Briefing aus Bern

Die Abstimmungen vom 13. Juni, ein Vorschlag zum Abbau der Corona-Schulden – und unsensible SRG-Boni

Das Wichtigste in Kürze aus dem Bundeshaus (147).

Von Reto Aschwanden, Elia Blülle, Dennis Bühler, Anja Conzett, Bettina Hamilton-Irvine und Carlos Hanimann, 20.05.2021

Der Bundesrat hat an seiner Sitzung am Mittwoch die Abstimmungs­vorlagen für den 26. September festgelegt. Es handelt sich dabei um die von den Juso eingereichte Volks­initiative «Löhne entlasten, Kapital gerecht besteuern», auch bekannt als 99-Prozent-Initiative, und das Referendum gegen die «Ehe für alle», die auch gleich­geschlechtlichen Paaren die Heirat ermöglichen würde. Vorerst aber beschäftigen uns die fünf Vorlagen, die am 13. Juni an die Urne kommen. Worum es im Einzelnen geht sowie die Argumente von Befür­wortern und Gegnern lesen Sie hier in der Kurzvorschau.

Bundesgesetz über polizeiliche Mass­nahmen zur Bekämpfung von Terroris­mus (PMT)

Worum es geht: Bundesrat und Parlament wollen die Bundes­polizei Fedpol mit neuen Kompetenzen ausstatten. So soll sie künftig gegen sogenannte «Gefährder», also Personen, von denen sie annimmt, sie könnten in Zukunft terroristisch aktiv werden, eigen­mächtig eine Reihe von präventiven Massnahmen erlassen können: Melde­pflichten, Kontakt­verbote, Ausreise­sperren, Ein- und Ausgrenzungen – und Hausarrest. Einzig der Hausarrest muss von einem Zwangs­massnahmen­gericht bewilligt werden. Erfahrungs­gemäss bewilligen die Gerichte über 97 Prozent solcher Gesuche.

Wer dafür ist: Bundesrat und Parlament; SVP, FDP, Mitte, EVP.

Wer dagegen ist: Grünliberale, Grüne, SP; zahlreiche Rechtsexpertinnen.

Was die Befürworter sagen: Die Schweiz hat in den vergangenen Jahren die Möglichkeiten zur Terrorismus­bekämpfung kontinuierlich ausgeweitet, allerdings bestehen noch immer Lücken. Mit dem neuen Gesetz kann die Bevölkerung besser vor Terror­anschlägen geschützt werden. Der Polizei soll es ermöglicht werden, frühzeitig gegen Gefährder vorzugehen. Heute kann sie nur eingreifen, wenn jemand bereits eine Straftat begangen hat.

Was die Gegner sagen: Das Gesetz verstösst gegen die Menschen­rechts- und die Kinderrechts­konvention, da einige Massnahmen bereits gegen Personen ab 12 Jahren eingesetzt werden können. Es verletzt die Gewalten­teilung, weil die Polizei die Massnahmen eigen­mächtig beschliessen und durch­setzen darf. Ausserdem schafft die Schweiz mit einer neuen Terrorismus­definition international einen gefährlichen Präzedenzfall.

CO2-Gesetz

Worum es geht: Das Parlament hat ein neues CO2-Gesetz verabschiedet, mit dem die Schweiz das Klima-Über­einkommen von Paris umzusetzen gedenkt. Es sieht vor, dass die Schweiz bis 2030 ihre Treibhausgas­emissionen gegenüber 1990 halbieren muss; mindestens 75 Prozent der dafür vorgesehenen Massnahmen müssen im Inland erfolgen. Zur Erreichung der Ziele sollen vor allem der Strassen- und der Flug­verkehr mit höheren Abgaben belegt werden. Die daraus resultierenden Einnahmen fliessen über die Kranken­kassen­prämien an die Bevölkerung zurück, auch klima­freundliche Technologien, Gebäude­sanierungen und weitere Klimaschutz­massnahmen sollen über einen Klima­fonds unterstützt werden.

Wer dafür ist: Bundesrat und Parlament; FDP, Mitte, SP, GLP, Grüne, EVP sowie der Wirtschafts­dachverband Economiesuisse.

Wer dagegen ist: SVP, diverse Wirtschafts­verbände (die Erdöl­vereinigung Avenergy Suisse, Kaminfeger Schweiz u. a.) und Teile der Klimastreik­bewegung.

