Die Kartoffel unangreifbar machen

Der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ist in der Schweizer Landwirtschaft verboten. Dabei könnten neue Methoden den Einsatz von Pestiziden reduzieren. Müssen wir bei der Gentechnik umdenken?

Von Katharina Wecker (Text) und Pieter Van Eenoge (Illustration), 08.06.2021

Auf einem Feld in Reckenholz, am Rande der Stadt Zürich, wuchs ein paar Jahre lang eine Kartoffel­sorte, die komplett ohne den Einsatz von Pestiziden auskam. Das ist ungewöhnlich. Denn in der Schweiz werden alle Kartoffeln mit Pflanzen­­schutz­­mitteln behandelt. Auch im Bio­anbau müssen Landwirte Kupfer auf das Feld spritzen. Die Kraut- und Knollen­fäule würde eine Ernte sonst unmöglich machen.

Doch das war nicht das einzige Ungewöhnliche an der Kartoffel: Um das Feld stand ein hoher doppelter Zaun, an dem Über­wachungs­kameras hingen, die den ganzen Acker über­blickten. Die Pflanze sollte so gegen Vandalismus geschützt werden.

Denn die Kartoffel war nicht einfach irgendeine Kartoffel. Sie war eine gentechnisch veränderte Variante. Ihr waren Gene aus südamerikanischen Wild­kartoffeln eingesetzt worden, die gegen Kraut- und Knollen­fäule resistent sind.

Im Feldversuch zeigte sich: Während Kartoffeln normaler­weise sieben- bis achtmal pro Saison mit Pestiziden gegen den aggressiven Schädling gespritzt werden müssen, kamen die genveränderten Kartoffeln ganz ohne Pestizide aus. Ähnliche Versuche in den Nieder­landen und Belgien kamen zum gleichen Ergebnis: Mit der neuen resistenten Sorte könnte man den Pestizid­einsatz im Kartoffel­anbau massiv reduzieren – ohne Ernteverluste.

Doch die resistente Kartoffel ist noch weit davon entfernt, grossflächig auf Schweizer Feldern angebaut zu werden. Denn in der Schweiz gilt seit 2005 ein Gentech­moratorium. Das verbietet die Verwendung von gentechnisch veränderten Organismen in der Land­wirtschaft. Nur zu Forschungs­zwecken darf unter Einhaltung strenger Auflagen und Sicherheits­massnahmen mit gentechnisch veränderten Pflanzen gearbeitet werden – wie auf der geschützten Anlage von Agroscope, wo die resistente Kartoffel getestet wurde. Das aktuelle Moratorium gilt noch bis Ende des Jahres und wird danach wahrscheinlich um weitere vier Jahre verlängert.

Doch Wissenschaftlerinnen und Befürworter sagen, es sei an der Zeit, das Verbot aufzuheben. Sie weisen auf die enormen Entwicklungen der Gentechnik im letzten Jahrzehnt hin und sehen darin die Lösung vieler land­wirtschaftlicher Probleme: Pflanzen könnten etwa schnell und relativ einfach an den Klima­wandel angepasst und gegen Krankheiten resistent gemacht werden. Gentechnik könnte also helfen, den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren, wie es die Pestizid- und die Trinkwasser­initiative fordern.

Kritikerinnen halten die Gentechnik dagegen nach wie vor für eine Gefahr: Noch wisse man zu wenig über mögliche Risiken von genveränderten Lebensmitteln.

Was ist dran an der neuen Gentechnik? Taugt sie als Alternative zu Pestiziden?

Das Versprechen der neuen Gentechnik

Die Gentechnik wurde in den frühen Siebziger­jahren geboren. In den USA gelang es Wissenschaftlern zum ersten Mal, das Erbgut, also den Bauplan, eines Bakteriums zu verändern. 1994 kam in den USA eine erste gentechnisch veränderte Pflanze auf den Markt – eine Tomate, die langsamer reifte und so länger haltbar sein sollte.

Die Gentechnik ist also nicht neu. Trotzdem sprechen Wissenschaft­lerinnen seit 2012 von der «neuen Gentechnik». Damals erfanden die Molekular­biologinnen Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier ein neues Verfahren, um DNA gezielt zu schneiden und dann zu verändern. Das Verfahren mit dem komplizierten Kürzel Crispr/Cas9, das auch als «Genschere» bezeichnet wird, war ein gewaltiger Fortschritt, weil Wissenschaftler damit viel präziser arbeiten können. Sie können einzelne Gene ausschalten oder neue Gene an einer definierten Stelle einsetzen. Die beiden Wissenschaft­lerinnen erhielten 2020 den Nobelpreis für ihre Entdeckung.

