zahlen mehr als Einordnung. Sie zeigen, wie Autos klimamässig im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln abschneiden.
Das Ergebnis ist wenig überraschend, und deshalb machen wir es kurz und schmerzlos: Bahn, Velo und E-Bike weisen mit Abstand die beste Bilanz auf. Gegenüber dem durchschnittlichen Verbrennerauto, das auf Schweizer Strassen anzutreffen ist, verursachen diese Verkehrsmittel über 95 Prozent weniger Treibhausgase. Gerechnet wird dabei mit einer Belegung von einem Passagier (gut zu wissen in diesem Kontext: Falls Sie stets zu zweit Auto fahren, halbieren sich die Emissionen pro Personenkilometer).
Ziemlich klimafreundlich ist auch das Tram. Irgendwo in der Mitte sind schliesslich Elektroauto, Motorrad und Bus: Gegenüber dem Verbrennerauto reduzieren sich die Emissionen pro Personenkilometer um rund 50 Prozent. Und schliesslich das Flugzeug: Hier ist die Ersparnis nur minim. Eine Reise innerhalb von Europa ist fast gleich klimaschädlich wie eine Reise im Auto.
Einsteins Theorien beschreiben, wie sich Körper unter Extrembedingungen verhalten – zum Beispiel an der Grenze zur Lichtgeschwindigkeit. Lange Zeit hielt man solche Fragen in der Physik für irrelevant, doch irgendwann wurde klar: Wir kommen nicht mehr weiter, wenn wir uns nicht damit befassen.
Auch auf der Erde herrschen bald klimatische Extrembedingungen, wenn wir nicht sehr rasch unseren Treibhausgasausstoss verringern. Die Mobilität ist hierbei ein enormer Hebel: Sie trägt rund 30 Prozent zum Schweizer CO2-Fussabdruck bei und bietet von allen Bereichen das grösste Sparpotenzial. Emissionsarme Verkehrsmittel sind nicht relativ, sondern absolut zwingend.
Sie stammen vom Klimabilanzrechner des TCS und wurden ursprünglich durch das Paul-Scherrer-Institut (PSI) berechnet. Dort hat eine Gruppe von Forschern den Carculator entwickelt, ein Tool, um den Treibhausgasausstoss von Autos zu vergleichen.
Hinter diesem Tool steht eine grosse Datenbank. Sie enthält umweltbezogene Angaben zu verschiedenen Materialien (zum Beispiel Metallen wie Stahl oder Aluminium), zur Stromerzeugung an verschiedenen Standorten (in den USA, in China etc.), zu Fertigungsprozessen und zu Treibstoffen (wie etwa Benzin).
Anhand der technischen Daten zu einem bestimmten Auto (wie etwa Gewicht, Fahrzeugtyp, Grösse von Batterie und Verbrennungsmotor, Verbrauch pro 100 Kilometer, Fahrprofil) ermittelt der Carculator, wie viel Treibhausgas bei der Produktion eines Autos und beim Fahren anfällt. Auch die Wartung und der Strassenbau werden in dieser holistischen Perspektive hinzugerechnet. Nicht berücksichtigt ist, wenn bestimmte Herstellerfirmen zum Beispiel angeben, die Emissionen bei der Produktion durch Klimazertifikate kompensiert zu haben.
Die Emissionsangaben in diesem Vergleich berücksichtigen die Details im Fertigungsprozess eines Herstellers daher nicht zu 100 Prozent. Dafür ist die Vergleichbarkeit zwischen den Marken und Modellen umso grösser.