Was die Befürworterinnen sagen: Ab dem Jahr 2050 soll die Schweiz unter dem Strich keine Treibhausgas­emissionen mehr ausstossen. Dafür reichen die bisherigen Bemühungen nicht. Das neue CO2-Gesetz verstärkt die Anreize für erneuerbare Energien und beschleunigt die Abkehr von den fossilen Brenn­stoffen. Dank den Rück­zahlungen an die Bevölkerung ist das Gesetz sozialverträglich.

Was die Gegnerinnen sagen: Das neue Gesetz belastet Unter­nehmen mit zusätzlichen Abgaben und Auflagen. Ausserdem benachteiligt es Auto­fahrerinnen, die mit einer weiteren Erhöhung des Benzin­preises rechnen müssten. Die Schweiz trägt mit ihren Emissionen nur wenig zum globalen Ausstoss bei und soll deshalb besser mit günstigeren Massnahmen im Ausland das Klima schützen. Einige linke Organisationen bekämpfen das Gesetz, weil es «klima­zerstörerische Strukturen» verfestige.

Volksinitiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide»

Worum es geht: Die Initiative verlangt, dass der Einsatz von synthetischen Pestiziden in der Land­wirtschaft, in der Lebens­mittel­produktion und -verarbeitung, in der Infrastruktur- und Landschafts­pflege sowie in Privat­haushalten verboten wird. Des Weiteren soll der Import von Lebens­mitteln, die mit synthetischen Pestiziden produziert oder verarbeitet wurden, untersagt werden. Der Initiativ­text sieht eine Übergangs­frist von 10 Jahren vor.

Wer dafür ist: SP, Grüne, EVP, Umweltverbände.

Wer dagegen ist: SVP, Die Mitte, FDP, Bundesrat und Parlament, Bauernverband, Economiesuisse.

Stimmfreigabe: GLP.

Was die Befürworter sagen: Synthetische Pestizide, die heute in der Schweiz zum Einsatz kommen, gefährden Mensch, Tiere und Pflanzen. Grenzwerte werden regelmässig überschritten, und selbst kleinste Mengen zugelassener synthetischer Pestizide sind gesundheits­schädlich, besonders für Kinder. Durch ein Verbot wird zudem die rückläufige Biodiversität gefördert und dank der Import­einschränkung auch die hiesige Land­wirtschaft gestärkt.

Was die Gegner sagen: Die Zulassungs­bedingungen für synthetische Pestizide sind ausreichend zum Schutz von Mensch und Umwelt. Die Annahme der Initiative gefährdet die Versorgungs­sicherheit. Die Produktivität der hiesigen Land­wirtschaft wird abnehmen, unter anderem deshalb, weil bei gewissen Pflanzen die Alter­nativen für synthetische Pestizide ungenügend sind. Produkte würden teurer werden. Zudem würde das Import­verbot gegen inter­nationale Abkommen verstossen.

Volksinitiative «Für sauberes Trink­wasser und gesunde Nahrung»

Worum es geht: Die Initiative will, dass nur noch jene Landwirte staatliche Direkt­zahlungen erhalten, die ohne Pestizide produzieren, bei ihren Tieren weder prophylaktisch noch regelmässig Antibiotika einsetzen – und nur so viele Tiere halten, wie sie mit dem auf dem eigenen Hof produzierten Futter ernähren können. Mit diesen Massnahmen will die Initiative eine Verbesserung der Trink­wasser­qualität herbei­führen, die vielerorts in der Schweiz unter dem Einsatz von Pestiziden und Dünger leidet. Der Initiativ­text sieht eine Übergangs­frist von 8 Jahren vor.

Wer dafür ist: SP, Grüne, Grünliberale, Umweltverbände.

Wer dagegen ist: SVP, FDP, Die Mitte, der Bauern­verband, der Branchen­verband Bio Suisse sowie Bundesrat und Parlament.

Was die Befürworterinnen sagen: Damit Land­wirtinnen Direkt­zahlungen erhalten, müssen sie schon heute die Einhaltung bestimmter Umwelt­auflagen nachweisen – diese Auflagen sollen nun verschärft werden, weil die heutige Land­wirtschafts­politik das Grundrecht auf sauberes Trinkwasser verletzt. Es ist stossend, dass der Staat mittels Direkt­zahlungen Umwelt­schäden und Gesundheits­risiken subventioniert: Im Trinkwasser findet sich krebs­erregendes Nitrat, die Biodiversität schwindet, Seen müssen künstlich belüftet werden.