Das ist mit der klassischen Gentechnik nicht möglich. Dort schiesst man beispiels­weise Gene auf winzigen Gold­partikeln in die Zellen oder nutzt Bakterien zum Transfer der Gene. Wo die neuen Gene im Erbgut landen und wie viele Kopien eingebaut werden, ist Zufall.

«Die alte Gentechnik kann man mit einer Schrot­flinte vergleichen», sagt Pflanzen­biologe Didier Reinhardt, Mitglied des Forums Genforschung an der Akademie der Natur­wissen­schaften Schweiz. «Man konnte nicht kontrollieren, wo und wie die neuen Eigenschaften eingebaut wurden. Die Genschere ist dagegen zielgerichtet. Man kann sie an einen ganz bestimmten Ort lenken und bestimmen, an welcher Stelle im Genom etwas verändert werden soll.»

Der Hauptunterschied zwischen der alten Gentechnik und der neuen liegt also in der Präzision. Deswegen wird die neue Gentechnik auch Genom-Editierung genannt, weil sich damit das Genom – also das Erbgut – gezielt editieren lässt. Man kann sich das vereinfacht vorstellen wie einen Text­editor, der löschen, umschreiben und verändern kann.

Indem man genau bestimmen kann, welche Veränderungen man möchte, spart man viel Zeit. Denn bei der klassischen Gentechnik, die sich nicht so präzise lenken lässt, braucht es oft viele Versuche, bis die gewünschte Mutation entsteht.

Doch auch konventionelle Züchtungs­methoden bei Pflanzen sind langwierig. Bei der Mutations­züchtung zum Beispiel werden durch den Einsatz von Chemikalien oder durch Bestrahlung Mutationen in der Pflanze erzeugt – oft Hunderte oder sogar Tausende. Danach sucht man die Mutation heraus, die einen erwünschten Effekt hat, beispiels­weise benötigt die neue Sorte weniger Wasser. Um die gewünschte Mutation von den unerwünschten zu trennen, muss man die Pflanze rückkreuzen. Das heisst, sie wird einige Male mit der Ursprungs­pflanze gekreuzt, bis sie dieser wieder sehr ähnlich ist. Nur dass sie jetzt die gewünschte neue Eigenschaft enthält, in diesem Fall also weniger Wasser benötigt.

In der Kreuzungs­züchtung werden einer Pflanze Gene von wilden Art­verwandten eingekreuzt, die sie gegen eine bestimmte Krankheit resistent machen. Auch hier müssen anschliessend durch mehrfaches Rück­kreuzen die erwünschten Eigenschaften von den unerwünschten getrennt werden.

Durch das mehrmalige Rück­kreuzen kann es durchaus zehn bis zwanzig Jahre dauern, bis mit konventionellen Züchtungs­methoden eine neue Sorte entstanden ist. Mit der neuen Gentechnik bräuchte man dafür nur zwei bis drei Jahre, sagen Wissenschaftler. Zudem könnten der Pflanze in einem Schritt gleich­zeitig mehrere neue Eigenschaften mitgegeben werden.

Das wäre ein gewaltiger Fortschritt, denn gerade in der Pflanzen­züchtung kämpft man oft gegen die Zeit. Mikro­organismen wie der Erreger der Kraut- und Knollen­fäule passen sich schnell ihrer Umgebung an und können Resistenzen in wenigen Jahren überwinden. Auch gegen Pestizide werden Mikro­organismen meistens irgendwann immun.

Mit der Genschere bräuchten Forscherinnen statt einiger Jahrzehnte nur einige Jahre, um neue resistente Varianten zu züchten. Aber nicht nur das: Sie können auch bessere Resistenzen kreieren, welche die Mikro­organismen erst gar nicht überwinden können.

Das geschah beispiels­weise in der Kartoffel auf dem Versuchs­feld von Agroscope. Wissenschaftler der nieder­ländischen Universität Wageningen fügten ihr nicht nur ein Gen ein, das gegen die Kraut- und Knollen­fäule immun ist, sondern gleich drei zusammen. Das macht die Kartoffel unschlagbar.

