Covid-19-Uhr-Newsletter

Habemus Plan

17.02.2021

Teilen

Liebe Leserinnen und Leser – and everyone beyond

Journalisten mögen Symbolik. Macht sich immer gut in Texten. Darum beginnen wir heute so: Die blinzelnden Sonnenstrahlen des heutigen Tages waren schon fast symbolisch für die vorsichtig optimistischen Pläne des Bundesrats. Damit haben Sie nun ein Bild im Kopf, das Sie durch die folgenden (naturgemäss ziemlich dichten und trockenen) Passagen leiten wird. Also:

Die Landesregierung trat heute Mittwochnachmittag nach ihrer wöchentlichen Sitzung vor die Medien – um den weiteren Fahrplan im Hinblick auf Öffnungen zu kommunizieren.

Sie will lockern, aber schrittweise. Jeweils in monatlichen Etappen von Anfang März bis Anfang Mai. Der Bundesrat schickt heute seine Vorschläge in die Konsultation der Kantone. Das heisst: Diese sollen darüber beraten, dann wird in einer Woche entschieden.

Was soll sich ändern? Ab dem 1. März soll Folgendes erlaubt sein, wo das Ansteckungsrisiko klein ist. Der Bundesrat plant:

  • die Öffnung von Läden, Museen, Zoos, botanischen Gärten und Freizeitanlagen. Dies aber mit Maske, Abstand – und teilweise mit einer Höchstanzahl Personen. Dies gilt zum Beispiel auch für Einkaufszentren.

  • die Möglichkeit von Sport- und Kulturangeboten für Jugendliche bis 18 Jahre. Also zum Beispiel Musikanlässe – aber ohne Publikum. Auch die Angebote der Kinder- und Jugendarbeit sollen wieder zugänglich sein.

  • private Veranstaltungen im Freien mit bis zu 15 Personen.

Dabei betonte der Bundesrat heute die Unsicherheit, in der wir stecken. Er kommunizierte entschieden anders, als er das im letzten Jahr vielfach tat, wo oft «Wir haben die Situation unter Kontrolle» die kommunikative Devise war.

Heute präsentierte er einen groben zeitlichen Fahrplan, nicht ohne zu betonen: Das Virus kann das alles wieder ändern – es ist und bleibt unsicher. «Wir hoffen, dass es funktioniert. Aber: Wir gehen ein Risiko ein. Wir glauben, dass wir es uns leisten können, wenn alle mitmachen», so Gesundheitsminister Berset. «Es ist sehr schwierig zu wissen, wo wir in einem oder zwei Monaten stehen werden.» Wie schnell sich die vorsichtig optimistische Lage ändern könne, zeigten die Erfahrungen von Italien vergangenes Jahr oder von Portugal. «Es gibt keinen Grund, dass so was nicht auch bei uns passieren kann.»

Zum ersten Mal präsentierte der Bundesrat auch konkrete Zielvorgaben. Das sind die Bedingungen für die Öffnungen im geplanten zweiten Schritt auf Anfang April:

  • Die Positivitätsrate (also der Anteil aller positiven Tests an allen gemachten Abstrichen) muss unter 5 Prozent sein.

  • Die Auslastung der Intensivplätze mit Covid-19-Patientinnen darf nicht über 25 Prozent liegen.

  • Der 7-Tages-Schnitt des R-Werts (also wie viele weitere Menschen ein Infizierter statistisch gesehen ansteckt) muss unter 1 liegen.

  • Am 24. März darf die 14-Tages-Inzidenz nicht grösser sein als am 1. März.

Auch bezüglich Finanzen gibt es neue Beschlüsse. Dies schlägt der Bundesrat dem Parlament vor:

  • Das Härtefallprogramm soll auf 10 Milliarden Franken aufgestockt werden. Davon sind 6 Milliarden für kleinere und mittlere Unternehmen mit einem Umsatz von bis zu 5 Millionen Franken vorgesehen.

  • Änderungen im Arbeitslosenversicherungsgesetz: Der Bund soll auch 2021 die Kosten der Kurzarbeitsentschädigung übernehmen.

  • Die Anzahl Taggelder für berechtigte Personen soll für die Monate März bis Mai 2021 erhöht werden.

  • Nachträgliche Unterstützung für öffentliche Institutionen der Kinderbetreuung.

  • Kulturschaffende sollen rückwirkend Ausfallentschädigungen erhalten.