Was die Gegnerinnen sagen: Dürfen keine Pflanzen­schutz­mittel mehr eingesetzt werden, wird die land­wirtschaftliche Produktion in der Schweiz stark zurück­gehen, weshalb vermehrt Lebens­mittel­importe aus dem Ausland nötig sind. Weil dort laschere ökologische Auflagen gelten, werden die Umwelt­schäden exportiert und aus globaler Perspektive erhöht. Zudem ist die Initiative unnötig, weil das Schweizer Trinkwasser problemlos trinkbar ist und das Parlament verschiedene Gesetzes­anpassungen vorgenommen hat, um die Qualität weiter zu verbessern.

Covid-19-Gesetz

Worum es geht: Zu Beginn der Pandemie stützte sich der Bundesrat auf Notrecht, weil das Epidemien­gesetz keine ausreichende gesetzliche Grundlage für die nötigen Massnahmen bot. Die meisten dieser Massnahmen hielt er in der Covid-19-Verordnung fest. Weil Not­verordnungen aber höchstens 6 Monate lang gelten, beschloss der Bundesrat im April 2020, sie gemeinsam mit anderen Pandemie­verordnungen in ein Bundes­gesetz zu überführen. Das Covid-19-Gesetz wurde vom Parlament im September 2020 verabschiedet und trat, weil für dringlich erklärt, sofort in Kraft. Seither wurde es zweimal revidiert. Es regelt etwa Kurzarbeits­entschädigungen oder Härtefall­hilfen für besonders betroffene Branchen, Unterstützungs­leistungen für Kultur, Sport und Medien während der Pandemie oder die Rahmen­bedingungen für das Contact-Tracing-System. Da der Verein «Freunde der Verfassung» erfolgreich das Referendum gegen das Gesetz ergriffen hat, kommt es zur Volks­abstimmung. Wird es abgelehnt, tritt es am 25. September 2021 ausser Kraft.

Wer dafür ist: Bundesrat, SP, FDP, GLP, Grüne, Die Mitte, EVP.

Wer dagegen ist: EDU, Verein «Freunde der Verfassung».

Stimmfreigabe: SVP.

Was die Befürworter sagen: Dank dem Gesetz kann Unter­nehmen, Angestellten und Selbst­ständigen geholfen werden, die durch die Pandemie in Not geraten sind. Bei einer Ablehnung wäre diese millionen­schwere Unter­stützung nicht mehr sichergestellt, Arbeits­plätze wären gefährdet und Firmen würden in Konkurs gehen. Die Not von Betroffenen in der Kultur­branche, im Sport und in den Medien würde verstärkt. Ein Nein würde aber nicht heissen, dass Massnahmen aufgehoben würden.

Was die Gegner sagen: Das Gesetz verbindet Unter­stützung für Firmen mit schädlichen Massnahmen. Besser wäre es, jegliche Massnahmen sofort zu beenden und die Entschädigungen in ein gesondertes Gesetz zu überführen. Aktuell missbrauchen Regierung und Parlament das Covid-19-Gesetz dazu, um neue Massnahmen einzuführen, die nicht auf Fakten basieren. Zudem schafft das im Gesetz geregelte Contact-Tracing die Grundlage für eine permanente Massenüberwachung.

Und nun zu den wichtigsten Nachrichten der Woche aus Bern:

Corona I: Schulden­tilgung soll bis 2036 dauern

Worum es geht: Der Bund soll die Corona-Schulden im Lauf der nächsten 15 Jahre abbauen. Das schlägt die nationalrätliche Finanzkommission dem Bundesrat vor. Abgelehnt hat die Kommission hingegen einen Antrag, wonach der Bundes­anteil aus dem Gewinn der National­bank vollumfänglich zur Tilgung der Corona-Schulden eingesetzt werden soll.

Warum Sie das wissen müssen: Die Pandemie und die Massnahmen gegen ihre Folgen gehen ins Geld – bis Ende des laufenden Jahres dürften die daraus resultierenden Schulden des Bundes etwa 30 Milliarden Franken betragen. Gemäss der geltenden Schulden­bremse müsste dieser Fehl­betrag im Laufe von 6 Jahren kompensiert werden. Das Parlament kann aber in besonderen Fällen – wie etwa einer Pandemie – eine Frist­erstreckung beschliessen. Genau das schlägt die Kommission nun vor, und zwar ohne Gegen­stimmen. Konkret soll der Schulden­abbau über das sogenannte «Amortisations­konto» des Bundes abgewickelt werden. Über dieses Konto laufen alle ausser­ordentlichen Ausgaben und Einnahmen, etwa ungeplante Budget­überschüsse aus nicht ausgeschöpften Krediten, die pro Jahr ungefähr eine Milliarde Franken betragen. Mit dem Vorschlag der Finanz­kommission liessen sich Steuer­erhöhungen und Spar­massnahmen vermeiden.

