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Referendum angekündigt: «Freunde der Verfassung» wollen Medienförderung verhindern

Das Parlament will in der bevorstehenden Sommersession einen markanten Ausbau der Medienförderung beschliessen. Doch das letzte Wort wird wohl die Stimmbevölkerung haben.

Von Dennis Bühler, 28.05.2021

Wenn am Montag die Sommersession des Parlaments beginnt, lautet eine der grossen Fragen: Soll der Staat die Medien in ihrer strukturellen Krise mit deutlich mehr Geld unterstützen als bisher?

Der Ständerat berät am Dienstag zum zweiten Mal über den Vorschlag des Bundesrats, die Post­zustellung stärker zu subventionieren und neu auch Online­medien zu fördern; am Donnerstag ist die Reihe dann wieder am Nationalrat, der das Paket im März bereits grossmehrheitlich durchgewinkt hat. Das Ziel der zuständigen Medien­kommissionen beider Parlaments­kammern ist es, das Gesetz innerhalb der nächsten drei Wochen zu verabschieden.

Ich will es genauer wissen: Ausbau der staatlichen Medienförderung

Ausbau der indirekten Presse­förderung: Bisher subventioniert der Bund die Postzustellung der Regional- und Lokalpresse mit 30 Millionen Franken pro Jahr. Neu sollen mit 50 Millionen sämtliche abonnierten Tages- und Wochen­zeitungen unterstützt werden, also auch nationale Titel mit einer grösseren Auflage. Abweichend vom Bundesrat haben sich der Ständerat bei seiner ersten Beratung vor einem Jahr und der Nationalrat vor drei Monaten zudem dafür ausgesprochen, mit 40 Millionen Franken die Frühzustellung von Zeitungen zu subventionieren – hiervon profitieren Titel, die nicht von der Post, sondern von privaten Früh­zustellern in die Brief­kästen geliefert werden. Bereits einig sind sich die beiden Parlaments­kammern auch, dass die Verbands- und Mitglieder­presse mit jährlich 30 statt wie bisher 20 Millionen Franken unterstützt werden soll. Findet das Mediengesetz in der Schluss­abstimmung in zweieinhalb Wochen eine Mehrheit, wird der Vertrieb der gedruckten Presse künftig folglich mit jährlich 120 Millionen Franken gefördert – 70 Millionen mehr als bis anhin.

Förderung von Onlinemedien: Mit 30 Millionen Franken pro Jahr will der Bundesrat Online­medien fördern. Der Nationalrat hat dies Anfang März bewilligt, der Ständerat hat im Grundsatz schon im Juni 2020 zugestimmt (allerdings hat er die Ausgabenbremse damals nicht gelöst). Berechtigt wäre, wer von seinen Leserinnen Geld einnimmt, sei es durch Abos oder Spenden. Dabei gälte der Grundsatz: Je mehr Umsatz, desto kleiner der Anteil der staatlichen Unterstützung. Ein kleines Online­portal wie «Tsüri» oder «Bajour» dürfte pro im Publikums­markt erzielten Franken mit dem maximalen Unterstützungs­satz rechnen. Geht es nach dem Bundesrat, betrüge dieser 80 Rappen; der Nationalrat hat sich im März für 60 Rappen ausgesprochen; die Medien­kommission des Ständerats plädiert für 80 Rappen. Gut möglich, dass sich die beiden Kammern letztlich auf 70 Rappen einigen werden. Eine umsatz­stärkere Publikation wie die Republik würde deutlich weniger bekommen (hier finden Sie die Position der Genossenschaft Project R, die die Republik herausgibt). Gestritten wird noch darüber, wie lange Online­medien Geld erhalten sollen: Der Bundesrat und die Ständerats­kommission wollen das Gesetz auf zehn Jahre befristen, der Nationalrat auf fünf Jahre.

Rahmenbedingungen verbessern: Weitgehend unbestritten ist im Parlament der Vorschlag des Bundesrats, Aus- und Weiterbildungs­institutionen wie die Journalisten­schule MAZ sowie die Nachrichten­agentur Keystone-SDA und den Presserat mit gesamthaft maximal 30 Millionen Franken pro Jahr zu unterstützen. Geld erhalten sollen zudem IT-Projekte, die der ganzen Branche zur Verfügung stehen. Finanziert werden sollen all diese Rahmenverbesserungen mit maximal 2 Prozent aus dem Ertrag der Radio- und Fernsehabgabe.

Allerdings formiert sich nun Widerstand: Der Verein «Freunde der Verfassung» erwägt, das Referendum gegen das Medienförderungs­gesetz zu ergreifen. Dies bestätigt Co-Präsident Werner Boxler auf Anfrage der Republik. Seine Befürchtung: «Medien, die an den Staats­tropf angeschlossen werden, beobachten den Staat und seine Führungs­figuren nicht länger kritisch.» Das sei nichts als logisch, denn: «Wer zahlt, befiehlt.»

Gegen Medien, die ihre Wächter­funktion wahrnehmen, hätten weder seine Mitstreiter noch er etwas einzuwenden, versichert Boxler. Auch sei man staatlicher Medien­förderung nicht per se abgeneigt, sofern die Unabhängigkeit der vierten Gewalt gewahrt bleibe. «Man könnte den Bürgerinnen und Bürgern beispielsweise ermöglichen, all ihre Medien­abonnemente von den Steuern abzuziehen.» Denkbar sei zudem, ihnen aus der Staats­kasse ein Abonnement ihrer Wahl zu finanzieren.

Befürworter der bundesrätlichen Vorlage sind überzeugt, dass die Unabhängigkeit der Medien auch mit dem geplanten Ausbau der staatlichen Förderung gewahrt wird. Stellvertretend für viele sagte der Bündner CVP-Politiker Martin Candinas im Juni im Nationalratssaal: «Mit dieser neuen Förderung unterstützen wir den Journalismus, ohne Einfluss auf die redaktionelle Unabhängigkeit zu nehmen. Die Bevölkerung soll in allen Landes­teilen eine vielfältige publizistische Leistung beziehen können, die sie ohne Medien­förderung am Markt nicht kaufen könnte.»

Referendumsfähige neue politische Kraft

Die «Freunde der Verfassung» haben ihre Fähigkeit, in kurzer Zeit sehr viele Unterschriften gegen eine staatliche Vorlage zu sammeln, jüngst gleich zweimal unter Beweis gestellt: Mit über 90’000 gültigen Unter­schriften kam ihr Referendum gegen das Covid-19-Gesetz problemlos zustande. Auch zum Erfolg des Referendums gegen das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) trug der erst vor einem Jahr gegründete Verein mit rund 57’000 Unter­schriften massgeblich bei. Über beide Vorlagen wird in gut zwei Wochen abgestimmt.

Zurzeit sammelt der Verein, der nach eigenen Angaben inzwischen mehr als 10’000 Mitglieder zählt, Unter­schriften für die Volksinitiative «Stopp Impfpflicht». Mit ihr soll in die Bundes­verfassung geschrieben werden, dass Personen, die sich nicht impfen lassen, weder sozial noch beruflich benachteiligt werden dürfen.