Die Medienkonferenz dauerte lange heute Mittwochnachmittag. Die Journalistinnen erkundigten sich auch nach den jüngsten Angriffen auf Gesundheitsminister Berset. Er sei ja als Diktator bezeichnet worden, sagte jemand. Bundespräsident Guy Parmelin konterte: «Wirkt er wirklich wie ein Diktator?» Finanzminister Ueli Maurer sagte: «Wir stehen als Gremium hinter den Beschlüssen.» Darauf Berset: «Eine Regierung, die funktioniert, ist eine Regierung, die diskutiert.» Ein klares Votum für das Kollegialitätsprinzip – und auch ein Signal gegen aussen.

Dass auch dieses Gremium vermutlich ein bisschen der Pandemie überdrüssig ist, zeigten die letzten Sekunden der Medienkonferenz. Wo wir denn in einem Jahr stünden, fragte eine Journalistin:

«Ich hoffentlich auf einer Terrasse mit Bier», sagte Berset. Und Parmelin doppelte nach: «Ich mit einem Glas Weisswein.»

Und damit zu:

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

Luzern weitet die Maskenpflicht an Schulen aus. Kommenden Montag enden im Kanton die Fasnachtsferien. Schülerinnen und Schüler der Volksschule, Gymnasien und Berufsfachschulen werden Präsenzunterricht haben, wie der Kanton heute mitteilte. Neu gilt eine generelle Maskenpflicht bereits ab der 5. Primarklasse.

Europäische Union sieht Fortschritte bei der Herstellung von Impfstoff. Das Werk des Herstellers Astra Zeneca in Belgien habe seine Produktion nun «drastisch erhöht», sagte der zuständige Kommissar der EU heute. Wegen Lieferverzögerungen entbrannte vor einigen Wochen ein heftiger Konflikt. Gleichzeitig sei aber das Unternehmen Pfizer aktuell etwa 10 Millionen Dosen im Hintertreffen.

Die weltweite Zahl der Ansteckungen hat deutlich sichtbar abgenommen. Zum Jahresbeginn waren der Weltgesundheitsorganisation, der WHO, noch über 5 Millionen neue Infektionen pro Woche gemeldet worden. Unterdessen sind es nach mehreren Wochen stetigem Rückgang fast die Hälfte: 2,7 Millionen. Dies, so die WHO, weil in den schwer betroffenen Regionen Europa und Nordamerika strenge Massnahmen ergriffen wurden.

Ausgangssperre in den Niederlanden bleibt vorerst in Kraft. Gestern berichteten wir an dieser Stelle, dass ein Gericht das Verbot, abends das Haus zu verlassen, für rechtswidrig befand und aufhob. Doch die Regierung zieht das Urteil weiter – und die Berufungsinstanz hat noch gestern Abend die Sperre vorerst wieder in Kraft gesetzt. Diesen Freitag gehen die Verhandlungen weiter. Ein Urteil wird nächste Woche folgen.

Und zum Schluss: Schmunzelnswert

Manchen mögen die Lockerungsschritte verfrüht vorkommen. Oder zu wenig schnell gehen. Wir finden: Ein Jahr Pandemie hat genügend oft gezeigt, dass Erreichtes auch schnell wieder verspielt werden kann. Zumindest in Griffnähe sollte also die Handbremse immer sein. Passend dazu verweisen wir auf eine – amüsante – Zusammenstellung des «New Yorker». Darin vergleicht das Magazin verfrühte Öffnungen mit Alltagssituationen.

Zum Beispiel: «Sie sind acht Unzen Körpergewicht losgeworden. Jetzt ist der Zeitpunkt, wieder mit Kohlenhydraten anzufangen.»

Wir findens schmunzelnswert. Gefunden hats Republik-Kollege Simon Schmid. Hier gibts den Rest zu lesen.

Bleiben Sie umsichtig. Bleiben Sie freundlich. Und bleiben Sie gesund.

Oliver Fuchs und Marguerite Meyer

PS: Haben Sie Fragen und Feedback, schreiben Sie an: covid19@republik.ch.

PPS: Wir würden uns freuen, wenn Sie diesen Newsletter mit Freundinnen und Bekannten teilten. Er ist ein kostenloses Angebot der Republik.

PPPS: Denken wir an Fasnacht, denken wir vielleicht an Einsiedeln – wo sich diese Woche Fasnachtsnarren zu einem Umzug mit 1000 Personen haben hinreissen lassen, trotz Virus. Dass es auch anders geht, zeigen die Bilder aus New Orleans in den USA. Die Stadt, bekannt für ihren Mardi Gras, konnte die traditionelle farbenfrohe Parade nicht durchführen. Stattdessen dekorierten Bewohnerinnen ihre Häuser exzessiv – die auch auf einem Spaziergang bestaunt werden können. «Die Menschen in New Orleans wissen, wie man Scheisse in etwas Grossartiges verwandelt», sagte eine Bewohnerin. Wir finden das inspirierend!