Wie es weitergeht: Der Bundesrat will im Sommer einen Vorentwurf zur Änderung des Finanz­haushalt­gesetzes in die Vernehmlassung schicken, in dem er darlegt, wie er die pandemie­bedingten Schulden abbauen will. Der proaktiv eingereichte Vorschlag der Kommission ist nicht bindend, die partei­übergreifende Abstützung signalisiert der Landes­regierung aber, welche Massnahmen mehrheits­fähig sind.

Corona II: So soll das Zertifikat genutzt werden

Worum es geht: Der Bundesrat hat am Mittwoch erklärt, wie er das Covid-Zertifikat einsetzen möchte. Das Zertifikat bescheinigt seiner Inhaberin, geimpft, genesen oder negativ getestet zu sein. Nach dem Willen des Bundes­rats soll es ab dem 7. Juni ausgestellt und spätestens ab Ende Juni für eine beschränkte Zeit eingesetzt werden.

Warum Sie das wissen müssen: Das Zertifikat soll in der Übergangs­phase, in der Einschränkungen gelockert, aber noch nicht aufgehoben sind, zum Einsatz kommen. Dabei unterscheidet der Bundesrat drei Bereiche.

  • Der grüne Bereich umfasst Orte des alltäglichen Lebens und Kontakte mit Behörden. Solche Orte sind namentlich Schulen, Arbeits­plätze, Läden und der öffentliche Verkehr. Hier soll das Zertifikat nicht zum Einsatz kommen.

  • Der orange Bereich bezieht sich auf Einrichtungen wie Restaurants, Freizeit­betriebe, Vereine oder auch Spitäler und Heime. Hier soll das Zertifikat nur vorgeschrieben werden, wenn sich die epidemiologische Lage verschlechtert und mit dem Einsatz eine Schliessung der Einrichtungen verhindert werden kann. Allerdings können Betreiber von Fitness­studios, Restaurants oder Kinos von ihren Kundinnen ein Zertifikat verlangen, um dadurch andere Schutz­massnahmen zu vermeiden.

  • Der rote Bereich ist das eigentliche Einsatz­gebiet des Zertifikats: der internationale Personen­verkehr und Anlässe beziehungs­weise Orte mit erhöhtem Ansteckungs­risiko wie Gross­veranstaltungen oder Diskotheken. Der Bundesrat geht davon aus, dass in nächster Zeit viele Staaten ein Zertifikat für die Einreise verlangen werden.

Wie es weitergeht: Die genaue Umsetzung und die entsprechenden Verordnungs­anpassungen gibt der Bundesrat am 11. Juni zur Konsultation an Kantone, Sozial­partner und Parlaments­kommissionen.

Massentier­haltung: Bundesrat präsentiert direkten Gegen­vorschlag

Worum es geht: Der Bundesrat stellt der Volks­initiative «Keine Massen­tierhaltung in der Schweiz» einen direkten Gegen­entwurf gegenüber. Darin schlägt er vor, das Wohl­ergehen für Tiere als allgemeinen Grund­satz in der Verfassung zu verankern und auf alle Tiere auszuweiten.

Warum Sie das wissen müssen: Die Massen­tierhaltungs­initiative will der industriellen Nutztier­haltung in der Schweiz ein Ende setzen und sie durch eine tier­freundliche und ressourcen­schonende land­wirtschaftliche Produktion ersetzen. Während der Schweizer Bauern­verband das Ansinnen ablehnt, wird es unter anderem von der Kleinbauern-Vereinigung unterstützt. Nach dem Ende der Vernehmlassung hat der Bundesrat nun mitgeteilt, dass er die Initiative definitiv zur Ablehnung empfiehlt, obwohl auch ihm das Wohl­ergehen der Tiere ein wichtiges Anliegen sei. Sein Gegen­entwurf schlägt Kriterien vor für eine tierfreundliche Unter­bringung und Pflege, für regel­mässigen Auslauf und für Schlachtungen, bei denen Schmerzen, Leid und Angst mit allen möglichen und zumut­baren Mitteln vermieden werden. Im Unter­schied zu den Initiantinnen spricht sich der Bundesrat aber dagegen aus, die maximale Herden­grösse pro Stall zu beschränken, da dies seiner Ansicht nach keine unmittelbare Verbesserung des Tierwohls verspreche. Weil sie mit den inter­nationalen Verpflichtungen der Schweiz nicht vereinbar und mit aufwendigen und teuren Kontrollen verbunden wären, will er zudem auf Import­beschränkungen für Produkte aus Massen­tierhaltung verzichten.