«Dass Mikro­organismen gleichzeitig gegen zwei oder drei Gene resistent werden, ist rechnerisch fast ausgeschlossen», sagt der Pflanzen­biologe Reinhardt. «Die neuen gentechnischen Verfahren bieten hier eine riesige Chance. Wir können so resistentere und zuverlässigere Sorten bekommen, die mit klassischer Züchtung nicht machbar wären.»

Mit resistenteren Pflanzen liesse sich also der Pestizid­einsatz drastisch verringern. Auch in anderen Ländern zeigen Versuche mit genom­editierten Pflanzen, dass man möglicher­weise auf Pestizide ganz verzichten oder zumindest die Menge stark reduzieren könnte. In Bangladesh etwa pflanzen viele Klein­bäuerinnen die preis­werten und beliebten Auberginen an, auch brinjal genannt. Doch der Auberginen­frucht­bohrer, ein Falter, vernichtet im Schnitt zwischen 30 und 60 Prozent der Ernte, obwohl grosse Mengen an Pestiziden eingesetzt werden.

Also beschloss die Regierung, eine gentechnisch veränderte Variante zu testen. Den Auberginen wurde ein Gen eingefügt, das einen insektiziden Stoff herstellt und damit den Falter abtötet. 2014 erhielten zunächst 20 Bauern das gentechnisch veränderte Saatgut, 2020 waren es bereits 27’000 Landwirtinnen.

Die Pflanze stellte sich als extrem effektiv heraus. Die Bauern brauchen nur noch ein Zehntel an Insektiziden, können mehr ernten und ihr Einkommen deutlich erhöhen.

Der Widerstand

Doch längst nicht alle sind überzeugt von der neuen Gentechnik.

Kritikerinnen mahnen zur Vorsicht. Denn über mögliche Auswirkungen von genom­editierten Pflanzen auf die Umwelt sei noch «extrem wenig Wissen vorhanden», sagt Paul Scherer, Geschäfts­leiter der Schweizer Allianz Gentechfrei.

«Die Risiken sind schwierig zu beschreiben, weil man noch zu wenig über sie weiss. Wir haben noch keine Langzeit­erfahrung. Man muss nicht nur das gesamte Genom genau untersuchen, sondern auch mögliche Auswirkungen auf das Ökosystem bei einer Freisetzung. Hat sich etwas verändert? Wie reagieren zum Beispiel die Mikro­organismen im Boden?», sagt Scherer.

In der Schweiz gilt wie in der EU das Vorsorge­prinzip. Erst muss die Sicherheit einer Technologie nach­gewiesen werden, bevor sie zugelassen wird. In den USA, wo gentechnisch veränderte Pflanzen weitläufig verwendet werden, gilt dagegen: Solange man keine Risiken kennt, darf die Technik angewendet werden.

Ob gentechnisch veränderte Lebens­mittel schlecht für unsere Gesundheit sind, ist unklar. Noch sind zumindest keine Risiken bekannt. Doch auf die Umwelt zeigen gentechnisch veränderte Organismen bereits Auswirkungen.

Als die Gentechnik in den Neunziger­jahren gross wurde, haben globale Firmen wie Monsanto Pflanzen gezüchtet, die gegen Unkraut­vernichter resistent sind. Sie haben zusätzlich gleich die passenden Herbizide, also Unkraut­bekämpfungs­mittel, entwickelt. Ein berühmtes Beispiel ist die Soja­variante «Roundup ready», die gegen den Wirkstoff Glyphosat im Herbizid Roundup immun ist. Landwirte können so Herbizide gross­flächig auf die Felder sprühen und ungewünschte Beikräuter beseitigen, ohne die Haupt­kultur zu zerstören.

Das spart viel Zeit. Es führt aber auch dazu, dass mehr Herbizide versprüht werden als auf konventionelle Pflanzen. Forscher der Universität Koblenz-Landau machen gentechnisch veränderte Pflanzen sogar haupt­sächlich dafür verantwortlich, dass die Menge der eingesetzten Herbizide in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat.

Zumindest in Bezug auf die Unkraut­vernichter ist also das Gegenteil von dem geschehen, was sich viele Befür­worterinnen der neuen Gentechnik erhoffen: Auf gentechnisch veränderte Pflanzen wurden tatsächlich mehr Unkraut­vernichter versprüht statt weniger. Das Argument, dass Gentechnik­pflanzen ein Ersatz für Pestizide sein könnten, sei bisher «nur eine unbewiesene Hypothese», sagt denn auch Scherer.