Wie es weitergeht: Ab dem Herbst werden der National- und der Ständerat über die Volks­initiative und den Gegen­vorschlag diskutieren. Bereits hat das Initiativ­komitee bekannt gegeben, sich nicht mit dem bundes­rätlichen Alternativ­vorschlag zufrieden­geben zu wollen.

Rahmen­abkommen: Der Bundesrat spielt weiter auf Zeit

Worum es geht: Am Mittwoch hat der Bundesrat zum wiederholten Mal über das institutionelle Rahmen­abkommen mit der Europäischen Union beraten. Respektive: darüber, wie er aus den Verhandlungen aussteigen kann, ohne die EU allzu sehr zu vergraulen. Denn ein Vertrags­abschluss ist inzwischen derart unwahrscheinlich geworden, dass es nur noch darum geht, Brüssel von den angedrohten Straf­massnahmen abzuhalten. An der Medien­konferenz am Mittwoch wollte sich Bundesrats­sprecher André Simonazzi diesbezüglich noch nicht in die Karten blicken lassen.

Warum Sie das wissen müssen: Letzte Woche hatte eine Umfrage im Auftrag von Inter­pharma ergeben, dass fast zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung einen Vertrags­abschluss wünschen. In den letzten Tagen versuchten die Befürworterinnen des Rahmen­abkommens, den Druck auf den Bundesrat noch einmal zu erhöhen. So hielt die Aussen­politische Kommission des Nationalrats eine ausser­ordentliche Sitzung ab, zu der Aussen­minister Ignazio Cassis und Bundes­präsident Guy Parmelin aufgeboten wurden. Im Anschluss sagte Kommissions­präsidentin Tiana Angelina Moser (GLP), ein Abbruch der Verhandlungen sei keine Option, «wenn kein Konzept vorliegt, wie die Bilateralen weiter­geführt werden können». Der Bundesrat scheint sich davon aber nicht beirren zu lassen. So soll auch ein letzter Rettungs­versuch von Bundesrätin Viola Amherd gescheitert sein – neben ihr sei gemäss Indiskretionen nur noch Simonetta Sommaruga dafür, mit Brüssel einen Kompromiss zu suchen. Der Bundesrat hält zum Unverständnis etlicher Parlamentarierinnen ein verwaltungs­internes Papier zurück, in dem alle sieben Departemente skizziert haben, mit welchen Folgen zu rechnen wäre, wenn das Abkommen vom Tisch ist – und welche Gegen­massnahmen die Schweiz treffen könnte.

Wie es weitergeht: Lange wird der Bundesrat die EU nicht mehr hinhalten können. Voraussichtlich wird er die Verhandlungen am kommenden Mittwoch entweder für gescheitert erklären – oder ein anderes Wording für denselben Sach­verhalt finden (so könnte er die Verhandlungen beispiels­weise auch «sistieren»).

SRG-Kritikerin der Woche

«Saftladen», polterte Mitte-Präsident Gerhard Pfister, als bekannt wurde, dass das Schweizer Fernsehen jeden Monat 400’000 Franken ausgibt, um Fernseh­studios zu reparieren. Politiker nutzen halt gern jede Gelegenheit, um der SRG zu zeigen, wo der Bartli den Most holt. Eine solche Gelegenheit bietet nun der jüngst publizierte Geschäfts­bericht der SRG. Das Unter­nehmen blickt auf ein ziemlich düsteres letztes Jahr zurück, in dem die Werbe­einnahmen einbrachen, der Markt­anteil des Fernsehens sank, das Unter­nehmen trotz Kritik Kurzarbeits­gelder bezog, mit einem Defizit abschloss und den Abbau von 250 Stellen bekannt gab. Generaldirektor Gilles Marchand konnte zudem seinen Job nur knapp retten, nachdem bekannt geworden war, dass Fernseh- und Radio-Angestellte in Genf von ihren Vorgesetzten belästigt und gemobbt worden waren. Trotz allem zahlte sich die SRG-Spitze praktisch gleich viele Boni wie im Jahr zuvor aus: Marchand verdiente insgesamt 533’000 Franken, Nathalie Wappler, die Direktorin von Schweizer Radio und Fernsehen SRF, gemäss CH Media rund 450’000 Franken, so viel wie eine Bundesrätin. Das findet Medien­ministerin Simonetta Sommaruga «angesichts der wegen Corona stark gesunkenen Einnahmen und Spar­massnahmen unsensibel», wie sie über ihre Sprecherin ausrichten lässt. Sie will das Thema nun mit der SRG thematisieren – womöglich bei einem Glas Fruchtsaft.

Illustration: Till Lauer