Doch die Frage ist: Ist die Technik an sich dafür verantwortlich, dass mehr Herbizide verwendet werden? Oder ist das Problem eher, wie die Technik verwendet wird?

Denn die Gesamt­menge an Pestiziden – also nicht nur Herbizide, sondern alle Pflanzen­schutz­mittel –, die weltweit versprüht wurde, konnte in den letzten 20 Jahren um 37 Prozent gesenkt werden, wie eine grosse Übersichts­studie von Forschern der Georg-August-Universität Göttingen ergab. Die Fortschritte wurden vor allem in Entwicklungs­ländern dank dem Einsatz von insekten­resistenten Pflanzen erzielt – wie der Aubergine in Bangladesh.

Urs Niggli verfolgt die Debatte rund um Gentechnik, seit sie in den Neunziger­jahren erstmals aufkam. Der Agrar­wissenschaftler und ehemalige Leiter des Forschungs­instituts für biologischen Landbau im aargauischen Frick sagt, die Industrie habe «gewaltige Fehler» gemacht. «Die Ablehnung der Technologie ist eigentlich ein Widerstand gegen die Monopole der Agrarmultis.»

Denn von der ersten Generation der gentechnisch veränderten Mais-, Raps- und Sojasorten hätten hauptsächlich Gross­grund­besitzer und Firmen profitiert. Sie werden oft grossflächig in Mono­kulturen angebaut, vor allem in den USA, Kanada, Brasilien und Argentinien. Der Grossteil der gentechnisch veränderten Pflanzen wird nicht für Lebens­mittel verwendet, sondern zu Mast­tier­futter weiter­verarbeitet.

In einigen Ländern, vor allem im globalen Süden, gerieten ausserdem Land­wirtinnen in Abhängigkeit von grossen Saatgut­herstellern. Denn gentechnisch verändertes Saatgut darf patentiert werden. Patente auf Pflanzen bedeuten, dass Bauern jedes Jahr neues Saatgut kaufen müssen, anstatt die Pflanzen selbst weiter­zuzüchten. Das kostet viel Geld.

Trotz allem spricht sich Niggli, der als Vordenker für die biologische Land­wirtschaft gilt, für die neue Gentechnik aus. «Wir müssen differenzieren zwischen einem politischen Anliegen, einem ökonomischen Anliegen und einer Beurteilung einer Technologie», sagt er. Er sehe Gentechnik als Teil der Lösung.

«Um auf chemische Pestizide verzichten zu können, brauchen wir diversifizierte Anbau­systeme, also weniger Mono­kulturen, mehr Frucht­wechsel, mehr biologischen Pflanzen­schutz», sagt Niggli. «Und wir brauchen resistente Sorten. Mit der Genom-Editierung gibt es zahlreiche neue Möglichkeiten.»

Die Gesetzgebung

In der Europäischen Union wird gerade intensiv über die neue Gentechnik debattiert. Grund dafür ist eine Studie der EU-Kommission, die Ende April erschien. Sie kommt zum Schluss, dass die Genom-Editierung Potenzial habe, «um zu einem nachhaltigen Lebens­mittel­system beizutragen». In diesem Zusammen­hang hervor­gehoben werden beispiels­weise Pflanzen, die gegenüber Krankheiten, Umwelt­bedingungen und Auswirkungen des Klima­wandels widerstands­fähiger sind – insbesondere Pflanzen, die weniger Pestizide brauchen.

Allerdings sei das Gentechnik­gesetz aus dem Jahr 2001, unter das die Genom-Editierung momentan fällt, «für diese innovative Technologie nicht zweck­mässig», heisst es in der Studie. Deshalb soll in den nächsten Monaten geklärt werden, wie die neue Gentechnik gesetzlich geregelt werden kann.

Einige Befürworter der Genschere pochen darauf, dass geneditierte Pflanzen genauso wie Pflanzen aus der traditionellen Kreuzungs- und Mutations­züchtung nicht dem Gentechnik­gesetz unterstellt werden. Das soll insbesondere dann gelten, wenn den Pflanzen keine fremden Gene eingesetzt worden sind. Denn in solchen Fällen liessen sich die Mutationen von natürlich entstandenen Mutationen nicht unterscheiden.

Doch Kritiker wie Paul Scherer von der Schweizer Allianz Gentechfrei erinnern an das Vorsorge­prinzip und fordern, dass gentechnisch veränderte Pflanzen ordentlich geprüft werden, bevor sie auf den Markt kommen. «Wir sind nicht per se gegen Gentechnik. Aber wir sagen, wir brauchen klare Gesetze.»

Tatsächlich zeigen Studien, dass die Genschere nicht zu 100 Prozent präzise ist. Es können in seltenen Fällen auch Mutationen an anderen Stellen als der gewünschten auftreten.

Das sei allerdings kein Problem, sagt der Pflanzen­biologe Didier Reinhardt: «Man kann zur Kontrolle das ganze Genom einer Pflanze sequenzieren, um sicher­zustellen, dass nur da geschnitten wurde, wo man wollte.» Zudem würden bei normalen Mutations- und Kreuzungs­züchtungen ebenfalls unbeabsichtigte Veränderungen entstehen. «Aber bei diesem Prozess redet niemand von Sicherheit im Zusammen­hang mit ungewollten Mutationen», sagt Reinhardt. «Ein Problem ist, dass wir Messlatten an die neuen Methoden anlegen, die an die alten gar nie angelegt wurden und auch in Zukunft für diese nicht vorgesehen sind.»

Bei der Gesetzgebung gehe es allerdings nicht nur um die Frage der Sicherheit, sagt Michelle Habets. Sie beschäftigt sich am nieder­ländischen Rathenau Instituut mit verantwortungs­voller Innovation in Biotechnologie. «Es ist sehr wichtig, dass die Gesellschaft Gentechnik öffentlich diskutiert. Denn letztendlich kommt es auf die Leute an, ob sie Gentechnik wollen oder nicht. Und unter welchen Bedingungen», sagt sie.

Denn Gentechnik sei nicht nur reine Wissenschaft. Es gehe dabei auch um die Frage, wie wir mit Patenten, Monopolen und der Wahl­freiheit bei Lebens­mitteln umgehen wollen, sagt Habets.

Eine gesellschaftliche Frage

Wie sieht es in der Schweiz aus? Ist die Gesellschaft offen für die neue Gentechnik?

Drei von vier Personen sehen in gentechnisch veränderten Lebens­mitteln eine Gefahr, ergab eine Studie des Bundesamts für Statistik von 2020. Die Zahlen werden alle vier Jahre erhoben und haben sich seit 2011 kaum verändert.

Trotzdem ist mittlerweile ein leichter Stimmungs­wandel zu erkennen. Wissenschaft­lerinnen der ETH Zürich sehen durchaus Tendenzen in der Öffentlichkeit, Gentechnik zu akzeptieren. Allerdings nur, wenn Gentechnik als Schutz­massnahme eingesetzt wird, also um Pflanzen resistenter gegen den Klima­wandel oder gegen Schädlinge zu machen. Und auch dann nur, wenn der gentechnisch veränderten Pflanze ausschliesslich Gene aus einer anderen Sorte des gleichen Pflanzen­typs eingesetzt werden – wie das zum Beispiel bei der Kartoffel der Fall war. Das ergab eine Umfrage unter Hunderten Deutsch­schweizerinnen.

Und auch die IG Detail­handel zeigt sich offen für die neue Gentechnik. Gerade beim Thema Klima­wandel und Pestizide könne die Genom-Editierung «Lösungen bieten», schrieb sie Anfang Februar in einer Stellung­nahme. Sie begrüsst zwar eine Verlängerung des Gentech­moratoriums, fordert die Regierung aber auf, die nächsten vier Jahre zu nutzen, um sich aktiv mit dem Thema auseinander­zusetzen.

Darin sind sich sowohl Kritiker als auch Befür­worterinnen der Gentechnik einig: Es muss öffentlich und sachlich über das Thema gesprochen werden. Denn die neue Gentechnik bietet Potenzial, Pflanzen resistenter gegen Schädlinge zu machen. Gleichzeitig hat die Gentechnik in der Vergangenheit ihre Versprechen nicht eingehalten. Ob, wie und unter welchen Rahmen­bedingungen die neue Technologie in der Pflanzen­züchtung eingesetzt werden darf, muss die Gesellschaft deshalb diskutieren.

Zur Autorin

Katharina Wecker berichtet als freiberufliche Journalistin über Umwelt, Klima­wandel und gesellschafts­politische Themen. Ihre Texte und Videos erscheinen unter anderem bei der «Deutschen Welle» und «Spiegel online». Für die Republik schrieb sie zuletzt über die Pestizidinitiative.